ROTTORORT


Auf einer Seite bin ich gefangen durch
das sich vollziehende Gericht, das bei
geschlossenen Türen stattfindet. Auf
der anderen Seite ist ein Durchgang
wie ein Tor, hinter dem Geborgenheit
und Wärme liegen. Ich hebe die Tür
aus den Angeln, nehme den Schlüssel
und öffne das Schloss. Ich trete über
die Schwelle.
Text und Bild stammen von einem sogenannten schwer erziehbaren Jugendlichen. Zwei Frauen von unserem Haus wurden (vor ungefähr zwanzig Jahren) von einer Mitarbeiterin des VSB (Verein für soziale Bildungsarbeit) angefragt, ob wir uns vorstellen könnten, bei einer Maßnahme mit schwer erziehbaren Jugendlichen mitzuwirken und etwas „Künstlerisches“ mit ihnen zu machen, da alle anderen Versuche gescheitert waren. Wir hatten die Jugendlichen dann alle in unser Haus eingeladen, um zu schauen, ob sich da eine Möglichkeit anbot. Es gab viel Fremdeln und tief gezogene Käppi-Verstimmung und keine Ahnung, was das alles soll, aber interessiert waren wir doch alle an dem Abenteuer. Ich denke, wir sprengten ein wenig ihre verschiedenen Widerstände gegen das „Normale“, aus dem sie ja herausbugsiert worden waren durch ihre Schutzmechanismen. Wir machten zwei Durchgänge und fühlten uns enorm beschenkt durch ihre Mitarbeit. Das Ganze endete in einer sehr schönen Ausstellung mit von ihnen wunderbar gestalteten Bildern und Texten. Vertreter des Arbeitsamtes kamen, um sich alles anzuschauen. Sie konnten es kaum fassen, was ihnen da an Reichtum des Ausdrucks geboten wurde, was dazu führte, dass das Amt die ganze Austellung kaufte. Das Bild oben kam aus dem Thema „Mandalas“. Heute morgen beim Frühstück tauchte das Blatt aus einem Aktenordner unserer gemeinsamen Arbeiten auf. Ich erinnerte mich daran, dass wir die Jugendlichen gebeten hatten, mit ein paar losen Worten einen kleinen Text zu schreiben. Dieser Text oben stand also an der Seite des Bildes. Ich hatte das Gefühl, aus unsichtbaren Ebenen ein Blatt zugeflattert zu bekommen, damit das Geheimnis des Pelikans Worte erhält, die der laufenden Realität eine Struktur geben. (Pelikane sind Namensgeber der Ordnung Pelicaniformes). Angeblich soll sich ja der Vogel die eigene Brust öffnen und das Blut auf die toten Jungen tropfen, damit sie dadurch wieder ins Leben zurückfinden. Meine Güte, das ist Level 11 und sprengt die Vorstellung des Spiels. Ich denke, man kann es auch symbolisch einfacher verstehen. Wie ich schon durch das indische Wort „Mrtlok“ (Planet der Toten) aufmerksam darauf gemacht wurde, dass man nicht wirklich leicht erkennen kann, ob ein Mensch „tot“ oder „lebendig“ ist, da es auch auf die Definition der beiden Wirte ankommt. Vom „Totsein“ würde man eher sprechen, wenn wir als Mensch keine Verbindung zu uns selbst haben, wobei das geistige Sterben auch etwas zu tun hat mit dem bewussten Austritt aus der Blase, in der wir uns alle wohlfühlen können, da sie vertraut ist und keinerlei Anstoß oder Ausgestoßensein bietet. Verzieht sich das Blasen-Ich aber wie die abgestreifte Haut einer Schlange, kommt innen etwas Lebendiges in Gang, das sich selbst bestimmt und nicht nur mit weniger unerreichbaren Wünschen belastet ist, sondern auch mit weniger Leiden. Immer ist TOR, durch das ich hindurchgehen kann. Immer ist ORT, von dem aus alles möglich ist. Und nun kommt ROT, das ist des Rätsels letztes Geheimnis. Da es so einfach ist, es zu nennen, weil wir alle glauben und denken, es ist schon voll in Aktion bei uns, deswegen spreche ich das Wort nicht aus. Es ist das einzige Wort, das allein durch seine Manifestation zum Schlüssel wird, den wir alle in uns tragen. Von da aus geht es nur noch um die Umdrehung. Wie gesagt: es geht um Level 11, die Selbstentlassung aus dem System der Pyramide(n).

Von mir aus

Von mir aus kann es ewig dauern,
das Urprogramm Liebe. Ich fühle
mauernlos, schmerzlose Last, ohne
Körper zu sein, als ein du-freier,
zärtlicher Stern. Von mir aus kann
es genau so weitergehen: im Ganzen
durchflutetes Spiel. Prinz auf dem
Brut-Ei der Formen. Ich frage mich
jetzt durch die Wirklichkeiten hindurch
nach Tatsachen im Dickicht der Normen:
wenn die Schale zerbricht, das heißt,
wenn die Illusion sich entspannt in den
Tod: was entsteht dann aus meinem
Zittern, dem Nicht-Sein,  dem unbefragten
Erscheinen. Nur gebunden an Himmel,
nur Wohnung Essenz, weit, mit Tagen
wie Blumen am Fenster des All. Wenn
das Rätsel der Welt langsam aufgeht
in Flammen, in Flammen: beim Tanzen,
beim Tanzen denkt sich der Mensch
heraus aus dem Zustand der Zeit.

21. Juni 2023


Feuer in der kürzesten Sommernacht
Am heutigen Datum vor einem Jahr habe ich einen von mir geliebten Menschen sterben sehen. Das Sterben war schon im Gange, aber der Nu war nicht vorauszusehen. Auf einmal hörte der Körper auf zu atmen, nahezu unmerklich verschwand der Mensch, der gerade noch da war, was sich im Atem ausdrückte. Ich hatte gelesen, dass sterbende Menschen extrem gut hören, selbst wenn sie vorher Hörschwierigkeiten hatten. Vielleicht, weil die persönlichen Einstellungen und Widerstände etc. sich auflösen und etwas im Inneren frei wird von Last. So habe ich,  als der Atem noch da war,  alles sagen können, was ich sagen wollte. Es war nicht so schwer, weil im Unbegreiflichen aufgehoben. Und jetzt, meine Güte, schon ein ganzes Jahr! Vieles erinnert mich an die wunderbaren, gemeinsam verbrachten Zeiten, aber auch an meine Trauer, schwermütig ausgebreitet in sommerlichem Glanz, der ganz durchbohrt war  von meinen leeren, haltlosen Blicken, dankbar für jeden Schatten, der sich mit meinem verband. Ein tiefer Verlust, der auf das eigene Entschwinden vorbereitet. Auch weiß man nun, wie schmerzhaft es sein kann, Menschen, die man geliebt hat, zurück zu lassen: die Überlebenden also und nicht die, die vorangehen. Und obwohl mehr Zeit schön gewesen wäre, herrscht eine tiefe Dankbarkeit vor, denn viele Jahre habe ich diese Freundschaft und Liebe erfahren dürfen. Da passt dürfen mal ganz gut, obwohl keiner etwas erlauben musste, die Qualität der Beziehung setzte sich selbst durch. Gestern, unterwegs beim Lilienkauf, sagte eine Frau im Radio, Glück und Gerechtigkeit wären nicht kompatibel. Sie meinte damit, dass die einen niemanden treffen, der sie sieht oder fördert, und die anderen das Glück haben, so einem Menschen zu begegnen, der wegweisende Anregungen gegeben hat, und ohne den oder die man sich den eigenen Weg gar nicht vorstellen kann. Immer fand großzügige Bereicherung statt, wir waren beide geübte denkerische Tieftaucherinnen. Oft befanden wir uns an vollkommen verschiedenen Tauchstationen, eben da, wo unsere Schulungen stattgefunden hatten, aber wir kamen auch auf prächtige Weise wieder zusammen: souverän, und ohne die eigene Stabilität verloren zu haben. Es wurde auch klar, dass in den Forschungsgebieten, in denen das Wesen und die Heilung des Menschen (von sich selbst und seinen Widersprüchen), man dem gemeinsames Anliegen nur als sich selbst gerecht werden konnte. Ich danke dir ganz persönlich für die Strecke, die ich gemeinsam mit dir gehen konnte.

Sapere aude

Erst vor Kurzem hatte ich eine (für mich persönlich) Aufsehen erregende Erfahrung, als ich zum ersten Mal hörte, dass das englische Wort „enlightenment“ im Deutschen mit „Aufklärung“ übersetzt wird. Zum Glück spielte in meiner meditativen Ausbildung die Premium Gaukel Karotte „Erleuchtung“ (jedenfalls als Wort) keine Rolle. Allerdings hatten wir andere Begriffe für das, was hier als erreichbar (in uns) angesehen und gelehrt wurde.  Wenn es beruflich gut bezahlte Ego-Beobachter:innen gäbe, könnte sie um dieses eine Wort herum ganz sicher fündig werden, ja geradezu überwältigt werden vom angebotenen Research Material. Das Wort „Aufklärung“ bringt das ganze Gebilde doch auf eine Ebene, mit der man erst einmal nüchtern umgehen kann. Zum Beispiel, dass aufklären, also sich selbst etwas klar machen, auch ohne Kant verständlich werden kann. Natürlich kann man nicht behaupten, Kant hätte nicht den goldenen Nagel auf den richtigen Kopf getroffen. Also allein der Satz, dass „Aufklärung“ der Ausgang aus seiner (des Menschen) selbstverschuldeter Unmündigkeit“ ist, kann einen erschaudern lassen. Und „Unmündigkeit“, erläutert er weiter, ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern am Mangel des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe den Mut, dich deines eigenen Vertandes zu bedienen.“ Ahhh! Inneres Aufatmen, entspanntes Kichern in der Zellstruktur. Wohliges Danken, dass es Geister gab, deren Aufgabe es war, solche Sätze in die Welt zu tragen. Und ja!, wir lassen uns gerne anregen und begeistern und hören gerne zu, wenn ein anderer oder eine andere mitteilt, wie er oder sie es sieht, wenn sie oder er es denn selber sieht oder schon gedacht hat, nur vielleicht nicht ganz so meisterhaft. Diese Sätze bzw Gedanken kannten auch keine Grenzen. Die Dunkelziffer, wieviele Menschen dadurch berührt und begeistert wurden, ist hoch, das Meiste vom Wesentlichen geschieht ja zuerst im Inneren, bevor es Ausdruck erlangen kann. Nun müssen die Erkenner:innen solcher prägnanten Weisheiten nicht unbedingt, oder besser gar nicht, elitär sein. Sie sind nur meistens einsamkeitsgeprüft, wodurch sich dadurch interessanterweise das Leid mildern kann, aber nicht muss. Wenn ich den Mut besitze, mich meines eigenen Verstandes zu bedienen, verlasse ich den Bann, der persönliche Geschichte und Gesellschaft und Kultur auf mich ausüben kann. Dann bin ich allein, ja, aber auch frei, die Verantwortung, die meine ist, wahrzunehmen, und ernst zu nehmen. Das mag erst einmal wie wenig aussehen, but who knows, vielleicht ist es ja eine ganze Menge, oder ich bin es gar selbst, die dabei herauskommt.

zusammenfügen


Chaos im Kleinbildkasten
Meine letzten Collagen, also die Bildbeiträge zu meinen Texten, stammen aus meiner Kleinbildsammlung. Dass ich überhaupt einmal eine Kleinbildersammlung anlegen konnte, erstaunt mich.  Nun wollte ich sie im Zuge einer grundsätzlichen Aufräumideologie mal nutzen, um dann sagen zu können: Adieu, Sammlung, ein Kästchen weniger. Dabei fiel mir auf, dass sich die lose gebliebenen Bilder selbst zu Collagen formieren. Sie gehen neue Verbindungen ein, neue Farbkontraste.   Doch unterliegen sie auch den Gesetzen wie alles andere. Ständig entstehen neue Eindrücke. Eine geringe Bewegung, und alles ist verändert. Allerdings habe ich dann doch noch ein paar wenige Verrückungen vorgenommen. So, als wenn selbst im Chaos eine gewisse Stimmigkeit herrschen muss. Es muss  irgendeine Aussage machen oder etwas ansprechen in Betrachter:innen, was sich wiederum in neuen Gedanken manifestieren kann. Löst es Derartiges nicht aus, ist es auch in Ordnung, die Sache hat keinen Preis. Bis heute kann man jeden Künstler und jede Künstlerin verstehen, wenn sie (ich meine uns alle) ihr , also unser Brot gerne selbst durch unsere Arbeit finanzieren, aber mit dem Preis muss man sehr vorsichtig sein. Arbeitet man in einem Nebenjob, um die Ausübung der künstlerischen Fähigkeit zu finanzieren, kann man davon sehr erschöpft werden. Hat die auszuübende Tätigkeit allerdings einen Kontext zur eigenen Begabung, kann man es durchaus als Schulung oder Erweiterung sehen und muss nur darauf achten, dass auch Kunst einen Moloch an der Leine hat, der seine Kinder verschlingt und ihnen die Mußestunden entreißt, in denen der eigene Schöpfergeist Lichter und Farben und Schatten und Deutung zusammenrückt, die wiederum frische Impulse in die Welt senden. Wir warten auf Regen, der Waldbrandverhütungsschutzhubschrauber überfliegt das Gelände. Sakshi hat in Kishangarh einen Sohn auf die Welt gebracht. Heute Nacht, die eine tropische Nacht genannt wurde, bin ich im Traum neben einer Frau hergelaufen, die genau vor einem Jahr im Sterben lag. Ich wunderte mich im Traum, wie das sein konnte, dass sie so lebendig und genau, wie sie war und aussah, neben mir herlaufen konnte. Gerne wüsste ich, dass sich hinter dem mystischen Tor eine Marmorhalle ausstreckt, wo die, die durchgekommen sind, uns lächelnd empfangen. So, als waren wir nur etwas naiv, das Ganze nicht als ein Spiel zu erkennen, in dem die Bilder unaufhaltsam durcheinandergewirbelt werden und wo es darum geht zu finden, w a s genau hinter Level 10 liegt, also da, wo die Worte keine Deutung mehr zulassen.

Zustand


Mit dem Photon, das weder Masse noch Ladung
hat, ist eine unbegrenzte Lebensdauer gegeben,
die eine lebenswichtige Brücke zwischen dem
Zustand des Seins (Jetzt) und dem Zustand des
Nichtseins in der physischen Welt schlägt. *
Sitze ich in einem schwarzen Loch, das erst einmal kein Licht hergeben will, so kann die Sonne noch so viel draufscheinen, das tut dann vielleicht dem Körper ganz gut. Dann jedoch muss ich schauen, wie es weitergeht. Schon in diesem Gedanken, dass es (ich) überhaupt weitergehen will, liegt eine Bewegung, die ich nutzen kann. Die geistige Kraft im Universum steht ja zur Verfügung, es kommt also darauf an,  ob ich (noch) in der  Lage bin, mich inspirieren zu lassen, also entweder mich selbst (irgendwie) herausholen, oder aber angebotene Unterstützungen zuhilfe nehme, auch vom Zugang zu meinen eigenen Erfahrungsarchiven. So kann man an die dunkle Wand (zum Beispiel) eine Leiter anlegen und sich an den Rand des Abgrunds hieven. So ein Bild bleibt stabil und hilfreich, wenn ich es für die Dauer des Durchgangs stabilisiere. Oder ich erlaube es mir zu erschrecken, dass ich Kairos, den Schicksalserheller, langweile mit meiner Sucht, dem Dunklen gerecht zu werden, so als könnte es nicht für sich selbst eintreten und geschliffene Reden halten. Ich aber will schweigen, oder will ich doch lieber mitteilen, was in mir rumort und werkelt und wütet, so, als hätte ich das Tier selbst an der Leine und wollte es gar nicht zähmen, vielleicht, weil ich gar nicht kann. Als krasse Kritikerin aller esoterischen Machenschaften ist es mir peinlich, dass ich mich plötzlich frage, ob wohl Neumond ist, und tatsächlich, es ist so. Weil nun da ein Wörtlein steht, das korrespondiert mit meiner Erfahrung, richte ich mich innerlich auf von der Krabbelstellung und schalte auf nüchtern. Der Lichtstrahl macht sich bemerkbar. Ich wäre ja kleinlich, so kleinlich, wenn ich jetzt nicht freiwillig umschalten würde. Weiß ich doch aus Erfahrung, dass man am Rande des Unlösbaren auch tanzen kann.

 

 

* Einstein

gem/einsam

Hier ist sie also, die Natur, in ihrem vollkommenen Ungezügeltsein. Wirkt gesund, jedenfalls da, wo wir wohnen, auf den ersten Blick. Allerdings fallen vom Apfelbaum schon die welken Blätter. Der Boden sieht aus wie im Herbst. Wieviel Wasser kann man geben, und wer unter den Grashalmen braucht es am dringendsten zum Weiterleben. Ab und zu hört man einen Hubschrauber den Wald überfliegen, es ist wegen der Brandgefahr. Dann, ein Flugstündchen weiter, sind ein paar hundert Menschen im Meer ertrunken. Wir trauern um sie und mit ihren Angehörigen, meinte ein Politiker. Mit ihren Angehörigen? Wem gehörten sie denn an? Man wünscht sich inmitten dieses Nichtwissens, dass die Kunde von dieser tödlichen Gefahr sich durchsetzt, aber wahrscheinlich glauben alle aus der Not sich Aufmachenden, dass sie zu den Überlebenden gehören werden. Und vielleicht ist der Tod als potentielle Möglichkeit besser als das, was zuhause los ist, man weiß es nicht, oder vielmehr: ich weiß es nicht. Alle Zeitalter schlucken Menschenleben vor ihrer Zeit, und was meint man mit: vor ihrer Zeit. Die Zeit, die Menschen nicht mehr haben, deren Leben auf einmal gekürzt ist, und trudeln nun hinunter an die tiefste Stelle des Nichts. Man könnte auch behaupten, der Menschheit sei das Steuer entglitten, die Richtung nicht mehr erkennbar. Der Zwiespalt nagt an der geistigen Substanz; haben wir überhaupt noch eine gemeinsame Ebene, auf der wir uns souverän und ohne Anspruch begegnen können, und wer ist dieses Wir. Aus dieser Frage heraus scheint es mir so zu sein, und vielleicht war es immer so, dass wir, da wir aus Einzelnen bestehen, uns nur einzeln bewegen können, also „einsam“ eingebettet in das „gemeinsam“. Es ist sicherlich hilfreicher, mir selbst antworten zu können, als zu warten auf Beantwortung, die nicht stattfinden kann, wenn ich mich selbst nicht beantworte. Aber warum sehe ich zum Beispiel immer und immer wieder diese Leiber hinunterdriften in die Dunkelheit, und diese Gewissheit, die sich irgendwann im Geist einstellt, dass alles vorbei ist, die gerade noch hilfreichen Smartphones entgleiten und hinterhertrudeln, keinem Hilferuf mehr zugängig. Das Leben ist anspruchsvoll, jeder möchte ihm gerne in bestmöglichem Verständnis begegnen. Aber es ist nicht allen möglich, so ist es nun einmal. Irgendwann entgleiten uns unsere Leiber und mit ihnen das, was ihnen zu erleben möglich war. Das dritte Tor aber muss offen bleiben: Attention, traveller!, freischwebende Aufmerksamkeit!, denn es ist spät, doch es ist nicht, noch nicht zu spät. Wir tragen Wasser zum Apfelbaum.

ausreifen

Und man kann sagen (den Blick darauf gerichtet), dass aus ziemlich jeder Ecke Menschen hervorgekommen sind, die vielleicht gerade wegen der Härte ihres Schicksals über sich selbst hinausgewachsen sind, oder eher notgedrungenerweise in sich selbst hineinkatapultiert wurden, von wo aus es sich dann lebendiger leben lässt, wenn einem klar wird, dass niemand sonst die Verantwortung für mich übernehmen wird. Da können auch Kinder schon über sich hinauswachsen, wenn sie durch die Umstände nicht vollkommen traumatisiert sind. Auch dann noch kann, wer Glück hat , in der Traumatherapie verstehen lernen, was passiert ist. War es der Unfall oder war es die Gefühlskälte in der bürgerlichen Banalität eines Haushaltes, wo die Grausamkeiten ungebremst kursieren. Das daraus entstehende Unheil bleibt oft deswegen so undurchdringlich, weil das Leben der Menschen automatisch von der Kindheit ins Erwachsenenalter mündet, wo bestimmte Störungen sich bald in den Beziehungen zeigen, wenn die Tarnkappen verrutschen und das Märchen eine überraschende Wende nimmt. Wenn sich unmerklich die Mitspieler:innen in Väter und Mütter verwandeln, von denen man nun etwas erwartet, was als Kind immer fehlte, meistens spürbare Liebe und Interesse an einem. Wo es dem (Vater) oder der (Mutter) hätte möglich gewesen sein können, hätte man mit einem anderen Level an Bewusstsein rechnen können. Hätten existiert aber nicht, denn man muss davon ausgehen, dass jeder Mensch zu jeder Zeit (nur) tut, was er kann, mehr geht grad nicht als das Gebotene. Vor allem die emotionale Abhängigkeit von der Fütterung des Gewünschten und  lange Entbehrten führt zu fatalen Vorstellungen davon, was Liebe eigentlich sei. Oft habe ich mich gefragt, warum eine bestimmte Art von Liebe, die mich anspricht, erst in der verhältnismäßigen Reife des Menschen fruchten kann. Wobei einleuchtend ist, dass zutiefst erlebte Erfahrungen einem auch beibringen können, was etwas eben nicht ist. Man fragt sich selbst, was man darunter versteht, und ein Glückskeks für diejenigen, die es austüfteln und dadurch einen Weg zu seiner (dem Glückskeks) oder ihrer (der Liebe) Möglichkeit bahnen. Nun ist die innere Freiheit an sich so riesengroß, dass nur ich selbst entscheiden kann und muss, wie ich das Ganze spielen will. Ob ich ein bedürftiges Kind bleiben möchte, oder rausfinde aus dem Sandkasten. Keiner schubst mehr von hinten, keiner will unbedingt, dass ich reinkomme und streckt mir die Hand hin. Jetzt, in der Reifezeit, bin ich in der Lage, wesentliche Entscheidungen zu treffen. Die Entscheidungen, die mir selbst zutiefst entsprechen. Dann gerne kichern, weil es so offen sichtlich und spürbar ist.

sterblich

Man kann von eher jugendlichen Menschen, die sich mehr oder minder begeistert in ihrem quirligen Alltag herumtreiben, nicht verlangen, dass sie das Thema der Sterblichkeit, also unser aller Sterblichkeit, interessant finden, außer vielleicht in philosophischen oder psychologischen Studiengängen, wo man um bestimmte Themen nicht herumkommt, zum Beispiel Gott oder der Tod. Irgendwann muss man sich als reflektionsgeneigter Mensch an diese Themen heranrobben, an die tiefsten und schwersten also, die die Menschheitsgeschichte bis jetzt zu bieten hat. Sterblich heiß nicht nur, dass hier eine einzige Sache absolut gewiss ist, nämlich das Ende dieses Durchgangs, sondern auch, dass es jederzeit geschehen kann, also auch jeglichen Alters. Jede Art von Krankheit oder ein Mangel an Wohlbefinden kann einem die Zerbrechlichkeit des eigenen Gefüges verständlich machen, und man kann durchaus anzweifeln, ob es geistige oder körperliche Kerngesundheit überhaupt gibt. Ich müsste ja stumpfsinnig sein, angesichts des planetarischen Krankheitszustandes, an dem wir außerdem alle beteiligt sind, irgendwann zu behaupten, es ginge mir prächtig, wenn Pracht immer mehr Schattierungen einbüßt, und der Tod auf jeder Türschwelle lauert. Wir sterben also alle früher oder später, und auch auf das Verblassen der Erinnerung kann man sich verlassen, obwohl es zutiefst schmerzhafte Momente gibt, wenn man einmal wieder nicht versteht, durch und durch, dass ein geliebter Mensch nicht mehr da ist. Wie lebendig man sie aus dem Geist hervorzaubern kann! Schließlich hat man seine Liebe hier schenken können, ohne auf den eigenen Standort verzichten zu müssen. Unvergesslich alles, was in Freiheit gegeben wurde und wird. Wann fängt man an, diese Arbeit (der Annäherung an die eigene Sterblichkeit) ernst zu nehmen. Denn ernst zu nehmen ist es doch, wenn wir in eigener Stunde allein auf das Tor zugehen, von dem keine Medien mehr berichten können. Nie wird einer wissen,was ich erlebt habe bei diesem Übergang, und allein dadurch ermöglicht es unter günstigen Umständen vielleicht einen Seinszustend, der von der Last des Gelebten befreit. Eine Last ist etwas, was einem aufgebürdet wird, also das Schicksal, mit dem ich umgehen lernen muss und gestalten, was mir in der verfügbaren Zeit möglich ist, hin und her auf den Levels, bis der eigene Maßstab sich herausschält aus dem Ganzen. Unbeirrt entfaltet die Kobra ihr Spezialprogramm. Auf einer verborgenen Lichtung im Wald schwitzt sie das Ei aus der Stirn ihrer Existenz, und tanzt mit ihm, dem Juwel, über die Hürde der Sterblichkeit.

 

nett

In zwei der wenigen Anekdoten, die von meinem Vater durch meine Mutter überliefert sind, soll er einmal vor dem Spiegel stehend „Wer kennt sich selbst?“ gesagt haben, und ein andermal „Nettsein genügt nicht“. Vielleicht deswegen konnte auch ich das Wort „nett“ nicht leiden, und zwischen „nett“ und „freundlich“ oder „wohlwollend“ klafft m.E. ein unüberwindbarer Abgrund. Nettsein ist nicht nur ein Schutzmechanismus vor den vermuteten Gefahren da draußen, mögen die noch so nebulös erfahren werden, sondern Nettsein ist eine Waffe, gerne von Frauen benutzt und bei toxischen Männern beliebt im Repertoire des Verhaltenspotentials. Eine kluge Frau hat mir einmal erklärt (und die sich immerhin bewusst darüber war), so eine Waffe gezielt einzusetzen. Wo Nettsein wegen der oberflächlich erfolgreichen Resonanzebenen zur Gewohnheit geworden ist, werden auf der anderen Seite der Skala die Durchsetzungsmechanismen geschwächt, bis letztendlich Durchsetzungskraft ganz und gar ausfällt. Irgendwann sucht das System nach Reizobjekten, die diese Ermüdung des Systems wieder in Schwung bringen können. Gerne und begabt tapse ich in diese Falle, wie üblich in solchen Situationen mit einer völlig anderen Story, die aber irgendwie da reinpasst. Ich traue einem Menschen nicht, wenn er oder sie sich mir gegenüber ständig von der netten Seite zeigt, mich interessiert eher, was dahinter steckt. Die Frau, die ich oben erwähnt habe, kam sich selbst auf die Schliche und erzählte mir später, dass es hinter ihrer Nettheit ein zwanghaftes Bedürfnis gab, geliebt zu werden. Das ist ja nichts Neues, und jede/r von uns kennt Spuren dieses Wunsches in sich, und sie schaden auch nicht, solange sie nicht zu Obsessionen werden, mit denen man etwas vermeintlich dringend Gebrauchtes erzwingen will. Nettsein will immer was von Anderen. Ist man selbst immer nett, müssen die Anderen ja auch nett sein, oder was ist denn mit denen los?! Dem netten Menschen liegt viel daran, pflegeleicht zu wirken, er oder sie tut ja alles, um nicht zu stören, was automatisch zu vorprogrammierten Störungen führt. Natürlich ist Nettsein auf der Schlimm-Skala auch nicht schlimmer als agressiv sein, es passt jedenfalls oft genug durch Reizauslösung prächtig zusammen. Es ist ja vermessen und sinnlos, jemand Nettes aus diesem Raum herauslocken zu wollen, auch wenn es verdammt nerven kann. Man muss einfach nur für sich selbst klären, welche Anteile in einem selbst anspringen, wenn man mit solchen Verhaltensweisen konfrontiert wird. Nettsein ist die Vermeidung dunkler Anteile. Nicht d i e dunklen Anteile, die von anderen auf jemanden projeziert werden (bis er sie glaubt), sondern die, die ich selbst in mir finde und erkenne. Dass Nettsein auch eine tödliche Wirkung auf einen selbst haben kann, habe ich neulich von einem Arzt und Therapeuten in einer Sendung gehört. Zuerst fand ich es krass, dachte dann aber nach und sah die Gefahr in dem Sinne, dass wir zu unserer Heilung die inneren, dunklen Kräfte brauchen. Wenn ich sie aber lahmgelegt habe, muss ich sie beleben, um aus der zwanghaften Haltung wieder herauszukommen. Nettsein ist eine Form des Selbstbetrugs, unter dessen Maske der Hass brodelt, ausgerüstet mit einem Scharfschützenauge.

…als endlich wieder Sommer war

Ich habe dem Sommer ein einziges Gedicht gewidmet, da wimmelte es nur so von seinen Schatten, die ja auch wohltuend sind als Schutz vor des Feuers Kraft. Die erste Zeile, an die ich mich gerade erinnert habe, ging so: „Sommer – langer Gedankenstrich – verlorenes Recht auf Grün…“, was ich noch immer ganz aktuell finde. Oft staune ich, wie es kommen konnte, dass ich selbst nun in diesem grünen Dschungel sitze, mit Freunden und Tieren (zwei Katzen) (Büchern und eigener Arbeit und genügend Zeit, um sich um das, was einem am Herzen liegt, zu kümmern). Also in guter Gesellschaft und viel Raum für Einsames,wo man die Wohnhaftigkeit der Tiefen ermessen und der Dankbarkeit über gelungene Handhabung des Vorhandenen Raum geben kann. Das ändert nichts an der Tatsache, dass ein endloser Krieg sich bereits angebahnt hat, weil kein Verlieren mehr gedacht werden darf, nebst all den anderen globalen Unseligkeiten, von denen wir zu hören und zu sehen bekommen in unerschöpflicher Reihenfolge. Der Sommer bringt Nacktheit in die Öffentlichkeit, man sieht, zum Beispiel beim Eis-mit Sahne-Schlecken, viel entblößtes Bein, abrasiert oder eher behaart, und diese entblößten Arme, die einem verständlich machen, dass Sommer ist und  Menschen ihre Ideen ausbrüten, was sie alles in dieser kostbaren Zeit anfangen wollen. Benn fand es am schlimmsten, im Sommer zu sterben, wenn alles licht ist und die Erde für Spaten leicht. Das kann man auch anders sehen. Letztes Jahr im Sommer habe ich einen Menschen verloren, der mir sehr nahe war und ja, vielleicht war es doch tröstlicher für uns, die „Hinterbliebenen“, dass es so vollkommen sommerlich war, die Blumen im Garten in voller Blüte standen, und alles, was sie geliebt und gelebt hatte, war da in diesem Licht. Wir, die wir sie geliebt haben, waren da, als sie sich für immer aus diesem Garten verabschiedete. Auf jeden Fall von d e m  Fürimmer, das wir kennen. Nun bahnt sich inmitten des grünen Sommerrausches ein weiterer Abschied an. Wie soll man’s verstehen, wenn der Pfeil schon tief sitzt und die Fragen ein Ende haben. Aber vielleicht haben sie gar kein Ende, schwirren nur so durch den Raum und suchen nicht mehr nach Antworten. Gut, dass man draußen sitzen kann, sich selbst versenken und versinken, und lassen, was sich vom Selbst her nicht versteht.  Das Ringen um die Klugheit und die Klarheit und die Kraft. Die Einsicht in die Schicksalslenkung, die nicht die eigene ist. Immer Andere sind die Begleiter. Die Fragen reisen mit in hellen Sommerkleidern. Sag, Tod: Bist du nun Liebe oder bist du’s nicht?

Roberto Juarroz

Roberto Juarroz

Heute habe ich nichts gemacht.
Aber viele Dinge geschahen in mir.

Vögel, die es nicht gibt,
fanden ihr Nest.
Schatten, die womöglich da sind,
erreichten ihre Körper.
Worte, die existieren,
erlangten ihre Stille wieder.

Nichts zu tun,
rettet manchmal das Gleichgewicht der Welt,
indem es erreicht, dass auch etwas Gewicht hat
auf der leeren Schale der Waage.

verhindern


Plötzlich beginnt das Vertraute
zu zerlaufen
In den amerikanischen Medien sagte jemand über Jack Smith (den Sonderermittler des Justizministeriums der Vereinigten Staaten), dass er noch keinen Laut von sich gegeben hätte, aber das ganze Land würde ihm zuhören. (Attention, traveller). Tatsächlich wurde er dann gestern angekündigt mit der offiziellen Mitteilung über Trumps Anklage. Man beschrieb genau, wo er reinkommen und was er ein paar Minuten lang machen würde, und wo er dann wieder hinausgehen würde. Und bitte alle Geräte ausschalten, thank you. Jack Smith kam genau von der anderen Seite, schnellen, energischen Schritts auf das Pult zu. Es war nicht schwer zu ahnen, dass man seine eventuelle Ermordung fürchten könnte. Er strahlte auch nicht ganz die emotionale Kälte aus, mit deren Fähigkeit bewaffnet man ihn wochenlang präsentiert hatte. Es geht hier ja nicht um die Abwesenheit von Gefühlen, sondern um die Fähigkeit, sie zu beherrschen, wenn angebracht oder erforderlich. Er sagte dann das, was alle schon wussten, aber das machte es offiziell. Der ehemalige Präsident steht unter Anklage, ein Novum in der amerikanischen Geschichte, obwohl Präsidenten schon zwei Mal kurz davor standen. Nun steht hier als Donald Trump eine durch und durch groteske Person, die kraft ihrer nahezu unbegrenzten Dummheit eine öffentliche Gefahr darstellt, die lauthals nach einem Tierbändiger rief und weiterhin ruft, und siehe, man fand ihn. Wer letztendlich aufsteigen oder untergehen wird in dieser Schlacht, ist vollkommen ungewiss. Es kommt auf sehr viel an: Taktiken, Erfahrung, Wissen, Menschenkenntnis, geistigen Waffenbesitz. Denn wenn sich einer feige mit einem Dolch anschleicht, aber kein Damon ist, sondern der Tyrann, dessen höllische Angst sich in blinde Blutgier wandelt, da hilft selbst das kraftvollste Mantra nichts. Oder doch, es könnte schon helfen, wenn man es kennt und weiß, auf welcher Ebene man seine Wirkungskraft einsetzt, aber das spielt hier keine Rolle. Auch Götter unterliegen anderen Göttern, dort scheint das Gerangel nicht aufzuhören. Deswegen mussten vielleicht die Engel her, obwohl es die dann auch mit Schwertern gab oder anderen Waffen, die zu Instrumenten umgepolt werden konnten und süße Klänge hervorriefen, wenn nichts anderes zu tun war. Und da nach dem Dritten Reich und seiner Zerstörung und Auflösung sehr viel geschwiegen wurde, fand man selten genug heraus (von den Eltern) wie weit eigentlich dieses ganze Denken schon aufgesaugt worden war, das von diesem seltsamen Hitler-Wicht ausging, in dem der Hass sich unbemerkt angesiedelt hatte und nun seine Wege und Weggefährten suchte. Und so mag diese Art von Maske blondes Haar haben oder einen schwarzen Schnauzer, der Antrieb ist doch derselbe, zum Beispiel die Fähigkeit, über Leichen zu gehen. So ist das amerikanische Drama einerseits eine Burleske, und andrerseits bekommt es durch die hartnäckigen und neutralen Ermittlungen von Jack Smith eine Richtung. Da haben wir u.a. wieder zwei Männer-Beispiele: der Eine kann ein ganzes Land ins Verderben stürzen, der Andere kann das verhindern.

Weltpolitik

Heute früh (in mir) (bei den Nachrichten) erst ein dumpfes, hilfloses Grollen um den Kachowka-Staudamm herum, wo die Strohhalme am Verdorren sind und es um nacktestes Überleben geht, und wo nutzloses Denken endgültig überflüssig wird. Dann die Nachricht von der neuen Anklage gegen Donald Trump. Die Verbindung, die hier gedanklich möglich ist, handelt von Männern, die dringend eine Grenzsetzung brauchen. In ihren seltsamen, labyrinthischen Palästen halten sie den roten Faden, der durch die Zeiten führt, für eine persönliche Erfindung. Lechzend hängen sie über dem eigenen Spiegelbild an jedem erreichbaren Tümpel, und man weiß nun, sich sehen heißt nicht automatisch sich erkennen. In Indien erzählt man sich, dass im dunklen Zeitalter, dem Zeitalter des Todes, die falschen Könige auf den falschen Thronen sitzen, was sich nun selbst enthüllt hat, sodass jede/r, möchte man vermuten, es sehen und verstehen kann, was bedauerlicherweise nicht so ist. Nein, es ist ein Kampf, und wer Schach spielt, erkennt mühelos das Ausmaß der Ordungen dieses Handlungsraumes. Die Anklage wurde ein Sieg genannt für die Demokratie, aber das ist erst der Anfang des Feldzugs. Man hat immer auch öffentlich gerätselt, ob Trump vielleicht gar nicht glaubte, geschweige denn wusste, dass er die Wahl tatsächlich  verloren hat. So, wie man nicht weiß, ob Kim Jong-un sich als Gott versteht, oder Putin sich versteht als Zar des erweiterten russischen Imperiums.  Die Krönung von Charles, wenn auch etwas harmloser, hatte dennoch dieses männlich Alberne, das die männlich durchorganisierte Welt für das Allgemeingültige hält. Natürlich ist es wahr, dass die Frauen, also wir Frauen, eine ziemlich gut durchorganisierte Bewegung in Gang gesetzt haben, obwohl es viel mit dem präzisen Zeitpunkt zu tun hat, an dem es möglich wurde. Wer wird schon gern verbrannt für etwas, das an Eindeutigkeit nichts mehr einbüßt. So muss diese Frohlockung über die Anklage Trumps keinem hämisch tanzenden Zwerglein entspringen, sondern man darf einigen hart arbeitenden Männern und Frauen gratulieren, dass es ihnen gelungen ist, dem Anspruch der Gerechtigkeit einen Zoll näher zu kommen. Da diese Herren selbst eine Community bilden, wo sie sich verstehen und abnicken, wird es schon seine Wirkung haben, dass ein Kopf in Frage gestellt wird, der keine Antworten auf verübte Verbrechen hat, weil er sich selbst als „schuldig“ gar nicht wahrnehmen kann. Daher ein Kampf auf hohem Niveau, wo Jack Smith im Schatten des Expertenlichtes wartet, bis der Moment gekommen ist. Auch den Sonderbeauftragten Jack Smith kann man nicht lesen, aber wenn man was zum Fürchten in sich hat, dann kann man ihn  rechtmäßig fürchten. Am Staudamm sind derweil die Helfer im Einsatz. Ich verbeuge mich vor den Helfer:innen.

 

 

 

 

untrennbar

 

Die (sehr bunten) Kompositionen, die in den letzten Tagen meine Beiträge bildlich begleiten, bestehen aus lose zusammengefügten Einzelteilen aus meiner Sammlung „Sehr kleine Bilder“. Da unten im Regal lag sie ziemlich lange, die Sammlung, bis etwas sie hervorlockte. Es waren die Fragen, die gerade herumkreisen und sich um das Flüchtige und das Bedeutsame drehen. Und genau wann ist was bedeutsam, und wann nicht, und für wessen Leben. So kam mir (wieder einmal) die Idee, mit dem, was so herumliegt, etwas zu machen, und so habe ich die sehr kleinen Bilder neu zusammengefügt, damit sie diese Starre des Ungenutzten loswerden und in anderen Zusammenhängen kurz aufleuchten können, bevor sie wieder vergehen. Aber sie vergehen ja gar nicht, hier sind sie, wer weiß wie lange, denn schließlich arbeitet der schwarze Schlund der Technik auch für die Illusion der Ewigkeit, deren Endlichkeit wir erst in eigener Auflösung erleben. Bis dahin herrscht Schöpfungsdrang und Schöpfungsspannung. Unermüdlich wurde uns in der Ausbildung vermittelt, wieviel Druck es braucht, um aus der schwarzen Materie einen Diamanten zum Tageslicht zu befördern. Die langen Schmerzenswehen, die brennende Ungewissheit, was bei den Geburten herauskommt, ob die Kinder (Bilder und Wortgeflechte) lebensfähig sind, bis die Frage an uns selbst gerichtet wird. Das kann dann schon ein Lächeln sein, das sich den Weg bahnt zu uns und unseren Abenteuern und Held:innentaten, die sich uns erst enthüllen im Nachhinein. Und wir, die wir unterwegs Teilchen um Teilchen zusammengefügt haben, nämlich das, was unserem Wesen entspricht, und daraus ein Gesamtwerk haben entstehen lassen, dessen Existenz unleugbar geworden ist. Es ist das Resultat meiner sichtbaren und vor allem unsichtbaren Handhabungen meines ganz persönlichen Schicksals, mit dem ich losgezogen bin, um kennen zu lernen, was mir möglich ist. Damit ich den Geist, der in mir atmet, in die Gestaltung bringen kann. Das folgt überall und immer den ungeschriebenen Gesetzen, die unaufhaltsam mitarbeiten an dem, was sich durchsetzt und was deswegen nicht zu ändern ist. Will ich es aber ändern, so muss ich zum Einsatz bereit sein. Beim ganzen Einsatz steht immer der Tod am Tor. Sie (denn es ist eine Sie) lächelt das Lächeln der Sphinx: niemand wird helfen können, die Antwort zu finden auf das, was ich wirklich bin. Im abgrundtiefen Schweigen der Sprachlosigkeit gebiert sich das Ich, das keinen Namen mehr hat. Geburt und Tod entpuppen sich als das Untrennbare.

wertschätzen

Noch ein weiteres Zelebrationsdatum tut sich auf (in meiner Welt), denn wir  hier im Haus haben uns vor 40 Jahren zum ersten Mal getroffen im Rahmen einer meditativen Schulung. So waren unsere ersten Jahre zusammen beflügelt von den inneren Erfahrungen und daraus resultierenden Erkenntnissen unserer eigenen Innenwelt, der Ort, an dem geistige Substanz sich als ein Kern verdichtet, bekannt als der der Existenz an sich (und als Geheimnis des Weges gelehrt an vielen Orten mit vielen verschiedenen Sprachen und Worten und Systemen und Symbolen). Die Zeiten, die wir in Schweigen zusammensaßen, könnte man als Jahre zeitraffen. Wir liebten das Schweigen, vor allem das Schweigen zusammen, in dem man zu sich kommt, ohne die Verbindung zu den Anderen zu verlieren. Die Schulung kam aus Indien wie alles Yoga, nicht, dass das eine Garantie für tief erfahrenes Yoga in Indien ist. Den indischen Geist ist schon die duplikate Maya am Verschlingen, oder soll ich es eher ein Anknabbern nennen, um zu sehen, ob es schon reif ist zum Untergang. Da wir so leidenschaftlich an dieser Wissenschaft interessiert waren, dem Yoga, der inneren Verbindung mit der höchstmöglichen Ebene,  entwickelten sich dort unsere Fähigkeiten auf kreative Weise, im Rahmen gewisser Ordnungen. Dann fanden wir heraus, dass gute künstlerlische Begabungen unter uns sind, und nutzten sie. Wir waren viele Jahre eine Performance Gruppe, die „Yoganauten“ genannt, eine Wortschöpfung, die ich später für meinen Blog wieder bekam. Wir entwickelten einen Stil zwischen Science Fiction Form und zeitlosen Texten, alles mit großer Ernsthaftigkeit durchgearbeitet, ohne verstanden werden zu müssen. Ein Jeder und eine Jede nehme, was auch immer innen ankommt, und verstehe genau das. Unsere letzte Performance war für Amnesty International unter dem Titel „antastbar“.  Wir kennen uns schon so lange und haben zusammen eine Gesprächskultur erschaffen, an deren Quelle wir gerne sitzen oder Wasser mitnehmen in unsere anderen Welten, die wir nicht teilen, Dennoch empfinden wir uns häufig als „fremd“, vielleicht genau da, wo man den oder die Andere gar nicht kennen kann, denn es gibt uns nur einmal. Das ist es, was wir von unserem Beisammensein wollten: unterstützend darin zu sein, dass wir zu uns selbst kommen. Denn nur dann, Logik des Einleuchtenden, können wir auch zusammen kommen, ohne kleineren oder größeren Schaden anzurichten.

7 Jahre B/Logbuch

Der Bleistift lag bei uns herum, ich war erstaunt über die entdeckten Worte darauf. Aber natürlich kann ein Bleistift sehr wohl dienen als ein Instrument der Durchsetzung, wenn man mit ihm die gedanklichen Notizen niederschreibt, die als Vorarbeit für die Beflügelung dienen, oder die Begeisterung, oder die Stocknüchternheit, oder das Amt. Ich erinnere mich, wie schwer es mir fiel, die Prüfung zwischen Handgeschriebenem und dem Computer zu bestehen, bis das ganz lächerlich schien, wollte man doch in der eigenen Zeit seinen Vogel fliegen, ausgerüstet also mit Zeitgemäßem. Auch konnte ich lange keine Sehnsucht nach dem Smartphone empfinden, bis mir eins geschenkt wurde, und nun liegt das Kleine breit lächelnd neben mir, na ja, so schlimm ist es noch nicht (oder schon schlimmer, als man denkt). Ich lebe sozusagen als Eremitin in einer Luxusoase, und genau heute, vor 7 Jahren, habe ich von hier aus meinen Blog angefangen. Ich erinnere mich so gut an das Datum, weil ich es zusammen mit Hamid’s Geburtstag getimed habe, einem 11-jährigen Jungen aus Afghanistan, mit dessen Eltern und ganzer Familie wir befreundet sind. Da ich in den paar Monaten jedes Jahr, die ich in Indien verbrachte, keine Pause mit den Beiträgen gemacht habe, ist es automatisch eine Dokumentation geworden über die östliche und westliche Seite der Betrachtung dieser zwei so unterschiedlichen Kulturen, jetzt vor allem der deutschen und indischen Kultur – und dann doch nicht so unterschiedlich, so verbunden in Höhen und Tiefen, durchreflektiert von Philosophen, von denen es auf beiden Seiten immer welche gab, die sich verständigen konnten, die also sich verständlich machen konnten allen gegenüber, die daran Interesse hatten. In diesem Feld also habe ich mich gedanklich bewegt und bin beiden Seiten gegenüber auch heute noch zutiefst dankbar, dass ich teilhaben konnte und kann an ihren geistigen Anregungen. Nun hat Virginia Woolf uns (Frauen)  ein eigenes Zimmer gewünscht, das haben jetzt schon viele von uns. Schön finde ich außerdem eine großzügig angelegte, kreative Ebene, einen Schreibtisch, Bücher, die man schätzt, ein Fenster vor der Nase über dem Computer, eine Möglichkeit, auf Grünes zu schauen. Das Boot vom Anker lösen. Langsam hinausfahren aus dem sicheren Hafen, und los geht’s. Da draußen ist schließlich das subatomare Aktionsfeld, auf dem man Verantwortung trägt für jeden Gedanken. Also sieben Jahre Yoganautik, das heißt: sich im Ungewissen sicher navigierend zu bewegen und bewegen  zu lassen.

bestechend

„Der alte Weg“, wenn man (ich) ihn so nennen möchte, ist der Weg, der sich mit erstaunlichen Kräften nahezu unangetastet durchgesetzt hat, denn er besteht immer wieder aufs Neue aus Menschen, die sich aus irgendwelchen oft unerfindlichen Gründen für die Erforschung des Weltensystems interessiert haben, oder wie Menschen so sind und warum, oder warum überhaupt, und wohin, und auf welche Art es zu fassen ist, zu studieren, zu enthüllen, und jemand darin zu sein, der oder die eigenes Wesen entdecken kann, aber nicht muss. Weil keinerlei Müssen darin liegt, ist es besonders schwer, für sich selbst die wesentlichen Entscheidungen zu treffen. Auch wenn in geschlossenen Systemen die Freiheit extrem eingeschränkt wird, kann man dennoch mit Freude sehen, dass immer wieder Menschen den Weg wählen, den Sokrates auch gegangen ist, nicht, dass man ihn da als Beispiel nehmen könnte, er war ja einzigartig. Und dennoch hat er, zumindest über Plato, eine Sprache gesprochen, die verständlich ist. Es ist die Sprache des alten Weges, der stets neu ist, aber auf den urspünglichen Gesetzen beruht, die ein Mensch von innen her nachvollziehen kann: Worte der Weisheit, die auf  Erfahrung beruhen, auf Beobachtungen, auf Fühlen, auf Reden, auf angemessenem Handeln. Nicht wegen der Rücksicht auf Andere, sondern auf Vorsicht und Sicht überhaupt, durch die zu erkennen ist, was sich als Lern- und  Lebensfähiges unter Menschen bewährt hat, sodass interessierte Nachkommen davon Notiz nehmen können, nämlich was gelungen ist, und was gescheitert. Und dass von närrischem Handeln abgeraten wird, und dass es Ebenen gibt, auf denen man sich aufhalten kann, zwischen Level 1 und Level 10 zum Beispiel, wo man seine eigenen Vorstellungen platzieren kann im Hinblick darauf, was ich selbst als das Wesentliche oder Erstrebenswerte nennen könnte, mit dem meine verfügbare Zeit zu gestalten ist. Und so, wie jeden Tag ganz viele Neulinge hier ankommen, die bereits unvorstellbare Hindernisse überwunden haben, so verlassen auch täglich viele den Planeten, in allen Altern und Formen und Kulturen und Ideen darüber, wie es nach ihrem Erlöschen weitergeht, und ob die erworbene Dichte des Geistes sich wird durchsetzen  können, oder die endlich errungene Leere (durch die Lehre) Befreiung bietet von allen Vorstellungen. Auf dem alten Weg wandern viele, aber immer ist Raum für die Einzelnen. Sie, beziehungsweise wir denken nach darüber, was geschehen ist und was wir selbst beitragen können von dem, was uns  und den Anderen keinen Schaden (mehr) anrichtet, sodass zumindest in unserem Wirkungskreis Heilung, von was auch immer, möglich ist. Bestechend durch seine Einfachheit, das ist der alte Weg, wo der Weg selbst unsere Schritte lenkt. (Level 7 bis 10). (Oder ein eigenes System erfinden).

Plato – Die Apologie des Sokrates

Die Rede nach der Verurteilung

Urteil des Sokrates über den Prozeß

Nur um einer gar kurzen Zeit willen, ihr Athener, werdet ihr nun den Namen behalten und den Vorwurf von denen, welche die Stadt gern lästern mögen, daß ihr den Sokrates hingerichtet habt, diesen weisen Mann. Denn behaupten werden die nun freilich, daß ich weise bin, wenn ich es auch nicht bin, die euch lästern wollen. Hättet ihr nun eine kleine Weile gewartet, so wäre euch ja dies von selbst erfolgt. Denn ihr seht ja mein Alter, daß es schon weit fortgerückt ist im Leben und nahe am Tode. Ich sage dies aber nicht zu euch allen, sondern nur zu denen, die für meinen Tod gestimmt haben. Und zu eben diesen sage ich auch noch dies: Vielleicht glaubt ihr Athener, ich unterläge jetzt aus Unvermögen in solchen Reden, durch welche ich euch wohl möchte überredet haben, wenn ich geglaubt hätte, alles reden und tun zu dürfen, um nur dieser Klage zu entkommen. Weit gefehlt! Sondern aus Unvermögen unterliege ich freilich, aber nicht an Worten; sondern an Frechheit und Schamlosigkeit und an dem Willen, dergleichen zu euch zu reden, als ihr freilich am liebsten gehört hättet, wenn ich gejammert hätte und gewehklagt, und viel anderes getan und geredet meiner Unwürdiges, wie ich behaupte, dergleichen ihr freilich gewohnt seid, von den andern zu hören. Allein weder vorher glaubte ich der Gefahr wegen etwas Unedles tun zu dürfen, noch auch gereuet es mich jetzt, mich so verteidigt zu haben; sondern weit lieber will ich auf diese Art mich verteidigt haben und sterben, als auf jene und leben. Denn weder vor Gericht noch im Kriege ziemt es weder mir noch irgend jemandem, darauf zu sinnen, wie man nur auf jede Art dem Tode entgehen möge. Auch ist ja das bei Gefechten oft sehr offenbar, daß dem Tode einer wohl entfliehen könnte, würfe er nur die Waffen weg und wendete sich flehend an die Verfolgenden: und viele andere Rettungsmittel gibt es in jeglicher Gefahr, um dem Tode zu entgehen, wenn einer nicht scheut, alles zu tun und zu reden. Allein, nicht dies möchte schwer sein, ihr Athener, dem Tode zu entgehen, aber weit schwerer, der Schlechtigkeit: denn sie läuft schneller als der Tod. Auch jetzt daher bin ich als ein langsamer Greis von dem Langsameren gefangen worden; meine Ankläger aber, gewaltig und heftig wie sie sind, von dem Schnelleren der Bosheit. Jetzt also gehe ich hin und bin von euch der Strafe des Todes schuldig erklärt: diese aber sind von der Wahrheit schuldig erklärt der Unwürdigkeit und Ungerechtigkeit. Und sowohl ich beruhige mich bei dem Erkenntnis, als auch diese. Dieses nun mußte vielleicht so kommen, und ich glaube, daß es ganz gut so ist.

Weissagung an die Verurteilenden

Was aber nun hierauf folgen wird, gelüstet mich euch zu weissagen, ihr meine Verurteiler! Denn ich stehe ja auch schon da, wo vorzüglich die Menschen weissagen, wenn sie nämlich im Begriff sind zu sterben. Ich behaupte also, ihr Männer, die ihr mich hinrichtet, es wird sogleich nach meinem Tode eine weit schwerere Strafe über euch kommen als die, mit welcher ihr mich getötet habt. Denn jetzt habt ihr dies getan in der Meinung, nun entledigt zu sein von der Rechenschaft über euer Leben. Es wird aber ganz entgegengesetzt für euch ablaufen, wie ich behaupte. Mehrere werden sein, die euch zur Untersuchung ziehen, welche ich nur bisher zurückgehalten, ihr aber gar nicht bemerkt habt. Und um desto beschwerlicher werden sie euch werden, je jünger sie sind, und ihr um desto unwilliger. Denn wenn ihr meint, durch Hinrichtungen dem Einhalt zu tun, daß euch niemand schelten soll, wenn ihr nicht recht lebt, so bedenkt ihr das sehr schlecht. Denn diese Entledigung ist weder recht ausführbar, noch ist sie edel. Sondern jene ist die edelste und leichteste: nicht anderen wehren, sondern sich selbst so einrichten, daß man möglichst gut sei. Dieses will ich euch, die ihr gegen mich gestimmt habt, geweissagt haben und nun von euch scheiden.

Das Ausbleiben des Daimonion und seine Bedeutung

Mit denen aber, welche für mich gestimmt, möchte ich gern noch reden über dies Ereignis, welches sich zugetragen, solange die Gewalthaber Roch Abhaltung haben und ich noch nicht dahin gehen muß, wo ich sterben soll. Also, ihr Männer, so lange haltet mir noch aus! Nichts hindert ja, uns vertraulich zu unterhalten miteinander, solange es noch vergönnt ist. Denn euch als meinen Freunden will ich gern das erklären, was mir soeben begegnet ist, was es eigentlich bedeutet. Mir ist nämlich, ihr Richter – denn euch benenne ich recht, wenn ich euch Richter nenne –, etwas Wunderbares vorgekommen: Meine gewohnte Vorbedeutung nämlich war in der vorigen Zeit wohl gar sehr häufig, und oft in großen Kleinigkeiten widerstand sie mir, wenn ich im Begriff war, etwas nicht auf die rechte Art zu tun. Jetzt aber ist mir doch, wie ihr ja selbst seht, dieses begegnet, was wohl mancher für das größte Übel halten könnte, und was auch dafür angesehen wird; dennoch aber hat mir weder, als ich des Morgens von Hause ging, das Zeichen des Gottes widerstanden, noch auch als ich hier die Gerichtsstätte betrat, noch auch irgendwo in der Rede, wenn ich etwas sagen wollte, – wiewohl bei andern Reden es mich oft mitten im Reden aufhielt. Jetzt aber hat es mir nirgends bei dieser Verhandlung, wenn ich etwas tat oder sprach, im mindesten widerstanden. Was für eine Ursache nun soll ich mir hiervon denken? Das will ich euch sagen: Es mag wohl, was mir begegnet ist, etwas Gutes sein, und unmöglich können wir Recht haben, die wir annehmen, der Tod sei ein Übel. Davon ist mir dies ein großer Beweis. Denn unmöglich würde mir das gewohnte Zeichen nicht widerstanden haben, wenn ich nicht im Begriff gewesen wäre, etwas Gutes auszurichten.

Hoffnungen für den Tod

Laßt uns aber auch so erwägen, wieviel Ursache wir haben zu hoffen, es sei etwas Gutes. Denn eins von beiden ist das Totsein: entweder so viel als nichts sein noch irgend eine Empfindung von irgend etwas haben, wenn man tot ist; oder, wie auch gesagt wird, es ist eine Versetzung und Umzug der Seele von hinnen an einen andern Ort. Und es ist nun gar keine Empfindung, sondern wie ein Schlaf, in welchem der Schlafende auch nicht einmal einen Traum hat, so wäre der Tod ein wunderbarer Gewinn. Denn ich glaube, wenn jemand einer solchen Nacht, in welcher er so fest geschlafen, daß er nicht einmal einen Traum gehabt, alle übrigen Tage und Nächte seines Lebens gegenüberstellen und nach reiflicher Überlegung sagen sollte, wieviel er wohl angenehmere und bessere Tage und Nächte als jene Nacht in seinem Leben gelebt hat, so glaube ich, würde nicht nur ein gewöhnlicher Mensch, sondern der Großkönig selbst finden, daß diese sehr leicht zu zählen sind gegen die übrigen Tage und Nächte. Wenn also der Tod etwas solches ist, so nenne ich ihn einen Gewinn, denn die ganze Zeit scheint ja auch nicht länger auf diese Art als eine Nacht. Ist aber der Tod wiederum wie eine Auswanderung von hinnen an einen andern Ort, und ist das wahr, was gesagt wird, daß dort alle Verstorbenen sind, – was für ein größeres Gut könnte es wohl geben als dieses, ihr Richter? Denn wenn einer, in der Unterwelt angelangt, nun dieser sich so nennenden Richter entledigt dort die wahren Richter antrifft, von denen auch gesagt wird, daß sie dort Recht sprechen, den Minos und Rhadamanthys und Aiakos und Triptolemos, und welche Halbgötter sonst gerecht gewesen sind in ihrem Leben, – wäre das wohl eine schlechte Umwanderung? Oder auch mit dem Orpheus umzugehen und mit Musaios und Hesiodos und Homeros, – wie teuer möchtet ihr das wohl erkaufen? Ich wenigstens will gern oftmals sterben, wenn dies wahr ist. Ja, mir zumal wäre es ein herrliches Leben, wenn ich dort den Palamedes und Aias, des Telamon Sohn, anträfe, und wer sonst noch unter den Alten eines ungerechten Gerichtes wegen gestorben ist: mit dessen Geschick das meinige zu vergleichen, das müßte, glaube ich, gar nicht unerfreulich sein. Ja, was das Größte ist, die dort eben so ausfragend und ausforschend zu leben, wer unter ihnen weise ist, und wer es zwar glaubt, es aber nicht ist. Für wieviel, ihr Richter, möchte das einer wohl annehmen, den, welcher das große Heer nach Troia führte, auszufragen, oder den Odysseus oder Sisyphos, und viele andere könnte einer nennen, Männer und Frauen, mit welchen dort zu sprechen und umzugehen und sie auszuforschen auf alle Weise eine unbeschreibliche Glückseligkeit wäre! Gewiß werden sie einen dort um deswillen doch wohl nicht hinrichten: Denn nicht nur sonst ist man dort glückseliger als hier, sondern auch die übrige Zeit unsterblich, wenn das wahr ist, was gesagt wird.

Schlußworte an die Richter

Also müßt auch ihr, Richter, gute Hoffnung haben in Absicht des Todes und dies eine Richtige im Gemüt halten, daß es für den guten Mann kein Übel gibt weder im Leben noch im Tode, noch daß je von den Göttern seine Angelegenheiten vernachlässigt werden. Auch die meinigen haben jetzt nicht von ohngefähr diesen Ausgang genommen: sondern mir ist deutlich – daß sterben und aller Mühen entledigt werden schon das Beste für mich war. Daher auch hat weder mich irgendwo das Zeichen gewarnt, noch auch bin ich gegen meine Verurteiler und gegen meine Ankläger irgend aufgebracht, – obgleich nicht in dieser Absicht sie mich verurteilt und angeklagt haben, sondern in der Meinung, mir Übles zuzufügen. Das verdient an ihnen getadelt zu werden. So viel jedoch bitte ich von ihnen: An meinen Söhnen, wenn sie erwachsen sind, nehmt eure Rache, ihr Männer, und quält sie ebenso, wie ich euch gequält habe, wenn euch dünkt, daß sie sich um Reichtum oder um sonst irgend etwas eher bemühen als um die Tugend: und wenn sie sich dünken, etwas zu sein, aber nichts sind, so verweiset es ihnen wie ich euch, daß sie nicht sorgen, wofür sie sollten, und sich einbilden, etwas zu sein, da sie doch nichts wert sind. Und wenn ihr das tut, werde ich Gerechtes von euch erfahren haben, ich selbst und meine Söhne. Jedoch – es ist Zeit, daß wir gehen: ich, um zu sterben, und ihr, um zu leben. Wer aber von uns beiden zu dem besseren Geschäft hingehe, das ist allen verborgen außer nur Gott.


verantworten

Vermutlich ist den meisten von uns (Menschlingen) klar geworden, dass wir die Geister, die wir riefen, nicht mehr bändigen können, bzw. nicht mehr loswerden. Herr, die Not ist groß. Der Meister antwortet nicht. Auf einmal ist jede/r für sich selbst verantwortlich, das erschafft zumindest etwas Reife im Umgang mit den eigenen Befindlichkeiten. Ich kann mich fragen, welche Geister ich selbst rief, oder wie heißt es doch: wessen Geistes Kind ich bin, oder was „Geist“ für mich ganz persönlich  bedeutet.  Ich denke an Sokrates und seine letzte Rede, in der er die Dinge klarstellte, die unbewusst alle ahnten, aber eben nicht wussten, und Sokrates sagte also alles, was es noch zu sagen gab, und griff dann selbst zum Giftbecher und trank seinem entschwindenden Leben zu. Denn nicht immer, also in seltenen Fällen, ist es unangebracht, dem Leben hinterherzujagen, so als wäre der Tod nicht auch ein Tor in die Freiheit. Und man hat ja ganz früh in den heiligen Werken des Ausgedachten gelernt, dass es schon im Paradies Handlungsverbote gab, und hätten Adam und Eva nicht von der Schlange verführt werden können, ja, was hätten sie denn dann nicht können. Bestimmte Erfahrungen machen zum Beispiel, die sie aus der verordneten Kindheit immerhin herausgeführt haben, auch wenn ziemlich schnell ein Mord in der Familie passiert ist. Und  „den Geist“ und  „die Geister“ kann man wohl rufen, wenn man sich daran gewöhnt hat, etwas von ihnen zu brauchen und macht sie sozusagen zu den persönlichen Dienstboten, die man auch ansprechen kann, wenn man eine Parklücke braucht für den Wagen. Verhältnismäßig schnell lässt sich auch klären, dass alles, was für uns Erleben möglich macht, aus der Substanz besteht, die den geistigen Inhalt bestimmt, die geistige Schöpfungsmaterie also, scheinbar unbegrenzt verfügbar für so ziemlich alles, was Menschen so austüfteln, und was uns zum Haben geeignet scheint.  Bis eines Tages der Golem in den Gassen herumirrt, der zwar vom Geist erzeugt, selbst aber nichts davon besitzt, und gerade deswegen zu allen Entgleisungen fähig ist, weil er oder sie oder es die Tragweite des eigenen Handelns gar nicht einschätzen kann. Es macht ja einen gewissen Sinn, dass dann Erinnerungsfetzen auftauchen an die alte Pforte. Regungslos steht man im verwilderten Garten. Niemand mehr da. Die Szene wie ausgestorben. Kein Kettengeklirre der Hoffnungsgesänge. Kein Saugen am tiefschwarzen Strohhalm der Welt. Der Vater entlassen, die Mutter versöhnt. Der Kindheit nahtlos entwachsen. Das geistige Feld still, und doch so lebendig.

angehen

Der großartige Satz von Epikur, nämlich dass „der Tod (das schauerlichste Übel), uns nichts angeht, denn solange wir da sind, ist der Tod nicht da, und wenn der Tod da ist, sind wir nicht mehr da“, ist immer noch wahr, sagt aber nichts aus über den Weg dorthin. Immer wieder mal hört man, dass jemand (wie neulich Tina Turner) „nach langer Krankheit“ gestorben ist, das klingt schwerwiegend, vor allem, wenn man versucht, glamouröses Scheinwerferlicht mit lebensbedrohender Krankheit in Verbindung zu bringen. Aber jede Wanderung bis hin zum letzten Tor ist, von der weltlichen Dramaturgie her gesehen, eine Herausforderung. Welcher Spielraum ist hier gegeben, um an der eigenen Life Performance noch teilnehmen zu können. Welche Belastungen werden von den automatisch Mitbetroffenen freiwillig und gerne auf sich genommen, günstigerweise dankbar die radikale Veränderung annehmend, mit der das Schicksal eines Menschen auf unser eigenes zu wirken beginnt, um bald wenig anderes zulassen zu können als eben dieses Abschiednehmen von allem, was wir uns auf der Erde vertraut machen konnten. In diesem Sinne ist es durchaus angebracht, den Vorgang episch zu nennen, da im Epos oder im Opus vorausgesetzt werden darf, dass die Spieler:innen sich ihres Be-Rufes bewusst waren, und nun, welch düster geführte Lenkung, wenn das bleierne Pendel auf eine/n der noch Lebenden trifft und sie oder ihn auswählt, die nötigen Vorbereitungen zu treffen, indem das Feld der Handlung wie durch Geisterhand bewegt wird in ein vollkommen neues und noch völlig unbekanntes Terrain, auf dem die Anderen langsam zurückweichen müssen, denn man kann wohl zusammen erschossen werden, aber nicht zusammen bewusst durch das Tor gehen. Auch das haben einige gemacht, oft geht es um Liebe, die sich in der weltlichen Begrenzung nicht gemeinsam sehen kann, wegen den üblichen Hindernissen, oder aus der Vielfalt menschlicher Mythen heraus, wo manches Erlebnisvermögen so groß ist, dass es sich der befangenen Umsetzung versagt. Auch von einer Lust am Untergang ist mir (zum Beispiel von meiner Mutter) vermittelt worden gegen Ende des Krieges, wenn Hoffnung nicht mehr angebracht war und die Leere sich in ein saugfähiges Schwarzes Loch verwandeln konnte, das die Gesetze von Haben und Sein gar nicht kennt, sondern nur mitnimmt, was sich zum Aufsaugen anbietet.  So ist es verständlich, dass hohe Kulturen wie die ägyptische oder die buddhistische sich aus ihrer Logik heraus bemüht haben, im Leben und durch das Leben die Kunst des Sterbens zu lernen, damit man nicht ganz unvorbereitet auf der Landebahn steht, wenn es Zeit ist, dem Unvermeidlichen ins Auge zu blicken, solange es auf uns zurückblicken kann.

heilen

Der verwundete Engel wird von der Bildfläche getragen. Zu gerne wüsste man, wodurch die Verwundung entstand: war der Engel selbst zu hilfsbereit, zu freundlich, zu nett, zu weiß, zu vorwitzig, zu nachdenklich, zu unerreichbar in seiner bzw. ihrer scheinbaren Güte. Oder war die Güte und die Arglosigkeit echt, und es befremdete die Herumstehenden, sodass sie es weghaben wollten, weil sie selbst es nicht sein oder haben konnten. Die eigene Kostümierung kann nur von innen her bestimmt werden, man muss mit dem Resultat des Vorgezeigten umgehen.  Hört jegliches Vorzeigen auf, jeder Hunger nach (Wieder)-Erkennung, kann es wohl sein, dass das jedem Ding und Wesen innewohnende Licht spürbar oder gar sichtbar wird, aber häufig fehlt uns da das Vorbild oder die Erfahrung. Auch muss unbedingt klar sein, dass das Erkennen des Wesens keineswegs abhängt von der Entblößung oder Freilegung oder Entschleierung. Nein, ganz im Gegenteil. Ohne verborgenen Reichtum keine Gelassenheit und keine Zuversicht, eben kein Brauchen von  viel mehr, oder gieriges Einnehmen von geistigen Nahrungsergänzungsmittel. Wo stets ein Anderer oder eine Andere herhalten muss zur Fütterung, damit der Faden nicht abbricht im Muster des Zauberteppichs, während unten in den Abgründen der erfundenen Märchen das Menschsein verjagt wird, wieder von anderen. Und als innere Architektin spürt man natürlich, wenn ein Plan sich durchsetzen will, aber welcher? Durchaus denkbar, ein Labyrinth zu bauen, in dem jeder und jede Besucherin nahezu mühelos den Ausgang findet, ohne Gott weiß wem einen Ausweis vorlegen zu müssen. Nur, was soll die Vereinfachung bewirken, wenn dann vor einem ein breiter, unüberwindbarer Schatten zwischen der Idee und der Wirklichkeit liegt. Will ich aber mich selbst sicher durchnavigieren unter allen gegebenen Umständen, dann halte ich am besten bei mir den roten Faden (zum Einsatz in Notfällen), und mache mich auf zur Heilung, solange Heilung noch möglich ist.