Innerhalb der Erkenntnis, dass alles, in was wir uns bewegen, schon die erste und letzte Aufführung ist, sind das Ausprobieren und Praktizieren durchaus hilfreich, um weitere Richtlinien in Bewegung zu setzen. Man probiert ja nicht nur d a s aus, was man nach eigener Einschätzung können könnte, sondern probiert ebenfalls aus, was man eben nicht kann. Man wird dann entweder nicht auf dem Hochseil tanzen, oder doch im Wald joggen gehen, ganz, wie es sich herausstellt, für was man geeignet ist, oder für was nicht. In den Beziehungen scheint sich das Potential des Könnens auf denkbar komplexeste Art und Weise zu enthüllen, und selbst wenn Können von etwas auf Können von etwas anderem trifft, oder gar auf ähnliches Können, geht es meist nicht reibungslos ab. Auf den künstlichen Theaterbühnen muss immer Reibung im Mittelpunkt stehen, es geht auch nicht immer gut aus, oft stirbt jemand, wie im nackten Leben, an den Folgen von leise oder laut getroffenen Entscheidungen. Es gibt einerseits schwere Bestrafung für Menschenrechtsverletzungen, andrerseits gibt es Medaillen für ähnliche Delikte, zum Beispiel im Dienste des Vaterlandes. Worte verlieren ihre Anziehungskraft, weil ihr ursprüngliches Können versiegt ist. Ganze Sprachen verschwinden in der Bedeutungslosigkeit. Selbstverständlich spielen auch die Befindlichkeiten immer eine größere Rolle, als man gerne denkt, und nicht jeden Tag kann der faire Zeuge oder die faire Zeugin den Oberflächenstaub persönlicher Emotionen wegpusten, als sei er, der Staub, ein Nichts, mit dem man die Tiefe des dritten Aktes kreiren kann, oder gar neu schöpfen. Da hebt sich mein Kopf und sein Inhalt wendet sich den Grünflächen zu, auf denen und aus denen heraus ungeheuer mächtige Dinge entstehen, und plötzlich leuchtet es überall, und man kann’s kaum glauben, dass es tatsächlich mal nicht regnet, während in Indien schon die Ventilatoren brummen. Wie, um Himmels Willen, kann man dem Ganzen gerecht werden. Man kann nicht.
Selbst im Bundestag rief neulich der Satz, (oder war es ein Aufruf) „Sei ein Mensch“ emotionales Schaudern hervor, in dem sich ein Ahnen vom Ausmaß des Gesagten ausdrückt. Man wüsste gerne, bis zu welchen Türschwellen oder gar Wohnzimmern die Worte sich durchgearbeitet haben, dem Sinn nachhängend, oder aufgewühlt durch ihre augenscheinliche Paradoxie, denn wer ist unter uns denn nicht Mensch, ich meine Mensch unter Menschen, warum also der Nachdruck auf das Sein, das hier gewünscht oder gar gefordert wird. Es ist ja immer mal förderlich gewesen, über das Menschsein nachzudenken, und dass es einem zuweilen aus der Antike her vertrauter anlächeln kann als aus der Neuzeit, mit deren besonderen Merkmalen wir direkt zu rangeln haben. Das sagt ja nicht, dass es um Sokrates herum menschlicher zuging, das hat sein eigener Tod geklärt, vielleicht war es ganz einfach menschenleerer, sodass gerade Sokrates noch auffallen konnte mit seinem Herumstehen und Herumwandern auf den menschlichen Bazaaren. Aber wenn alles darauf hindeutet, dass die Palette des Menschseins nicht nur viele Farben und Facetten anbietet, sondern dass der Weg des Menschen einzig und allein auf sein oder ihr eigenes Menschsein deutet, dann…ja, dann weiß man, dass das unter gegebenen Umständen ein langer und auch mühsamer Weg sein kann, vor allem, wenn in einem nicht die Leidenschaft der Weltenwanderung und ihrer Zeugenschaft aufblüht und man zu einem Instrument greift, um die Wildheit und Schönheit des Spiels zu besingen. Das andere Menschsein betrifft die Schwere des Herzens, mit der man gezeichnet wird auf den ungeschriebenen Blättern. Starr blickt das erschrockene Auge auf die Fluten der Heimatlosen. Das, was nicht sein darf, ist trotzdem. Ist menschengemacht und menschenerlitten. Da führt kein Weg drum herum. Um die Praxis des Menschseins führt keine Abkürzung, an jeder Kreuzung und an jedem Steuerrad muss ständig neu entschieden werden. Und wie sieht der Mensch aus, der da durchkommt? Wir wissen es nicht und können nur selbst verstehen was es bedeutet, sich im Menschsein zurechtzufinden.
Nun ist es natürlich auch so, dass wir uns täglich, stündlich und sekündlich wandeln, ob wir nun wollen oder nicht, die Zeit nimmt uns mit. Wir werden entweder mit dem Strom mitgerissen, oder lassen uns ein auf das Strömen, oder schwimmen gegen den Strom, auch das bewusst oder unbewusst. Oder tanzen am Rande entlang und schauen dem Spiel zu, oder machen einen Film darüber, oder es gebiert sich ein Lied aus dem Schädel. Unentwegt produziert sich das vor uns Stattfindende, durch das wir mit unseren vielen Maschinen herumnavigieren, oder mit Füßen und walking sticks undsoweiter. Können wir noch jemand werden der oder die wir noch nicht sind, und wieweit sind wir gebunden an das, was bereits am Laufen ist, das in frühem Kindesalter gefertigte Band, Schicksalspaket genannt, das sich nun aufrollt wie eine Palmblätterweissagung, von der man gar nichts wusste, die nun aber unvermeidlich in Erscheinung tritt. „Das ist halt passiert“, sagte der Mörder im Todestrakt zu Werner Herzog, dem Filmemacher, der in dem Luxus und der Freiheit lebte, über Todeskanditaten ein par Streifen drehen zu können. Der Mörder war gebildet, hasste dann irgendwann aber die tödliche Arbeitslangeweile und wurde sehr wütend und brachte drei Menschen um. Die Mutter weinte um den guten Jungen, der war gelassen und wusste, dass da nichts mehr zu ändern war, er konnte nur noch auf die Papiere warten und das Exekution Datum. Also wenn wegen dieser radikalen Akzeptanz des Schicksals kein Bedauern mehr Sinn macht, weil man so gehandelt hat und nun die Konsequenz folgt. Hätte man wirklich anders handeln können oder sollen, das wird niemals zu beantworten sein. Zu viele Entscheidungen sind gefallen, und viele fremde Belichtungen haben sich durch unsere Systeme bewegt, sodass selbst dem Fühlen allein nicht zu trauen ist, am besten balanciert es sich in Gesprächen. Was wir aus uns gemacht haben aus all dem fremden und vertrauten Angebot der Matrix, das ist die Kultur, die sich fortsetzt: die Bemühungen, die Bilder und die Worte, und die Wirkung, die wir ohne Unterlass auf die subatomare Ebene haben, und die Resonanz, die von dort auf uns zuströmt.
Unvergesslich die Worte von Nelson Mandela, die ins Bewusstsein brachten, wie schwer es ist, das sogenannte Gute nicht nur zu verstehen, sondern es auch umzusetzen. Nun hat uns allerdings das momentane Zeitfenster in die Not(wendigkeit) gebracht, am besten den Glauben allesamt aufzugeben und sich selbst in den Zustand zu bringen, der eigenen Wahrnehmung einigermaßen vertrauen zu können, solange sie nicht in fixierte Meinungen ausartet. Aber w i e eine stocknüchterne Klarheit darüber zu erlangen, wohin sich das menschliche Kollektiv entwickelt, das ist wohl immer nur in einem Hinterher möglich, auch wenn das Gespür von etwas Nahendem schon viel früher einsetzt. Natürlich naht auch viel Gutes, kein Zweifel. Der Frühling naht, wir haben genug zu essen und zu trinken und Freunde in verschiedenen Ländern der Welt. Um unser Haus herum droht keine Gefahr, obwohl das wenig zu sagen hat, denn Nachbarn lächeln sich auch zu, wenn aus dem Haus Schreie gehört wurden und werden. Vielleicht fiel mir deshalb heute früh Nelson Mandela ein, weil ich in den Nachrichten gehört habe, dass in Deutschland jeden dritten Tag eine Frau durch die Gewalt eines Mannes stirbt. Kann das sein!? Kommen die Schreckensnachrichten auf einen zu, damit man vor lauter Gutgehen abrutscht in die Gleichgültigkeit, die sich ganz offensichtlich ausgebreitet hat, denn was soll man machen. (Zu) Viele Männer erschlagen halt Frauen gern. Die Machtverhältnisse müssen geklärt bleiben, da hilft alles schon Durchgekaute wohl nichts. Und nun lasst uns entweder ganz wegschauen, denn ich ganz persönlich sehe ja gar nichts davon, oder nach einem winzigen Fädchen von Gutem daran finden, na gut, da kann man es ja nicht finden, denn wo kann beim Umbringen von Frauen und Kindern was Gutes dran sein, aber zu welchem Guten jetzt hin!? Ja, man muss etwas tun, günstigerweise vom Sein zum Tun, oder vom (richtig verstandenen) Tun im Nichttun, also möglichst tun, was man k a n n , dadurch kann am wenigsten schiefgehen. Mehr ist nicht drin, aber es müsste mehr als genug sein, um beim Gewogenwerden nicht als zu leichtfüßig betrachtet zu werden. Die Frage bleibt natürlich: von wem?
Höre also, O Kairos, geöffnetes Schicksal, tiefster der Orte, meine Erschließung durch dich. Denn ich vernahm doch mehr von deinem Ruf in mir, von deinem angebotenen Heilungsverfahren, deinen Narben an beflügelten Pferdehufen, da sie als Zeit über mich hinwehten und heimsuchten das singende, sich erhellende Herz. Als sich die entwaffnete Stirn auf mich senkte, da hieltest du am Ufer mein Schicksal offen und gabst mir die Antwort, die niemand mehr suchte.
Letztes Jahr besuchte uns eine Frau aus Kalifornien, die einmal vor vielen Jahren zur selben Zeit wie ich in Kathmandu lebte und eine ganz bestimmte Ankdote bestätigte, die ich ebenfalls gespeichert hatte. Es ging um ein Ehepaar, dass sich in unsere „Community“ eingeschlichen hatte, was erst einmal nicht weiter auffiel, weil wir nur sehr lose verbunden waren und keiner genau wusste, wer wen wann und woher kannte. Kurz vor ihrer Abreise fragte ich den Mann nach seinem Namen undsoweiter, und er machte keinen Hehl daraus, CIA Agent zu sein, ein sogenannter „Clear“ war er, der alles machen und tun durfte, wenn etwas Wichtiges herauszufinden war. Es ging nicht um Drogen, sondern um die Frage, was so viele junge Menschen in dieser Zeit bewegte, nicht mehr zurückzukehren in ihre Heimatländer, sondern sich irgendwo in der Welt niederließen und einfach dort weiterlebten. Wir waren keine Flüchtlinge, sondern folgten eher dem Zeitgeist, der sich durch uns neue Wege bahnte, die heute gar nicht mehr wegzudenken sind, auch wenn sie immer noch nicht besonders auffallen, obwohl sich heutzutage jeder Coach und jeder Priester der sogenannten Yogatechniken bedient und „Aufmerksamkeit“ ein gesellschaftsfähiges Lieblingswort geworden ist. Aber warum mir mein Gespräch mit dem Agenten so gut in Erinnerung bleibt ist, weil er in irgendeinem Kontext über Computer sprach, und dass sie niemals Menschliches lernen könnten, die Maschinen, weil sie bestimmte Zusammenhänge nicht herstellen können. Sein Beispiel für diese Behauptung war, dass ich zu jemandem aus Versehen „Jakob“ sage, obwohl wir beide sofort wissen, dass er eigentlich Pierre heißt. Zu wissen, dass ich mit Jakob Pierre meine, meinte er, das kann künstliche Intelligenz nicht leisten. Schwer ist auch zu beurteilen, w i e krank das ausufernde Starren auf Bildflächen wirklich macht, denn wir können ja nicht wissen, wer da sitzt mit welcher Motivation, welcher Persönlichkeitsstruktur, welchen Schwächen und Stärken und Bedürfnissen usw., wer soll das regeln. Auch die durch bedrohliche Fakten ansteigende Aufmerksamkei und Intelligenz ist nicht diesselbe wo die, die mit sich selbst in Verbindung steht. Mühsam stemmt sich die Entschleunigungstendenz gegen den rasenden Vorgang dessen, dem keiner mehr gerecht werden kann, denn gnadenlos spült es das Unvorhergesehene durch dir erschöpften Gehirne. Die Demenzerwartung steigert sich zurück in jugendliches Alter, wo der Bremsklotz sich bereits eingenistet hat und da schon Ängste einflößt vor der Altersarmut. Und wie ein Teufelskreis führt es immer wieder zurück zu den stoischen Entwürfen eines Lebens mit mehr Gelassenheit, mehr Würde, mehr Offenheit. Wir können ja in diesem Land nicht darüber klagen, dass wir keine Wahl haben. Das ist es doch gerade: dass wir für diese Freiheit, die es immerhin noch gibt, die volle Verantwortung tragen. Für den Menschen, der wir sind und mit dem wir auf der Bildfläche erscheinen.
Heute mal ein kleines Photo aus dem Lebensbuch – zum Tag des Buches, ja. Und noch davor – die winzige Hand, die schon nach den Büchern greift, denn bald wird klar, dass sich in den flatternden Blättern ein Geheimnis versteckt. Ein Mund bewegt sich und dann kommen Worte hervor, die aus diesem Flattern entnommen und entkommen sind, und plötzlich gibt es Wälder und Pferde und Schlösser und Menschen, die mit all dem zu tun haben. Und da lernt man sehr viel, schon früh und alleine, und in die Poesiealben schleichen sich tiefe, abgründige Sätze ein, die sind schon ein Windhauch von dem, wer man sein wird. Denn Bücher gehen vor allem in Resonanz mit dem, was man schon ist. Es muss nur auf irgendeine Weise heraus aus einem. Das können Bücher sehr schön aus einem herauslocken. Und hat man mal wieder den Einschränkungstrieb am Laufen, kann man schon mal ein paar von ihnen weg-oder weitergeben, aber zum Weggeben gibt es noch Wichtigeres, zum Beispiel bei den Klamotten. Und wenn sie weiterhin rumstehen, weil man sie ja schon gelesen hat oder nie lesen wird oder schon halb durch war, sie stehen ja nicht im Weg, sondern machen alles noch besser und friedlicher und stiller. Natürlich haben sie sich auch in den Regalen zusammengetan, und liebevoll streift der Blick über ihre Rücken. Und wenn einem eines Nachmittags die letzte Zeile von Benn’s Gedicht nicht einfällt, nimmt man den Band heraus und findet es. Natürlich ist das jetzt auch alles im Netz, nein, nicht alles, aber viel. Und doch haben Buchseiten das ganz und gar Unersetzliche in ihrer Ausstrahlung und sind kein natürlicher Feind der künstlichen Flächen. Denn viel älter sind sie ja, die Bücher, als diese Neulinge, und Schriftrollen gab es schon bei den Ägyptern vor 5000 Jahren, dann folgten Papyrus und Pergament, aufeinandergelegte und gebundene Blätter, ach ja. Das erste Buch soll im Jahre 1377 gedruckt worden sein, auch nicht schlecht. Und viele von denen, deren geistige Mühen man da stehen hat, sind zwar schon tot, aber wenn man das Buch aufmacht und liest, dann ahnt man was von der Unsterblichkeit des Wortes, denn Schöpfung soll angeblich auch so entstanden sein: durch das Wort. Und wie gut ist es doch aufgehoben in den Büchern!
April 22, 2024
Ich habe von einem Mann gelesen, der die heißen indischen Sommermonate in Boppard am Rhein in einer kleinen Wohnung lebt, sonst aber seit sehr vielen Jahren in Indien ist an einem Ort, der ursprünglich auch mal mein Ziel in Indien war, und wo sich bis heute die von Rabindranath Tagore gegründete Schule befindet. Mein Weg hat mich dann nicht dort hingeführt, und ihn fesselte die Armut und mit welchen Mitteln man sich ihr entgegenstemmen kann. Indien war so wunderbar darin, uns Wanderer in den vielen Möglichkeiten zuzulassen, die im Westen nielmals aufgetaucht wären. Auch für uns war es heiliger Mutterboden, wo man durchaus mit Offenheit empfangen wurde, wenn man ein bisschen bereit war für Anpassung. Die bereitwillige Anpassung erfuhr eine Anerkennung, der man allerdings gerecht werden sollte, wenn man das konnte oder es zumindest mal ausprobieren wollte. Es war (damals) auch eine Art göttliches Kita-Schöpfungsgeflecht für einen ganzen Zweig von Erlebenserschöpften, zu ihrem Glück an die Küsten schöner und begehrenswerter Götter gespült, wo man mal hemmungslos lieben und feiern konnte, was das Zeug hält. Es hielt ziemlich lange, und auch heute noch sind auf allen Seiten Spuren davon zu finden. Derweil wird Indien als die vierte Weltmacht genannt, die für Kriegsgeräte die meisten Dollars hinlegt. Gleichzeitig will einer der dunklen Herren der Gezeiten, Narendra Modi, das Land als eine Hochburg der Yogapraxis verkaufen, aber siehe da, alles kam wieder mal anders, beziehunhsweise spulte und spielte sich anders ab. Wir wurden ja, oft genug wegen finsteren Interessen, aufgenommen in den jeweiligen Kreis der Auserwählten. Denn in Indien konnte man öffentlich auserwählt sein, ohne dass es jemanden störte oder man damit auffiel, denn alle, sagte mir Anil, wollen doch Götter sein. Ist es so, oder ist es nur in Indien so? Und wenn sich dann auch noch die Götter bekriegen, was will man dann von den Statist:innen erwarten, die wiederum selbst ihre Götter haben und sich für unsterblich halten. Nun ist der treffliche Spielplatz im Wirbelwind des historischen Staubes versunken. Doch vielleicht wird es ja zum Labor für neue Intelligenzen, die der menschlichen Spielart eine nie dagewesene Variante anbieten, eine mit eisernem Willen zur Züchtung begabte Denkweise, die dem Tanz eine Wendung ermöglicht. Ob man der Wirkung entkommen kann, ist noch nicht sicher. Jedes Haus und jeder Mensch sein und ihr eigenes Labor. Und niemand weiß, was sich durchsetzen wird, aber es gibt kluge Empfehlungen, die keine Hierarchien benötigen, zum Beispiel „tu, was du k a n n s t“.
Neulich sagte Nancy Fraser, Philosophin von Weltruf: „Ich bin ein freier Mensch.“ Was mag sie wohl damit gemeint haben? Oder ist die Frage an mich gerichtet, bzw.: Was verstehe ich selbst darunter (ein freier Mensch zu sein).
Der einfach klingende indische Standardsatz „akela ana, akela jana“ trifft genau in den Kern der Urangst. Ich komme allein, und ich gehe allein. Dazwischen kann natürlich relatv viel Zeit liegen, der Satz bleibt wahr. Man hat ja lange genug gedacht, Kleinkinder würden herzlich wenig mitkriegen, das hat sich wohl weitgehend geändert, was unter anderem heißt, dass ein Kind von Anfang an alleine, also sich selbst ist, auch wenn das von außen nicht so aussieht. Dann wird man auch von dieser Obhut entlassen und späht aus nach den Verbündeten. Wieviel Schmerzhaftes gibt es da von überall her stoßweise zu berichten, von gefährlich gewordenen Bitterkeiten, von Gefangenen unter der Bürde des Irrsinns, dem scheinbar Unentrittbaren sich beugend. Das Menschsein auf seiner ganz und gar persönlichen Spur, gespiegelt im irrlichternden Labyrinth der Zusammenhänge. Gibt es sie wirklich, oder vielmehr, liegen dahinter, also hinter den Verschleierungen, nicht noch weitere Geschichten, in denen wir Einzelnen uns zusammentun, um voneinander z.B. die existierenden Gesetzmäßigkeiten zu ergründen, wo ist etwas hell, und wodurch dunkel, warum befinde ich mich in unterschiedlichen Situationen in einer Ferne, oder in einer spürbaren Nähe. „Walk alone like a rhinocerus“ fällt mir da ein, ein Spruch aus dem Khaggavisana Sutta, dem Rhinozerus Sutra. (Unled by others, I have knowledge arisen). Das trifft auf heutige Verhältnisse nicht mehr ganz zu im Sinne, dass es nicht mehr um Einsiedler in fernen Dschungeln oder hochliegenden Höhlen geht, sondern um verhältnismäßig bewusste Individuen, die den Zusammenklang zwischen dem Außen und dem Innen schätzen und gewillt sind, dem wirklich Unvermeidbaren ins Auge zu sehen. Daher der Anspruch an den Auftritt unter den ordnungsliebenden Fittichen der Navigator:innen.
Sicherlich ist es generell ungesund, sich zu weit in andere Gehirne vorzutasten, denn es kann zu leichten bis schweren Suchterscheinungen führen, was man leicht am Beispiel von Donald Trump beobachten kann. Nun ja, und war es nicht sooo verständlich, dem Fall dieses kleinkarätigen Motherfuckers entgegenzuhungern mit seinem unübertroffenen B.S. Und da ist es ja schon, das eigene Scheitern an der persönlichen Werteskala, auf der unter anderem noch gar nicht programmiert ist, wie sehr wir unter einem weiteren Psychopaten zu leiden hätten, obwohl: doch, schon. Diese totale, globale Verbundenheit führt zu anstrengenden, aber dennoch nützlichen Kontemplationen darüber, was mich tatsächlich in dieser Informationsflut angeht, und was nicht. Es ist nichts einzuwenden gegen die Möglichkeit, viel mehr von der Erde zu lernen, als man es jemals für möglich gehalten hatte und weiß nun, wo und wie die Vulkane ausbrechen auf nie gehörten Erdteilen, oder dass ein Wissenschaftler in Afrika täglich hunderte von Zecken sammelt für einen Impfstoff gegen eine Krankheit, die es bei uns (noch) nicht gibt. Also eine immense Basis von Wissen, für das ich mich früher oder später entscheiden muss, denn all das, was ich nicht weiß und nicht wissen werde, muss Raum haben, vielleicht noch mehr Raum als das Wissen. Oder ich pralle irgendwann auf ein Genug, das mir einleuchtet, und kann dann das Maß halten. Das kann bedeuten, stocknüchtern auf die Tatsachen zu schauen, die nicht in meiner Reich-oder Wirkungsweite liegen, bis hinein in den eigenen Salon, wo die Schachbretter zwar harmloser aussehen als in den Elfenbeintürmen der Großmeister, aber dennoch um Leben und Tod gespielt wird. Es ist eben nicht die Probe, sondern die Auffürung, wo es um unser Leben geht, also um m e i n Leben, und um d e i n Leben.
Fremdes. Da war Fremdes. Es war das, was befremdete. Das Befremdliche. Warum war es da. Es war Fremdliches: nix gut. No, no! Es trug keinen Zopf und hatte keine Steppdecken. Es sollte hingehen, wo es herkam. Irgendwo musste es ja herkommen, dann könnte es auch wieder irgendwo hingehen. Warum sollten gerade wir es treffen, wo es uns doch fremd war. Mit uns hat es jedenfalls nix zu tun. Wir haben selbst nix. Selbst im Nix nix Fremdes haben wir. Dann soll auch das Fremde nix davon haben. Weg soll das Nix. Wir jedenfalls wollen kein fremdes Nix. Wir haben selbst genug davon, ja. Genug jetzt aber. Das Fremde soll weg. Soll’s in die Fremde, wo Fremdes hingehört. Wer soll denn bei uns uns hören. Unerhört! Man soll Fremdes nicht stören. Unter uns stört’s schon von allem genug. Von allem genug. Von uns alles gut. Wir auch so. So weg.
Es prägt einen auf eine jeweils bestimmte Art, wenn man den Tod von naheliegenden Menschen erlebt hat. Auf die krasseste Weise wird einem das Flüchtige und Kostbare und Wesentliche des Lebendigen beigebracht, der Abschied dann als ein unverrückbarer, radikaler Vorgang erlebt und begriffen. So habe ich schon zwei Jahre lang keinen Pinsel mehr angerührt, so als hätte sich mein Bezug zur Farbigkeit des Weltbildes verabschiedet. Nun ist er aber seit ein paar Tagen wieder aufgetaucht, und da erlebe ich sie wieder, diese spielerische Intensität, die so schwer zu vermitteln ist, wenn man sie nicht selbst kennt. Das Bild wird eben nicht vom Wort gemacht und gerät praktisch unter den Bann dieser vollkommen anderen Vorgehensweise. Beim Ablauf der abgründigen Spannungslage zwischen den Schattierungen und den Formen ist das Wort nur schweigender Zeuge, bis sich aus dem Bild selbst Anspruch erhebt auf die Logik und ihre Gesetze. Klar, wenn ich schreibe, fühle ich auch was, aber das Gefühl ist nicht vorherrschend, sondern ich ergründe und denke vor allem, worum es mir geht und was und wie ich es sagen will und kann. So erlebe ich wieder, wie sehr gerade die Andersartigkeit von Wort und Bild innen zu einem Ausgleich führen kann, das Gefühl balanciert mit dem Intellekt, das Innen ausgeglichen durch das Außen, und vielleicht ist die Akzeptanz dieser dualen Problematik auch ihre Auflösung. In meinen Blogbeiträgen hatte ich dann diese mir wichtig erscheinende Idee, Bild und Text immer getrennt zu halten, wieder aufgegeben. Mit der Idee meine ich den Wunsch, keinerlei Sinnzusammenhänge zu inspirieren, aber das ist ja nicht möglich oder irrelevant, wenn nur ich es so möchte, denn alle Wahrnehmungen sind frei, und die sind vielleicht interessanter als eigene fixierte Vorstellungen. Keine Garantie weit und breit für die Vorstellung, wie jemand was sieht oder hört, sind wir doch alle hauptsächlich unterwegs mit uns selbst Richtung Asche.
„Aufhören“. Dieses Wort kommt einem so bedeutsam vor wie das Wort „anfangen“, denn beide sind ja eng verbunden, da ich nichts aufhören kann, was ich nicht angefangen habe und umgekehrt. Was wir auch alle kennen ist dieses Fast-Aufhören, das gerade eine historische Dimension erlebt im Spannungsfeld zwischen Israel und dem Iran, wo man naiverweise innerlich gedankliche Pfeile hinschießt mit dem Befehl, einfach aufzuhören mit dem verletzten Ego-Gigantismus. Auffallend sind auch Menschen, die verstanden haben, wie diese Kultur mit den Tieren umgeht (und die auch häufig zuhause Tiere haben), und dann festhängen am „Ich esse ja nur noch ganz wenig (Fleisch). Und tatsächlich ist ein wenig manchmal zuviel, denn es kann, wenn das erwünscht ist, seine Wirkung nur entfalten, wenn die Erfahrung auftaucht, aufgehört zu haben. Wenn der Krieg aufhört, wenn der Missbrauch aufhört, wenn die Tierschinderei aufhört, wenn das unbegrenzte Tempo auf den Straßen aufhört- Ich fahre auch gerne schnell, wobei es noch viel schneller geht und ich mich dann automatisch erinnere, wie ich mal mit einem Mann im Jaguar 240 km entlanggedüst bin, bis es mir vorkam wie Zeitlupe, gefangen in uneinschätzbarem Risiko. Anders in Holland, wo es schon eine Weile gedauert hat, bis die eingeforderten 100 km zu einem Genuss wurden und die Haie aus dem Rückspiegel verschwanden. Und ich erinnere mich natürlich daran, wie ich dachte, die 25 Jahre Zigarettenrauchen lasse ich locker hinter mir, aber es dauerte Jahre, bis ich zu einer Nichtraucherin wurde und froh bin, für die Sucht keine Scheine mehr hinzulegen oder meinen Blick von den gruseligen Bildern auf den Schachteln abwenden zu müssen. Ein radikales Aufhören hat den Vorteil, dass ein neuer Anfang schon im Programm enthalten ist, auf jeden Fall als Freiraum, den es neu zu erfahren und zu gestalten gilt. Und siehe da, es bewegt sich was, denn nicht alle sind für radikale Schritte geeignet, man kann auch bewusst in die Veränderung hineinwandern, muss aber dranbleiben, sonst wird das nichts. Die bescheidenen Übungen in diesem Feld schaden nicht, denn man lernt dazu. Noch ist es mir nicht gelungen, die so wunderbar schäumende Milch mit Hafermilch zu ersetzen, ein Wunder, dass man das jetzt sogar in Cafés kann. Gedanken setzen sich um. Also man übt am besten mal mit irgendwas, was man aufhören möchte, denn auch Scheitern kann eine gute Wirkung entfalten, da man ungern von sich selbst enttäuscht ist. Den Diplomaten, die gerade durch die Welt huschen mit ihren hohen Aufträgen, wünsche ich alles Gute. Es gibt auch ein Aufhören, das die Welt dringend braucht. Und an diesem Drama sind wir schließlich alle direkt beteiligt.
Aus dem Freundeskreis erzählte mir jemand von ihrer Schulzeit, nämlich dass sie, als ihre Eltern den Ort wechselten, in eine neue Schule kam und dort zum ersten Mal erlebte, dass sie jemanden ablehnte. Also s i e den Lehrer, weil der sie aufrief und mit einem Stock auf das Q zeigte, und sie kein Wort herausbringen konnte, weil sie dem Q noch nie begegnet war. Daraufhin wurde sie durch Stehenbleiben bestraft und ihr wurde vermittelt, dass sie das Erforderliche nicht kapiert hat. In diesem Falle wurde sie durch maßlosen Ehrgeiz gerettet, was nicht immer möglich ist, da Schulen oft die Brutstätten entgleister Triebe sind. Gerne wird dem frühen Dasein spielerische Sorglosigkeit zugedichtet, aber ständig passieren Katastrophen, und man kann von Glück sagen, wenn man es unbeschadet überlebt. Natürlich bleibt die Kernfrage, w i e man es überlebt, und selbst der liebevollste Blick auf die Tiere bringt da nicht weiter, denn wir (Menschen) sind ausgestattet mit diesen herausragenden Merkmalen, die eingesetzt werden wollen für das, was man entscheidet. Das ist nicht einfach, im verwirrenden Labyrinth den roten Faden der Erzählung zu finden, für die man dem eigenen Ermessen nach geeignet scheint. Und überall leben die Mullahs, die mit sichtbaren und unsichtbaren Zeigestöcken auf das Q weisen und d e n enthaupten, der es nicht kennt. Vielleicht muss deshalb aus dem Es das Ich werden und kann sich dann gelassen dem Q zuwenden und sich und die zehn verfügbaren Ebenen kennenlernen. Bis auch die Ebenen enden, das Wissen vermutlich auch, und das Unerwartete sich enthüllt als Freiheit, für die man (gerne) Verantwortung trägt, also sich gerne bemüht um angemessene Resonanz auf das lebendige Geheimnis an sich.
Es war am Donnerstag, dass ich wie an den meisten Morgenden die Maschine öffnete, nein, nicht die, an der ich jetzt sitze, sondern die, die da oben herumsteht, schluchz, ich hab mich so an dich gewöhnt. Alles ging noch außer der Zugang zu meinem Blog. Öfters war ich gewarnt worden, dass mein Browser veraltet ist, aber wer denkt schon gerne an einen veralteten Browser, wo man doch zumindest hier mit Unfehlbarkeit rechnet bis hinein ins Todlose. Ich versuchte alles, was mir selbst zur Verfügung stand, es war reichlich begrenzt, und ich musste Hilfe holen. Gesegnet seien die Gehirne, die vieles wissen, zu was meines nicht in der Lage ist. So wanderten wir zu Strato, eine herrschaftliche Domäne im schwer Vorstellbaren, und nach dieser und jener aufwendigen Mühseligkeit öffnete sich tatsächlich wieder das Tor. Doch siehe und erschaudere: alles war anders als das Gewohnte, und verzweifelt wälzten sich die Synapsen durch das Labyrinth der Neuheiten, begleitet von meinen virtuellen Jeremiaden, schöne und düstere Klagelieder an die ausgebooteten Maschinen, auf denen noch so unendlich vieles liegt, um das man sich eines Tages kümmern muss, sollte es diesen Tag wirklich geben. Schließlich war es nicht Irgendeine, sondern es war eine Vaio und kostete eine Stange Geld, und immer war ich zufrieden mit ihrer Eleganz. Gut, jetzt habe ich geklagt und es geht mir schon besser, denn ist es nicht, was ansteht, im Persönlichen und im Globalen: die Lockerung aus den fixierten Gewohnheiten, die die neuen Bewegungen erschweren. Gut, mache ich halt weiter, schon lauert eine neue Gewohnheit an der Ecke. Neulich hörte ich Harald Welzer, dessen Einstellungen ich zuweilen schätze, sagen, dass wir einfach mit vielem aufhören müssen, deswegen höre ich auf zu klagen, denn weiß Gott, und ich auch, es gibt Schlimmeres. Aber trotzdem braucht’s Raum für die eigenen Anfälligkeiten, hier und da eben ein Abschied, verbunden mit anstrengender Neuorientierung.
Körper der Erde, hier bin ich. Mein Sein bezieht sich auf deine Beschaffenheit, dieses dankbare Aufrechtgehen auf Steinen. Sieh diesen Fremdlingsmantel, das Bühnenkleid, wie sie lagern auf mir und auf deinen einladenden Flächen. Ich zahle mit Münzen für mein Gehen auf dir. Du bist das Gold meiner Augen. Staub, Asche und Sand neben der Sattheit des Grünen. Das lässt sich einfach sagen und denken: kostbares Wasser, das sich bewegt zum Wüstenrand und rinnt in dich ein, fruchtbarer Körper der Erde, heiliger Schrein.
Jeder Krieg ist an sich eine total menschliche Entgleisung, und jede fesche Uniform suspekt, egal, welche Heldenanekdoten daraus gebastelt werden. Grässliche Worte werden entworfen oder aus den blutigen Mustern wieder hervorgezaubert, wenn sie nützlich sind. Wenn Tötungsinstrumentarien wieder gebraucht werden, ein als notwendig erkanntes Nachschieben von Munition, damit das, was nicht passieren darf, nicht wirklich passiert. Und nun der Gazastreifen, damit wir uns in der radikalen Lebensausbildung den Kopf darüber zerbrechen können oder gar müssen, wie dieses Grauengewebe menschlichen Irrsinns von uns selbst wahrgenommen wird, von mir also ganz persönlich, ach ach, wie geht das. Gestern fühlte ich mich von innen heraus genötigt, mir aktuelle Bilder aus der Situation im Gazastreifen anzusehen, während eine amerikanische Journalistin davon berichtete, was sie dort gesehen hat. Es war das Undenkbare und doch Stattfindende: Tote, Sterbende und Verhungernde. Verhungernde Kinder, mental geschädigte Jugendliche, ein ständiger Nachschub von Traumatisierten, die in den nächsten Jahren, wenn sie es denn überleben, überall auf der Welt herumirren werden, wenn ihnen keiner hilft, das Erlebte irgendwie zu bewältigen. Und natürlich die Frauen, die Mütter, die Schwestern, die Töchter, die hier zu oft der niedrigsten Stufe der Ausbeutung ausgeliefert sind. Und wer schaudert nicht vor dem Gedanken zurück, alles zu verlieren, was man aufgebaut hat mit Anderen. Wenn die Stimmen der Weisheit automatisch versiegen, weil wenig bleibt, was da zu sagen wäre. Eines ist sicher: dass sich Israel von diesem Grauen lange nicht erholen wird. Die totale Sonnenfinsternis in Netanjahus Gehirn hat nicht einmal einen Lichtkranz, sondern es verkörpert die lichtlose Hölle schlechthin, in die Menschen im Rausch einer kranken Psyche hineingeopfert werden. Man sieht den letzten blutgetränkten Strohhalm im schwarzen Loch verschwinden. Deutschland wird angeklagt, diesen Massenmord mit Waffen zu unterstützen, wahrlich eine makabre Unterstützung einer menschlichen Community, von der man 6 Millionen Mitglieder vernichtet hat. Das macht es dem Denken, wenn überhaupt möglich, sehr schwer. Und dann man selbst, im Kepos, gut ausgewogen zwischen Haben und Sein, das hochkonzentrierte Auge auf das Wort „Fremdling“ starrend.
Bezogen auf meinen gestrigen Beitrag fiel mir noch auf, dass in dieser Gesellschaft Worte und Begriffe herumgeistern, die, obwohl sehr viele Bürger:innen vieles haben, doch Angst einflößen darüber, dass das, was man hat, verloren gehen könnte, und kann es ja auch. Das spielt leider der altbekannten Idee, dass weniger mehr sein kann, nicht zu. Die Angst und der Widerstand dagegen, das oft hart Erworbene einschränken zu müssen, erlaubt nicht die Freuden der persönlichen Herausforderung, durch ein Weniger Räume zu erschließen, durch die wir uns erweitern können, einfach dadurch, dass mehr Raum zur Verfügung steht. Die Beschäftigung mit dem Besitz ist letztendlich auch nur eine der zahlreichen Ablenkungen, die Menschen gerne in Anspruch nehmen, weil es dann viel zu tun gibt, vor allem aber keine Zeit, sich um das Wesentliche zu kümmern. Oder einfach mal bei der Frage beginnen, was ich für das Wesentliche halte im Ablauf meiner Lebensweise. Wir alle wollen doch wissen, oder nicht?, was für ein Spiel hier gespielt wird, und vor allem, wo mein Auftritt ist, oder wann findet der eigentlich nicht statt. Und es schadet keineswegs, wenn man sich zuweilen als Staubkorn im irrlichternden Firmament sieht, aber ich bin auch der oder die Einzelne, deren Stimme zählt, wenn z.B. der hässliche Hals des braunen Ungeheuers sich auf die Regierungsplätze zubewegt. Aber dann auch: muss ich wirklich all den neuen Herumgeisterworten Glauben schenken, die mir den apokalyptischen Ritt vor die Nase hängen, so, als gäbe es von nun an nur noch das verzweifelte Engerschnallen des Gürtels. Und ja!, schnalle enger, why not, kann auch Freude machen, gegen den freien Willen ist nichts einzuwenden, man muss nur zu ihm vorgedrungen sein und Erfahrung sammeln, wie man damit umgeht. Wir sind, bei aller zu beklagenden Ohnmacht, doch nicht hilflos und können im Umfeld einiges bewirken, was durch den Energieschub bewussten Erkennens stattfinden kann. Nur zögernd benutzt man das Wort „einfach“, das auch wie alle anderen herumgeistert, ohne jemals erfasst zu werden, aber einfach ist tatsächlich schon da. Wenn ich dann auch da bin, passt das sehr gut zusammen. Das Komplizierte verdrückt sich und lässt das Komplexe leuchten, denn es (das große Es) ist verdammt komplex, das kann und will man nicht leugnen.
Mir ist ganz klar, dass man, (Achtung!, hervorquellendes Modewort) heraus muss aus der „Komfortzone“, oder sind es eher ganze Zonen, wo man sich häuslich eingerichtet und niedergelassen hat, auch wenn man in diesem doch sehr abenteuerlichen Dasein schon mal in der Wüste überhaupt kein Einkommen oder irgendeine Form der Sicherheit hatte. Das mit dem Komfort geht schnell. Auf einmal hat ein Mensch alles, was man als dieser Mensch braucht, und nun heißt es, alles Weitere möglichst kreativ zu lenken, damit der Geist im lebendigen Fluss der Ereignisse verankert bleibt. Den stabilisierenden Anker möglichst in die atmende Sphäre geworfen, sodass er seinen Dienst ungehindert ausüben kann. So späht das innere Auge zuweilen aus nach Anregung, die erfrischende Erkenntnis verspricht, idealerweise in Richtung verkrusteter Meinung. So hat mich ein Artikel in der „Zeit“ angeregt, nochmal neu über ein Thema nachzudenken, was ich für komfortzonenmäßig geklärt hielt. Es war der Artikel einer Frau, die ihren Ärztekittel an den Nagel hing, um radikale Veganerin zu werden. Im Bild trägt sie ein T-Shirt mit der Aufschrift „Nicht vegan sein ist nicht ok“. Das mag man sehen, wie man möchte, und genau d a s war die Wirkung, die das Wort „vegan“ schon länger bei mir hat. Vegetarisch ist sonnenklar, aber vegan fand ich jetzt auch immer too much, und eigentlich habe ich nur einen einzigen Menschen getroffen, der auch die Wollpullover und die Lederschuhe gelassen hat. Und nee, nee, meine Wollpullover kommen nicht in die Weitergebtüte, aber ich habe auch nicht vor, mir neue zu kaufen. Die Frau aus dem Artikel heißt Raffaela Raab und ist radikale Veganerin. Sie hat heftige Sprüche drauf und will damit bewusst provozieren, also zum Beispiel: „Wenn du ein totes Tier kaufst, dann ist die Konsequenz von deinem Konsum, dass jemand einem Tier Gewalt antut. Dann unterstützt du Gewalt an Tieren.“ Oder: „Sie konsumieren hier die Leichenteile von fühlenden Individuen. Aufgespießte Kinder, denen die Kehlen aufgeschlitzt wurden, nur damit ihr ihre Körper essen könnt.“… Und ist es nicht wahr? Daher führen radikale Stimmen, denen ihr Zeug voll am Herzen und im Verstand liegt, im positiven wie im negativen Sinne zu Ergebnissen und Veränderungen. Denn da, wo die Stimmen gehört und verstanden werden, treten Akteure auf, die sich um die Umsetzung kümmern. So kann radikaler Einsatz auch zum Guten führen. Und ob der Reiz des „Guten“ bei einem selbst tatsächlich im Weglassen von Milch und Mozarella liegt?, oder liegt er in der konsequenten Handlung, bzw. der Umsetzung des Verstandenen.
In den letzten Tagen wurde ja großzügig mit Wärmegraden um sich geworfen, die man nach dem ewigen Plätschern gar nicht mehr für möglich hielt. Und so kann man den Überlebenden des Winters, vor allem den Überlebenden des Kriegs-Winters, herzlich gratulieren. Auch der Virus-Eindringling wurde in die Bedeutungslosigkeit geschickt. Dafür haben über tausend Potheads am Brandenburger Tor zur Cannabis-Legalisierung angekifft, was vielen höchste Zeit schien, anderen weniger. Es ist wie mit der künstlichen Intelligenz, wo einerseits strikte Gesetze entworfen werden für die Schadensbegrenzung, während in einem Dort alles schon lange unbeobachtet ablief und weiterhin abläuft. Im Dort ist immer schon alles gewesen, aber zum Glück, und hier sage ich bewusst „Glück“, obwohl ich nochmal darüber nachdenken könnte, was dieses seltsam anspruchsvolle Wort für mich bedeutet. Eben, dass zwar alles schon irgendwie irgendwo für irgendwen da war, für uns Einzelne und (noch) am Leben Seiende der Nu den Wirklichkeitscontent zur Verfügung stellt, für den wir (zum Glück) verantwortlich sind. Und natürlich war das bedeutsam, dass z.B. Eckart Tolle es sich zur Lebensaufgabe gemacht hat, so wie Andere den Tanz in der Leere, dass man für diese Künste Anwesenheit braucht, also wir unser Wesen mindestens so lange für diese Einleuchtungen gewinnen müssen, bis selbst so ein wohlklingendes Wort wie „Yogini“ einem überflüssig vorkommt. Wenn es einem also einigermaßen gelungen ist, den Überfluss gut zu lenken, dann kommt im Strom gelungener Nus der Tag, an dem die Sonne scheint und man zum Auftanken bereit ist. So ein Tag läuft gerade ab, obwohl ich zugeben muss, dass mich auch der Sahara-Staub interessiert, oder ob das ebenfalls fake news war, und wie kommt der überhaupt den langen Weg hierher, dieser Wüstensand.
Es konnte ja nicht ausbleiben nach dem ganzen Oscar-Hype über den Streifen „Poor things“, dass ich irgendwann auch in Kontakt damit komme, allerdings schon beim Trailer dachte, dafür bringt mich kein Pferd in ein Kino. Nun war er, der Streifen, bei amazon prime zu sehen, klar, was sind schon 5 Piepen im Angesicht der Möglichkeit, etwas Hochgepriesenes zu betrachten. Ein durch und durch vertrauenswürdiger Freund hatte das abgründige Märchenprodukt heiß empfohlen, da muss, dachte ich wohl, irgendwo was dran sein. Eine drastisch emotionslose Dreiviertelstunde schaute ich dem hölzernen Herumgeirre der Frau zu, der ihr Frankensteinpapa das Gehirn ihres bei ihrem eigenen Selbstmord überlebendes Kind eingepflanzt hatte. Weitere sadistische und sehr männliche Machtphantasien nahmen ihren Lauf. Das freie, von keinen konventionellen oder psychischen Hemmungen geplagte Erwachsenen-Kind konnte jedem Männertraum gerecht werden und ließ sich kräftig auf alle erdenkliche Weisen durch (pardon) bumsen, eine gewaltige Durchbumserei also in bunter Kinderwelt, und wenn ich es denn richtig verstanden habe, war die großartige Botschaft: gehst du als Mädel durch die Enthemmungshölle und kommst hinten lebend wieder raus, dann kannst du noch Ärztin werden und aus den würdelosen Männerdingern grasfressende Ziegenböcke machen. Hatte ich nicht den richtigen, also den dazu passenden Humorhebel angehoben? Da loben so viele Menschen etwas so sehr, und man kann es selber nicht finden, das Lobenswerte, nicht, dass ich mich bemüßigt fühle, den Sinn der Oscarnominierungen zu ergründen. Nein, ich war ganz allein mit meiner Meinung, oder soll ich es Wahrnehmung nennen. Und so soll’s auch weiterhin bleiben, eben wenn es nicht anders geht, und es klaffen ja die Geschmäcker nicht immer so heftig auseinander. Punkt.
Hochgezüchtet am
europäischen Stier
fiel das entkünstelte
Lächeln auf einen
gigantischen Stillstand.
Was sollte aus dem
harmonisierten
Widerstand gegen den
Konflikt am Herd
denn nun werden!?
Wer sollte und konnte in
die kunstfertig gestylten
Wassergläser auch nur
einen einzigen glaubwürdigen
Blutstropfen streuen, um dem
tiefen Tod durch entmachtete
Tugendlosigkeit breit entgegen
zu wirken. Wie Birkenalleen,
auf denen wegen den Kriegen
keiner mehr gehen kann oder
soll, zahlen heimlich alle noch
immer Zoll für das noch nicht
wirkliche Gütigsein. Aber
ganz reale Hoffnungsstrahlen
malen sich als Graffiti tief hinein
in das Kraftfeld der Großhirnrinde:
dort verwittern die Konten der Sünde.
Es hat mich schon verblüfft, als ich neulich gehört habe, dass es nur sehr wenige Tage gab ohne Krieg in der Menschheitsgeschichte, was nicht unbedingt zu voreiligen Schlüssen führen muss, aber doch zu bedenken gibt. Wobei es vermutlich diese wenigen krieglosen Tage auch nicht gab, denn auch wir wissen nicht trotz aller Mediensucht, wo überall gekriegt wird und wo das Kriegen anfängt, und wo es aufhört. Das Wort „kriegen“ fällt auf durch seine Doppelbedeutung, die letztendlich doch zusammenfließt wie Zwillingsgehirne. Putin will die Ukraine kriegen, Netanjahu die Hamas, Trump den Präsidentenstuhl, Modi die Weltmacht. Das wollen sie ja alle, aber vor allem Narendra Modi, den kann man schwer lesen, wenn einem die indischen Auserwähltheitsgelüste nicht bekannt sind. Denn die Wiege der indischen Menschlichkeit schaukelt tief und fest in dem ihnen unumstößlich vorkommenden göttlichen Anspruch, ihrem eigenen und dem des unkörperlichen Gottes, der das Ganze lenkt. Und obwohl selbst in göttlichen Gefilden kriegerisch gehandelt wird, hält sich Modi sehr clever heraus aus den Schlachtfeldern, profitiert aber natürlich vom Getümmel, kriegt also was. Der Krieg ist Wahnsinn auf dunkelster Ebene, das wissen wir alle!? Aber nein!, immer staunt man wieder, wenn man hört, wer alles hineinwollte und mitmachen. Und wäre ich nicht selbst froh, wenn die Jungs hinausziehen würden zum Schutz und der Verteidigung des Landes, und hinein in die Schützengräben?, und sehr oft nicht wieder heraus. Und wenn es denn so unvermeidlich scheint, dass Männer dort sterben und die zurückbleibenden Frauen wieder einmal Freiwild werden, dann bleibt dennoch die Frage offen, was man selbst damit macht, wenn es um einen herumtobt, nah genug, um es, das mythosumrankte Es, als Realität anzuerkennen. Der Mensch bewegt sich auf dem Schauplatz des Kriegens. Wahr ist auch, dass der Krieg viele, bislang brachliegende Kräfte aktiviert. Manche Berufe beginnen, im Vordergrund heldenhaft zu strahlen. Doch die „Bösen“ lassen sich schwer fassen, die „Guten“ werden aus Versehen erschossen. Das gehört nun mal dazu, meint Netanjahu. Aber es kann gut sein, dass der Wind auch ihn vom Hocker holt. Wie dem auch sei, es bleibt die Frage, was man selbst beitragen kann oder muss, wegen den giftgespritzten Orangen im Schlaraffenland und den gepeinigten Tieren und den elendig verendenden Menschen, und der Ohnmacht wegen, die einen zuweilen ergreift, und klar, auch d a s trägt man bei. (Immer ist Beitrag.)
So, das ist jetzt auch vorübergegangen (this, too, shall pass), und es trug eine auffallende Stille in sich. Aber vielleicht nur da, wo sich keine Verwandten tummeln, oder weil ein Großteil des Landes sich aufgemacht hat an die Weltstrände zum Sonnentanken, wer will’s als willkommene Idee verwerfen. Die Problemherde eskalieren vor sich hin, während das kollektive Kopfzerbrechen seine Funktionsfähigkeit einbüßt. Das Denken an sich hat ja nichts mit Sollen oder Müssen zu tun, bewahre. Es kann anregen zu Entscheidungen, die das Wohlergehen der Beteiligten im Blick haben. Wenn dieser Blick jeoch entgleist und sich auf einmal berechtigt fühlt, das Leben der Anderen auszulöschen, dann zieht sich das Denken ins Darknet zurück und wühlt und pöbelt dort hemmungslos vor sich hin. Jeder Mensch weiß, dass Selbstkontrolle ein Teil des Spiels ist, denn immer geht es auch um die Anderen, die ein Schutzschirm sind für unsere Schwächeanfälle, damit wir nicht ausrasten und den Durchblick gänzlich verlieren. Dabei ringen wir vor allem in finsteren Zeiten wie dieser um innere Stabilität, denn die geleimten Stühle der Autokraten knirschen in den Fugen, und da die Herren nicht abtreten wollen, wird es gefährlich. Hier und da wird das Erscheinen des Messiah erwartet, aber noch gibt es nirgendwo Kunde von Einem oder gar Einer, deren Güte und Liebe die Weltatmosphäre durchdringt, sodass Speere und Lanzen und Drohnen freiwillig gesenkt werden und der Wille zur Ausrottung als Irrsinn erkannt wird. Deswegen tut Stille gut, denn das Auge erfährt Raum und Freiheit, sich auf sich selbst zu richten. Hier tauchen wie von selbst die Fragen auf, die immer mal wieder aufs Neue beantwortet werden können, denn schließlich lebt man, ob man will oder nicht, im Wandel der Dinge. Da bietet es sich doch förmlich an, schöpferisch tätig zu sein, und die inneren Kräfte zu erkennen und auszuloten. Zeit, um Verantwortung zu übernehmen für die Freiheit, in der wir (z.B. in Deutschland) noch immer leben, und solange man es noch so nennen und beanspruchen kann, das schwerwiegende, großartige Wort: Freiheit.
Was das Osterei mit dem hochrangigen Christenfest zu tun hat, weiß ich nie so genau, vermutlich ein Mangel aus tieferem Interesse oder meinem ansteigenden Desinteresse allen etablierten oder selbst ausgerufenen Religionen gegenüber, denn wir (vom gesellschaftlichen Wir) sind doch genug informiert worden darüber, dass wir als menschliches Gemeinschaftsprojekt an der Kippe stehen, einen Tanzschritt vom Abgrund entfernt. Und selbst wenn der heilige Vater aus Rom befiehlt, dass das sinnlose Morden aufhören soll, haben die Söhne keinerlei Bock auf Gehorsam. Ansonsten geht es ja in diesen Tagen viel um Eier und die gefürchtete Fruchtbarkeit der Hasen, die gerne abgeknallt werden, wenn sie nicht gerade große Eierkörbe durch die Kinderbuchzimmer tragen, oder Kinder selbst die bunten Ursymbole unter den Hecken des Gartens herausfischen. Nun, wir (vom persönlichen Wir) essen keine Eier, das Weglassen von ihnen nebst Fleisch und Fisch ist ein alter Brauch aus der Yoga Praxis, wo man viel still sitzt und ungern von innen herausmodert. Also keine Eier. Aber gestern waren wir in der seltsam leer scheinenden Stadt, um im Museum eine Ausstellung zu sehen und uns dann in der geräumigen Halle an einer riesigen Glasfläche niederzulassen mit einem wirklich exzellenten Kaffee vom Coffeeshop auf Rädern. Entspannt auf den Stühlen sitzend entdeckten wir direkt hinter der Glaswand ein brütendes Huhn auf einer aus der Tiefe aufgebauten Nestschöpfung, die jedem Kunstwerk Ehre macht. Alle paar Minuten kam der Partner bzw die Partnerin mit neuen Zweigen, an denen wohl auch Nahrung haftete. Da! passierte es, dass die Brüterin sich bewegte und wir die Eier sahen: sechs vollkommene Eier, für uns sichtbar gemacht am Ostermontag, dem Überbleibsel des arbeitsbefreiten Auferstehungstriduums (einst Sonntag, Montag, Dienstag). Irgendwann wechselten die beiden sich ab und ich grübelte, wie sie diesen mühelosen Genderwechsel so natürlich hingekriegt hatten. Vater und Mutter gleichberechtigt beim Brüten! Alles, was das Auge aufnehmen konnte, war so vollkommen, und gleichzeitig so zerbrechlich. Von dieser Art sind alle Wunder, da ist man schon froh, dass man teilhaben kann.