Yehuda Amichai

Aus der Angst, zu verlieren, sprang ich direkt in die Angst,
selbst verloren zu gehen,
ich konnte nicht genügend Zeit dazwischen verweilen, im kleinen, süßen Niemandsland der Ewigkeit des vorbeiziehenden Lebens.

Suchhände sind meine Hände, Prüfhände, Hände der
Hoffnung und des Verzweifelns, kramen immerzu auf Tischen, zwischen Papieren, in Schubladen, in Schränken und meinen verlustgeprüften Kleidern.
Mit Händen, die Verlorenes suchen, streichle ich dein Gesicht,
und mit Händen, die zu verlieren fürchten, umarme ich dich,
taste um deine Augen, um deinen Mund wie ein Blinder,
wie um zu messen, wie um zu wandern, zu messen und zu wandern.

Denn nur Hände, die zu verlieren fürchten, sind für die Liebe.
Ich sah mal einen Geigenspieler spielen und dachte mir,
seine rechte und seine linke Hand trennt bloß die Geige,
doch welch eine Entfernung,
welch wundervolles Spiel!

N. L.

Wir sind für 7 Tage in den Niederlanden. Holland ist für viele Deutsche der mühelose Weg zum Meer – Dünen und lange Strände und alles bewegt sich in einem gewissen Wohlbefinden, alle haben was davon. Hier gab es schon lange Cannabisläden und das Fremde sah heimisch aus. Es sieht immer noch heimisch aus, und das Meer wird uns überleben. Die Menschen und ihre Gedanken aber ändern sich. Kaum haben wir uns niedergelassen in dem schönen Appartment, da fällt mir ein, dass vor nicht so langer Zeit viel die Rede war von Geert Wilders und seiner Partei für die Freiheit, eine Freiheit, die rechtspopulistisch definiert wird und Einwanderung und Muslime ablehnt. Geht es einen etwas an, oder will man nur Wind und Meer und gute Gespräche. Oder gute Gespräche über den beunruhigenden Vorstoß in rechtes Gedankengut. Hatten die Welt und ihre Bewohner:innen jemals einen Anspruch auf Arglosigkeit? Das Zusammenleben unter Menschen ist nichts, was sich einfach ergibt, und vielen gelingt es auch nicht. Ein falsches Wort über das als heilig Definierte und man kann sterben, was allerdings sowieso ständig stattfinden kann, o unseliges Vergessen, das trotzdem seine Berechtigung hat. Ich werde jedenfalls versuchen, mich möglichst von Einheimischen etwas informieren zu lassen. Also: wie kam’s, und ist es überhaupt so, oder wieviele sind das wohl, die Ausländer:innen raushaben wollen, und werden das klammheimlich immer mehr, während wir unserem eigenen Anspruch auf Menschsein nachgehen?
Das Wertvolle an der Kunst ist, dass man etwas von sich selbst versteht, und dadurch etwas von den Schlachten, die es hier zu bewältigen gibt in der Kommunikation zwischen der geistigen Schaltzentrale und den scheinbar unergründbaren Schichten und Schluchten des Unterbewussten, sieht man d a s nicht als die reine Quelle an sich, die es wieder zu entdecken gilt. Alle Kunst lehrt das Geheimnis vom Konstrukt des Weltbildes, das sich selbst ständig neu erfindet und einerseits von einer ungeheuren Leere und Bedeutungslosigkeit erzählt, und andrerseits vom Einzigen, was das Leben so kostbar macht, eben dass es die Neugier und Forschung anregt darüber, was es zu sein scheint, bevor einem klar wird, dass es zur Erklärung gar nicht gedacht ist. Weshalb das Poetische so gerühmt wurde und wird, weil es die Sorge des Unverständlichen verlassen muss, um zu sein, was es ist, und das mit Worten, die sich der weltlichen Logik nicht beugen, sondern nur dem Geheimnis des Seienden dienen. Die künstlerischen Begabungen sind Werkzeuge, nur Werkzeuge, um das schwer Erfassbare in Fassungen zu bringen, die durch Jahrtausende hindurch verstanden wurden und vielleicht weiterhin werden, wenn der Strom des Lebendigen nicht versiegt, die Leere also, aus der es entsteht. Und in diesem Sinne, ja, sind alle Künstler:innen, denn man kann sich selbst gar nicht entkommen, auch wenn man verspielen sollte, was man hat, denn man hatte dann zumindest den Auftritt, wozu auch die einfachsten Künste gehören: essen trinken gehen stehen warten tanzen singen kochen putzen undsoweiter, und gerade durch sie wird Wesentliches errungen, mit dem es gelingt, sich im Irrgarten des Menschseins nicht zu verlieren. Achtung, Reisende/r!, denn es ist spät. Doch was heißt ’spät‘?
Ich kann mir gut vorstellen, dass, sollte es tatsächlich eine geistig bewohnbare Leere geben, man von dort aus wieder Gefallen finden könnte an den Geschichten, hier im Sinne einer gereiften Freude über das Daseiende in vernünftiger Kenntnis der eigenen Ohnmacht in bezug zu einer Wirksamkeit des eigenen Anliegens auf die Gesellschaft. Das heißt, man wäre dann durch diese Freude in offenem Kontakt mit dem Geschehen, wäre aber distanziert genug, um der kollektiven Meinungsversklavung zu entgehen. Die durchaus trefflichen Ratschläge aus dem Weltgehirn haben immer auf unumgehbare Bedingungen hingewiesen, sollte sich der Wunsch oder das Bedürfnis nach „Beisichsein“ persönlich oder kollektiv regen. Denn meistens wird Entfremdung von sich selbst dann doch irgendwann wahrgenommen, und viel Geld wird an den Pharmaprodukten verdient, um die Hochgeschraubten wieder herunter zu bekommen, sozusagen ‚down to earth‘, wo man sie hätte vermuten können, aber da waren sie gar nicht zu finden. Einer der Erdnamen auf Hindi ist ‚myrthlok‘, der Planet der Toten, und es regt zum Denken darüber an, was den Menschen eigentlich zum als lebendig erkennbaren Wesen macht, und ob es einen Weg zu finden gibt über den Scheintod hinaus. Das Ganze ist doch sehr wundersam, man kann es in Wirklichkeit gar nicht begreifen, das wussten auch Geister wie Einstein, und haben sich trotzdem nicht abhalten lassen davon, dem Abenteuer auf den Grund zu gehen. Angst macht ja vor allem das Ungewisse, die kalte Unergründlichkeit des Alls, die unbeweisbare Nacktheit des bereits halbwegs Bewiesenen, der schmerzhafte Einsturz der ideellen Konstrukte, und dann die auffallend mächtige Präsenz des Ignorantentum mit den kleinen Belohnungen für Lebenseinschränkungen, die zu Behinderungen führen. Aber selbst wenn es dichter und dichter wird, das Netz der Angst und des Aberglaubens, so ist es doch gut zu wissen, dass das schmale Seil gehalten hat, auf dem wir uns mutig voranbewegt haben, und obwohl es immer dünner wurde, hält es noch immer. Und, wenn wir Felix Fliegenbeil Glauben schenken wollen, dann wird es dünn wie ein Haar, und dann, jaja, dann ist auch das Haar nicht mehr da. Man selbst aber ist da!
Neben dem Aspekt dieser ganzen männlichen Kriegsgetümmelei, bei der sie, die Kämpfenden, sich selber und Frauen und Kinder auslöschen, ist ein gleichermaßen belastetes Übel, und zwar, dass ein Gott im Hintergrund thront, durch dessen angebliche Weisheiten das einigermaßen menschlich Logische, also das Auskommen miteinander, unbrauchbar gemacht wird. Man hat sich ja schon mal gefragt, was hinter den Mullah und Modi undsoweiter Stirnen tatsächlich vorgeht, und ob nicht gerade die Religion schon immer so eine nützliche und gefährliche Waffe war für die politischen Banditenbanden der Welt. Für den Machthunger von Einzelnen ist das von Gläubigen getragene und finanzierte Spielfeld der perfekte Tatort, denn jeder Finger, der sich fragend erheben sollte, kann mühelos niedergerungen werden mit den erfundenen Geboten und Anekdoten nebst der von den Täter:innen als bedrohlich gesehenen Möglichkeit, der Mensch könne sich selbst erziehen und eines Tages zur Versklavung und zum Missbrauch nicht mehr geeignet sein, eine luxuriöse Phantasie. Es ist ja auch nicht so, als gäbe es keine Tortenstückchen der Wahrheit in der Welt, aber der Heißhunger danach hält sich in Grenzen. Man geht ja gerne davon aus, dass das Interesse, sich selbst als ein Universum zu studieren und kennen zu lernen, weit verbreitet ist, aber anscheinend ist noch verbreiteter, dass man jemanden, lieber Mann als Frau, da oben sitzen hat, denn dem Mann traut man immer noch zu, dass er im Ernstfall, den er natürlicherweise selbst erzeugt, die Knarre in die Hand nimmt und Ruhe und Ordnung zu schaffen versucht, was oft genug schiefgeht. Und eines Tages hört man, dass durch diesen Krieg ganz in unserer Nähe schon eine Million Soldaten gefallen sind, ganz zu schweigen von den Nebenhertoten. Ach so, ja, Wissen ist in der Welt und nicht wenig Lichtblicke, und genau deswegen muss man ja, wenn man kann, in der Hölle eben d a s suchen und finden, was nicht Hölle ist. Dann weiß man wenigstens, dass es da ist.

Nu

der 21. September

Erfreut habe ich über die Medien erfahren, dass Leonard Cohen heute 90 geworden werden hätte können, und auch meine Mutter wurde in ihrem Einst am heutigen Tag geboren, und last not least erblickte meine indische nicht blutsverbundene Tochter Asha vor 25 Jahren das Licht dieser Welt, habe ich damals in einem Krankenhausregister zu meiner großen Überraschung gelesen, als ich nachforschen wollte, ob ich nicht doch heraussfinden kann, wer ihre Mutter war und warum sie das Kind auf der Straße ausgesetzt hatte, eben da, wo ich zum Gück vorbeikam. Ich habe dann immer 2 Kerzen angezündet und wir fanden das schön. Sie ist inzwischen verheiratet mit einem, die zuständigen Schicksalslenker:innen seien gelobt, freundlichen Mannmenschen, der sie, himmlische Posaunen füllen den Raum, tatsächlich liebt und sie mag ihn auch und das erleichtert mich ungemein ud beglückt mich zutiefst, eben dass es ihr gut geht. Wir haben ihr gerade ein Geburtstagslied über WhatsApp gesungen, sie wird es erst späzer hören, denn sie ist in der Schule als Lehrerin. Wenn ich an sie denke

wie bitte?

Es ist ja nicht nur so, dass ein kaum überschaubares Heer von Männern vor allem Frauen etwas antut, eben weil sie nicht sind, wie sie angeblich sein sollen, und den Kindern in perfide ausgetüftelten Situationen Grauenhaftes und Lebensschädigendes zufügen, sondern sie tun es auch sich selbst an, also gegenseitig, und oft genug werden die Grausamsten öffentlich oder heimlich als die wahren Helden gesehen. Es wird sozusagen durch sie erst die „Richtigkeit“ des Mannes bewiesen, der da innen drinnen, sollte er was angesammelt haben, es wegstecken kann und langsam aber sicher in die Gefühllosigkeit schlendert, so, wie es vor Kurzem noch die Laube gab zwischen Heim und Konzenzrationslager, wo man beruhigt vergessen konnte, was es zu vergessen gab. Und gerne würde man zu Forschungszwecken mal den Herren (z.B.) vom ruhmreichen Mossad, dem israelischen Auslandsgeheimdienst Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen und schauen, ob man da noch jemanden sieht, oder vielleicht schon die Anfänge des Menschen als gut geölte Maschine, die, man weiß (noch nicht genau) w i e sie das Heldenstück ‚hingekriegt‘ haben im besten Sinne des Wortes, dieses technische Zeug in die kleinen Handys zu bekommen, die Gehirne auspusten und Leiber zerfetzen können, wenn der kleine Knopf gedrückt wird. Und klar, vielleicht viel zu schnell klar, dass man über die andere Seite, hier die Hisbollah Miliz, auch nichts Besseres berichten kann, darum geht’s mir nicht und überhaupt geht’s darum nicht. Die Abstumpfung sollte uns Sorge machen, eine nordic walking Wanderung auf der Rasierklinge, denn man hat ja wohl das Recht, keine Partei zu ergreifen und auch in keiner zu sein, aber es geht um diese menschliche „Natur“, die wir alle haben und dass wir uns schulen am Weltgeschehen, wo schwere Vergehen schwere Folgen für alle haben, also für das Menschsein an sich, das hier in eine Gefahrenzone gerät. Ich denke an die beiden harmlosen jungen Männer, die neulich bei uns zu Besuch und vor allem auf der Gamescom waren, und dem einen gefielen vor allem Spiele, wo man auf alles schießen kann, und dem anderen gefiel vor allem ‚Red Dead Redemption‘. Und so ahnt man, oder weiß man es schon, dass man diese ganze planetarische Ausbreitung des Geschöpften doch als ein Drama sehen muss, um das Wort ‚Spiel‘ nicht zu benutzen. Wenn man das Spiel also kennenlernt, sieht man die Kugel rollen und muss zum Einsatz stehen, den man schließlih gemacht hat. Denn wer freut sich nicht über eine gute Hand, dei sich wohltuend öffnen kann.

Irgendwann sagten Indianer einmal
über Weiße: Sieh, wie grausam die
Weißen aussehen. Ihre Lippen sind
dünn, ihre Nasen spitz, ihre Gesichter
von Falten durchfurcht und verzerrt.
Ihre Augen haben einen starren Blick.
Sie suchen immer etwas. Was suchen
sie? Die Weißen wollen immer etwas.
Sie sind immer unruhig und ratlos.
Wir wissen nicht, was sie wollen.
Wir verstehen sie nicht.
Wir glauben, dass sie verrückt sind.

anders

Wenn man durch das Labyrinth des Daseins wandert, kann es gedanklich zu einem Anreiz kommen sich vorzustellen, ob es wohl auch anders sein könnte, als es derzeit läuft, was (z.B.) Harald Welzer zu einem ganzen Buch angeregt hat, das ich nicht gelesen habe, allein den Titel aber anregend fand. Wie weit will und kann man gehen, das Vorhandene zu durchdenken und umzustrukturieren, damit es der eigenen Vorstellung gerecht wird, die ich mir die Mühe mache, die ganzen Module zu betrachten und sie auf eine kreative Weise wieder neu zusammenzusetzen. Leider geht das ja nur im Kopf, wo man die Spitze des Eisbergs kurz umsteuern kann, um sich weiterhin auf die wesentliche Ausrichtung konzentrieren zu können, die bei der gewünschten Neuordnung des gesellschaftlichen Vorgehens behilflich ist. Und obwohl es geistige Materie ist, die hier geschaukelt wird, kommt die Bewegung schnell an Grenzen. Zweifellos hat die ganze Menschheit sich Zentimeter um Zentimeter vorwärts gebracht, und ja, man möchte vor allem als Frau nicht im Mittelalter gelebt haben wollen, aber auch heute ist man dankbar, nicht in Afghanistan geboren zu sein und freut sich zuweilen über die Freiräume, die wir uns erschaffen haben und an die wir gewohnt sind, wenn wir nicht gerade in eine Schießerei geraten, wo mal wieder jemand durchdreht. Gäbe es bei mir keinen Zoo und keine Autobahnen?, und was für eine Medizin würde man für die Darknetsucht verschreiben, obwohl wir wissen, dass auch in Sokrates‘ Zeiten Darknet war, sonst hätten sie ihn ja nicht umgebracht, aber gerade dadurch wurde aus Sokrates ein Unsterblicher, um den das Denken nicht herumkommt. Aus Japan kommt die Saga, dass es im Einst einem Emperor nicht erlaubt war, mit den Augen zu zwinkern, damit seine Konzentration auf das Wohl des Volkes nicht gestört werde. Das wäre zumindest eine lustige Frage im Sommerinterview: Herr Merz, könnten Sie sich das vorstellen, die zwinkerlose Stille also für das Wohl des Volkes? Aber ich kann es mir auch nicht vorstellen, und Herrn Friedrich Merz als Bundeskanzler schon gar nicht, da ich leider gar nicht eingrefen kann außer am Stimmzettel ein Kreuz zu machen, natürlich für die Grünen. Was einem aber selbst logisch erscheint, wurde den Vielen schon ausgeredet. Es überwätigt einen also förmlich, wenn man bedenkt, an wie vielen Systemen und Konstrukten man rütteln müsste, um zu sehen, dass es auch anders geht. Die Menschheit wird ja nicht gleichzeitig erzogen, nein, denn Fluten und Kriege und das Undsoweiter gebiert immer dieselben Schmerzen und Nöte und Rettungsversuche, egal, wie gut die Maschinen inzwischen sind, sie töten mit. Und so öffnet man vielleicht eines abends ein Fenster auf den glamourösen Auftritt des Vollmondes und erholt sich von diesem Gedankenausflug im Reich des Wortlosen.

gegenkräftig

Es ist vielerorts und vielseitig diskutiert worden, dass (wir) Menschen wissen, dass etwas ‚gekippt‘ ist, wobei die Frage erst einmal wäre, was und wodurch da etwas kippt, und was ‚Kippen‘ überhaupt ist. Es gbt ja dieses Bild der Waage, wo entweder etwas zu leicht ist, also etwas gefehlt hat, oder etwas ist zu schwer geworden und kann deshalb beim Tanz der Atome nicht mehr mitmachen, fällt heraus aus dem Netz auf eine andere Ebene, wo es natürlich weitergeht, es hört nie auf, oder es liegt noch nicht in unserer Macht zu wissen, ob es überhaupt aufhören kann, das große, mythosumrankte Es. W i r können aufhören, das ist klar, und es scheint sich ein Trieb aus dem kollektiven Unterbewusstsein gelöst zu haben, der nach Auslöschung strebt, ähnlich dem Angebot für ‚Humanes Sterben‘, das einfach durch seine Erscheinung darauf hinweist, dass zuviel inhumanes Sterben bereits im Gange ist, das Meiste schon dokumentiert mit den unbezahlbaren Rechnungen als Beweisstücke der Ausschweifungen. Man, bzw. manche haben zuviel gegessen oder zuviel getrunken oder ganz und gar im Zuviel sich niedergelassen, andere haben zuviel gehungert und sind zuviel missbraucht und mies behandelt worden, sodass man tatsächlich eines Tages denkt, dass es nicht gutgehen kann, was auch immer mit ‚gutgehen‘ gemeint ist Sind wir also in ein gemeinsames Schiefgehen verwickelt, das nicht mehr zu entwirren, also ein wirres und unentrinnbares Knäuel gworden ist, das nur mit allerlei Sicherheitsnadeln zusammengehalten wird, solange der Glaube eben hält, dass Heilung noch möglich ist. Oder aber, und das ist meines Erachtens die interessantere Variante, nämlich dass sich automatisch Gegenkräfte bilden, wenn ein bestimmtes Maß an unwägbarem Grauen geschehen ist, und diese neu aktivierten Kräfte haben vielleicht geschlummert in der Tiefe der Innenwelten, denn sie sind nicht immer kampfbereit, weil es nicht ihre Art ist. Aber sie holen nun ihre Instrumente hervor und man könnte es Waffen nennen, die sie nun einsetzen. Da sieht man auf einmal: es war gar nicht im Gleichgewicht, das große Es, nein, ganz im Gegenteil, es war und ist noch teilweise vollständig unausgeglichen, sodass das wiederkehrende Gleichgewicht das derzeit vorherrschende Chaos auslöst, bis irgendwann die lebendige Ausgleichung sich wieder herstellt und Dinge ins verhältnismäßige Lot kommen können. Eine Inderin erklärte mir mal, dass in dieser Zeit, also dem dunklen Zeitalter, alle Wesen sich verkörpern möchten, weil es gerade so spannend ist hier auf der Erde, alle wollen mitspielen, weil die triebhemmenden Regeln sich langsam aber sicher auflösen, deswegen sei es so voll. Wie dem auch sei, so bleibt es doch eine Frage der persönlichen Wahrnehmung, und wie und wodurch wir das Geschenk des Daseins verstehen. Oder aber das Verstehen eines schönen Tages ganz lassen und sich selbst bereit erklären für das Ungewisse.

flugs

Montagmorgen. Man schaut mal rein oder drückt einen Knopf und weiß innerhalb von ein paar Minuten schon sehr, sehr viel. Unkontrollierbare Wassermassen rauschen durch Städte, Dörfer und Ländereien, Menschen verlieren wieder einmal ihr Hab und Gut, und was ist mit den Tieren. Man weiß, was mit den Tieren ist. Menschen und Tiere sterben in diesen katastrophalen Szenarien. Natürlich ist es egal in diesen Momenten, wer diese Betroffenen sind oder waren, aber auf jeden Fall ist ihr Leben gestört oder auch gänzlich zerstört, das kann einen zuweilen fast beschämen, wenn man gerade zu den Glückskeksbesitzer:innen gehört. Und man kann nicht für alles das Lob der „guten“ Lebensführung einheimsen, denn die Elemente gehören ihrer eigenen Ordnung an, sie sind bekannt für ihre wilden Entfesselungen. Und es gibt gewisse Zusammenhänge, die entweder erfunden oder einfach nur wahrgenommen werden können. In den paar Minuten meines Zuhörens kam auch die Nachricht eines zweiten Attentates auf Donald Trump, verdammt nochmal, es wäre gar nicht hilfreich, wenn er stürbe, denn dann säße er schnurstracks im Olymp der Trumpianer:innen. Eine Frau meinte, sie täte alles für Gott und müsste Ihm nun helfen, also für Gott seinem auserwählten Vertreter assistieren. Man muss da rechtzeitig aufpassen, dass man keine Faszination entwickelt für das Ausmaß des Unvorstellbaren, also eine bestimmte frostige Fremdheit einem menschlichen Phänomen gegenüber, dem keine Erklärung gerecht wird. Vielmehr knobeln die aktiven Gehirne schon seit Menschengedenken auf die eine oder andere Weise an diesem speziellen Vorkommen, dessen mildeste Form das Kopfschütteln ist. Ich hatte mir allerdings beim ersten Hören flugs eine Story ausgedacht, wie es auch sein könnte in Anbetracht der Tatsache, dass der Aufstieg von Donald Trump hin zum Pfauenthron gesichert schien, bevor die „Border-Zarin“, wie er sie manchmal nennt, auf die Bühne kam, und upps, da sank sein ehe schon angeschlagener Stern, wenn man so etwas noch Stern nennen kann. Ich dachte also, dass er die ganze zweite Beschießung eingefädelt hat, damit er wieder in die Medien kommt, hat den Mann gut bezahlt, falls er umkommt oder lange im Gefängnis sitzt undsoweiter, denn ja, der Geist ist schnell und kann alles erfinden, und im Gegensatz zu dieser reichhaltigen und unerschöpflichen Auswahl des geistigen Gutes, also der Energie, die wir zum Denken und Gestalten zur Verfügung haben, im Gegensatz dazu also scheint das sogenannte „Wahre“, falls es das gibt, naturgemäß gering und kompakt, und kann man es überhaupt nennen, und ist es überhaupt etwas Greifbares, oder das pure Nichts an sich, das man ein paar Jahre als Lebensraum zur Verfügung hat.(?)

Martin Buber

Portrait Of Martin Buber Photograph by Alfred Eisenstaedt

Die Voraussetzung zur Entstehung eines echten Gespräches ist, dass jeder seinen Partner als diesen, als eben diesen Menschen meint. Ich werde seiner inne, werde dessen inne, dass er anders, wesenhaft anders ist als ich, in dieser bestimmten ihm eigentümlichen einmalgen Weise wesenhaft anders als ich, und ich nehme den Menschen an, den ich wahrgenommen habe, sodass ich mein Wort in allem Ernst an ihn, eben als ihn, richten kann. Freilich hängt es nun von uns beiden ab, ob zwischen uns ein echtes Gespräch, die zu Sprache gewordene Gegensetgkeit aufkommt. Aber ist es erst soweit, dass ich den andern als einen Menschen, mit dem ich dialogisch umzugehen bereit bin, so mir gegenüber legitimiere, dann darf ich ihm zutrauen und zumuten, dass auch er partnerisch handle.

Aus: ‚Das dialogische Prinzip‘

voiding

steering the void
Dass man sich auf der Erde auch langweilen kann, kann einen schon verwundern, bewegt man sich doch nirgendwo auf ihr eine Minute lang, ohne dass was passiert, sei es durch einen Vogel, einen Käfer oder einen Gedanken. Und sollte es eine Leere geben, in der tatsächlich nichts passiert außer dem unvermeidlichen Zusammenklang der Schwingungsebenen und ohne dass man jetzt in eine esoterische Gaukelebene abwandern muss, dann könnte man schon allein dadurch das hohe Erlebnispotential der Existenz feiern. Auch wir sind vermutlich Klang, aber auf jeden Fall ein Ton, mit dem wir gehört und aufgenommen oder aber abgelehnt werden, und den tragen wir auf eine kaum merkliche Weise hinaus in die Welt – oder merkt man es doch, wie wir alle drauf sind, wenn wir einander begegnen? Beim Frühstück, am Strand oder in den Zügen. Oder womit wir unsere Zeit verbringen, wenn das, was wir „Arbeit“ nennen, getan ist und die Frage sich öffnet, was ich jetzt, wo ich Zeit dafür habe, noch mit mir selbst anfange. Für die meisten Menschen ist auch die Politik ein Energiesteuergerät, man kann Dampf ablassen, der sich angestaut hat, irgendwo in dem Vorgang, der „Leben“ genannt wird, und der sich ständig und unaufhaltsam nach vorne bewegt, sodass man wissen muss irgendwann, wo man sich der eigenen Erfahrung gemäß eigentlich befindet. Und klar macht es einen Unterschied, ob ich auch ohne Gitter in einem Gefängnis sitze oder draußen herumagiere, als wäre das, was ich sehe, alles normal, also hergestellt für das Wohlbefinden des Menschen und seiner Grundbedürfnisse. Dabei muss man fit bleiben, damit man nicht zu vergiftet wird von Nachrichten und Essen und essen während der Nachrichten, wo doch alle das Sprichwort kennen, dass ich bin, was ich in mich hineinlasse, das Essen also und die Nachrichten, also all das, was jede/r Einzelne von uns neu sortieren muss, nur um überhaupt lebensfähig zu bleiben. Vor allem aber, um dem Abenteuer gerecht zu werden, das mich ständig fordert, den Herausforderungen gerecht zu werden, gemäß der Richtlinien, die ich mir selbst gesetzt habe. Denn wir dürfen nicht vergessen, dass wir immer mitspielen, und wir selbst sind das Script, das sich hier entwickelt unter unserer Zeugenschaft und unserer Fürsorge.
Beim Malen des Bildes oben war ich überrascht, dass auf einmal der Silver Surfer auftauchte, sogar ein bisschen Surfboard war zu sehen, alles unbeabsicht, wer weiß schon, wo die Quelle all dieser Erscheinungen liegt. Aber dann fiel mir auf, dass es gar nicht der Surfer war, sondern jemand, der eine Maske trägt, dahinter eine andere Gestalt. Es fasziniert mich auf eine fast kindliche Weise, wenn ich der immensen Tatsache ins Auge blicke, dass der Mensch, jeder Mensch, das eigene Schicksal mitbestimmt, immer im Umgang mit dem jeweils Vorhandenen, und d a s ist letztendlich das tiefste Geheimnis: dass es, also mein Leben, immer aussehen wird, wie ich damit umgegangen bin. Es gibt Momente, in denen ich (bei Themen dieser Art) nicht an die burkatragenden Frauen denken kann, so, als wären sie automatisch durch ihre Seinsweise in Gefängnissen gelandet, und ich kann es nicht beurteilen, wieviel Freiheit sie in ihren eigenen Welten haben. Aber ich weiß, und weiß es auch aus Erfahrung in Indien, dass überall ständig an der Entwicklung gebastelt wird, sei es durch Lehrvorträge oder Pornoflics im endlosen Undsoweiter. Ich bin durch und durch verantwortlich für die Nahrung, die ich meinem komplexen und anspruchsvollen Wesenskern zuführe, und was auch immer die Bausteine gewesen sein mögen, so bin ich nicht nur für die Zusammensetzung im Puzzle meiner Story verantwortlich, sondern auch dafür, wie ich dieses Konstrukt in die Welt setze, wohl wissend, dass es außer dem Konstrukt auch noch etwas anderes gibt, über das Wort hinaus, und doch eins mit dem Wort, durch das Existenz erst gewährleistet ist. Hohe Wertschätzung also für die Quelle des Schöpfungsvorgangs. Und wir als die vorüberziehenden Erben und Erbinnen des Ganzen. Da hole ich doch schnell mein eigenes Surfboard wieder hervor aus einer der Lagerstätten. Je mutiger man voransurft, desto mehr nähert man sich den Grübelorten des ursprünglichen Surfers, einem Sohn von Gene Roddenberry. Was hat er sich Sorgen gemacht über den Zustand der Welt! Und wenn er unten war, musste er sich verstecken unter einem Trenchcoat, weil er so seltsam aussah, dabei war er sehr schön und hatte ein großes, friedliches Reich auf Zen-La!

Wellenlänge

Die Zähmung des Chaos‘
Wenn also so ein Event wie diese politisch hochgehypte Debatte zwischen zwei nahezu unversöhnbaren Geschöpfen wie Harris und Trump dann endet, endet auch meist der Energieschub, der praktisch als Nebenwirkung durchaus zur Verfügung stand. Die digitalen Maschinerien kommen dann danach in Fahrt, die Meinungen, die Analysen und das Gerede, das sich eine Wellenlänge lang ausbreitet, wenn an einem Schauspiel teilgenommen wurde, das Andere aufgeführt haben, die eigene Positonierung aber dennoch erwünscht ist. Dachte man zum Beispiel, durch die eigene Wahrnehmung ein klares Ergebnis ableiten zu können, hat man sich geirrt, denn manchmal schwappt die Welle mit schlichter Überzeugungskraft zum eigenen Ufer hin, aber das passiert auch an anderen Ufern, daher sucht sich der/die geschulte Surfer/in den klaren Blick für die geeignete Welle und bleibt im Tosen des Vorgangs stabil. Stocknüchtern wird man, wenn man den Preis sieht, sollte es schief gehen Man müsste das vollkommen Unakzeptable akzeptieren, aber tut man das nicht schon längst? Und trotzdem geht es um Gewichtung in der politischen, aber auch in der persönlichen Landschaft, und in letzter Konsequenz geht es um den energetischen Beitrag, den man auf der Ebene einer nur scheinbar eingeschränkten Möglichkeit leisten kann, so viel davon, wie man eben will, und in dem Maße, wie man es eben kann.

aufwärts

Ich hatte auf jeden Fall genug Interesse an diesem historisch unterhaltsamen Moment, um, sollte ich nachts tatsächlich um die Debatten-Zeit herum aufwachen, die Debatte auch zu sehen und zu hören. Man wusste ja genau, worum es wirklich ging, und es waren nicht die Themen an erster Stelle. Man war, und das vermutlich nicht nur auf den Seiten des politschen Spektrums in Amerika, sondern überall auf der Welt, vermute ich mal, war man mit sehr vielen Menschen darauf gespannt, ob sie dem Narzissten würde paroli bieten können, und ja, sie kann, das wusste man auch irgendwie schon vorher. Die Atmosphäre war im Hochspannungsmodus, was wiederum bei mir zu einer hellwachen Art Leichtigkeit führte, und ich frage mich, ob das wohl durch die direkte Übertragung derart spürbar war, und ob sich das Nachherangeschaute noch genauso anfühlen würde. Verblüffend, das muss man schon sagen, ist die Karriere von Kamala Harris, die es sich offensichtlich zutraut, dieses an sich sehr freiheitsliebende Land aus dem Irrsinn zu führen, es muss eine gute Portion Spieltrieb sein, gepaart mit dem Knowhow, dann ein Schuss Selbstironie, das kann nicht schaden, denn man muss wissen, dass Scheitern auch immer möglich ist. Ja, es war also nicht so aufregend, aber doch sehr anregend, man war natürlich froh, dass sie es konnte. Und dann, kurz danach, hörte man von Taylor Swift, dem Phänomen des Oberfächenkultes, dass sie, praktisch mit all ihren Followers, Kamala Harris nun unterstützen wird, da kann man nur lobend nicken für das förderlich geleitete Machtpotential. Aus den rauchenden Köpfen der Diktatoren, die Donald Trump gerne als ihre Marionette weitergezüchtet hätten, sieht man sehr viel Gegrüble herauswölken, mehr dunkles Gewölk als helles, denn man wird mit ihr umgehn müssen, und es sieht nicht so aus, als könnte man sie kaufen. Aber Frohlocken ist auch noch nicht, alles kann noch geschehen. Aber kann es wirklich? Und geht es nicht auch darum zu verstehen, wie absolut verheerend es wäre für das Wohlergehen des ganzen Planeten, wenn Menschen wie Trump in Ämtern sitzen, für die sie nicht geeignet sind, auch wenn man ihnen das nicht beweisen oder erklären kann. Wichtig ist nicht zu vergessen, dass es auch ein Aufwärts gibt und auch ein festgefahrenes Blatt sich jederzeit wenden kann.

Abstandshalter?

Gerne würde man in bestimmten Momenten einen Abstandshalter einschalten, den man auch noch regulieren kann, aber dann ist es zB. schon in drei Minuten Nachrichten, bei denen man sich über das Wesentliche informieren kann, schon geschehen also, dass man z.B. von der Frau gehört hat, deren Mann jetzt vor Gericht steht, weil er sie jahrelang betäubt hat und hat Männer herangeladen, um sie zu missbrauchen. Es sollen 90 gewesen sein, aber nur fünfzig haben sie bisher gefunden. 50 Männer also, die im Netz der Einladung gefolgt sind, die Frau des Einladers zu vergewaltigen, was sie dann auch machen konnten, denn es war ja vereinbart. Immer wieder stellt man sich, sehr oft als Frau, die Frage, wie man mit solchen Nachrichten umgehen soll, auch wenn es derzeit keine Gefahr bedeutet für das eigene leibliche Wohl. Nein, es geht eher um den ermüdeten Blick auf das Männliche, das sich oft in Kriegen als erschreckend entgleist gezeigt hat und auch gerne Frauen zu Tode schlägt, wenn sie nicht will, was sie soll, oder es nicht macht, wie es gemacht werden muss, einer einzgen, vorherrschenden Meinung nach. Es gibt zu jeder Zeit eine Menge guter, intelligenter, interessanter undsoweiter Männer, und wir sind froh, enige von ihnen zu kennen. Auch unter ‚uns‘ gibt es noch die notwendigen Spannungsfelder, die das sich Unterscheidende hervorheben können und wollen und müssen, aber ich würde mal sagen ich habe keine Angst mehr vor ihnen. Ich habe mich wie die meisten Frauen ein paar Mal durchgekämpft, und es kam schon mal zur Grenze des Lebensgefährlichen. Wenn man unbeschadet davonkommt, hat man Kräfte gesammelt und man weiß, dass es möglich ist, davonzukommen. Kommen Frauen nicht davon, zerbricht etwas und findet günstigerweise das mögliche Maß an Heilung. Aber manche Wunden heilen schwer, man muss sie erst einmal als solche erkennen. Es ist natürlich müßig und manchmal naiv, immer noch zu fragen: wie ist das möglich? Irgend jemand weist dann mal darauf hin, dass auch Frauen Mitmacherinnen und Täterinnen sind, und klaro, es gibt sie. Alle von uns haben mal kurz gegrübelt, wie es möglich ist, dass so viele Amerikaner:innen nicht sehen können wer Donald Trump ist, aber das kann eigentlich so ziemlich jede/r, eben das Offensichtliche ganz bewusst nicht wahhrnehmen wollen, sodass es sich langsam verdreht und zu etwas wird, was man ertragen kann, weil es einem aus irgendwelchen Gründen unentbehrlich erscheint. Jeden Tag bastelt man doch bewusst oder unbewusst an der eigenen Erzählun, und kann sehr wohl erschrecken, wie viele gruselige und erschreckende Geschichten es da draußen gibt, und dass wir wissen, dass diese 50 Männer auf der Anklagebank nur ein kleines Symbol sind für die Spitze des Eisbergs, wo weitere Frauen und Kinder (und Männer) ihres Vertrauens in den lebendigen Fluss ihres Daseins beraubt werden.
Das Bild von der Sonnenblume vor dem ruhigen, raumspendenden Gemälde habe ich gestern bei Freunden gemacht, berührt von der zeitlosen Aussagekraft eines Himmels über der Erde, auf der die Dinge kommen und gehen und ihre unterschiedlich erfahrbare Lebenszeit haben. So steigen aus hohen Himmeln und dunklen Gewässern die Ideen und Gedanken auf, wie alles andere auch ausgerichtet auf Durchsetzungskraft und mehr oder minder begabt oder gewillt, das, was als lebenswert erscheint, umzusetzen in Farbe und Form, was auch gerne ‚Sinn des Lebens ‚genannt wird. Ich habe nie ganz verstanden, warum er da unbedingt reinmuss, liegt doch dem Ganzen ein auffallend unstabiles Gefüge zugrunde, was natürlich ängstigen kann wie ein zu langes Starren in die azurne Einsamkeit des Alls. So, als wüsste man nicht, dass wir umgeben sind vom Unwägbaren, der Quelle also des ganzen Konstruktes, ‚Welt‘ genannt. Und es ist auch klar geworden, dass der Mensch dieser von Energie strotzenden Leere gegenüber gar nicht ausgestattet, ihr gar nicht gewachsen ist. Und auch für die, die sich vom lebendigen Wuseln zurückgezogen hatten und haben, ist der Tag lang, dafür wurden Mythen und Mantren und Tantren erfunden, um den Wert der reinen Quelle zu preisen und zu besingen und mit Ritualen das Unbeständige zu zähmen, bis dieser Versuch wieder scheitert und die Schleusen sich öffnen und jeder äußere Halt verschwindet und das Chaos seine Wirkung entfaltet. Aber während die Zerstörungssucht ihren vernichtenden Staub in die Städte und Dörfer weht, erhebt sich eine Gegenbewegung. Wir müssen da nichts weiter tun als das, für was wir geeignet sind, zumindest gibt es dann Schadensbegrenzung. Und in die Geschichten schleicht sich kaum merklich ein heiterer Ton, oder schleicht er sich in das Wesen der Zeugenschaft?

inventa lingua *

Shihubalila autam clautam!
Wasa presektorios vegitet
Kiru sona meridausam
Kunke dunc performatis.

Mas a mas subordinata
al dustra verbene in sancto
Saro del fine obstinatum tara
Tamarini kunkuli saga.

Seriate dolores tuscinem faro
aswass autorikum laude
essere estum eternitate
Lascare al primito gestos.

Non es divino, divinare est
Millefambusa calgare
Zentifalente simsulambitos
di elementario humana.


* erfundene Sprache

bestellen

Es ist bekannt, dass gut genährte Bürger:innen, von denen es eine ganze Menge gibt in unserer westlichen Gesellschaft, unter anderem unter Bestellsucht leiden, was wiederum nicht als Leiden eingestuft wird, denn alle sind sich einig, dass in den Schränken immer noch Platz ist für mehr, obwohl ‚mehr‘ meist mehr bedeutet als nötig. Doch was i s t nötig, wenn es doch schon lange nicht mehr um Not geht, und an einem gewissen Überfluss ist auch nichts auszusetzen, obwohl man genau weiß, dass es da gewisse Grenzen gibt. Auch gibt es den unaufdringlichen Vorschlag ‚Alles in Maßen‘ am zweiten Durchgangstor in Delphi. Warum wohl in Maßen? Je mehr es wird, desto mehr muss bewältigt werden, und wenn die geistigen Schleusen einmal geöffnet sind für das Begehrenswerte im Weltgewühle, dann fällt das Einhalten schwer, und je schwereloser man sich Bestellungen leisten kann, desto mehr lernt man das Gefühl des Habenkönnens. Alles haben können, alles bestellen können. Körperstarke, gehetzte Männer laden ab in den Häusern, was gewünscht wird. Bei uns kommen manchmal auch Pakete an, und neulich traf ich auf einen paketeschleppenden Sikh, der sich sein Leben sicherlich mal anders vorgestellt hat, aber hier ohne verständliches Deutsch Pakete austrägt. Für mich eine freudige Gelegenheit ‚Sat Shri Akal‘ zu sagen, ein Sikhgruß, auf die einzige für sie geltende Wahrheit hinweisend, aber er hatte keine Zeit für sowas, hin und her und hinunter musste er die Ware der Bleichgesichter schleppen, vielleicht war er einfach froh, einen Job zu haben. Auch ein Feld kann man bestellen, säet und erntet und vermehret euch, sagte einer der Herren, und bestellet die Felder, damit alle was zu essen haben. Dann gab es die esoterische Welle, als die dazugehörigen Pilger:innen vorschlugen, man sollte direkt vom Kosmos bestellen, was man dringend brauchte, und auch dabei gab es natürlich Glückspilze, denn wenn man ein reichhaltiges Füllhorn sucht, dann findet man vermutlich auch eines, es ist ja alles da. Wieviel davon ich für mich persönlich beanspruche, hängt von mir ab. Denn alles hat seinen Preis, das wird einem nicht immer klar, wenn es Zeit ist, die Rechnung zu begleichen, weil ich vielleicht zu meiner Freiheit zurückfinden möchte, die ich im Netzwerk der Wunscherfüllungsdienstleiter:innen gelassen habe. Oder auch nicht.

unerlässlich

Zu meinen mehr oder minder bewussten Leidenschaften gehört das Zettelsammeln, denn sie sind zu finden in kleinen Behältern oder in Notizbüchern, oder sie fallen eines Tages aus etwas heraus und liegen auf einmal herum, so wie gestern, es war ein zum Zettel gemachter Satz aus der ‚Times of India‘ unter ‚A thought for today“, und hier ist er, der Gedanke von Brian Greene: ‚Der Mut, tiefe Fragen zu stellen, erfordert unter Umständen eine unvorhergesehene Flexibilität, falls wir vorhaben, die Antworten zu akzeptieren.‘ Das hat mich dann noch einmal angesprochen, jetzt, wo ich mehr Erfahrung habe mit Ursachen und Wirkungen tefer, direkter Fragen. Es dauert Jahre verhältnismäßiger Wachheit, um das richtige Maß zu finden für sich selbst, und was man sich und anderen zumuten will oder kann. Nicht selten ist man erstaunt, wenn Interesse gar nicht mit Nachfragen verbunden ist, dh., die eigene Wahrnehmung wird gar nicht abgeglichen mit dem, wie es wirklich ist, wenn es so etwas wie eine wirkliche Wirklichkeit überhaupt gibt. Vielleicht verbindet uns nicht alle dasselbe Interesse am Hintergrund der Geschehnisse, wo die Spinnräder der Ich-Geschichten unaufhaltsam den einen Teppich weben, dessen Muster zwar sichtbar sind in der Welt, aber die Fäden…wo kommen die Fäden her. Und wie oft kann man sich empören über Dinge, die man für unvorstellbar hält, aber andere finden das selbstverständlich. Wie tief also will man, und mit wem, und warum, zusammen die Tiefen erörtern, und was ist überhaupt Tiefe, und was findet da statt. Und ist es nicht manchmal dahinter oder da drunten nur eine kühle Höhlenhalle, in der man Zuflucht finden kann vor dem Weltgetöse. Oder gibt es dort auch den Garten, oder vor allem die eher dunklen, unwegsamen Korridore, wo die Spinnweben an den Scharnieren entfernt werden müssen, um Tür oder Tor zu erkennen. Und der Eine hungert förmlich nach tieferen Fragen, und der Andere kennt sie gar nicht, oder findet sie erschreckend und überflüssig. Gerne irrt man sich ja auch mit der eigenen Besonderheit, bis man merkt, dass es das entweder gar nicht gibt, oder es aber auf jeden Grashalm zutrifft. Ja, aber wie sich sonst kennen lernen? An der Oberfläche kann es behaglich sein, kein Zweifel. Man läuft einfach mit und tut so, als wäre man offen und sichtbar. Nein!, sie sind wichtig und unerlässlich, die tiefen, direkten Fragen, und ja!, gerne noch einmal und herzlichen Dank, Immanuel, für den Mut, sich seiner eigenen Vernunft und seines eigenen Denkens zu bedienen, um, gerne zusammen mit Anderen, die selbstverschuldete Unmündigkei endgültig zu verlassen.

Weisheit geschieht.
Oder geschieht nicht.
Das Ende der Garantien.
Der Weg erscheint lange.
Irgendwann jedoch zeigt sich Bewegung,
meldet sich Erkenntnis über die Leidenschaften,
richten sich Synapsen aus, weben sich Bahnen
in die eine oder die andere Richtung, gibt es
kein Entrinnen mehr von sich selbst.
Da steht dann dem Glückskind die Heiterkeit
zur Verfügung. Sie nimmt sich in die Arme und
sagt, es sei ja nicht so schlimm, dass es anders
kommt, als man denkt. Da entfaltet sich
ihr Schicksal als ein Kairos-Licht, und sie
empfindet die Existenz des erweiterten Raumes
als ein Menschsein, das jedem entspricht.
Das Gegebene erfüllt ihren Alltag. Hochebene
und Tiefe gleichen sich aus auf den Treppen
der zeitlosen Welten.

Schwein (gehabt)?

Am allerwenigsten ich selbst hätte vermutet, dass mich das Thema bzw. das Wohlbefinden des Schweines oder besser gesagt das Wohlbefinden aller Schweine in der Welt einmal berührt. Neuer Anlass dazu war, dass eine Frau die Schweinesprache erforscht und Erstaunliches gefunden hat über die Kommunikationsfähigkeit der Tiere, die ihre grässlichen Leben in Höllen der Verwahrlosung fristen, um in ihrer kurzen Existenzphase dem zur Verfügung zu stehen, für was sie geboren und geschunden wurden, der Fütterung des Menschen also wegen. Ich sehe im innerlichen Heimkino die berühmte Szene, in der die Alliierten die fröhlich dahinlebenden Einwohner:innen aus der Nähe der Konzentrationslager durch die Lager führten, wo die Knochengerüste, also die Überlebenden, noch lagen, und wie sie Angst hatten, hinzuschauen, denn alle wussten es ja, und d a s war der Moment der Wahrheit. Wie verroht muss man werden, könnte man fragen, um das Leiden anderer Wesen nicht nur hemmungslos hinzunehmen, sondern auch noch davon zu profitieren, wie kann das sein. Es kann, weil es ist, das ist die bittere Wirkung der Pille. Nun kann natürlich auch die Heilungsbedürftigkeit der Welt einem zu Herzen gehen, denn es geht nicht nur den Schweinen schlecht. Den Kindern geht es nicht gut und den Erwachsenen auch nicht, wir sitzen zusammen im Boot des Unbehagens, an jeder Ecke schreit es nach Ausbesserungen, die keiner mehr leisten kann. Und hat „Schwein“, bevor es seiner selbst beraubt wurde, nicht auch einmal für ‚Glück‘ gestanden. Ein Glücksymbol ist das Schwein. Schwein gehabt, also Glück, gerade noch einmal davongekommen. Eben nicht mehr davongekommen. Die Verwundeten und die Verletzten und die hungrigen Geister und die Gelehrten und die Philosophen, und die Therapeuten undsoweiter wissen alle, dass bewusst gelebtes Menschsein selten und rar ist, aber von jedem/r erreichbar, und selbst im freien Fall des Traumes kann mich das Erwachen auf den Boden der Tatsachen bringen, wodurch die Welt nicht verändert wird, aber ich selbst.

klagen

Jeremia beim Klagen
Das Bild habe ich unter „Jeremiade“ gefunden, ein schönes Wort für große Klagen, die durchaus berechtigt sind und manchmal einen einzigen Menschen betreffen wie hier Jeremia, der über den Fall Jerusalems klagt und allein auf der Treppe steht, weil alle, die den großen Schmerz spüren, alleine sind. Und nur wir wissen, wenn uns das Weh ergriffen hat, was das mit uns machen kann, wenn nur noch das Nichts einen anlächelt und ermöglicht, tiefste Bedeutung und völlige Bedeutungslosigkeit gleichzeitig zu erfahren, sodass einen der Schock erfasst, dann die Ernüchterung, dann die Erneuerung, auch Licht am Ende des Tunnels genannt. Aber ‚Jeremiade‘ heisst auch ‚Jammerrede‘, eine weitere Konnotation, mit der wir ebenfalls vertraut sind. Menschen jammern gern herum über alles Mögliche, was nicht ihren Vorstellungen entspricht, das können Vorgesetzte sein oder Autos, oder Politiker, die man unfähig findet, auch wenn sie ihre Sache einigermaßen gut machen, denn auch das Jammern gibt Macht, ein bisschen Macht, denn man sagt hey, mir passt das nicht, das müsste anders sein. Seltern weiß der oder die Jammernde wie. denn es fehlt der Impuls zum Herauskommen aus dem Jammertal, wo man beim fröhlich tuenden Durchwandern auch andere anstecken kann, und dann kann man zusammen jammern. Gerade kam ein Nachbar vorbei und klagte über die Wildschweine, die den ganzen Weg verschandelt hätten, und sie wären schon so nah, dass wir unsere Kühltruhe aufmachen sollten. Ich musste einen Moment innehalten, um zu verstehen, was er meinte, und fühlte mich dann genötigt, ihn daran zu erinnern, dass wir, was er doch sicherlich wüsste, Vegetarier:innen seien. Nicht, dass ihn das interessierte, er wollte nur jammern, und zum Jammern dient die ganze Welt, auch Wildschweine. Riesenzähne hätten sie, diese Viecher, und wenn sie einen ins Bein beißen würden, dann wäre das weg. Ich schlug vor, er solle den Förster anrufen, aber um Lösungen ging’s ja nicht. Es ging ums Jammern, das kann auch ein wenig erleichtern. Das Klagelied aber kann etwas Großartiges sein, wenn der Schmerz des Vergehenden und die Verschlagenheit des Menschen und die Aussichtslosigkeit auf seine Besserung das Gemüt so tief erfasst, sodass nur noch die Rede hilft, die nicht mehr angewiesen ist auf Zuhörerschaft oder Lösungsphantasien, sondern man kann dann zu den Wolken sprechen oder zu den Wänden oder zu den Göttern oder zu sich, denn auch das unerträgliche Leid hat eine Sprache, die man empfangen kann.

reif ?

Jetzt, wo Indien gewissermaßen hinter mir, beziehungsweise in mir liegt, in meiner eigenen Inszenierung natürlich, aber auch im Zusammenspiel mit Tradition, Kultur und Gesellschaft, da fällt mein Blick etwas genauer auf Deutschland. Habe ich so etwas wie ein eigenes Deutschland, oder was würde ich vermissen beim Verlassen des Landes, von dem ich nicht nur einen Pass habe, nein, nein, ich habe sehr lange Zeit sehr viel Sicherheit hier gehabt. Auch die Reue über die Gräueltaten war immer spürbar, manchmal hätte man sich mehr Wachheit gewünscht, denn da gab es doch inmitten des Schlaraffenlandes sehr viele Dunkelfelder, die immer tiefer angelegt wurden und ausgestattet waren mit der neuesten Technologie, wie gehabt im pädophil gesteuerten Schrebergarten. Aber immer ist man auch in der Welt und Teil einer Gesellschaft, fragt sich nur, wie und wodurch und auf welche Weise. Mein Blick schweift von Kamala Harris zu Alice Weidel, dann zu Sahra Wagenknecht, und ja!, die Harris könnte bei uns gar nicht hervorgebracht werden, dazu braucht es Trump und Amerika. Wir haben eben die Weidel, mit der keiner spielen will, und die sich sicher gibt, dass man mit ihr wird spielen müssen, denn sie bringt hinter sich das Heer der Grumpelnden. Es ist eigentlich ein Rachefeldzug gegen die, denen es angeblich so viel besser geht, und es stimmt ja teilweise auch, sind wir doch tatsächlich diejenigen, die sich jeden Wunsch von den Augen ablesen können und ihn umsetzen, eine weitere Blase, wo die Erstarrung haust. Eine gewisse Beunruhigung ist angebracht, denn man kann nie mehr sagen, man hätte es nicht gewusst. Nun käme es oder kommt es auf das Wissen an, das eingesetzt wird, um das Gespenst zu entlarven, das nun groß genug ist, um nicht übersehen werden zu können. Aber wo beginnen? Frau Wagenknecht hat sich noch nicht zu erkennen gegeben, vielleicht ist das ihr Stil, und zuhause hat sie einen, mit dem sie diskutieren kann, der Qüalgeist Oscar Lafontaine. Dieser weiblichen Pointe gegenüber sehen wir drei Männer, Scholz Habeck, Lindner, kein Grund zum Strahlen, denn sie haben sich gegenseitig untauglich gemacht, und man hofft heimlich, dass Habeck das, was ihm angetan wurde, auch überlebt. Das alles konnte passieren, weil alle es zugelassen haben. Aber jetzt spürt man eine tiefliegende Abneigung gegen die braune Soße, deren Rinnsale sich durch die Gasse schlängeln, und man muss mal schauen, selbst schauen, wie man mit all diesen Dingen umgehen möchte oder gar muss, wenn die Zeit dafür reif ist.

Jean Tardieu

„Ich beschwöre ich berufe
in mir erscheint wer ich will
ich bin hohlbäuchig der Raum
Schläger kalter Schläge
Schweigen um die Dinge
Peitschenschnur schöne Kobra
eine Wurmspur im Sand
jeder berstende Planet
endigt in Flötenton.“

– Raum der mich schafft
Schlinge die mich schlingt
Tiefe Freiheit
auf dein Zeichen komme ich
auf dein Zeichen sterbe ich
denn du bist der Tanz
ich weine in deinem Lachen
ich verlösche in deinem Kleid
selbst meine Asche ist gezeichnet.