November 20, 2024
Monat: November 2024
November 19, 2024
Natürlich ist es ein Privileg, wenn man morgens im November nicht irgendwo hin muss, wo man angestellt ist und von Glück sagen kann, wenn einem die Arbeit nicht nur gefällt, sondern auch gut tut. Aber wie Ferienaufenthalte oder Rentner:innenberichte zeigen, ist es gar nicht so einfach, einen freien Tag mit Inhalt anzureichern, der tatsächlich die Schatzkiste des lebendig Erlebten bündelt und zu neuen Kraftzentren führt. Das kann allerdings nur passieren, wenn ich mich geübt habe in selbstbestimmtem Denken und Handeln, und somit geübt in der Frage, wer mir da im Spiegel entgegen schaut, und ob ich diese Fassade schon durchdrungen habe, die Maske gelüpft und das, was ich vorfinde, beim Namen genannt. Sodass ich eventuell darüber Aussage machen kann, damit andere Menschen mich nicht umrätseln müssen, oder mehr oder weniger aus mir machen wollen, weil ich die Information nicht liefern kann. Ich meine jetzt die bewegliche, sich stets selbst justierende Information, die einer Quelle verantwortlich ist, also einem Ort, der der Wahr-Nehmung meines persönlichen Seins entspricht. Die Existenz aller Wahrnehmungsmöglichkeiten ist unbestritten, und so ist und bleibt vermutlich einer der wahren Sätze, dass ich existiere, weil das unleugbar ist. Alles Weitere ist schon Schöpfung, Poesie oder Prosa, auf jeden Fall aber Erzählung. Gleichzeitig sind die Erzählungen aber auch Richtlinien, und kein Mensch kann der Handhabung seines mitgegebenen Gepäcks entgehen, außer er oder sie gibt ab an andere, die sich damit dann egene Welten erfinden und bauen. Und dann das (gewählte) Alleinsein mit sich über die Stunden hinweg, eben in der schönen Deutung des Wortes, dass ich hier das gute Schicksal erlebe, mit mir in Gegenwart des Alls zu sein, mit unendlichem Raum zur Verfügung, in dem ich den Künsten des Daseins nachforschen kann: sitzen stehen liegen gehen essen trinken malen schreiben denken – du meine Güte, das Denken! Kann denken, kann mich selbst erkennen, das Innere beleuchten, schauen, was da so alles los ist in mir, und auch draußen, klar, aber vor allem drinnen. Dass es dem ähnelt, was ich mir vorstellen kann vom Menschenleben. Die Praxis der Fähigkeit zum friedlichen Miteinander. Kurz: zu lieben.
November 18, 2024
Es ist ja keine neue Nachricht, dass das Schlaraffenland, wo Milch und Honig von den Bäumen tropfen und fast jeder fast alles haben kann, was er oder sie oder die Kinder brauchen, dass diese Schlarafferei einmal würde sich stark verändern müssen, bzw. der Weisheit des „This, too, shall pass‘ unterliegen. Die Nutznieser:innen sich Gedanken werden machen müssen über die großen und die kleineren Zusammenhänge, und nicht erschrecken über die Resultate dieser nimmer endenden Zusammenhänge, oder doch erschrecken? Ja, es ist schon der dritte Winter für die Ukraine, und nun dürfen sie hinüberschießen ins Feindesland, und das wird weitere Beunruhigung hervorrufen. Drüben, in den sogenannten Vereinigten Staaten, wird auf allen Kanälen um ein unheimliches Puzzle herumgegrübelt, und drunter und drüber geknobelt, wie es sein kann, was offensichtlich ist, und nun Wege gefunden werden müssen, die man nie bedachte. Drei Dämonen kommen gut ausgerüstet und bieten Galactus ihre Dienste an, der sie abschätzend betrachtet und als Meisterkriecher erkennt. Oder es wird klar, dass es Galaktus in Wirklichkeit gar nicht gibt, was hoffen oder besser offen lässt, was drei Alphanarzissten mitinander anfangen oder beenden werden. Wir wissen es nicht, und dieses Nichtwissen hat auch etwas Befreienden, denn die Zeit ist kostbar und kann noch für anderes und weiteres genutzt werden. Oder von der Nutzung oder dem Genutzten oder dem Abgenutzten undsoweiter etwas Abstand nehmen und sich radikal für das Lebendige entscheiden, indem das, was da ist, in den Blick genommen werden kann. Dem eigenen Maßstab kann, sobald er errichtet ist immer geantwortet werden. Alles in Maßen.
November 17, 2024
November 16, 2024
Mir wurde klar, dass gerade das absurdeste Theater, dass die politische Weltbühne zu bieten hat, eine große Faszination auslöst, denn hier werden Gesetze aus den Angeln gehoben, was oft missverstanden wird als Zeichen für erwünschte Resultate. Aber man darf sich auch als entfernte Beobachterin nicht fangen lassen, so, als wäre einem jeden Morgen zur selben Stund‘ ein weiteres Stück der Serie geboten, um das Suchtpotential in Gang zu halten. Ich trainiere mich zum Beispiel, bestimmte Nachrichten nur einmal zu hören und nicht noch bei drei Panels, nur weil etwas nicht zu fassen ist. Es i s t nicht zum Fassen. Und genau d a s ist erwünscht, denn wenn ganz viele etwas nicht fassen können, ergibt sich die gewünschte Verwirrung, und die neue Ordnung bzw. das unvermeidbare Chaos kann eingeführt werden. Für mich liegt die Lösung nicht darin, einen Diätplan mit meinem Smartphone auszuarbeiten, sondern es muss radikaler sein. Zumindest für den Übergang ins Amphitheater, wo die Dinge gelassener ablaufen und man sich mit der nötigen Wachheit den Leidenschaften der Menschheit widmen kann – ihren Komödien und ihren Tragödien. Damit man rechtzeitig mit den Komplexitäten des Menschseins konfrontiert wird, die günstigerweise Früchte tragen, sodass man handlungsfähig bleibt, wenn die griechische Tragödie an die Haustür kommt.
gruseln
November 15, 2024
Gruseln kann vor allem im Kindesalter etwas aufregendes oder anregendes haben, aber nicht so im weiteren Verlauf, wenn es einen dann schüttelt und rüttelt und wenn die als stabil vermutete Grundsicherung, was Werte und Vernunft betrifft, zu bröckeln beginnt. Und so bewege ich mich noch immer an der Schnittstelle zwischen Philosophie und Politik, weil wir von der Zuschauertribüne aus sehen und bezeugen konnten, dass genau an dieser Stelle das noch Menschliche auf das menschlich Entwertete trifft. Trump ist ja nur eine Marionette in diesem Gespensterkabinett, eben damit wir sehen, dass unvorstellbares Grauen sich vorwärtswälzt und einen selbst, noch weit entfernt vom Tatort, grübeln lässt, was zu denken und zu tun ist in dieser rabenschwarzen Stunde. Trump hat öffentlich an Hitler bewundert, wie ergeben sie ihm alle waren, und das möchte er auch. Er provoziert mit ungeheuren Herausforderungen, um zu wissen, wer unter allen Umständen noch mitspielt mit ihm, denn die braucht er. Und für einen unerhörten Moment lang ist es ihm gelungen, der Welt zu zeigen, dass einer wie er absolute Macht besitzt, um weiterhin tun und lassen zu können, was er möchte. Da kommen einem die Knaben im Bundestag doch noch fast harmlos vor. Und klar würden wir, das undefinierte Wir, dem philosophierenden Robert Habeck gerne mitteilen, wie gerne wir ihm die Chance zum Kanzlersein anbieten würden, aber wir sind nicht naiv. Selbst Friedrich Merz hat hier nur die übliche toxische Männlichkeit, die manche Positionen scheinbar fordern, aber man fürchtet nicht das radikale Aussetzen jeglicher Nachvollziehbarkeit oder eine herandämmernde Demenz im Zeichen des Wahnsinns. Oder was einem noch so alles einfallen könnte, lässt man den Dämonen in sich selbst freien Lauf. Wer hatte es nicht neulich noch als erlösende Möglichkeit für das Weltgefüge erwogen, wenn einer der potentiellen Mörder ihn, also Trump, tatsächlich erwischt hätte, obwohl aus der Geheimagentenküche schon verlautet wurde, alles wäre gefaked gewesen, um einen geretteten Halbgott aus ihm zu machen. Das Beunruhigende ist, dass es doch sehr an die Hitlerzeit erinnert, wo der immer schwärzer werdende Schlund kein Ende zu nehmen schien, bis seine Verbrechen den Feigling in den Selbstmord trieben, den Mörderkopf auf den Schoß einer Frau abgelegt. Nun habe ich keinerlei Ehrgeiz, eine Schauermärchenerzählerin zu werden, merke aber, dass ich noch in Schockverarbeitung bin. Es ist nicht Trump, der beunruhigt, sondern es ist die Masse der Menschen, die ihn gewählt hat. Man ertappt sich beim Löcherbohren in die unendliche Leere, die wie der Abgrund ein Ort ist, den man auch wieder verlassen kann.
November 14, 2024
Im sogenannten reichsten Land der Erde hat nun ein clowneskes Trio so viel Macht in den Händen, dass man zwischendrin mal einen tüchtigen Lachanfall hervorbringen kann, oder hört es sich eher an wie ein Keuchhusten. Und doch übt vermutlich gerade die Zirkusperformance solch eine Verwunderung aus, weil die dort im Aktionsfeld alle was machen, was man selbst nicht kann oder verstehen kann, sodass die Distanz vorprogrammiert ist. Hier kann man sich dann in die geistig konstruierte Lieblingsarena setzen, wo man gleichzeitig zuschauen und alleine reflektieren kann. Ich meine, wir bekommen nicht nur in Amerika das Unvorstellbare geboten, sondern auch hier im Bundestag geht es hoch her, oder geht es eher niedrig her. Staunt man? Hätte man es wissen sollen? Und genau w a s hätte man wissen sollen. Auch das Hätten hat nun sein Ende gefunden. Und was hilft es zu hoffen, dass z.B. Friedrich Merz uns erspart bleibt, denn wer ist ‚uns‘ , denen er erspart bleiben soll. Und Hoffen lag mir eh nie, eher schon die leichtfüßige Dokumentation eines Lebensverlaufes, in dessen Spuren man sich für eine Weile aufhält, um dann den Weiterlebenden alles Gute zu wünschen für ihre Abenteuer. Denn das bleibt es ja: ein Abenteuer. Niemandem wurde versprochen, dass wir mal alle vorhandenen Früchte auf einem Kleinmarkt wiederfinden würden. Aber es war dennoch die Zeit der großen Wunder. (Von Wunde zu Wunder und wieder zurück). Eine Handyfirma in Indien (Jio) verteilte Millionen von freien Smartphones, damit wirklich jede/r an diesem Suchtprogramm beteiligt sein konnte, und siehe da, es funktionierte auf der ganzen Welt. Wenn aber 90% der Weltbevölkerung einen Großteil ihrer Zeit die Welt über eine Glasscheibe wahrnimmt, kann es der Welt an sich nicht so gut gehen. Und so ist es ja auch: es geht der Welt nicht gut, und trotzdem, oder gerade deswegen, bleibt uns nichts anderes übrig, als aufzustehen vom philosophisch verwundeten Knie und weiterhin zu sein, wer man ist, denn darin liegt ja auch eine verlässliche Reifung.
November 13, 2024
Stimmt, die Hölle muss nicht erst kommen, sondern wir leben schon drin. Selbst wenn man das unverschämte Glück hatte und immer noch hat,, einigermaßen unbeschadet durchzukommen, hat man von der Höllenqualität der menschlichen Spezies genug gesehen und gehört, um zu wissen, dass es hier gefährlich sein kann uns auch ist. Deswegen hat Italo Calvino beobachtet, dass es zwei Arten gibt, in dieser Hölle zu leben, indem ich entweder so tue, als seien Hass und Zerstörung und das Misshandeln und Missbrauchen und Töten (z.B.) von Kindern und Frauen völlig normal, und ist halt so, ich passe mich an und werde ‚ein Teil von ihr‘. Die zweite Variante, sagt Calvino, ist riskant und verlangt ständige Aufmerksamkeit und Lernbereitschaft‘, indem wir erkennen, was in der Hölle nicht Hölle ist, und d e m Dauer und Raum geben. Ja, ich benutze seine Worte, weil ich finde, man kann es gar nicht besser sagen. In Indien wird vor allem das schwarze Zeitalter, also das Zeitalter der Ignoranz, als Hölle beschrieben, in der vor allem Dämonen ihr Unwesen treiben. Vom heutigen Bildungsstandpunkt aus kann man sich gar nicht mehr vorstellen, dass der Planet einmal weniger Höllenqualen für seine Bewohner:innen zu bieten hatte, denn es scheint doch eher so zu sein, dass man sich, will man ‚Mensch‘ beziehungsweise ‚menschlich‘ werden, sich aus den eigenen Höllenanteilen herausackern muss, wofür anscheinend immer sehr wenig Menschen Raum und Zeit haben. Es braucht Kraft, unabhängig zu werden von den oberflächlichen Beurteilungen anderer, dann aber auch das Auge auf sich selbst lenken zu können, um Klarheit zu erlangen, wie ich meine eigenen Kräfte einzusetzen gedenke, und in welche Richtung ich sie letztendlich lenke. Wenn ich meine eigenen Dämonen mir gegenüber setzen kann, ist schon viel gewonnen und kann dazu führen, dass ich aus dem Netz der Scheinheiligkeit falle. Man muss herausfinden, was man selbst als ‚höllisch‘ betrachtet. Drei von fünf Kindern weltweit erfährt häusliche Gewalt, lese ich heute früh aus einer neuen Studie. Diese erwachsenen Kinder laufen da draußen herum und haben nicht erfahren, was es braucht, um ein ‚gutes‘ Leben zu leben. Man erfährt eine Verstummung, bevor man weiß, dass man trotzdem weitermachen muss. Gerade jetzt ist es wichtiger denn je, dass man einerseits weiß, was man selbst für ‚Hölle‘ hällt, und andrerseits ‚dem, was nicht Hölle ist, Raum gibt. Und Dauer.
Mit Dank an Calvino
November 12, 2024
Dieses durch einen Schock Auf-sich-selbst-Zurückgeworfensein wird zweifelsohne dadurch begünstigt, wenn man das Glück hat, dort, wo man hingeschmettert wurde, sich selbst wiederzufinden. Also wenn schon eine gewisse Stabilität vorhanden war, bevor der Schock kam. Man hat ja an diesem Beispiel, dem amerikanischen, gesehen, dass die Schockwellen weit über Landesinteressen -und grenzen hinausgingen. Für einen kurzen Moment, der auch für künstliche Intelligenz nicht erfassbar war, hat sich das ganze Gefüge in zwei Lager gespalten. Ein Mann, dem jede Vorstellung von gutem Charakter abhanden gekommen ist, hat den Joker gezogen und hält nun sehr viel Macht in den Händen. Nur äußere Weltmacht natürlich und Geldmacht usw, wen interessiert’s noch. Oder man sieht ihn als den selbsternannten Joker, sich selbst ernannt zu allen möglichen grotesken Späßen. Aber auch ich muss ihn lassen, denn von da, wo das Irrlicht gerade als von Gott höchstpersönlich Begnadigtem seine Strippen zieht, geht ein unheiliger Sog aus, von dem man sich lösen muss. Es rumort ja auch in diesem Land, und alle sind sehr beschäftigt. Und man selbst, denkt man so vor sich hin, ist doch (danach) auch noch diesselbe. Aber ist sie wirklich noch diesselbe. Ist es nicht viel eher so, dass die Welt aussieht wie vorher, sie selbst aber findet sich verändert vor. Man weiß die Dinge ja oft über lange Zeiten hinweg, und auf einmal versteht man sie, dann erst kennt man den Unterschied. Wenn man froh darüber ist, keine Wahl mehr zu haben, ich meine jetzt in gutem, reflektiertem Sinne. Und deswegen wurde in Wirklichkeit gar nichts verschwendet, es verschwindet nicht, es lagert im Irgendwo und ist abrufbar, wenn die Zeit dafür gekommen ist. Selbst der Satz ‚der Schein trügt‘ kann, obwohl er so klar ist, vielfach verstanden und missverstanden werden. Wir ringen um Klarheit.
November 11, 2024
Wie hieß doch dieser berühmte Fluch…’Möget ihr in interessanten Zeiten leben.‘ Und ja, das stimmt, Zeiten können sehr interessant sein, man muss auf der Hut bleiben und häufig schwerwiegende Entscheidungen treffen. Wenn man die Show der ganzen Gaukelei erfasst, geht es einem nicht besser, denn der gute Rat war doch, sich immer an die Besten zu halten. Aber wer zum Teufel sind die Besten, und wer ist überhaupt zuständig für bestimmte Fragen, die oft ohne Antworten bleiben müssen. Und manchmal hört auch ein bestimmtes Interesse auf einmal schlagartig auf, denn das Spiel geht seinen eigenen Weg, und dann kann es passieren, oder passiert gerade in der Weltpolitok, dass ein großer Graben sich auftut und man anerkennen muss, dass Trennung als notwendend einzusetzendes Werkzeug, unentbehrlich ist. Es gibt Trennungen, die im Danach weiterhin Verbindung aufnehmen können, und es gibt Trennungen, die unaufhaltsam und absolut sind. Zwei Dampfer, die eben noch im Hafen nebeneinander lagen, fahren in entgegengesetzte Richtungen hinaus. Ja, ich reibe mir auch immer noch die Augen, der Umgang mit dem schwer zu Fassenden, die klebrigen Flügel der Täuschung, oder ist es die Enttäuschung über die 60% der Weltbevölkerung, die scheinbar immer nach dem Menschenweltretter lechzen und natürlich nach Führung. Die schwarzen Fahnen flackern am Raumschiff. Der Silver Surfer, der die Welt letztendlich auch nicht retten konnte (soviel ich weiß), wird von Galactus vom Schachbrett genommen. Auf der anderen Seite des Gletschers bewegen sich die Überlebenden. Diaioge werden geführt und Humor wird geschätzt. Der Gedanke ‚Wir werden sehen‘ nimmt neue Deutung an.
Italo Calvino
November 10, 2024
„Die Hölle der Lebenden ist nicht etwas, das erst noch kommen wird. Wenn es eine gäbe, ist es die, die schon da ist, die Hölle, in der wir jeden Tag leben, die wir durch unser Zusammensein bilden. Es gibt zwei Arten, nicht unter ihr zu leiden. Die erste fällt vielen leicht: die Hölle zu akzeptieren und so sehr Teil von ihr zu werden, dass man sie nicht mehr sieht. Die zweite ist riskant und verlangt ständige Aufmerksamkeit und Lernbereitschaft: zu suchen und erkennen zu lernen, wer und was inmitten der Hölle nicht Hölle ist, und ihm Dauer und Raum zu geben.“
November 9, 2024
Es gibt ja diese ungeheuren Turbulenzen des Denkens, wo erst einmal das Aufgewühltsein zu einer neuen Ordnung finden muss, bevor das immer schöpferische Potential nach neuen Wegen sucht und sie auch findet. Nun, neu kann man sie auch nicht immer nennen, manche sind uralt, werden vergessen, tauchen unversehens wieder auf. Manchmal ballt sich das Ganze zusammen und steuert auf einen Kipppunkt hin und kippt tatsächlich, und hat viele, schwer abwägbare Folgen. Auf jeden Fall rüttelt es auf und ist musikalish begleitet vom Gongschlag. Und dann: man will man, bei aller bereitwilligen Informationssucht, dann doch nicht in den Sog hineingezogen werden, wo die Gepenster hausen und wo Siegesfahnen wehen. Es geht nichts verloren, und so manche Kräfte entwickeln sich nur in der Stille. Wenn Zeit und Raum ist für da Wesentliche. Wenn mir klar wird, für was ich hier stehe in diesem Spiel, und dass ich meinen Einsatz gebe, wo ich kann und für was ich geeignet bin. Tun, was man kann, und d a s noch verfeinern. Manchmal geht es um alles oder nichts, und dann wiederum geht es um eine gute Verdauung. Man möchte leben, so gut man es kann. Dieses Können muss ich mir auch zutrauen. Und dann gibt es auch viele Wege, alles, was mir wirklich am Herzen liegt, umzusetzen. Manchmal braucht man Geduld. Man dachte, es war schon Akt V, aber es war erst Akt IV, das bringt Zeit für Erweiterung und Praxis. Immer noch Praxis oder Dabeisein? Das alles ist Sprache für die Sprachlosigkeit, heraus aus den dunklen Gewässern zog mich das Mühlenrad, und fühle daher eine gewisse Verantwortung, oder vielleicht ist es nur Dankbarkeit, ehrenamtlich, sozusagen, meinen Beitrag also zu geben, so gut ich kann.
November 8, 2024
Ja, der Schock saß auf eine vielschichtige Weise sehr tief und zeigte Neigung, sich ungünstig aufs Gemüt auszuwirken, denn es rumpelte und pumpelte und trumpelte inmitten des Ansturms von Machtlosigkeit in einem herum, und ringsum im Gewölbe vernichteter Meinungen die schwarzen Schattenflügel scheinbar um Fassung ringend, aber alles so irre und wirr. Die sogenannte Weltordnung vom Auge des Wirbelsturms verschluckt – und was wird bleiben, wenn das Ganze wieder aus dem Wurmloch herauskommt, und wird es erkennbar sein? So und vieles mehr schleppte sich bis zum Abend hin, dem 6. November, oder war es schon am 5.November, als der Schock den Nerv der Zeit traf. Man war wegen der trügerischen Sicherheit, die nun nur noch Staub war, nicht so gut vorbereitet, und lernte spontan die Lektion, sich dem Ungewissen gegenüber zu finden, mit dem man in dieser Form nicht gerechnet hatte. Und dann die ganz speziellen Details, als zum Beispiel die Frage, ob Amerika, das immer noch scheinbar mächtigste Land der Erde, reif sei für die Frage, ob eine Frau an der Spitze wohl d a s können kann, was ein Mann in Wirklichkeit gar nicht können muss, das zeigt das Beispiel. Dann kam noch am selben Abend der Zusammenbruch der Ampel dazu. Da fegte der kalte Wind durch die Schlaraffenländer, und die reißenden Ströme vernichteten die Spuren. HUHuuu! Gespenster bewegen sich durch künstliche Intelligenzen. Oder doch nicht? Vielleicht war es die Tiefe des Schocks, die ein Aufsteigen aus den Gruften der Menschenverzweiflung begünstigte, denn irgendwann ist Schluss mit Gruftenstolpern. Und auf einmal steht man wieder an der Schaltzentrale und überlässt der Eingebung das Steuer. Es geht voran und voraus, und mit weiteren Überraschungen ist zu rechnen. Das ist ja das Bemerkenswerte an diesem Spiel.
freuen
November 7, 2024
Freuen, dass ich geboren bin
und heut‘ Geburtstag hab‘.
Viel Glück und viel Segen
wünsch‘ ich mir’auf all meinen
Wegen. Gesundheit und
Wohlstand sollen auch mit
dabei sein.
vorerst
November 6, 2024
Sich fassungslos an den Kopf fassen
Dieses Bild oben entstand auf meinem Schmierzettel, wo ich die Farben ausprobiere oder abwische. Nun passt es ganz gut zur Stimmung, die sich offensichtlich nicht in allen, aber in einigen, ausbreitet. In der Nacht habe ich zweimal beim Aufwachen kurz hineingehört in die Prognosen, immer war es unvorhersagbar. Ich merke, wie sehr mich der Satz ‚Die Hoffnung stirbt am letzten‘ immer genervt hat, und jetzt will sie nicht sterben, so, als hätte ich vergessen, dass ein Strohhalm kein sicherer Anker ist. Die Angelegenheit ist ja in allerletzter Konsequenz nicht nur politisch, sondern…und wie soll das andere Wort denn heißen…’menschlich‘?…’philosophisch’…oder ganz einfach wortlosich? Denn was sehen wir da, was nicht zu fassen ist!? Die große Chance, durch eine weibliche Kraft das ganze Spiel auf Vorderfrau zu bringen, nicht nur durch erwartete Leistungen, sondern: das Volk hat die neue Möglichkeit gewählt, und nicht die unerträgliche Zumutung eines Menschen, den man zutiefst verabscheut, so ist es doch. Und dass das nicht mal für Latinos und Schwarze eine Abschreckung ist, sondern sie wählen ihn, ja, das kann man, ich kann es nicht, fassen. Dabei muss es nun bleiben vorerst, denn noch weiß ich nicht, ob tatsächlich schon alles verloren ist. Und bevor man angeregt wird, den Gewinn im Verlust zu kontemplieren. Und ob es überhaupt einen geben kann. Und ob man ihn wollen muss, den Gewinn im Verlust. Denn vom Bezeugen des lebendigen Scriptes kann einen (vorerst) nichts abhalten. Manchmal war man einfach viel mit dem Draußen beschäftigt. Dann wird man auf einmal auf sich zurückgeworfen. Auch nicht schlecht, wie gesagt: vorerst.
November 5, 2024
Ich finde es in so ziemlich jeder Lebenssituation angebracht, politisch informiert zu sein, sozusagen als Zutat zur eigenen Verarbeitung, die u.a. auch bei der volksinformierenden ‚Tagesschau‘ anschließend wünschenswert ist oder wäre. Man weiß ja gar nicht, was Menschen zuhause so alles sagen oder nicht sagen, weswegen ich ja so überrascht war, eine Trumpanhängerin hinter einer Ladentheke vorzufinden. Es ist auch so ein bisschen erschreckend, über mich selbst zu erfahren, dass ich tatsächlich von einem Menschen, der Trump sehr viel besser findet als Kamala Harris, erst einmal Distanz brauche, da hier etwas vorgefallen ist, was außerhalb meiner Nachvollziehungsmöglichkeit liegt. Eine Frau, die Trump wählt oder in irgendeiner Weise akzeptabel findet, ist für mich nicht nachvollziehbar. Bevor sich der nahezu unüberwindbare Abgrund auftut, der ja ebenfalls spaltet, kann man, wenn das möglich ist, einen Rückzug programmieren. Ich stehe ja nicht unter Zwang, mit Menschen zu kommunizieren, die mir nicht guttun, wobei jetzt die Frage berechtigt ist, ob es akzptabel ist, sich wegen einer politischen Einstellung von einem Menschen zu distanzieren. Meine Antwort ist ja, aber nur, wenn es, wie in diesem Falle, um jemanden wie Trump geht. Dieser Mann redet seit Jahren abfällig über Frauen, also wirklich auf dem niedersten Level, und es ist kaum möglich, dass Frauen es überhört haben. Ich muss also davon ausgehen, dass Bewunder:innen von Trump sich genau d i e Ablehnung wünschen, die sie bereits gewohnt sind, und hier wird sie gefeiert, die bösartige Pointe über das, was Frauen angeblich sind. Es gibt Frauen, die es berechtigt finden, dass ihre Männer sie schlagen, denn ihr Selbstwert ist auf Zero gedrückt worden, und das oft seit der Kindheit. Und weil ich dann an diesem Punkt spüre, wie fast widerwillig ein Mitleid sich regt, lehne ich das Mitleid ab, weil ich die Hintergründe, die Geschichten dann doch lieber von Therapeut:innen bearbeitet sehe, wo immerhin heilende Richtungen auftauchen können, wenn das psychische Experiment erfolgreich ist. Und trotzdem verblüfft es weiterhin, dass Augen, die so viel können, hinausschauen auf den Weltstrudel oder die Perfektion der Dramatik, und alle sehen etwas anderes. Weil wir nur die eigene Rolle gut spielen können, und was sie beinhaltet, und wie es uns gelngt, aus diesem Inhalt das für uns Beste zu machen. In dieser Hinsicht bleibt einem nichts anderes übrig, als auf die radikalste Möglichkeit dieses Spiels zuzugehen: sich selbst. (Und von dort aus immer wieder neu schauen).
es kommt
November 4, 2024
Eine taiwanesische Frau wurde neulich etwas in bezug auf die chinesische Bedrohung gefragt und antwortete ‚Was kommt, kommt. Warum sich Sorgen machen?‘ Das könnte man in alle Weltsprachen leicht übersetzen, und es würde von vielen verstanden werden. ‚Jo aata hai, aata hai‘ auf Hindi, oder in jedem Dialekt ’sich keen Kopp machen, es kütt, wie’s kütt. Aber natürlich ist das leicht gesagt, denn auch mein Kopf ist nicht ganz frei vom möglichen Resultat der amerikanischen Wahl, auch wenn Kamala Harris, und das wird sie, die Wahl gewinnt. Schon jetzt krächzt und ächzt die festgefahrene Uhr, oder war es gar nicht die Uhr, sondern das Geschlecht, oder gar das Gemächt, oder beides, das ächzende Gemächt, das sich festzuhalten versucht an den Angeln, und dort dann herumrangelt und gar nicht merkt, dass es aus der selbstgebastelten Falle herausgefallen ist, und da bröckelt der Halt, es wird kalt, oder wird es erst richtig heiß, wenn man weiß, dass es eine Frau geschafft haben soll, und das auch noch aus ganz offensichtlichen Gründen, der politischen Zukunft des Spitzennarzissten ein Ende zu bereiten. Die unterschwellige Unruhe schwappt auf die Polizisten über, auf allen Ebenen wird aufgerüstet für die Eventualitäten, die noch keine eindeutig klare Spur zeigen. Interessant, dass die politische Atmosphäre gleichzeitig in Amerika und Deutschland blubbert, und auch hier wird geächzt. Eine neue Weltordnung, langer Samtmantel mit Gestirndesign, steht gelassen vor dem Tor und wartet auf Einlass. Sie tritt erst ein, wenn die Bühne klargefegt ist vom Davorigen, das verlangt ein neuer Anfang, wenn es sowas überhaupt gibt, einen neuen Anfang. Noch habe ich keine/n getroffen, der sein oder ihr Gepäck einfach hinter sich lassen konnte. Selbst Marina Abramovic ließ sich erweichen, über ihre Vergangenheit zu reden, obwohl sie den Aufenthalt im Nu bevorzugt. Die Frage, wann man aufhören könnte, menschlich zu wirken, ist noch gar nicht beantwortet, weil (u.a.) gerade das Zerbrechen der künstlichen Fassade zur Menschlichkeit führt, und zur Kunst. Was die wartende Weltordnung betrifft, so wünsche ich mir ganz persönlisch einen grandiosen Akt der Illusionstötung. Der Impuls kommt, wer weiß, all is possible, vielleicht gar aus den Küchenzeilen, in denen vor allem Frauen vor sich hinbrüten. Das eigene Denken ist dort zwar eher unbekannt, aber um das Zünglein an der Waage zu sein, braucht es manchmal nur einen Moment der Entschlossenheit. Und klaro: was kommt, kommt. Ma che differenza!!!
Ruth Crawford Seeger
November 3, 2024
Allerheilgen/Diwali
November 1, 2024