stürmisch

Beim Zeus!, es kann einem durchaus spontan ein kleiner Überraschungsschrei entfahren bei der Nachricht, dass Donald Trump am 30.März 2023 angeklagt wurde. Hochtrainierte Armeen von menschlichen Spürhunden müssen unterwegs gewesen sein und sind immer noch unterwegs, ausgebildet im Durchhalten von Hochspannung, denn jetzt kommt das ganze Drama ja erst ins Rollen. Und gut, dass der amtierende Präsident sich da raushalten muss, was ihm nicht schwer fallen sollte. Das Wort „historisch“ jagt durch alle Kanäle, und da müssen sich einige Ankläger*innen ganz schön sicher sein, um dieses Fass tatsächlich aufzumachen. Das Fass, in dem das Ringen um Gerechtigkeit brodelt, unabhängig vom viel zitierten Thema des Schweigegeldes. Da platzt es nun unter aller Augen vor sich hin und wird uns alle in letzter Konsequenz betreffen, die wir immer noch in verhältnismäßiger Ruhe nach Herzenslust observieren und reflektieren dürfen, ohne durch eigene Gedanken im Gulag eines derzeitigen Weltherrschers zu landen. Mit angekurbeltem Interesse schaue ich mir mal den Mann an, Alvin Bragg, Staatsanwalt von Manhattan, von dessen Bezirk die Anklage ausgeht. Dieser Mann muss Nerven haben, aber vielleicht auch genügend Power, um sich weitgehend im Auge des Sturms aufzuhalten, während wir vermutlich den Wirbelsturm erst einmal digital erleben werden. Stürmische Zeiten, dass wissen wir ja schon. Aber wer hätte sich die Geschwindigkeit ausmalen können, mit der die Entwicklungen vorangehen! Selbst die KI-Experten würden gerne  das bereits weitgehend Entgleiste entschleunigter hantieren, aber das wird genauso wenig möglich sein wie vieles andere, was man gerne noch auffangen würde, bevor es zum Ausbruch kommt. Und während die Trump-Anhänger*innen in ihren Räumlichkeiten herumgrübeln, wie sie ihren Halbgott verteidigen oder retten könnten, da kommt aus Moskau die Botschaft, dass der Kreml großangelegte Cyberangriffe plant. Gleich zwei Höllenhunde, die losgelassen werden, hinein in die Menschheitsgeschichte, zusammen mit denen, die noch planen und nicht wissen, ob sie es wirklich tun werden, töten zum Beispiel, oder missbrauchen, oder falsch Zeugnis reden wider ihren Nächsten, oder eine Gruppe von reichlich dümmlichen Menschen mit offensichtlichen Lügen gehirnwaschen. Und was machen wir? Und von welchem „Wir“ rede ich überhaupt. Die vom europäischen Geist noch Berührten?, oder von all denen, von denen ich ausgehe, dass ihre Yogastunden zumindest soweit Wirkung haben, sodass man sagen kann: der oder die wird vermutlich keine Waffen kaufen wollen, um das eigene Zwergentum zu schützen.Trump ist ja des öfteren als vorzeigbarer Narzisst studiert worden, somit wird man in diesem Prozess auch einiges lernen können. Noch kennt niemand außerhalb der inneren Circles die Anklagepunkte. Und nur das Spiel weiß, was auf dem Spiel steht.

Fassung

Das kann einen tatsächlich fassungslos machen, was „da draußen“ alles geschieht. Man will grad mal kurz die Nachrichten hören und weiß dann (z.B.), dass die Kinderkriminalität enorm angestiegen ist und weiß dann dadurch, dass es Gegenbewegungen geben wird gegen all diese neuen Erkenntnisse, aber dann müssten eine Menge Eltern auf der Erde ihr Leben bzw. ihr Bewusstsein komplett umkrempeln, was vermutlich nicht geschehen wird. Schon eher, dass immer mehr Kinder zu den verfügbaren Waffen greifen oder selber welche basteln. Aber geht es nicht vielmehr um die Frage: was mache ich mit meiner eigenen Fassungslosigkeit? Aha, denke ich, die Fassung ist erschüttert. Was denn für eine Fassung? Der Schutzanzug bröselt so vor sich hin, schutzlos und dem Ungewissen ausgeliefert stehe ich mittendrin, also mitten im All die Atmosphäre durchkreuzend, die noch nie ein Mensch zuvor durchkreuzt hat. Denn was weiß ich denn, was sich da überall gerade zusammenbraut. Stark ermüdet schaut das Auge etwa nach Moskau und auf ein maskulines Selbstprodukt, dem es gelungen ist, die ganze Welt im Griff zu haben. Ja, hat alle und alles ergriffen. Die Waffenschmiede sind am Jauchzen, schon lange nicht mehr liefen die Geschäfte so gut, denn das Waffenlose kann sich keiner mehr leisten. Au weh, unser Planet geht kaputt, wer hätte das gedacht. Schon der altägyptische Priester schrieb seine Wehklagen nieder: „Abriß der Worte, Blütenlese der Sprüche, Sehnsucht nach Reden bei der Suche nach dem Herzen…Hätte ich doch unbekannte Reden, fremdartige Sprüche, neue Worte, noch nie gebraucht, und frei von Wiederholungen, nicht die Sprüche der Vergangenheit, welche die Vorfahren schon brauchten!“ Automatisch kommt man ins Nicken und weiß, vieles war in seinen erkennbaren Zügen schon da. Nur wusste man nicht so viel voneinander, die Welt war mit Begrifflichkeiten noch nicht überlastet. Der Priester konnte nicht ahnen, wieviel Luft da noch war, nicht nur nach oben, sondern nach allen Seiten hin, bis auch die letzte Madenform erforscht und auf Nützlichkeit zur Heilung des Menschen überprüft wurde. Zur Heilung von sich selbst, oder zumindest zusammen mit Anderen, die auch heilen wollen und unermüdlich ergründen, wie es denn dazu kommen konnte, dass wir so sind, wie wir sind. Wenn entweder der Druck uns zwingt uns zu fragen, wer wir denn seien, eine sehr alte Frage, die sich bis heute nicht abgenützt hat, oder aber wir haben auf einer der anspruchsvollen Ebenen verstanden, geschult durch intelligente Comedians, dass wir tatsächlich alle Tänzer*innen im Drama sind, eben verantwortlich nur für den kleinen Spalt, durch den das Licht unseres Schicksals Fassung und Form erhält, mit denen ich mein Schiff durch das Gewässer navigieren kann. Kein Captain mehr weit und breit!

 

bestimmen


Von den zehntausend Dingen auf Marmor
Irgendwann wissen wir bestimmte Dinge, die wir vorher nur ahnten, aber immerhin ahnten. Das kann man sehr gut in alten Notizbüchern nachlesen, wenn man verwundert und oft auch erschrocken auf das damals Gedachte starrt und denkt: Wow!, hab‘ ich das damals schon gedacht! Aber nicht nur gedacht, nein!,: sich sicher war, dass man wüsste. Und zum Glück weiß man nicht, wie lange es dauert, bis Erfahrung sich deckt mit Gewusstem, und Gewusstes mit neu Erlebtem. Daher die Bewusstseins-Strecke, wo es auf die Präzision des Tonarms ankommt und wo er die Software trifft, sodass sich ein Gespür entwickeln kann für den Ton, mit dem man das Ganze erleben möchte. Und natürlich ist auch die Freiwilligkeit nicht frei von bestimmten Qualen, die man erleiden muss, bevor überhaupt von einem Durchblick die Rede sein kann. Und welcher Durchblick? Wohin wird geblickt? Die großen Entscheidungen werden im Stillen gefällt, und d a s  kontinuierlich, sodass man nicht einmal von Traumatherapeut*innen erwarten kann, bis an jede verschlossene Tür der Korridore in dunkler Unterwelt Begleitung zu garantieren. Nirgendwo Garantie! Denn wer da herumwandert, wenn überhaupt, ist der oder die Einzige, die sich dort auskennen kann. Und wiederum geht es um Spielregeln.: Gehe ich als Eremit*in mit Lampe und bin belebt von kindlicher Neugier, oder irre ich als Gehetzter/ und Namenlose/r durch die Angst selbst, die dort zuhause ist und jederzeit bereit, die Drachenklauen auszufahren zum Angriff. Dann brauchen wir Waffen: Wenn das Dunkel unterwegs ist als lebendige Kraft, arglos und deutungsfrei wie das Licht. In einem der uralten Schriften Indiens wird  das Bewusstsein mit einer Rasierklinge verglichen, also eine Klinge, mit der man, wenn es nötig ist, das Eine vom Anderen trennen kann und nicht verwirrt wird von den scheinbaren Offensichtlichkeiten. Im Oben und im Unten des Inneren ständig Bewegung und Schöpfungsprozess. Das heißt, dass der Rhythmus, in dem wir selbst uns bewegen, genau der Rhythmus ist, in dem das Spiel sich bewegt: Etwas wird erschaffen, wird eine Weile erhalten und vergeht dann wieder, daran ist nicht zu rütteln. Nie wird jemand wissen können, warum wir alle hier mit unseren Begabungen und Aufträgen und Ämtern herumturnen, in der Übung gigantischer Bewährungsvorgänge, natürlich nur von uns bestimmt. Denn wer sollte sonst unser Sein bestimmen!?

schalten

Sicherlich hat es auch in anderen Zeiten geistige Ermüdungserscheinungen in Menschen gegeben, wenn das Gefühl auftaucht, dass alles schon gesagt und gedacht scheint. Aber was ist schon „alles“? Niemand war ja vorbereitet auf diese Totalbeströmung, die durch persönliche Tasten -und Knopfberührung in Gang gebracht werden kann, also die ganze Welt des Menschgemachten zu Hause gut angekommen ist bei uns allen.  Diese Totalbeleuchtung trifft auf dafür unvorebereitete Leben, die sich dann Anker suchen im Wirrwarr der Angebote. Dieser Anprall der Technik erscheint auf einem Boden, wo das Geheimnis des Menschseins noch in keiner Weise gelüftet ist. Ich meine: was sagen wir jetzt, wenn wir gefragt werden würden: wer bist du, und immer noch weiß ich es nicht?, oder die Frage hat mich noch gar nicht erreicht und ich deshalb gar nicht weiß, ob eine Antwort darauf überhaupt gefragt ist. Oder wenn neue Gänge sich öffnen und die Selbstwahrnehmung sich erweitert, und das wankelmütige Ich bestimmen kann, was es ist und was es nicht ist. Und auch das ist immer gleichzeitig: das es ein Alles sein kann, und auch ein Nichts, eine beunruhigende Wahrheit. Denn auf keinem der beiden Felder kann man sich zu lange ausruhen, wobei ein Balanceakt mit der Zeit ermüdend ist, wenn man mal hierhin wankt und dann wieder dorthin und die Bewegung selbst zu einer Barriere wird. Und wann genau muss ich meine Einstellungen mal gründlich überprüfen, damit das Schaltsystem sich erneuern oder zumindest entstauben kann. Wenn aber alle gleichzeitig in einem aufgewühlten Redestrom versinken, dann kann man es als einen Hinweis sehen auf eine notwendige Rückkehr zu sich selbst. Ende der Workshops. Ende der religiösen Vorgaukeleien. Mal schauen, was eigentlich i s t mit mir und den Anderen. Und dass nichts Gesagtes und Geschautes darauf hinweist, wie i c h es wahrnehme, so als läge die geheimnisvolle Fracht gänzlich auf meinen eigenen Schultern.

Luxus

Wenn ich „Luxus“ sage und es mein eigenes Leben betrifft, so meine ich den zeitlichen und örtlichen Freiraum, in dem ich mich bewegen gelernt habe. In Indien hatte ich über viele Jahre hinweg stets die Unterstützung meines Namens (Kalima), der gewisse Gefühle und Gedanken in Hindus auslöst (vielleicht weil sie ihn mir selbst gegeben haben), weil er im olympischen Spiel der Götter eher dem Schattenspiel zugeordnet wird als eine Kraft, für die man geeignet sein muss. Viele verschiedene Kräfte sind in uns Menschen angelegt, und das, was wir jeweils daraus gemacht haben, ist das, was man dann als Zeugen und Zeuginnen vom eigenen Spielfeld aus betrachten und erleben kann. Jedenfalls konnte ich mir allein durch den Namen eine gewisse Freiheit gestatten, und selbst als klar wurde, dass ich bei ihnen, den Einheimischen, bleiben würde, wurde kein konventioneller Auftritt von mir verlangt. Und genau d a s, nämlich die Abwesenheit von Erwartungshaltung, ermöglichte mir, die vorsichtig und aufmerksam gezügelte Leidenschaft für eine bestimmte, in der indischen Kultur angelegte Ordnung zu erforschen und zu erfahren, die mich gleichzeitig mit der westlichen Antike verbindet: wenn Bestes und Einfachstes nicht nur zusammenkommt, sondern dieser Vorgang die eigene Persönlichkeit so in Anspruch nimmt, dass zumindest für eine ganze Weile nichts anderes daneben Platz hat. Der Raum, den das Beste und das Einfachste zusammen brauchen, besteht natürlich auch aus einer Daseinsform, die eine Kultur geboren hat, mit der die meisten Einheimischen sich zutiefst verbunden fühlen. Sie haben selbst erfahren, dass bei ihnen tatsächlich alles möglich ist, nicht nur innen, sondern auch außen. Daher wird jeder Versuch und jede Mühe, sich den Ordnungen zu verpflichten, die diesem Getriebenwerden durch weltliche Vorgänge entgegenwirken können. Auf jeden Fall habe ich Indien noch in seiner manifestierten Entschleunigung erlebt, allerdings in einer Oase am Rande der Wüste, die seit undenkbaren Zeiten geprägt wird vom ins Unsterbliche hineinfixierten Narrativ. Doch auch hier hat das Unsterbliche mit seinem eigenen Widerspruch zugeschlagen, denn überall, wo es einmal sehr voll war  (Pleroma), wird es zu seiner eigenen Zeit wieder leer, und wenn man vom Kairos berührt und getroffen wird, muss eigentlich von sich selbst aus nicht mehr so viel geschehen. Außer dass man wissen muss, dass der ganze Rest (Mühen, Wahnsinn, Ärger, Entzücken, Ablenkungen etc (etc) nur eine Unterstützung war für das, was jetzt geschehen kann. Wenn man sich selbst zutraut, die Zügel wieder locker zu lassen, weil man im Luxus eigener Verantwortung lebt, bis auch diese Fügung  (vermutlich) keine Worte mehr braucht.

interessieren

Algorithmen
Da ich einen Teil meiner Aufmerksamkeit (zur Zeit) auf den ganz persönlichen Rhythmus meiner einströmenden Algorithmen gelegt habe, kann ich diese Beobachtungen durchaus dazu nutzen, etwas über mich selbst zu erfahren. So erfahre ich, dass mich bestimmte Verbrechen zutiefst interessieren. Es ist dabei nicht die vorherrschende Frage, wer nun der Mörder sei, sondern mich interessiert, was Menschen antreibt, bis sie z.B. einen Mord begehen. Auch in Indien habe ich manche Fälle verfolgt, manchmal bis zu ihrem, ja, ziemlich bitteren Ende wie im sogenannten „Nirbaya-Fall, wo drei der Täter (außer dem grausamsten, dem 17-Jährigen) dann gehängt wurden. Die Vier also, die gemeinsam in einem fahrenden Bus derart entgleist waren, dass eine junge Frau vor den Augen ihres Freundes daran starb. Klar, im Gefängnis muss man sie jahrelang kleiden und ernähren, denn sie wären ja nie wieder herausgekommen. Wie leicht gleitet man mal hier, mal da ins Fassungslose. Oder ein angesehener Geschäftsmann aus Jaipur, der  in einem seiner Häuser Frau und Kinder hatte, im anderen Haus und Leben Geschäfte tätigte und einen Servant hatte. Von dem ließ er sich regelmäßig Kinder zuführen, deren Leichen später (23 von ihnen) in einem Abflußkanal gefunden wurden. Der Servant war aber auch ein Menschenfresser, ein Kannibale, der dadurch, was er bediente, auch einen Profit hatte, also beide ihren finsteren Trieben gnadenlos folgten.  Da standen sie nun mit ihren getrennt ausgeübten Taten eines Tages gemeinsam vor dem Richter. Auch auf der dunklen Seite der Menschenkenntnis kann man sich erweitern. Und nun ist mir eben aufgefallen, dass ich wieder mit zwei Fällen in Kontakt blieb, also immer mal wieder reinschauen, wie die Sache steht. In Amerika kann man während des Prozesses in den Gerichtsaal hineinschauen, bis das Urteil gesprochen wird nach der Aussage der Geschworenen. In Idaho, wo einer der Fälle stattfindet, gibt es noch die Todesstrafe. Der noch junge Mann hat vier Jugendliche ermordet, man sieht ihn in Handschellen, wie er mit roboterhaftem Gesicht durch die Gänge geführt wird. Man hört (ich höre), er sei sehr überrascht  gewesen bei der Verhaftung und es wird vermutet, dass er sich ziemlich sicher war, das perfekte Verbrechen begangen zu haben. Er hat Kriminologie studiert und kennt sich aus im Gewerbe. Ein Politiker aus Idaho meint, dieser Mann könne der Erste werden der, statt mit einer Spritze, durch ein  Erschießungskommando hingerichtet werden, da man mit Spritzen oft schlechte Erfahrungen gemacht habe. Fast unmerklich verteilt sich im ( in meinem) Inneren ein Teil der Verbrechen auf die Selbstgerechten. Und wie unangebracht ist es (von mir) zu denken, der Mann könnte immerhin noch viel Jahre leben und eines Tages vielleicht sein schreckliches Geheimnis preisgeben?, und man wüsste etwas mehr von allerschwärzesten Vorgängen in uns – oder auch nicht. Aber als Mensch einem anderen Menschen sein Leben nehmen, also bewusst daran beteiligt sein und es auch noch „Gerechtigkeit“ nennen, das geht nicht, zumindest nicht für mich. Und wenn Liebe tatsächlich der Verzicht auf Mord ist, wie es mal jemand behauptete, dann wäre es doch auch für die Täter (innen) besser zu wissen, wo und wann und wodurch ihnen ihre Liebe abhanden kam.

aufhören

Natürlich ist es in dieser Zeit von Interesse, sich selbst zu fragen, warum man etwas, von dem man weiß, dass es einem nicht gut tut, trotzdem tut. Wenn ich an meine Raucherzeit denke, so kam ich gar nicht auf den Gedanken, das Rauchen könnte mir nicht bekommen, nein. Ich war leidenschaftliche Raucherin und besaß die nötigen extravaganten Requisiten, um das Rauchen noch angenehmer zu gestalten, das Aufhören damit allerdings dadurch noch schwieriger, wäre der Wunsch dazu überhaupt aufgetaucht. Wenn ein Aufhören von etwas tatsächlich von einem selbst von sich selbst gefordert wird, muss man Wege finden, um es umzusetzen. Zum Beispiel könnte es einem auffallen, dass man oft sinnlos zum Smartphone greift, aber zuerst müsste man „sinnlos“ für sich definieren, denn sonst reiht man die Handlung ins Selbstverständliche ein, ohne dass das Selbst versteht, was es  da tut. Es muss einem also auffallen. In Kaschmir baggerte ich einmal einen Einheimischen um eine Zigarette an. Sein abschätzender Blick genügte, um mir klar zu machen, dass meine Zeit gekommen war, mit dem Rauchen aufzuhören, denn ich hatte kein Geld dafür. So war es nicht ganz freiwillig und ich musste später nochmal den freiwilligen Teil nachholen. Denn auch sich selbst kann man nicht zwingen, etwas aufzuhören, was einem nicht tief genug einleuchtet, um es umzusetzen. Oder man lässt die Sachen im Vagen hängen und widerstrebt bewusst dem Bedürfnis nach Klarheit, damit keine Entscheidung gefällt werden muss. Auch kann man nicht behaupten, wir wären nicht gewarnt worden. Überall dröhnt Warnung durch die Kanäle: wir werden vermutlich an uns selbst zugrunde gehen, das Wort „Klimawandel“ taumelt sinnentfremdet durchs Weltall, schon denken philosophische Geister darüber nach, ob es den Menschen überhaupt hier weiterhin geben muss, oder hat sich diese schwer begreifbare Spezies selbst in ein Aufhören hineinkatapultiert? Dabei behaupten doch die meisten Menschen, wenn man ihnen ein Mikrofon zur Verfügung stellt, dass sie gerne leben, auch gerne gesund und munter, und wollen meistens lieben und vor allem geliebt werden, denn sonst ist der ganze Wahnsinn gar nicht zu bewältigen. Zarathustra kam, als er reif dafür war, von seinem Berg herunter, um die Menschen zu lieben, andere flohen kichernd hinweg über die Berge, der Prophet (Kahil Gibran) ließ sich von den Einheimischen ein paar kluge Sätze entlocken und entschwand dann auf das Schiff, das ihn abholte. Wohin er wohl ging, und wer war noch auf dem Schiff? Und so wird auch das Narrativ der Menschheit aufhören, wenn es aufhören soll, und ziemlich sicher wird dann in dem freigewordenen Raum etwas Neues geschehen. Oder wir sind schon mittendrin.

Algorithmus

Endlich bringe ich die Kraft auf, mal nachzuschauen, wie „Algorithmus“ eigentlich definiert wird. Sofort erschrecke ich darüber, dass ich schon das Wort des öfteren (oder immer schon?) falsch geschrieben habe, weil ich offensichtlich davon ausging, dass es was mit Rhythmus zu tun hat, eben ein mir selbst aufgedrängter Rhythmus, der dadurch entsteht, dass ich so tue, als wäre es selbstverständlich, dass, wenn ich z.B. „Alan Watts“ eingebe, schnell auch Swami Vivekananda auftaucht, oder ein buddhistischer Lehrer, oder ein Advaita Explorer, oder Baba Ram Das, also eine ganze Palette illustrer Köpfe, die alle durch einen simplen (westlichen) Namen ausgelöst wurden und mir sagen, dass sie mich interessieren könnten, weil ich doch neulich mal nachschauen tat, wer Muho aus Osaka ist. Was ich nun an der neu entdeckten Info interessant finde ist, dass das Wort „Algorithmus“ abgeleitet wurde (Allah only knows how) vom Namen des persischen Astronomen und Rechenmeisters  Abu Dsche far Muhammad ibn Musa al Chwarizmi, der aus Choresmien und aus einer Zeit kam, wo es noch keine Smartphones gab, weil er vor 1200 Jahren lebte und deshalb es nur gemalte Bilder von ihm gibt. Wie dem auch sei, so baute dieser Mann seine Arbeit wiederum auf die Arbeit des indischen Mathematikers Brahmagupta auf, der im 7. Jahrhunder lebte. (Ich habe flüchtig das Gefühl, Indien auf keiner Spur entrinnen zu können, warum auch). Chwarizmis Lehrbuch „Über die indischen Ziffern“ (verfasst um 825 im Haus der Weisheit in Bagdad) wurde viel später ins Lateinische übersetzt und dadurch zur wichtigsten Quelle für die Kenntnis und Verbreitung des indisch-arabischen Zahlensystems und des schriftlichen Rechnens. So, und was hat das mit mir zu tun. Wenn in sehr gewagter Abwandlung „Algorithmus“ in Wirklichkeit „Chwarizmi“ heißt, werde ich doch wohl nicht „mein“ Chwarizmi“ sagen können. Und das will ich ja eben sowieso nicht, „mein Algorithmus“ sagen (müssen) obwohl er mir gar nicht gehört. Nein, ganz im Gegenteil will ich mir klar machen, dass ich doch weiß, dass „Algorithmen“, eben ganz ohne Rhythmus, (eher eiskalt) bei werbefinanzierten Angeboten bestimmem, welche Inhalte dem User gezeigt werden. Klammheimlich lässt man sich also usen, beziehungsweise used man sich selbst, indem man das einem Gefütterte für die selbstgewählte Nahrung hält.

 

einleuchten

Ganz im Gegenteil zu dem leisen Schaudern, das mich öfters mal,  beim Lesen der „Times of India“ ergriffen hat, etwa bei den mit gusto beschriebenen Verbrechen, die man ungern mit indischem Geist in Verbindung bringt mit schier endlosen Photos von ins dunkle Nichts geschleuderten Tätern oder zuweilen auch Täterinnen.  Ich also ganz im Gegenteil dazu irgendwann bei meiner Rückkehr ins deutsche  Land zu den daliegenden Ausgaben der „Zeit“ greife, und mich, völlig überfordert vom Angriff der Qualität, mich wieder einlesen muss, bzw. in die Feulletons, hinten denen sich wiederum das Blatt „Entdecken“ verbirgt. Dort fand ich gestern einen anregenden Artikel bei „Therapie-Spezial“, wo ein Psychiater interviewt wurde, wo, wie und wodurch das Reden in der Therapie eigentlich hilft. Gegen Ende des Gespräches erkundigte sich der Interviewer, was Menschen davon abhalten könnte, durch Therapie und durch Reden zu ihrem Kern zu kommen. Der Psychiater (Jakob Hein) antwortete: „Es gibt keinen Kern“. Alle Gedankengänge in meinem Inneren, die in der Gewohnheit gelebt hatten, einen Kern als selbstverständlich zu sehen und zu verstehen, erstarrten gleichzeitig. Wie, kein Kern. Das Aufregende war, dass ich sofort wusste, dass das einen hohen Wahrheitgehalt hatte, denn ich hatte ihn (den Kern) oft genug gesucht und immer weniger gefunden. Der Zeit-Zeuge fragte spürbar verblüfft: Wie, es gibt keinen? Und Hein sagte: „Es gibt nur Level, die man erreicht.“ Wie erfrischend, wenn tatsächlich ein plötzlich aktiver Scheibenwischer einem übers Auge fährt, und man muss nur den Schock der veränderten Wahrnehmung aushalten. So, als hätte man nur diesen kleinen  Anstoß gebraucht, um das ganze, immerhin stets bewegliche Bild  in einen neuen Zusammenhang zu bringen. Hein meinte noch, dass die Idee hinter einem Kern sei, dass es einen Schalter gibt, den man nur umdrehen muss und alles ist gut. Aber dass auch Therapie keine Garantie sei, nie mehr leiden zu müssen. (usw.) Es gibt, meinte er, keine psychiatrische Sonnenschutzcreme. Und dass er nach all den unzähligen Gesprächen mit Menschen jeden Menschenhass verloren habe. Das leuchtet doch ein.

trotzdem


Travelling shoes
Das Erinnern an Indien hat interessanterweise (für mich) stets so etwas Lichthaftes, und in der Tat haftet  dort viel Licht an allem, und auch wenn die Sonne mal zu heiß wird, ist es doch immerhin die Sonnenwärme, in der man sich aalen kann. Und ich kann mir keinen Inder vorstellen, der sich eine D3 Tablette einwerfen möchte, um gewisse lichtlose Mangelerscheinungen zu kompensieren. Wohnt man lange genug in einer verlässlich sonnengetränkten Welt, kennt man fast automatisch einige der guten Seiten des Welterlebens, zum Beispiel dass man sich nahezu überall in Licht oder Schatten setzen kann und allein dadurch in Kontakt kommt mit Anderen. Selten war ich bei der Rückkehr in den Westen gewappnet für die klimatisch bedingte Kälte, geschweige denn für Eis und Schnee, also eine Wetterlage, die man sich in der indischen winterlichen Tageswärme gar nicht vorstellen kann. Auf jeden Fall muss der Transit jedes Mal geleistet werden, und wer will schon abhängig sein von klimatischen Bedingungen. Und abgesehen davon kam mir dieses Mal das indische Leben nicht mehr so unterschiedlich vor zum westlichen Leben, sogar ziemlich ähnlich kam es mir vor, zumindest in seiner momentanen Manifestation. Der indische Mensch möchte Geld, und neulich an einem hochmodernen Kaffeetisch in Delhi sitzend schaute ich erstaunt auf das üppig wirkende Smartphone meiner Begleiterin, das, was sie mir auf Nachfrage berichtete, ein Lakh Rupien gekostet hatte. Das sind 100 000 Rupien, na ja, so ungefähr 1.140 Euro, das kommt mir auch nur in Indien so unmäßig viel vor…und, sagte sie (über die Klagen ihrer Schwiegereltern) : was geht es sie an, was wir mit unserem Geld machen, zustimmendes Nicken meinerseits. Das erinnert mich an Prakash, einen Freund aus dem Städtle, der in den Westen kam und sich, neben seinen Yogalehrstunden, unbändig befreit fühlte, indem er tun und lassen konnte, was er wollte, ohne unter Beobachtung zu stehen. Zum Beispiel mal viel schlafen oder Wein trinken oder Zigaretten rauchen undsoweiter. Ist irgendwann einmal alles gesagt (?), wenn immer klarer wird, wie unbändig frei der Mensch hier oft gelassen wird (auf dem Planeten), und wie er Freiheiten und Gefängnisse selber bastelt, sodass einem zuweilen jedes Wort dazu im Hals stecken bleibt, wo es ganz gut aufgehoben ist. (Außer man findet es nach wie vor und trotz allem spannend, das sich weiterhin als Geheimnis präsentierende Weltgeschehen unermüdlich zu ergründen: dass wir hier sind, busy mit Welt-und Selbstschöpfung.)

Dinge


Ding
Das hat mir immer gefallen, wenn und wo sie erwähnt wurden: „die zehntausend Dinge“. Mir haben diese Worte u.a. vermittelt, dass es die zehntausend Dinge überall gibt, als Schuhe, als Hosen, als Autos, als Ablenkungen, als Verlockungen, als Hinweise auf etwas, was wir gar nicht brauchen und dennoch haben müssen, obwohl wir schon umgeben sind von zehntausend Dingen, die irgendwie bewältigt werden müssen oder als Darlegungen und Meinungen und Projektionen ins Außen dringen und dort weitere zehntausend Dinge verursachen. Die klare Zahl sagt einem, dass man spätestens bei ihr den Überblick verliert, denn auch bei Verbrechen, die es in der Welt tausendfach gibt, ist es sinnlos, sich so häufig wie möglich aufzuregen, eben zu was Menschen alles in der Lage sind anzurichten (als wüsste man’s nicht). Auch wenn, eindeutig als Tragödie gesehen, zwei Kinder ein anderes Kind ermorden, heißt das nicht, dass nun Kinder andere Kinder ermorden werden, sonder dieser tragische Fall ist (auch) nur eins der zehntausend Dinge, die auf der Welt geschehen, und es kann mir nicht egal sein, was ich persönlich damit zu tun habe, und was genau habe ich damit zu tun. Dann schrumpft das Überwältigende auf eine überschaubare Menge, und die Fragen des Menschseins können mich betreffen, oder auch nicht. Von wem soll ich lernen, wen befragen, was für ein Menschsein mir eigentlich vorschwebt, ich meine mein eigenes. Und dabei sind die Vielzahl der Dinge oft im Weg. Auch braucht man zum Durchwandern der Jahre weder den Olymp der Götter noch das Darknet, doch wer entscheidet, wohin ich mich wende? Wann passieren die Übergänge, wann die Gaukeleien der persönlichen Spielart, wann die großen Erleichterungen, wenn auf einmal die Kraft da ist, genauer hinzuschauen, und da ist vielleicht nur ein einziger Punkt im Raum, aber immerhin kann dieser Punkt nicht geleugnet werden. Von wem auch.

inspire


eripsni
Wir (wer auch immer ihr seid), die wir in diese schwer ermüdbare Liebe für Indien gefallen sind, haben uns vermutlich alle mal zwischendurch gefragt, was es denn nun mit dieser…wie soll ich es nennen…“Seinskraft“ dieses Landes nun tatsächlich auf sich hat. Oder wo sie sind, die sprudelnden Quellen der vielgerühmten Weisheit und ihre bis zum Riksha fahrenden Bruder hin kostbar menschlich manifestierten Bausteine. Und dass wir, jenseits von all dem, was wir schon liebten, aber vor allem lieben lernten, in diesen Quellen baden durften, ohne zu ahnen, dass auch wir Zeugen und Zeuginnen werden würden von versiegenden Quellen, so, wie es Unzählige vor uns waren. Wenn ich es einfach haben wollte zuweilen, dachte ich an das Klima, dem indische Menschen ausgesetzt sind, wenn wir, die Wandernden oder fremdartig Einheimischen schon wieder unterwegs waren in unsere Geburtsländer mit den legalen Pässen. Und wie oft stand ich erschaudernd vor Kälte am westlichen Zugbahnhof, gerade die 40 Grad Celsius verlassen habend, eisiger Wind um die Ohren und auch mal Schneegestöber. Meist war es ja März, das Erwarten des Frühlings zum Mantra gestylt. Und dort die brütende Hitze, in der sich immer weniger Menschen schnell bewegen würden und werden, also eine monatelange Entschleunigung und sehr mühselige Bewältigung des Alltags. Aber muss er nicht überall bewältigt werden, doch, muss er, halt unter anderen Bedingungen und Spielregeln. Je länger man sich in einer anderen Kultur aufhält, desto klarer wird einem, dass sich Menschen bei aller vorhandenen Vielfalt doch sehr gleichen, vor allem in ihren Bedürfnissen und Wünschen. Und ja!, Bildung und Geld sind tolle Werkzeuge, mit denen man gestalten kann, aber in scheinbar armen Hütten habe ich auch viel Reichtum gesehen, kommt darauf an, wie man Reichtum definiert. Und da, wo es einerseits zu heiß wird für ein Wohlgefühl, da wird es andrerseits zu kalt dafür , und wenn es hier überhaupt eine Frage gibt, so hat sie mit unseren Befindlichkeiten unter den jeweiligen Umständen zu tun. Und wer weiß schon genau, wo und wie und wodurch man seine/n Meister/in macht, und ob man gut gespielt hat, damit das Ankommen bei sich selbst nicht infrage steht.

14. März 2023


Obwohl alles (auch) Bild ist, steht (noch) keines
zur Verfügung (oder ist es trotzdem eines)?
Seit ich dieses B/Logbuch in Bewegung gesetzt habe, kam es dabei 2021 zum ersten Mal zu längeren Pausen, die mit Verabschiedungen zu tun hatten. Mich ergriff das Gefühl, eben diesem (dem Gefühl), mit maschinellen Vorgängen nicht mehr gerecht werden zu können. Ein Mensch, dem man einen Platz unterm Banaianbaum eingeräumt hatte, verlässt die Erde, sodass man erschüttert wird von der Entgeisterung. Ein Tier, das bei mir ein- und ausging, wird von irgend jemandem überfahren, man wird nie wissen von wem. Und nun also Abschied von Indien. Was lasse ich zurück vom Unersetzbaren, dem Unvergleichlichen, dem langsam Versinkenden im Staub der eigenen Geschichte. Dem uralten Indien, Bharat genannt, dem ich den Rücken kehre: so, als ließe sich der Staub noch auffangen, oder als könnte man der bereits duplikaten Illusion doch noch eine weitere Maske aufsetzen, die bestätigt, dass dies einmal das gottergebene Paradies war, in dem Menschen die Gelegenheit hatten, sich unendlich viele Male zu reinkarnieren und fleißig und in eigenem Rhythmus voranzugehen. Auf sich selbst zu natürlich, und dann vielleicht sogar noch darüber hinaus: die Freiheit also von den eigenen Einstellungen und Meinungen. (Die Freiheit von den eigenen Meinungen.) Und hier ist also das Abendland, in das ich mich wieder einmal hineinfüge wie in ein Puzzlespiel. Kein Zweifel, ich bin hier geboren, in Berlin (Schöneberg), wo ich aber nicht mehr wohne, sondern woanders, auf dem Land, wo es stiller ist als in Indien am Varaha Ghat. Mal sehen, was sich auftut Ein neues Buch, oder das Buchlose.