Das Bild von der Sonnenblume vor dem ruhigen, raumspendenden Gemälde habe ich gestern bei Freunden gemacht, berührt von der zeitlosen Aussagekraft eines Himmels über der Erde, auf der die Dinge kommen und gehen und ihre unterschiedlich erfahrbare Lebenszeit haben. So steigen aus hohen Himmeln und dunklen Gewässern die Ideen und Gedanken auf, wie alles andere auch ausgerichtet auf Durchsetzungskraft und mehr oder minder begabt oder gewillt, das, was als lebenswert erscheint, umzusetzen in Farbe und Form, was auch gerne ‚Sinn des Lebens ‚genannt wird. Ich habe nie ganz verstanden, warum er da unbedingt reinmuss, liegt doch dem Ganzen ein auffallend unstabiles Gefüge zugrunde, was natürlich ängstigen kann wie ein zu langes Starren in die azurne Einsamkeit des Alls. So, als wüsste man nicht, dass wir umgeben sind vom Unwägbaren, der Quelle also des ganzen Konstruktes, ‚Welt‘ genannt. Und es ist auch klar geworden, dass der Mensch dieser von Energie strotzenden Leere gegenüber gar nicht ausgestattet, ihr gar nicht gewachsen ist. Und auch für die, die sich vom lebendigen Wuseln zurückgezogen hatten und haben, ist der Tag lang, dafür wurden Mythen und Mantren und Tantren erfunden, um den Wert der reinen Quelle zu preisen und zu besingen und mit Ritualen das Unbeständige zu zähmen, bis dieser Versuch wieder scheitert und die Schleusen sich öffnen und jeder äußere Halt verschwindet und das Chaos seine Wirkung entfaltet. Aber während die Zerstörungssucht ihren vernichtenden Staub in die Städte und Dörfer weht, erhebt sich eine Gegenbewegung. Wir müssen da nichts weiter tun als das, für was wir geeignet sind, zumindest gibt es dann Schadensbegrenzung. Und in die Geschichten schleicht sich kaum merklich ein heiterer Ton, oder schleicht er sich in das Wesen der Zeugenschaft?

inventa lingua *

Shihubalila autam clautam!
Wasa presektorios vegitet
Kiru sona meridausam
Kunke dunc performatis.

Mas a mas subordinata
al dustra verbene in sancto
Saro del fine obstinatum tara
Tamarini kunkuli saga.

Seriate dolores tuscinem faro
aswass autorikum laude
essere estum eternitate
Lascare al primito gestos.

Non es divino, divinare est
Millefambusa calgare
Zentifalente simsulambitos
di elementario humana.


* erfundene Sprache

bestellen

Es ist bekannt, dass gut genährte Bürger:innen, von denen es eine ganze Menge gibt in unserer westlichen Gesellschaft, unter anderem unter Bestellsucht leiden, was wiederum nicht als Leiden eingestuft wird, denn alle sind sich einig, dass in den Schränken immer noch Platz ist für mehr, obwohl ‚mehr‘ meist mehr bedeutet als nötig. Doch was i s t nötig, wenn es doch schon lange nicht mehr um Not geht, und an einem gewissen Überfluss ist auch nichts auszusetzen, obwohl man genau weiß, dass es da gewisse Grenzen gibt. Auch gibt es den unaufdringlichen Vorschlag ‚Alles in Maßen‘ am zweiten Durchgangstor in Delphi. Warum wohl in Maßen? Je mehr es wird, desto mehr muss bewältigt werden, und wenn die geistigen Schleusen einmal geöffnet sind für das Begehrenswerte im Weltgewühle, dann fällt das Einhalten schwer, und je schwereloser man sich Bestellungen leisten kann, desto mehr lernt man das Gefühl des Habenkönnens. Alles haben können, alles bestellen können. Körperstarke, gehetzte Männer laden ab in den Häusern, was gewünscht wird. Bei uns kommen manchmal auch Pakete an, und neulich traf ich auf einen paketeschleppenden Sikh, der sich sein Leben sicherlich mal anders vorgestellt hat, aber hier ohne verständliches Deutsch Pakete austrägt. Für mich eine freudige Gelegenheit ‚Sat Shri Akal‘ zu sagen, ein Sikhgruß, auf die einzige für sie geltende Wahrheit hinweisend, aber er hatte keine Zeit für sowas, hin und her und hinunter musste er die Ware der Bleichgesichter schleppen, vielleicht war er einfach froh, einen Job zu haben. Auch ein Feld kann man bestellen, säet und erntet und vermehret euch, sagte einer der Herren, und bestellet die Felder, damit alle was zu essen haben. Dann gab es die esoterische Welle, als die dazugehörigen Pilger:innen vorschlugen, man sollte direkt vom Kosmos bestellen, was man dringend brauchte, und auch dabei gab es natürlich Glückspilze, denn wenn man ein reichhaltiges Füllhorn sucht, dann findet man vermutlich auch eines, es ist ja alles da. Wieviel davon ich für mich persönlich beanspruche, hängt von mir ab. Denn alles hat seinen Preis, das wird einem nicht immer klar, wenn es Zeit ist, die Rechnung zu begleichen, weil ich vielleicht zu meiner Freiheit zurückfinden möchte, die ich im Netzwerk der Wunscherfüllungsdienstleiter:innen gelassen habe. Oder auch nicht.

unerlässlich

Zu meinen mehr oder minder bewussten Leidenschaften gehört das Zettelsammeln, denn sie sind zu finden in kleinen Behältern oder in Notizbüchern, oder sie fallen eines Tages aus etwas heraus und liegen auf einmal herum, so wie gestern, es war ein zum Zettel gemachter Satz aus der ‚Times of India‘ unter ‚A thought for today“, und hier ist er, der Gedanke von Brian Greene: ‚Der Mut, tiefe Fragen zu stellen, erfordert unter Umständen eine unvorhergesehene Flexibilität, falls wir vorhaben, die Antworten zu akzeptieren.‘ Das hat mich dann noch einmal angesprochen, jetzt, wo ich mehr Erfahrung habe mit Ursachen und Wirkungen tefer, direkter Fragen. Es dauert Jahre verhältnismäßiger Wachheit, um das richtige Maß zu finden für sich selbst, und was man sich und anderen zumuten will oder kann. Nicht selten ist man erstaunt, wenn Interesse gar nicht mit Nachfragen verbunden ist, dh., die eigene Wahrnehmung wird gar nicht abgeglichen mit dem, wie es wirklich ist, wenn es so etwas wie eine wirkliche Wirklichkeit überhaupt gibt. Vielleicht verbindet uns nicht alle dasselbe Interesse am Hintergrund der Geschehnisse, wo die Spinnräder der Ich-Geschichten unaufhaltsam den einen Teppich weben, dessen Muster zwar sichtbar sind in der Welt, aber die Fäden…wo kommen die Fäden her. Und wie oft kann man sich empören über Dinge, die man für unvorstellbar hält, aber andere finden das selbstverständlich. Wie tief also will man, und mit wem, und warum, zusammen die Tiefen erörtern, und was ist überhaupt Tiefe, und was findet da statt. Und ist es nicht manchmal dahinter oder da drunten nur eine kühle Höhlenhalle, in der man Zuflucht finden kann vor dem Weltgetöse. Oder gibt es dort auch den Garten, oder vor allem die eher dunklen, unwegsamen Korridore, wo die Spinnweben an den Scharnieren entfernt werden müssen, um Tür oder Tor zu erkennen. Und der Eine hungert förmlich nach tieferen Fragen, und der Andere kennt sie gar nicht, oder findet sie erschreckend und überflüssig. Gerne irrt man sich ja auch mit der eigenen Besonderheit, bis man merkt, dass es das entweder gar nicht gibt, oder es aber auf jeden Grashalm zutrifft. Ja, aber wie sich sonst kennen lernen? An der Oberfläche kann es behaglich sein, kein Zweifel. Man läuft einfach mit und tut so, als wäre man offen und sichtbar. Nein!, sie sind wichtig und unerlässlich, die tiefen, direkten Fragen, und ja!, gerne noch einmal und herzlichen Dank, Immanuel, für den Mut, sich seiner eigenen Vernunft und seines eigenen Denkens zu bedienen, um, gerne zusammen mit Anderen, die selbstverschuldete Unmündigkei endgültig zu verlassen.

Weisheit geschieht.
Oder geschieht nicht.
Das Ende der Garantien.
Der Weg erscheint lange.
Irgendwann jedoch zeigt sich Bewegung,
meldet sich Erkenntnis über die Leidenschaften,
richten sich Synapsen aus, weben sich Bahnen
in die eine oder die andere Richtung, gibt es
kein Entrinnen mehr von sich selbst.
Da steht dann dem Glückskind die Heiterkeit
zur Verfügung. Sie nimmt sich in die Arme und
sagt, es sei ja nicht so schlimm, dass es anders
kommt, als man denkt. Da entfaltet sich
ihr Schicksal als ein Kairos-Licht, und sie
empfindet die Existenz des erweiterten Raumes
als ein Menschsein, das jedem entspricht.
Das Gegebene erfüllt ihren Alltag. Hochebene
und Tiefe gleichen sich aus auf den Treppen
der zeitlosen Welten.

Schwein (gehabt)?

Am allerwenigsten ich selbst hätte vermutet, dass mich das Thema bzw. das Wohlbefinden des Schweines oder besser gesagt das Wohlbefinden aller Schweine in der Welt einmal berührt. Neuer Anlass dazu war, dass eine Frau die Schweinesprache erforscht und Erstaunliches gefunden hat über die Kommunikationsfähigkeit der Tiere, die ihre grässlichen Leben in Höllen der Verwahrlosung fristen, um in ihrer kurzen Existenzphase dem zur Verfügung zu stehen, für was sie geboren und geschunden wurden, der Fütterung des Menschen also wegen. Ich sehe im innerlichen Heimkino die berühmte Szene, in der die Alliierten die fröhlich dahinlebenden Einwohner:innen aus der Nähe der Konzentrationslager durch die Lager führten, wo die Knochengerüste, also die Überlebenden, noch lagen, und wie sie Angst hatten, hinzuschauen, denn alle wussten es ja, und d a s war der Moment der Wahrheit. Wie verroht muss man werden, könnte man fragen, um das Leiden anderer Wesen nicht nur hemmungslos hinzunehmen, sondern auch noch davon zu profitieren, wie kann das sein. Es kann, weil es ist, das ist die bittere Wirkung der Pille. Nun kann natürlich auch die Heilungsbedürftigkeit der Welt einem zu Herzen gehen, denn es geht nicht nur den Schweinen schlecht. Den Kindern geht es nicht gut und den Erwachsenen auch nicht, wir sitzen zusammen im Boot des Unbehagens, an jeder Ecke schreit es nach Ausbesserungen, die keiner mehr leisten kann. Und hat „Schwein“, bevor es seiner selbst beraubt wurde, nicht auch einmal für ‚Glück‘ gestanden. Ein Glücksymbol ist das Schwein. Schwein gehabt, also Glück, gerade noch einmal davongekommen. Eben nicht mehr davongekommen. Die Verwundeten und die Verletzten und die hungrigen Geister und die Gelehrten und die Philosophen, und die Therapeuten undsoweiter wissen alle, dass bewusst gelebtes Menschsein selten und rar ist, aber von jedem/r erreichbar, und selbst im freien Fall des Traumes kann mich das Erwachen auf den Boden der Tatsachen bringen, wodurch die Welt nicht verändert wird, aber ich selbst.

klagen

Jeremia beim Klagen
Das Bild habe ich unter „Jeremiade“ gefunden, ein schönes Wort für große Klagen, die durchaus berechtigt sind und manchmal einen einzigen Menschen betreffen wie hier Jeremia, der über den Fall Jerusalems klagt und allein auf der Treppe steht, weil alle, die den großen Schmerz spüren, alleine sind. Und nur wir wissen, wenn uns das Weh ergriffen hat, was das mit uns machen kann, wenn nur noch das Nichts einen anlächelt und ermöglicht, tiefste Bedeutung und völlige Bedeutungslosigkeit gleichzeitig zu erfahren, sodass einen der Schock erfasst, dann die Ernüchterung, dann die Erneuerung, auch Licht am Ende des Tunnels genannt. Aber ‚Jeremiade‘ heisst auch ‚Jammerrede‘, eine weitere Konnotation, mit der wir ebenfalls vertraut sind. Menschen jammern gern herum über alles Mögliche, was nicht ihren Vorstellungen entspricht, das können Vorgesetzte sein oder Autos, oder Politiker, die man unfähig findet, auch wenn sie ihre Sache einigermaßen gut machen, denn auch das Jammern gibt Macht, ein bisschen Macht, denn man sagt hey, mir passt das nicht, das müsste anders sein. Seltern weiß der oder die Jammernde wie. denn es fehlt der Impuls zum Herauskommen aus dem Jammertal, wo man beim fröhlich tuenden Durchwandern auch andere anstecken kann, und dann kann man zusammen jammern. Gerade kam ein Nachbar vorbei und klagte über die Wildschweine, die den ganzen Weg verschandelt hätten, und sie wären schon so nah, dass wir unsere Kühltruhe aufmachen sollten. Ich musste einen Moment innehalten, um zu verstehen, was er meinte, und fühlte mich dann genötigt, ihn daran zu erinnern, dass wir, was er doch sicherlich wüsste, Vegetarier:innen seien. Nicht, dass ihn das interessierte, er wollte nur jammern, und zum Jammern dient die ganze Welt, auch Wildschweine. Riesenzähne hätten sie, diese Viecher, und wenn sie einen ins Bein beißen würden, dann wäre das weg. Ich schlug vor, er solle den Förster anrufen, aber um Lösungen ging’s ja nicht. Es ging ums Jammern, das kann auch ein wenig erleichtern. Das Klagelied aber kann etwas Großartiges sein, wenn der Schmerz des Vergehenden und die Verschlagenheit des Menschen und die Aussichtslosigkeit auf seine Besserung das Gemüt so tief erfasst, sodass nur noch die Rede hilft, die nicht mehr angewiesen ist auf Zuhörerschaft oder Lösungsphantasien, sondern man kann dann zu den Wolken sprechen oder zu den Wänden oder zu den Göttern oder zu sich, denn auch das unerträgliche Leid hat eine Sprache, die man empfangen kann.

reif ?

Jetzt, wo Indien gewissermaßen hinter mir, beziehungsweise in mir liegt, in meiner eigenen Inszenierung natürlich, aber auch im Zusammenspiel mit Tradition, Kultur und Gesellschaft, da fällt mein Blick etwas genauer auf Deutschland. Habe ich so etwas wie ein eigenes Deutschland, oder was würde ich vermissen beim Verlassen des Landes, von dem ich nicht nur einen Pass habe, nein, nein, ich habe sehr lange Zeit sehr viel Sicherheit hier gehabt. Auch die Reue über die Gräueltaten war immer spürbar, manchmal hätte man sich mehr Wachheit gewünscht, denn da gab es doch inmitten des Schlaraffenlandes sehr viele Dunkelfelder, die immer tiefer angelegt wurden und ausgestattet waren mit der neuesten Technologie, wie gehabt im pädophil gesteuerten Schrebergarten. Aber immer ist man auch in der Welt und Teil einer Gesellschaft, fragt sich nur, wie und wodurch und auf welche Weise. Mein Blick schweift von Kamala Harris zu Alice Weidel, dann zu Sahra Wagenknecht, und ja!, die Harris könnte bei uns gar nicht hervorgebracht werden, dazu braucht es Trump und Amerika. Wir haben eben die Weidel, mit der keiner spielen will, und die sich sicher gibt, dass man mit ihr wird spielen müssen, denn sie bringt hinter sich das Heer der Grumpelnden. Es ist eigentlich ein Rachefeldzug gegen die, denen es angeblich so viel besser geht, und es stimmt ja teilweise auch, sind wir doch tatsächlich diejenigen, die sich jeden Wunsch von den Augen ablesen können und ihn umsetzen, eine weitere Blase, wo die Erstarrung haust. Eine gewisse Beunruhigung ist angebracht, denn man kann nie mehr sagen, man hätte es nicht gewusst. Nun käme es oder kommt es auf das Wissen an, das eingesetzt wird, um das Gespenst zu entlarven, das nun groß genug ist, um nicht übersehen werden zu können. Aber wo beginnen? Frau Wagenknecht hat sich noch nicht zu erkennen gegeben, vielleicht ist das ihr Stil, und zuhause hat sie einen, mit dem sie diskutieren kann, der Qüalgeist Oscar Lafontaine. Dieser weiblichen Pointe gegenüber sehen wir drei Männer, Scholz Habeck, Lindner, kein Grund zum Strahlen, denn sie haben sich gegenseitig untauglich gemacht, und man hofft heimlich, dass Habeck das, was ihm angetan wurde, auch überlebt. Das alles konnte passieren, weil alle es zugelassen haben. Aber jetzt spürt man eine tiefliegende Abneigung gegen die braune Soße, deren Rinnsale sich durch die Gasse schlängeln, und man muss mal schauen, selbst schauen, wie man mit all diesen Dingen umgehen möchte oder gar muss, wenn die Zeit dafür reif ist.

Jean Tardieu

„Ich beschwöre ich berufe
in mir erscheint wer ich will
ich bin hohlbäuchig der Raum
Schläger kalter Schläge
Schweigen um die Dinge
Peitschenschnur schöne Kobra
eine Wurmspur im Sand
jeder berstende Planet
endigt in Flötenton.“

– Raum der mich schafft
Schlinge die mich schlingt
Tiefe Freiheit
auf dein Zeichen komme ich
auf dein Zeichen sterbe ich
denn du bist der Tanz
ich weine in deinem Lachen
ich verlösche in deinem Kleid
selbst meine Asche ist gezeichnet.