HüterInnen (?)

Kaum bin ich gelandet, kann ich mir das Morgenland kaum mehr vorstellen. Wie „wirklich“ kann alles gewesen sein, was grad so natürlich  schien im Sinne von seiner lebendigen Leuchtkraft. Nicht, dass ich’s bezweifle. Was bezweifeln? Dass die Illusionsebene überall ihre Macht ausübt, und man wachsam sein muss im Überall, dass man von den Formen und Formalitäten nicht zu sehr gefangen wird? Gestern konnte ich mich in einem Gespräch daran erinnern, wie ich in Deutschland letzte Woche ankam. Gewohnt an die übliche Passkontrolle mit den todernsten Menschen drin in den engen Sitzkapseln, die immer noch Spuren in mir wecken können von einer bestimmten, sicherlich auch neuerweckten Kollektiv-Angst, deutscher Kälte zu begegnen, als wäre man durch einen negativ geladenen Zauberstab auf einmal zum Alien eines gegenüberstehenden Gehirns mutiert. Oder noch schlimmer: zum Feind. Ich war nicht gewappnet, als ich auf einmal vor der Passkontrollmaschine stand. Noch war da ein Mensch, eine Frau, bemüht, uns als die neuen Unwissenden zu belehren, wie man sein wichtiges Papier  durch die neue Anordnung schleust, damit sich die Körpersperre 1 vor einem öffnet und Körpersperre 2 offenbart. Da wird man mit grellstem Licht ganzkörperlich geblitzt und ist erschrocken für eine Blitzsekunde, wie man aussieht nach dem 8-Stundenflug. Sieht man wirklich so aus, oder ist es das grelle Licht am Grenzübergang!!??? Kommen Sie mal her, sagt die Polizistin zu mir, die das alles von vorne bewacht, bzw von hinter den Durchgängen, kommen Sie mal her. Ja?! Wenn Sie an der gelben Linie richtig gestanden und vor dem Blitzer nicht gezögert hätten, wäre alles reibungslos abgelaufen!, erklärt sie mir meinen ihrer Meinung nach Aus-der Reihe-Tanzschritt, an den ich mich erinnere als  „Was issen hier los?“. In meiner Erinnerung kommt es mir so vor, als wäre mir der Mund offenstehen geblieben, denn sonst hätte ich ja was sagen können, aber es kam kein Wort. Man ist ja froh, wenn man davonkommt. Das liegt nicht nur in meinem deutschen Blut, sondern auch an der selbst erzeugten Illegalität späterer Jahre, zB das Reisen mit einem Totenkopf aus den Katakomben von Palermo usw, hat diese Angst immer am Leben halten können, ist sie doch latent vorhanden als Angst auch vor dem deutschen Geist, der so Unglaubliches denken und vollbringen konnte und kann, aber auch in der Selbstzerstörung Meister war. Wenn ich in Indien auf die frische Neugier nach Ländern antworte, erntet Deutschland immer Beifall. Früher wurde auch Hitler als Held eines gigantischen Epos gesehen, denn alle glaubten, nur Gott persönlich könne einem Menschen so viel „Macht“ geben, so wie bei „Ravan“ halt, dem indischen Bösewicht. Vielleicht hätte ich „Untergang des Abendlandes“ doch mal gründlicher lesen sollen. (Noch stehen sie da drüben in der Bibliothek, die beiden Bände von Spengler,  Bücher meines im Damals verschwundenen Vaters, auch so ein sprachlich kultiviertes Genie seiner Tage, bis er abgeholt wurde, um sein bereits erloschenes Land zu verteidigen). Sicherlich sind alle wesentlichen Frage offenn geblieben. Gehen wir unter, oder sind wir die HüterInnen der Flamme? Immer wieder neu zu bedenken, ob es ein Oben gibt und ein Unten, oder ein Hier und ein Dort, und durch was es formiert und gedeutet wird, und wodurch es geworden ist und ist, was es ist.

Da eines Tages…

Da eines Tages das, was sagt, sagte,
hörte ich aufmerksam hin, und siehe,
es war ganz nahe, so nahe, dass ich,
die ich da war, es erkennen konnte,
und wohl, weil es wollte, und weil
auch ich wollte, es sich zutraf, dass
die Netze, die in den Ätherstrassen
ausgeworfen dahinweben, mich im
Stromkreis des inneren Wortes auf-
nahmen, welches ohne Begrenzung
und nicht, wie man denkt, sondern
ganz so, wie man nicht denkt, wirklich
ist, denn es formt sich heraus aus
dem ersten und letzten Sichtbaren,
welchem viele Namen gegeben wurden
und werden, von dem aber alles
herausgezeugt und gezeigt wird, in
dem  auch hilfloser Spirit herumirrt,
mit goldenem Kelch belastet, und am
Ende, welches natürlich der Anfang
ist, alle Ideen eingehen und heraus
aus dem An-sich-Heranziehen, wo er
sie sein nennt, doch aber viel lieber
das, was er nicht herangeholt hat,
als seines erkennen würde, was dann
nicht mehr zugänglich ist, sondern
allein durch allerlei Methoden auf
Laborebene nun Schlüssel geformt
werden müssen, die vom „Genug!“
ihre Einengung so erfüllt sind,
dass nur eine einzige Drehung alles
zur Weite führt, und dieser Schritt
ist ein ganz alter Schritt, der hat
das Universum als seinen Altar, auf
dem steht das innere kosmische Paar
in aufgehobener Zweiheit  als eins
sich formierend, vom schützenden
Ring des Bewusstseins gehalten.

 

continued

Irgendwann lese ich dann den Artikel aus der FAZ über die Wirkung der „Demonetisierung“, die hier „Bargeldreform“ genannt wird, unter indischen MitdenkerInnen eher als Dämonetisierung bekannt, die Wirkung also davon auf die Himalaya-Länder. Ein Bild (rechts oben) wie aus der fernen Märchenwelt, von Menschen in einem Irgendwo, die sich die Ideen der Politiker nun gar nicht mehr leisten können und durch sie in noch gravierendere Armut gestürzt werden. Ich habe auch mal 9 Jahre da gelebt unter den fünfstelligen Tempeldächern Nepals, da gab es einen  verhältnismäßig guten König, der alles noch im Lot halten konnte, bevor die ganze Familie umgebracht wurde von einem Sprößling. Aus einer Elite-Redaktion wird ein Mann losgeschickt, um was darüber zu berichten, wie sie da drüben darunter leiden. Er sucht und findet Chiranjivee Dahal, der ein Lied von all dem zu singen weiß. Erhalten wir Einblick in eine Welt?
Eigentlich ist es der Tag, wo ich entscheiden muss, ob ich die fünfte Spritze gegen Tollwut wirklich brauche. Ich rufe bei zwei Ärzten an. Die Sprechstundenhilfe des Einen weist mich darauf hin, doch bitte Schlange zu sitzen in dem prallen Warteraum, da das Serum nicht vorrätig ist und überhaupt alles besprochen werden muss. Die andere hat keine Erfahrung mit Tollwut, kennt aber einen „Reisearzt“, an den ich mich wenden kann. Tue ich, und ja, erstaunlich freundlich ist die Dame am Telefon, und ja, der konsultierte Arzt meint, es sei schon wichtig, auch die Fünfte zu nehmen, damit das System erinnert wird. Gut. Nachmittags im Wartezimmer greife ich zunächst nicht nach den Zeitungen, denn ich will mir die Menschen ansehen, ich so ganz neu im Land und noch nicht viel in Kontakt mit den Außenstehenden-und gehenden. Dann aber doch in „GEO“ reinschauen. Bald stoße ich auf ein Doppelblatt mit einem ebenfalls sinnvoll geschriebenen Text. Deutsch, oh wunderbare Sprache, hat u.a. die Fähigkeit, präzises Verstehen vorzugaukeln. Der Text steht oben links im Bild und spricht unter dem Titel „Turnväter“von einer der heiligsten Stätten des Jainismus, in deren Lehre die Welt nicht von einem Gott regiert wird, sondern von kosmischen und sittlichen Gesetzen., und dass die Figuren aussehen wie Yoga-Übende, aber in Wirklichkeit die 24 Tirthankaras der Jains sind. …So. Das ist die vollständige Doppelseiteninfo. Ob es jemand liest und dann was davon versteht? Dann werde ich gerufen und sitze dem freundlichen Arzt gegenüber. Er erzählt mir ausführlich, dass Tollwut unter Füchsen und Hunden nun besiegt sei, a b e r es gäbe noch die Tollwut der Fledermäuse. Ach ja, sage ich, gibt es denn solche Fälle. Ja, sagt er, wenn so eine Fledermaus im Vorhang hängenbleibt, fassen Sie n i e ohne Lederhandschuh an, denn sie haben spitze Zähne und beißen. Viele haben Tollwut. Ich verspreche, mir einen Lederhandschuh zu besorgen, damit ich in so einer Lage gewappnet bin. Dann fragt er mich aus über Indien, wo ich da bin und wie!!!!!???? keinen Impfpass!!!! Nein, wusste ich gar nicht, dass es das gibt, auf einmal scheint jede/r einen zu haben. Ich nicht. Bekomme einen von ihm. Er war zweimal in Lucknow (Hauptstadt von Uttar Pradesh), erzählt er mir gerne, hat in einem Krankenhaus dort gearbeitet. Und wie fanden Sie’s, frage ich. Aufregend und anregend, sagt er, ein anregendes Land. Dann wird mir Blut abgezapft für einen Spezialtest, der zeigen kann, ob Spuren von Tollwut sich in der Blutbahn bewegen. So einen Tod, sagt genüsslich der Experte, wünscht man keinem Menschen.

 

 

Euro(pa) Ji

Bildergebnis für romulus und remus
 Auf meinem wieder erweckten Schreibtisch liegt ein Bild von der Ttelseite der FAZ, das mir gleich die Worte „Romulus und Remus“ entlockt. Wie lange habe ich sie nicht ausgesprochen! Vermutlich seit der Schulzeit. Es muss uns alle beeindruckt haben, dass zwei Menschen von einem Tier gesäugt werden. Wie war das doch gleich nochmal. Schnell nachschauen. Genau, warum nicht gleich ein paar Worte herauskopieren.
„In der Version von Plutarch hatte Amulius, der König von Alba Longa, seinen älteren Bruder Numitor vom Thron gestürzt. Dessen Tochter Rhea Silvia – auch Ilia genannt – zwang er, Vestalin zu werden. So wollte Amulius verhindern, dass in der Familie des Bruders Nachfahren entstünden, die seinen Thron gefährden könnten. Mars stieg jedoch zu ihrem Tempel hinab, vergewaltigte sie, und sie empfing von ihm die Zwillinge Romulus und Remus.“
Ich merke rechtzeitig, dass ich mich in Europa befinde. Wer steigt also hier herab und vergewaltigt die Vestalin Rhea Silvia!? Es ist der Gott Mars! Von wegen „in your country only materialism“ usw, nein! wir haben auch Götter gehabt, dann wohl irgendwann nicht mehr so dringend gebraucht und abgeschafft die Verbindung zu ihnen, was sie hat entweichen lassen und hineinfahren in die Museen, wo sie weiterhin bestaunt und bewundert werden, aber im persönlichen Leben selbst nichts mehr bewirken außer Wertschätzung für Kunst und Wert des Objektes. Der für uns alle Schmerzensleidende hat Vorrang erhalten. Auch daraus ist Götterzwang geworden. Es muss unter allen Umständen gelitten werden, sonst ist man nichts wert. Wer leidet, hat recht. Wie, dir geht’s gut? Das kann doch nicht wahr sein! In Indien weiß man auch, dass es irgendwie nicht wahr sein kann, denn das Leben so vieler ist tatsächlich eine einzige Bürde. Das persönliche „Ich“ hat immer noch keinen Vorrang (obwohl es z.Zt. nach vorne drängt), sondern es wird geopfert für die Anderen, und natürlich für die Götter, die das alles ja ausgleichen mit ihrer grenzenlosen Souveränität. Außerdem machen sie auch, wie in unseren Heldengeschichten, ganz viel, was Sterbliche auch machen, z.B. vögeln, Intrigen spinnen, sich gegenseitig bekämpfen und zugrunde richten durch mächtiges Waffengeklirr und Machthunger auf die Beherrschung von Welten. Aber dort in Indien, wo ich täglich zuschauen konnte bei ihrer tiefen Verehrung der hohen Herrschaften, habe ich mich mehrmals gefragt, wie diese wunderbare Atmosphäre wohl zu erschaffen wäre, wenn die Götter es nicht durch die an sie glaubenden Geister bestimmenn würden. Als ich einem Gott mal sehr nahe war, ging’s mir auch sehr gut. Heute noch könnte ich rätseln, wessen herzhaftes Lachen das wirklich war, wenn nicht das liebevolle Lachen des Gottes (über mich). So lernt man die Dinge kennen, und wenn man tief genug eintaucht, das ist meine Erfahrung, taucht man auch wieder auf, und zwar mit dem Kopf über Wasser. Da ändert sich das Bild dann wieder, und man muss lernen, einiges zurück zu lassen, ohne wieder danach Ausschau zu halten.

Nachklang im Nu

Wer sagt, dass es im Westen keine kosmischen Tänzer gibt? Shiva, der kosmische Tänzer im Bild, stammt aus dem 14. Jahrhundert und steht vor einem Fenster unseres Hauses, ein Geschenk der wahrhaft großzügigen und liebenswerten Hausbesitzer und Vermieter, die ich auch in Indien immer wieder loben konnte, wenn es um die weit verbreiteten indischen Nachbarkämpfe-und Dispute ging. Ja, auch das gibt es: die gelungenen Nachbar-Beziehungen, die sich über Jahre hinweg in guter Ausgleichung und gegenseitigem Respekt in eine tiefe Freude verwandeln, dass man auf  angenehme Weise voneinander lernen und aneinander hat teilnehmen können. Jetzt ist diese gemeinsame Phase beendet. Unser „Landlord“ hat bereits vor Jahren das Zeitliche gesegnet, (meine Güte!, was für ein Ausdruck für Sterben!), und sie, die Landlady, ist nun in die Stadt gezogen in eine neue Umgebung, und es wird nicht nur die Freundschaft weiter gedeihen, sondern wir haben ein paar wunderbare Dinge aus dem Haus übernehmen dürfen, eben u.a. diesen tanzenden Shiva, „Natraj“ genannt. In Indien wird diese Figur übrigens gefürchtet, weil die Welten beben bei seinem Tanzschritt, und ich habe die Figur noch in keinem Haus einfach so herumstehen sehen, in einem Shiva Tempel schon eher. Es kann ja auch sehr günstig sein, wenn man die kulturellen Bedeutungen und Deutungen nicht so gut kennt und sich in der Arglosigkeit bewundernder Schönheit bewegen kann. Überhaupt ist mir dieses Jahr immer wieder aufs Neue klar geworden, wie sehr die Weltwahrnehmung vom individuell schauenden Auge, und die Verantwortung des Blickes ganz und gar von der Zufuhr der Gehirnnahrung abhängt, mit der man den Geist in Bewegung hält. Und dass es dann über diesen Weg ziemlich schnell zu den Quellfragen kommt (kommen kann), z.B. w e r schaut, wer projeziert, wer kommentiert auf der Basis welcher Information und welcher Anschauung des Weltgefüges.
Als Zurückkehrende aus Indien bin ich gerade hochzufrieden. Die Sonne scheint, heute sollen es 21 Grad werden, daran kann ich mich über die vielen Jahre dieser selben Reise hinweg nicht erinnern, eben dass es so strahlend ist am Himmel, und die guten Freundschaften innerhalb unseres Hauses sind ein wahrer Segen…ja! Was haben wir Schöpferisches und Kunstvolles zusammen erarbeitet!, und geackert wie die Wilden an uns selbst mit unermüdlicher Stetigkeit. Jetzt kommt es mir so vor, dass alles wesentlich leichtfüßiger ist. Wir sind in unseren eigenen, individuellen Welten mehr gefestigt, was das Gemeinsame in freiere Bahnen lenkt und: mal schauen, wie es ist…….

Bhagavad Gita

Bildergebnis für Bhagavad Gita

Eine Flamme an einem
windstillen Ort flackert nicht.
Mit ihr wird der Yogi verglichen.
Worin sein Denken ruht,
worin er sein Selbst
mit dem Selbst schaut, dieses, worin
er sein höchstes Entzücken findet,
das mit dem Verstand Wahrnehmbare,
jenseits der Sinnesbereiche Liegende,
worin gegründet er nicht mehr von
der Wahrheit abweicht.
Das, welches er für einen nicht mehr
zu übertreffenden Gewinn hält,
sobald er es gewonnen hat,
worin gegründet er vom stärksten Leid
nicht mehr erschüttert wird.
Das möge man unter dem Namen
Yoga erkennen, die Loslösung  aus
der Verbundenheit mit dem Leiden.

Durchquerung des Raumes

Wer sagt, dass es ein Ende gibt, oder dass Ende sein muss. Wer entscheidet, wenn es überhaupt etwas zu entscheiden gibt. Was ist ein Ende?
Manchmal zeigt sich ein Ende bestimmt, manchmal begrenzt, manchmal unendlich. Fortfahren mit was? Fahre ich fort, oder fährt es mich fort. Bin ich mein Weg. Ist der Weg mich. Im Flugzeug, wo ich mich dann doch meistens für den Sitz am Gang entscheide wegen der größeren Beweglichkeit, habe ich dann doch vorne, wo es keinen Vordersitz mehr gibt, einen freien Platz gesehen. Schon waren andere Ausspäher in Bewegung für Sitzesveränderungen. Es gilt, „entschlossen“ zu sein, ein schönes Wort. Da war ich am Fenster. Was sich dort draußen abspielt, dafür habe ich keine Worte. Wer es kennt, wird es wissen, dass es sie nicht gibt. Der Flug über das Schwarze Meer! Wenn sich dort manchmal nach unten der Blick öffnet auf Orte und Pfade, wo der Geist sich Menschen nicht vorstellen kann, muss ich tief durchatmen. Wüsste ich in dieser eisigen Steppe den Namen solch eines Ortes und wollte dort einmal ankommen, um zu sehen, wie es ist, als Mensch solch ein Leben zu leben: wie lange würde es dauern, bis ich ankäme!? Wer lebt dort, und wie gehen sie um miteinander undsoweiter. Dann schließt sich die Wand zwischen mir und ihnen. Ich wusste schon vorher, dass ich dort nie sein werde. Ich sitze im Flug nach dem Westen. Ich fahre in mein anderes Zuhause und komme dort an, auch wie von einem anderen Planeten, aber nicht als Alien, sondern ich komme zu Nähe und flackerndem Feuer. Die Materie hat mich befördert. Schaut man zu lange hinaus aus den eiförmigen Fenstern, verbeugt man sich gern vor der schöpferischen Kraft des Geistes. Wie lange muss er getüftelt haben, bis es normal wurde, dass 700 Menschenwesen mit ihrem Gepäck durch Space traveln. Wir sind also da, wo wir hinwollten, im Magen liegt schwer das ziemlich leckere indische Essen. Dann doch es deswegen gegessen. Gulab Jamun!!!mmmmmmhhhhh (zuckersüßtriefende indische Süßigkeit zum Nachtisch). Dann so viel aufnehmen von der neu geenterten Welt, wie noch möglich ist vor dem Schlaf.

Wie Captain Picard zu sagen pflegte:

Das Bild ist von einem bemalten Tisch im indischen Dorf, wo ich herkomme. Der Maler war ziemlich ausgespaced und hat den Auftrag bekommen, alles im Haus zu bemalen. Bob Marley und Shiva zum Beispiel. Und Eulen und Elfen und Tische, wo „Energy“ draufsteht.

So

In ein paar Stunden ist mein Flug und ich verabschiede mich und
bedanke mich bei allen, die ab und zu mal hereingeschaut und Teil
genommen haben an meinem Erleben in dieser hochkomplexen
Kultur und diesem facettenreichen und zweifelsohne
geheimnisvollen Land, das einen oft verstummen lässt vor lauter
Erstaunen und lauter Erschrecken, dann aber immer wieder
zurückführt zum eigenen Herzen, wo es einen zeitlosen Ort in
Anspruch genommen hat.

 

 

bei John

Schöne Objekte. …Gutes Essen, von Madhu zubereitet, die schon seit Jahren für John kocht.  Nachmittags kommt Celeste zum Kehren, Tanushri, die währed meiner diesjährigen Zeit in Indien geheiratet hat und jetzt in Hongkong wohnt, flìegt jedes Wochenende hin und her und managed weiterhin  das Messing-Objekte-Business von John, für das in der Nähe 15 Angestellte arbeiten. John hat sich von dem erworbenen Reichtum oben in den Bergen Land gekauft und ein Haus  darauf gebaut. (Er ist der einzige Foreigner, den ich kenne, der die indische Staatsangehörigkeit hat). Dort will er bald (auch) wohnen und dem Rauschen des Wassers lauschen….Ich wandere herum und mache Photos. Die tiefroten Blüten liegen wieder am Boden…berauschend. Die Hitze nimmt stündlich zu, sodass ein gewisser Trance-Zustand zu genießen ist im Bewusstsein eines baldigen Klimawandels und der Freude auf liebevolles Dort…Hier kühlt es am Abend etwas ab und  bei John läuft fernes Sehen auf ziemlich großer Flatscreen. Während 3 Folgen einer Marvel  Comic Netflix Serie ablaufen, erzählt er mir von seinen 4 Kindern dreier Mütter, die irgendwo in der Welt ihr Leben gestalten. Zwischendrin immer mal wieder  „Iron Fist“, ein Held, geschult in Kampf und Geist. John nennt es ‚play of mind‘, na gut, wer will’s bestreiten. „Time pass“, wie Sadhus und generell Inder gerne sagen, so als müsste das Sein mit seinen vielen Stunden irgendwie herumgebracht werden. John sagt, er hat keine Lust mehr, in der Welt herumzuhantieren. Verständlich.

 

Eisenbahn

Aufstehen um 4 Uhr in Shivanis Haus. Zum Abreisen gehören die Bewegungsmittel. Kommt der Taxifahrer pünktlich!? Nein, kommt er nicht, er muss telefonisch geweckt und erinnert werden. Dann rast er mit mir und dem Gepäck mit kaum sichtbaren Scheinwerfern durch die noch dunkle Gegend. Ich bin eh schon leicht nervös, denn jetzt kommen einige Leistungsanforderungen auf mich zu. Ich verbinde die Nervosität mit der Tatsache, dass ich vor zwei Jahren geradezu schändlich beraubt wurde im Zug, 5 Minuten vor der verlangsamten Einfahrt in Delhi, Alt-Delhi, das als gefährlich gilt. Aber eigentlich war und ist das Reisen in Indien immer abenteuerlich. Ich erinnere mich an Zeiten, wo ich regelmäßig stundenlang an Bahnhöfn herumsaß, ohne zu wissen, ob der Zug nun tatsächlich eintreffen wird oder nicht. Da habe ich auch gelernt, mit Gruppen von Menschen umzugehen, die sich mit großen, neugierigen Augen um mich herumgruppierten, ohne zu ahnen, dass sie 20-30 Anwesenheiten darstellten, deren Augen alle auf mir ruhten. Dann fand ich den genial-simplen Trick. Nach freundlichem Hin-und Herlächeln und auch mal die uralte Frage, wo ein Fremdling herkommt, beantwortet habe, fing ich meinerseits mit Fragen an: und duuuuuu, wer bist du? Das Feld war rasch geräumt. Im Zug selbst war es dann anders. Großherziges Einlassen allerseits auf die Gegebenheiten. Wer will schon eine miese Reise haben? Jetzt ist ja auch alles neu geordnet. Zum Beispiel führt die Neuordnung mit den Rädchen an den Koffern dazu, dass ich nun, als ich 20 Minuten vor Zugeinfahrt am Bahnhof ankomme, weit und breit keinen rotbekleideten Porter finden kann. Ich muss einen Herumstehenden zum Helden machen, der mir die schwere Tasche durch die Taschenüberprüfungmaschine schiebt und auf der Platform abstellt. Hätte ich ein Gewehr quer auf dem Kopf getragen, wäre es auch niemandem aufgefallen. Der für mich Tragende strahlt. Er hat bereits um 5:30 Unvorstellbares geleistet, sein Tag ist gut. Jemand findet dann doch noch einen Porter für mich, was sich als günstig herausstellt, denn der Zug fährt zur Abwechslung mal auf einem anderen Gleis, sodass man eine der anstrengenden Brücken auf den Bahnhöfen überqueren muss. So, jetzt schön runterschrauben. Der Zug ist einigermaßen pünktlich, und der nette Porter mit meiner Geldgabe zufrieden, das ist auch selten, denn bei uns Bleichgesichtern kann immer nach mehr gefragt werden. Dann den gebuchten Sitz erspähen. Alle schlafen noch. Ich muss mich auch legen, denn der Mittlere schläft auch noch. Irgendwann werden dann im Laufe des Morgens alle Mittelsitze heruntergeklappt, kleine Handtücher und Zahnputzzeug wandert ruhelos hin und her, dann kann das gemeinsame Sitzen beginnen. Und das Schauen, mit wem man hier reist, obwohl das Schauen und Durchfühlen nicht mehr so klar spürbar ist wie „früher“, denn kaum ist das morgendliche Erfrischungsritual beendet, werden allerorts die Smartphones eingeschaltet. Mein Gegenüber hört Nachrichten, zimlich laut, finde ich. Ich höre die BJP Parteigenossen skandieren und sage laut: Ah, BJP!? Es dauert eine Weile, bis er das Wort mit mir verbinden kann. How you know?, fragt er mich, ich sage: one learns to know things. Das führt dann im Laufe der Fahrt zu angenehmen Gesprächen. Neben mir sitzt ein riesengroßer, fast schwarzhäutiger Mann aus dem Süden, nett und freundlich. Er beteiligt sich nicht am Reden, bitet aber allen Tee an. Er spielt unermüdlich ein buntes Computerspiel, wo er bunte Bällchen mit einem bunten Bällchenstab abknallen muss, bis alle verschwunden sind, dann entsteht sofort wieder ein Feld von Bällchen. Eine junge Frau kommt und versucht, ihr Smartphone bei uns aufzuladen, aber irgendwas funktioniert nicht. Drei Männer bemühen sich, das richtige Aufladegerät zu orten, und tatsächlich, ein winziges Aufsteckding macht’s möglich, das mein Gegegnüber in der Tasche hatte. Wir reden über die Veränderungen in Indien, jaja, aber und so, und er erzählt mir, dass in seinem Haus keiner mehr das Zimmer verlassen muss, um mit dem Anderen zu reden, sondern, wie praktisch, man sendet eine Message, baaas!, (fertig!). Und natürlich wartet auf ihn ein Uber-Taxi am anderen Ende. Die junge Frau sendet nun Facebook-Botschaften aus und lächelt oft vor sich hin. Ihre Eltern sitzen auch bei uns. An einer bestimmten Halte-Station holen sie ihr Essen draußen von einer Online-Bestellung ab, frische Chapattis und Sabzi (Gemüse). Ich werde informiert, dass man das jetzt gerne macht, teilnehmen an einer aufsteigenden oder bereits prallen Marktlücke, die schon hochgradig im Wettbewerb ist, daher die Qualität gut, sagen sie. Als ich meine von Shivani mitgegebenen Chapattis und das wohlschmeckende Dazu heraushole, schauen bereits weniger erstaunte Blicke auf mein Display. Ob ich die Chapatis selbst gemacht hätte? Ich lüge. Ja, aber ich hätte es natürlich nicht im Blut wie indische Frauen, mein Gott, das schafft doch keine von uns. Chapattis! Perfektes Rund vor dem Herrn! Bescheiden esse ich das königliche Mahl, habe auch Servietten dabei wie alle anderen, das hilft sehr beim zu erwartenden Kleckern. Es wird über Indien geredet, über Modi und sein „Cashless India“, während unsere schon wieder wegen dem Sauerstoffmangel im AC-Waggon ermüdenden Augen im Draußen auf endlose Abfallhaufen starren, auf vor Dreck wimmelnde Teiche und Gewässer, in die kein Mensch mehr einen Fuß senken will. Dann wieder grasgrüne Felder und wunderbare Wohnhäuser mit Kühen und Büffeln und Ziegen im Hof, wo man aussteigen möchte und herumwandern. In der Zwischenzeit ist unser Abteil total entspannt. Überall offene Blicke, wenn sie von den Smartphones hochblicken und lächeln. Gefahrlose Atmosphäre, das ist auch Indien. Hat man den familiären Kontakt mal geknüpft und alle sind zufrieden miteinander, bzw haben sich aneinander gewöhn und die Normalität eines Wunders hat sich ausgebreitett, ist es ein bisschen wie ein gemeinsam erschaffenens Wohnzimmer. Ein paar Stunden lang. Ich spüre das deutlich, als sie alle vor Delhi vor mir austeigen. Freunde weg. Wieder Fremde. Tasche festhalten. Neue Leute. Keine Zeit mehr zum Kennenlernen. Old-Delhi, gefährlicher Ort. Ich komme gut aus dem Zug und finde einen Porter und gehe stracks auf das Prepaid Scooter Häuschen zu, denn es gibt doch keine Prepaid Taxis, wie es das Internet suggeriert hat, und ich will nicht um Preise feilschen, da eine Meute Taxifahrer uns schon auf den Fersen ist. Ich fahre Scooter mit einem Brudertyp Mann, der Muslim ist und er freut sich, dass ich mit dem Hazrat Express aus Ajmer gekommen bin und die Moschee kenne und Sufis schätze und ihre Poesie. So komme ich nach einer Stunde gerade in Hochform ausbrechender Hitze, heute 37 Grad, bei John an, wo ich jetzt bin.

noch (essen)

Na bitte, schon ganz im Ausklang meines Erlebens wird mir ein bei mir auffallend fehlendes Thema zugespielt, und zwar durch den gestrigen Tag, wo „wir“ alle kalt gegessen haben: das Essen. Das berühmte indische Essen. Ich verbringe gerade zwei verborgene Tage (weil überall schon abgemeldet) bei Shivani, die Kochkurse gibt und Meisterköchin ist. Ihr Wesen giert nach Perfektion in jeder Hinsicht, und die Vorbereitungen für diese paar Dinge auf dem Teller links oben im Bild haben Stunden gedauert. Sie hat auch auf dem oberen Stockwerk drei, mit endlosen Kochkursen reichhaltig finanzierte Räume eingerichtet für KochkursteilnehmerInnen oder auch Menschen, die mal auf exzellenten Matratzen und seidig-blumigen Überzügen und elegant gestaltetem Badezimmer (und hervorragendem Welan) ein paar Tage verbringen möchten wie das junge Paar aus Bombay, das oben in einem der Zimmer wohnt, und beide angenehmst unterhaltsam und freien Geistes sind. Sie macht ihr PhD , und er kommt von einer so reichen Familie, erzählte er am Nachmittag, dass seine Eltern, selbst wenn sie keinen Finger mehr rühren würden, genug Geld hätten für alle Mitglieder des Clans bis zu ihrem seligen Ende. Die Eltern rühren aber immer noch Finger, sodass er sich entschieden hat, vor allem Geld für (s)ein Leben auszugeben, statt immer mehr anzuhäufen. Zum Glück gehen seine Interessen in eine gute Richtung, er leitet eine Dramaschule in Bombay, was, wie bekannt, nicht reich werden lässt, bzw noch reicher. Ja, mit ihnen haben wir den Shitala-Mata Essens- Vorbereitungs-Marathon gemeinsam genossen und sehr viel gelacht, auch über Shitala Mata, was erfrischend war. Auch die beiden wussten nur, was man da macht. Man isst eben kalt, und am ganz frühen Morgen macht man Puja. Ich weiß jetzt auch nicht mehr so genau, ob man sich wirklich kundtun muss, oder einfach den Tag mit kaltem Essen genießen, man sieht ja oben, dass viel Leckeres dabei ist. Alles ist speziell nur für diesen Tag zugeschneidert. Es gibt zwei Arten von Pakora, ein mit Kirchererbsenmehl und eins mit Linsen zubereitet, dann eine süße Yoghurtspeise mit schwimmenden Bällchen drin, dann Reispudding und Puris, die heute die Chapattis ersetzen. Und ja!, nur an dem Tag gibt es (oben im linken Bild das dunkelste Item): Wüstenblumengemüse, das teuerste Gemüse Indiens! Es fällt auf, dass ich kein Kochbuch schreiben könnte, bin dann aber doch erfreut, zwei so anregende Essensphotos gemacht haben zu können, bei denen ich dabei war. Wenn ich mal krank war in den letzten Jahren, hat Shivani ihren Servant mit Essen zu mir geschickt, danach war ich immer gut durchgeölt und kam wieder mühelos in Fahrt. Vor Indern verschweige ich oft, was ich gerne koche und esse, deswegen wird mir am Ufer von Brahmanen ab und zu mal Mehl geschenkt, weil Inder sich ein Leben ohne Chapattis nicht vorstellen können. Klar, sage ich, mache ich auch Chapattis, aber nicht wirklich. Das Mehl geht an Manju. Der Servant von Shivani hat in der Frühe die Essenssachen auf dem rechten Teller oben gebracht. Das sind die überall in den Häusern gekochten Teile, überall gleich gebacken und gleich schmeckend. Sie sind kaum gewürzt, denn es war ja Tag der Kühle. Ashok, Shivanis Mann, erzählt mir beim morgendlichen Kaltknabbern, dass seine Mutter die aufbewahrbaren Shitala-Mata- Essens-Sachen in solchen Ausmaßen hergestellt hat, dass die Familie davon noch drei Wochen hinterher essen musste oder vielleicht waren sie ja ganz glücklich darüber. Was mich jetzt so ein bisschen begeistert, ist die Tatsache, dass Inder ihre Rituale trotz aller Unkenntnis darüber so ernst nehmen, dass man davon ausgehen kann, gestern in keinem einzigen Haus ein Feuer vorzufinden. Was würden die Nachbarn sagen!, wenn man am brennenden Herd erwischt würde! Dann stelle ich mir persönlich vor: eine feuerlose Stadt. Vielleicht hier und da ein paar heimliche Teekochvorgänge, sonst: Stille. Keine Teigknetung, kein dreimaliges Auffahren von Gemüse. Die Frauen haben dann frei, heißt es. Doch wer isst das alles.!? Und Shivani erklärt mir, dass man dann Zeit hat, alles durchzuwaschen. Na bitte.

Shitala Mata

Gestern habe ich auf Nathu gewartet, der nur schnell eine Runde um den See drehen wollte, um dann mit mir einen Abschiedstee zu trinken. Beim Warten fiel mein Blick erst auf eine Kuh, dann auf den Raum, aus dem sie kam. Ah!, dachte ich, das ist doch der Shitala Mata Tempel! Wenn man nicht zufällig mal ein paar hundert Frauen um 4 Uhr morgens um diese verborgenen Tempel herum hat antreten sehen zur Shitala Mata Puja, kann man eine Ewigkeit durch Indien wandern, ohne von ihr zu hören. Als die Kuh wieder reinging ins Innere, um den Rest der Blumenmala am Hals der Göttin zu fressen, bin ich auch hinein, um mal genauer zu sehen, wie die Mata aussieht. Das Bild oben habe ich da gemacht. Ich finde, es ist auch ein Gedicht. Mal wieder mit staunender Intensität gehe ich den dunklen, ölüberfluteten Dingen entlang…was sehe ich da? Und tatsächlich!, erzählt mir Nathu später, ist Shitala Mata Tag im Anflug. Heute wird in allen Häusern kein Feuer entfacht, es wird kalt gegessen, was am Tag zuvor extra zubereitet wurde. Die Göttin muss beruhigt werden, höre ich, sonst bringt sie Krankheit, heiße Krankheiten wie Pocken, Masern undsoweiter…Da ich etwas Zeit habe, beginne ich mich zu fragen, wo die eigentlich herkommt. Was ist ihre Geschichte? Diese Frage hatte ich schon mal gestellt, als ich früher kurz im Tempel der Santoshi Mata, der Friedensgöttin, lebte. Niemand hatte die geringsten Probleme damit, dass sie durch einen Film geboren wurde und es sie vorher noch gar nicht gab. Es hatte mal wieder so eine kosmische Note, im Erscheinen solch unruhiger Zeiten einen Friedenstempel mit einer Göttin produziert zu bekommen. Aber nicht nur, nein. In der Wurzel des Baumes innerhalb der Tempelwände wurde von einem pilgernden Mann ein Ganesh, also der Elefantengott, entdeckt und farblich herausgearbeitet. Nun wusste auf einmal jeder, dass es der Sohn der Santoshi Mata war, und alle waren hochzufrieden. Woher wussten sie das, und wie kam es zu so einer seligen Übereinstimmung über Jahre hinweg, immer mehr Menschen anziehend!? Sie hat nun einen festen Tag in der Woche, wo man hingeht und Segen erhält für ein kleines Entgelt. Ja, zurück also zu Shitala Mata, die mir so ähnlich vorkommt in ihrer urdunklen Erscheinungswurzel, wen kümmert’s außer mich (kümmert’s mich?), und wir Foreigners fragen ja dauernd „warum“, bis auch wir stiller werden.“Shital“ heißt „kühl“. Man macht also heute gar kein Feuer an, damit sie sich nicht ärgert und ihre innerlich heiß machenden Krankheitssamen ausstreut…..Gut. Ich habe dann etwas herumgefragt und war schon verblüfft, dass es keinerlei Info gab, außer dass man heute kühl isst, was ich ja bereits selber wusste. Dann habe ich den Fehler gemacht und bei Wikipedia nachgeschaut, bis mir schwindelig wurde, obwohl ich gerne daraus ein bisschen kopiert hätte, denn es hat klar gezeigt, wie Dinge entstehen und ihren vielseitigen Gang nehmen, und jeder macht mit der energetischen Zufuhr aus den Dingen, was sie oder er möchten. Und auch die Kinder, wenn sie können oder dürfen, tun gerne, was sie möchten, fühlen sich wie Spiderman oder der Silver Surfer, und aus allem entsteht wieder Neues, und vergeht dann irgendwann wieder. Wie Shitala Mata, die sich verblüffend lange gehalten hat und immer noch ihre Zweige ausstreckt wie ein Banianbaum. Ich wünsche allerseits einen gelungenen Shitla Mata Tag. Und keine Sorge, wenn jemand aus Versehen ein Feuer entfacht. Der Ernst der Lage ist nur denen vertraut, die ihn kennen. Sie tragen die volle Verantwortung.

 

Derek Walcott

 

The time will come
when, with elation,
you will greet yourself arriving
at your own door, in your own mirror
and each will smile at the other’s welcome,
and say, sit here. Eat.

You will love again the stranger who was your self.
Give wine. Give bread. Give back your heart
to itself, to the stranger who has loved you
all your life, whom you ignored
for another, who knows you by heart.

Take down the love letters from the bookshelf,
the photographs, the desperate notes,
peel your own image from the mirror.
Sit. Feast on your life.

Abschied gestalten

Auch der Abschied kommt scheinbar wie von selbst. Auf einmal ist er wieder da, so, als wüsste man’s nicht, auch den Tag und die Stunde, und was damit verbunden ist. Ob es gelungen ist, das gestaltete Leben bis hin zum Abschied. Heute war ich schon am Überlegen, ob ich nochmal hinaus will in die Runde, sozusagen bis zum letzten Tropfen genießen, was man geliebt hat. Oder andere, kluge Entscheidungen fällen: vorher schon rausgehen aus dem Gewohnheitskreisel, und den Transit aus einer anderen Ecke her genießen: wie gesagt, den Abschied gestalten. Die interessanteste Variante dieser Abschiedsgestaltung ist natürlich der Tod. Neulich in einem Gespräch kam der Gedanke auf, dass Abschied, auch Tod, erlitten mit Krankheit so bestimmt wird von der Abwesenheit gesunden Erlebens. Daher ist es sicherlich ratsam, sich zumindest um bestmögliche Qualität des Lebens zu bemühen, auch wenn bestimmte körperliche Vorgänge nicht zu vermeiden sind. Aber das Nachlassen einer bestimmten nach außen gerichteten Energie hilft ja gerade der Loslösung, die einen unter guten Umständen auch erheitern kann. Man lässt Andere gerne fortführen, was man selbst nicht mehr muss. Daher ist jeder Abschied durchaus auch ein kleiner Tod, oder zumindest eine Vorbereitung auf den letztendlichen Moment, der allerdings eine ganz andere Realität mit sich bringt.: man kommt nicht mehr zurück, oder auf keinen Fall als die, die man gerne war. Dann ja!, die geistigen Ausuferungen über ein mögliches Weiter! Ich war auch mal tief überzeugt, dass Reinkarnieren ein Fakt ist, aber irgendwann hat es aufgehört, mich zu interessieren.
Und nun ist auch hier vor Ort meine Entscheidung gefallen. Sie war bereits im Anlauf, aber dann kam der entscheidende Nu: der Sadhu, der in der Nähe haust und mich gerne als geistige Schwester sieht, bringt mir zum zweiten Mal seinen an einem Lehmfeuerchen gekochten Chai, zuckersüßer Tee. Einen dritten will ich nicht. Gestern hat er erzählt, er wäre in der Nacht beraubt worden um alles, was er hatte. Mein Gehirn verweigert eine Meinung darüber. Ich bin beschäftigt. Adieu! Du für mich schönster aller Ausblicke der Welt! Tief, tief regen sich Liebe und Dankbarkeit. Ja, ich tue das Meinige, aber das Geschenkte, wie in der Liebe an sich, zeigt nirgendwo ein Maß, mit dem man es messen könnte. Das Raumschiff zieht seine Bahn. Ich reise mit.

westwärts

Stimmt – der innere Blick beginnt schon, sich westwärts zu richten. In einer Woche verlasse ich den zutiefst von mir empfundenen Ort. Das lebendige Großreich der Farben und Formen lebt ohne mich weiter, lockert schon seinen Griff an mir, lässt mich los, lässt mich gehen. Die aufsteigende Hitze hilft, die Übung der vielen Jahre auch. Das Kommen und Gehen zwischen zwei Welten, die mir beide gleichermaßen vertraut sind und am Herzen liegen mit ihrem jeweiligen Reichtum, ihren Höhen und Tiefen, ihrer Politik, ihren Geschichten und ihrer Geschichte – und was ich von beiden Seiten lernen und erleben konnte und kann während der Zeit, die meine war und meine ist. Dass ich die tiefe Zufriedenheit erfahre, im Osten wie im Westen meine eigene Welt, vor allem auch durch und mit Anderen, zu gestalten, sodass es in mir nun eine schlichte und feine Ausgewogenheit erzeugt. Ich merke, dass in den letzten Tagen der innere Freiraum sich weitet. Ich könnte es auch eine zunehmende Leere nennen, durch die sich das äußere Drama des indischen Lebens zu lösen beginnt und Raum entsteht für das Andere, wo verlockende Töne der Freundschaft und Liebe mich rufen, die sind schon auch anders als das, was mich hier zu poetischem Sein anregt, während meine eher verborgene Arbeit des Schreibens sich doch ganz ordentlich im Praktischen aufhält. Nun ja, wie man es sieht. Teilhabe an diesem luxuriösen Angebot Indiens und ihre Wertschätzung an der Seinsweise des Sitzens und Schauens (und Staunens).
Da kommt der nackte Aschenmann wieder vorbei. Tatsächlich! Er trägt rechts ein Schwert und links einen Schlüsselbund! Beides glitzert in der Morgensonne. Eben, dass man auf so etwas schauen kann und darin noch die Größe und Schönheit dieser Kultur sehen kann, die für unsere westliche Vorstellung von den Dingen ein immenses Zulassen des Unvorstellbaren präsentiert, das den Geist erweitern und auch auf sehr erheiternde Weise die zeitlose Weisheit immer wieder aufs Neue vermitteln kann. Achach, mein geliebtes Indien! Von wem hätte ich das pure Staunen bessre lernen können als von dir! Eine Erde mit einer Atmosphäre, die meditatives  Denken hervorbringt, anregt und nährt! Und ein Geist, der auch noch einen akkuraten Begriff dafür findet! Tapassya Boomi: Boomi ist ein Kosewort für die Erde, so wie Mütterchen Erde, und Tapassya, das tiefe Kontemplieren, das sie ermöglicht und schenkt.

See

Wohl dem/der, der/die einen See kennt, wo er/sie hingehen kann. Ein See ist wie ein Spiegel, in dem man auftaucht und zur Ruhe kommt. Geheimnisvoller Blick, der die genaue Tiefe nicht kennt, wohl aber von darin Reflektiertem darauf hingewiesen wird. Schön ist ein See, wenn alles um ihn herum keinem gehört. Wenn jeder ihn Umwandelnde gehen und sitzen kann, ohne gestört zu werden. Auch zusammen hineinschauen ist schön. Das Wort zieht sich zurück hinter die Augen. Will es heraus – gut – lässt man es tun. Es benimmt sich im Angesicht der leisen, stillen Bewegung. Hier am See war mal eine Zeit im Einst. lange vor meiner Zeit, da war der See nicht sichtbar. War Dschungel, überwuchert von reicher Natur. Dann kam ein König vorbei, der von Lepra geplagt war. Er sah eine kleine Pfütze im Dickicht, bahnte sich einen Weg da hin, trank vom Wasser und wurde geheilt. Er ließ den See vergrößern. Es gab auch mal Leguane, Krokodile und Schildkröten darin. Andere Könige kamen und ließen bauen. Eine großzügige Architektur mit Becken im See, die auch ihnen als Badeplätze dienten. Die Könige verschwanden. Es kamen Anekdoten und Legenden des Schöpfers. In Brahmas Ritual ersetzt der See das Feuer, an dem man Opfer bringen kann, zum Glück nicht muss. An den Ufern dienen Brahmanen den Pilgern. Man könnte es auch eine traditionelle Abzocke nennen, aber das führt in eine andere Richtung. Der See selbst hat keine Richtung. Wir gehen herum. Es heißt, wer den See umwandelt, wird automatisch verwandelt. Jede/r, der hier wohnt oder  dazukommt, hat den See umrundet. Wir sind das Rad, das den See in Bewegung hält. Unermüdlich dreht sich der Kreis. Manche fallen heraus, andere kommen hinzu. Einmal gab es eine gravierende Störung. Der See trocknete aus, die Fische starben, die Mantras verstummten. Lösungen wurden gesucht und gefunden. Der See nach dem Trauma: wieder zum Leben erwacht. Heute früh habe ich unendlich viele, kleine Fische sich darin tummeln sehen. Ich bedanke mich bei NarayanJi, dem Prister am Ghat, wo ich sitze. Er macht immer ungefähr 50 Meter entfernt von mir  Puja für die zu ihm Kommenden. Ein einfacher, rechtschaffener Mensch. Manchmal reden wir miteinander, nicht oft. Er weiß, dass ich durch seine Anwesenheit eine Art Schutz erfahre, weil ich es ihm gesagt habe. Es wird geschätzt und verstanden, denn wir sind ringsum interessiert an guter Atmosphäre. Schließlich ist es, wenn auch nur vorübergehend, mein offizieller Platz am See.

Akzeptanz des Unvermeidlichen (!?)


Ich sitze in der düsteren und für mein Empfinden ziemlich unbekömmlich staubigen Atmosphäre des lokalen Government Hospitals, wo ich meine vierte Spritze gegen die Gefahren des Affenbisses empfangen werde. God knows when…..nein, das muss ich korrigieren, denn ich weiß selber wann, und zwar um Punkt 9 Uhr deutsch gemessener Zeit, wenn das Büro mit dem schlecht gelaunten Angestellten aufmacht, trete ich als extrem offensichtliche Westlerin auf und komme absichtlich zur falschen Tür herein, um meine 10 Rupien abzugeben und den Wisch zu holen, den irgendeiner dieser wenig motivierten und vor Arroganz strotzenden Ärztlinge/Innen zeichnen muss, damit ich wachsam im Finale bei der Spritze lande, wo schon mehrere, häufig sehr arme Menschen nervös herumstehen, deren Bürde ich nicht erleichtern kann, obwohl ein paar Worte in Hindi Freundliches bewirken können. Doch dann dränge auch ich auf indisch-rücksichtslose Weise an die Vorderfront und wedle mein Papier vor der sichtlich übermüdeten Frau herum, die wahrscheinlich ebenfalls die Torturen des Festes hinter sich gebracht hat und mir schnell die Spritze gibt, damit sie mich los wird. Das bringt mich direkt zu den Gedanken, die ich vorhatte, dort beim Warten zu denken. Durch einen fruchtbaren Austausch über die Akzeptanz des Unvermeidlichen ist mir klar geworden, dass ich bereits gegen 9 Uhr früh einiges offensichtlich Unvermeidbare hinter mir habe. Was könnte nicht alles vermieden werden!!, wenn man sich tapfer dafür einsetzen würde. Das schwindende Eis an den Polen, die Schlachthöfe, die Nahrungsvergiftung, die gnadenlose Vernichtung weiblicher Föten, reichhaltiges Etcetera,..wenn nur ein bisschen mehr Erwachen durch die Poren der Menschheit dringen würde. Aber vor allem in Indien werden die Ideen der Einsatz-und Helferprogramme rasch und automatisch reduziert, erst auf vorhandene und erkennbare Ohnmacht, dann vielleicht die Phase der Klagelieder, oder eigene, heldenhafte Vorstöße in Bereiche des verlockend vermeidbar Erscheinenden, gefolgt von Formen der Resignation, alles fleißig unterstützt von indischen Einstellungen, in tiefer Weisheit mündend: Zis is India!!! In der Tat, das ist es, und man lernt, etwas bescheidener geworden, Grenzen und Wunder kennen, die beide gleichermaßen undurchschaubar bleiben. Kommt man durch all dies und das Dazwischen gesund durch, ist sozusagen gesegnet von förderlich gesteuertem  Karma, dann ist man guten Mutes, denn man nähert sich intuitiv dem leuchtenden Kern des tiefen Wissens, das in den verborgenen Korridoren indischen Blutes lagert und diese Menschen stets begeistern kann, wenn man sie daran erinnert, denn gerade ist man ja selbst, wer weiß wie und wodurch, hineingeraten in das vielgelobte Sein und eins seiner/ihrer Aussprechbarkeiten: Es ist, wie es ist.
(Oder soll hier auch nochmal ich draus werden?) Ja, das habe ich verstanden, und dass es tiefer ist als ich willig war zu denken. Durch mich selbst und um mich herum, ja, kann ich wirken und auch was bewirken, und auch mich einsetzen, dass sich was ändert, (keine Garantie), wo ich es wesentlich finde. Aber was ist wesentlich?
Gestern beim Holi-Getümmel hatte ich mir eine Haltung fabriziert, die aus der Erkenntnis kam: Widerstand ist zwecklos. Ich hätte woanders hingehen können, dachte aber, die Terrasse wäre, und war auch, ein guter Platz, um das berühmte Fest mal nah zu erleben. Es fing um 6 Uhr früh an und war pausenlos durchdröhnt mit indischer Techno-Musik bis 16 Uhr nachmittags, wenn Polizisten das Feld der Betäubten räumte und über Lautsprecher zu Baden und Essen rieten. In diesem Beat rockten also bis zu 2000 Menschen auf dem lokalen Marktplatz herum bis in die Nebenstraßen hinein. 90% Männer beherrschten die Szene (am Rande tanzten kleinere Grüppchen von ausländischen Frauen) und rissen sich gegenseitig die T-Shirts vom Leib, um sie auf die extra dafür aufgespannten Schnüre zu werfen, eine Mode, die sich nur hier breit gemacht hat. Auf meinem Photo sieht man am Tag danach die im Staub liegenden Kleidungsstücke. Was man auch darauf sieht, sind Sweeperfrauen, die das Ganze säubern müssen und die Kühe verjagen, die sich gemütlich auf dem pinken Lager niedergelassen haben. Ich selbst habe vermeiden können, dass man mich mit Farbe zuballert. Nur ein vorsichtig aufgetragenes Stirnzeichen in Grasgrün wollte ich akzeptieren, Letztendlich hopsten wir alle auch von der Terrassen aus mit, und ich traf ein paar nette Leute.

boring


In einer befreundeten Familie habe ich heute von dem Hausherrn, einem Arzt, gehört, dass in Indien der Verbrauch bzw. die Einnahme von Anti-Depressiva in den letzten zwei Jahren enorm angestiegen ist. Er empfand es als ein positives Zeichen, dass Inder beginnen, psychische Störungen wahrzunehmen. Er selbst ist Alkoholiker und weiß wahrscheinlich, von was er redet. Ich fand es auf erschreckende Weise im Einklang mit den Familiensituationen, die mir bekannt sind, und wo es in der Tat eine unbeobachtete Krankheit gibt: die tödliche, unerträgliche Langeweile. Die Männer haben zwar mehr Möglichkeiten für Abwechslungen, doch draußen sehe ich die meisten in Riesengruppierungen beim tagelangen Zocken. (Gähn!) Die Geschlechtertrennung hat verheerende Auswirkungen. Sie haben sich einfach nichts zu sagen. Auf dieser Basis kann es nichts Gehaltvolles in der Stille geben, wenn es Fakt ist, dass Menschen sich nur im Dialog mit Anderen kennen lernen und verstehen können. Sich selbst erkennen können! Es stimmt, dass die Frauen, wenn sie nicht durch die haushältnerische Ödnis hysterisch geworden sind, oft entspannt wirken, worauf mich indische Männer gerne beim Thema hinweisen, als sei das der Garant für ihre Zufriedenheit. Mir ist aber durch die Gespräche mit den Frauen klar geworden, dass der Grund für die Gelassenheit eher die Tatsache ist, dass sie keine Wahl haben. Wer keinerlei oder extrem eingeschränkte Wahlmöglichkeiten hat, wird entweder verstockt, ablehnend und dadurch gestört im eigenen Ausdruck, oder entspannt in das Unvermeidliche. Da sind ja auch noch die Kinder und das 3-malige, aufwendige Kochen, und die lähmende Suche nach dem Gott im Mann. Es soll sich ja geändert haben in den Großstädten, aber auch nicht so sehr, wie man’s gern hätte. Wie hätte man’s denn gern? Ich bin einfach der tiefen Überzeugung, dass der Geist eines jeden Menschen zur Freiheit strebt. Freiheit ist für mich, wenn es überhaupt einen gibt, der Sinn dieses Abenteuers, Leben genannt. Freiheit bedeutet für mich, Verantwortung übernehmen zu können und zu dürfen für das eigene Leben, die eigenen Beziehungen, mein Verhältnis zur Welt und zu dem Wesen, das ich selbst bin. Sicherlich waren alle Kulturen und Traditionen mal mehr oder weniger ausgewogen, hatten ihre Blüte und ihren Niedergang, wurden geprägt vom Willen des Volkes und seine Bereitschaft zur Unterwerfung. In Indien wird nun die Zwanghaftigkeit des Systems sichtbar, die alles Lebendige einengt und überschattet. Wenn dieser Zustand eintritt, dann ist es Zeit für große, notwendige Veränderungen, für Durchbrüche und Aufbrüche, damit der Geist des Lebens sich wieder durchsetzen kann. „So langweilig!“, sagt Lali zu mir mit Blick auf ein Pilger-Paar, das sich neben uns schweigend und verschlossen die Chapattis und das Gemüse in den Mund schiebt. „No love. Only boring.“ Langeweile ist tödlich. Noch wird Depression in Indien nicht als Krankheit angesehen. Wahrscheinlich gibt es so viele Abgehängte in den Häusern, sodass man es, wie so vieles andere, als „normal“ mitlaufen lassen kann. Jalte hai! Geht doch!
Da unten am See ist mal wieder Exorzismus-Tag. Zwei Männer werden ins Wasser geschleppt. Einer rennt davon, schwankt und schreit. Ich habe schon meine Tasche geschultert und will hingehen. Dann setze ich mich wieder. Hilflos und oft gezwungen, bei ihren Wegen Beobachterin zu sein und zu bleiben.

Tierisch viel Feuer & Farbe

Die vielen Tiere, die ich fast nebenher täglich bestaunen kann, sind mir u.a. aufgefallen durch Verhaltensweisen, die wir auch unter Menschen finden, wohl aber eher zum Tierreich gehören.
Selbst die zarten weißen Vögel am Wasser fauchen sich ständig an und vertreiben einander. Krähen hacken aufeinander herum, und wenn ich Grünes mitbringe und den Kühen gebe, nähert
sich der nächste Ochse nit einer Schnelligkeit und Gewalt, die einen aus dem Weg springen lässt. Die Kuh weicht aus, was soll sie machen. Das nennt man ja gerne alles unschuldig und artgerecht,
aber nur bei den Tieren. So sind es tatsächlich die tierischen Aspekte, die der Mensch überwinden kann und muss, will ich denn Mensch sein. Dass Menschsein einerseits gegeben ist, andrerseits
errungen werden muss, fällt spät auf, aber Hauptsache, es fällt überhaupt auf, dass es jedem Menschen gegeben ist, sich als Mensch zu erkennen und besser zu verstehen.   Na ja, das wird jetzt nicht das Thema des „Holi“-Festes sein. Noch nie war ich so nah dran am Geschehen und den vorbereitenden Tagen und Tänzen, und muss sagen, so unendlich langweilig es auch ist, so ist es auch ein genialer Trick, mit ein paar Trommlern und ein paar Stöcken ein mit Fremden vollgepacktes Dorf in gemeinsame Bewegung zu bringen. Ein riesiges Poster, das jetzt am Marktplatz hängt, erklärt uns, wer das Ganze organisiert, nämlich der Allmächtige See selber, der hier als „Maharaj“, „Großer König“ benannt wird. Darunter die Sponsoren, sozusagen die rechten Hände des Sees. Die Beleuchtung muss finanziert werden, das Feuer am Abend auf der Höhe des Vollmondes etc. Überall werden bunte Substanzen verkauft und angerührt, die man Anderen dann in die Haare oder das Gesicht oder sonstwo hinschmiert, um wieder zu tierischen Aspekten zurückzukehren. Es ist auch so eine Art Karneval, wo man mal alles
Angestaute rauslassen kann. Der Alkohol hilft nach, und wen sehe ich denn da mit einem Krug herumlaufen und Gläser voll grünem Zeug einschenken? Das ist die illegale Marihuana- Substanz, die hier großzügig und sichtbar ausgegeben wird. Es gibt auch Polizisten, die aber auf anderes achten. Eine Terroristenwarnung macht mal wieder die Runde. Der erste direkte IS-Angriff hat stattgefunden. Hier im Dorf leben noch alle in seliger Überzeugung, dass ein so heiliger, holy mit Ypsilon, Ort niemals angegriffen werden kann. Das hoffe ich auch.

Das Holi-Farbbild zeigt den feinen Draht zwischen …ja zwischen was? Unendlich viele Bilder werden von diesem Tag in die Welt gehen…das sind meine…

Dschalal ad-Din Rumi

Bildergebnis für Rumi

Achte gut auf diesen Tag, denn er ist das Leben – das Leben allen Lebens. In seinem kurzen Ablauf liegt all seine Wirklichkeit und Wahrheit des Daseins, die Wonne des Wachseins, die Größe der Tat, die Herrlichkeit der Kraft. Denn das Gestern ist nichts als ein Traum und das Morgen nur eine Vision.

Das Heute jedoch, recht gelebt, macht jedes Gestern zu einem Traum voller Glück und jedes Morgen zu einer Vision voller Hoffnung.

Darum achte gut auf diesen Tag.

 

Anbetung (Bhakti)

In meiner eigenen Meditations-Ausbildung hatte es eine große Bedeutung für mich, dass die VermittlerInnen dieses Weges eine klar ablehnende Haltung gegenüber Bhakti/Devotion/Anbetung einnahmen. Bhakti war verpönt, obwohl es auch ihrem geistigen Blut nicht erspart blieb, immer wieder neue Formen davon zu erfinden und zu zelebrieren. Noch gibt es keine kosmische Rasierklinge, die scharf genug wäre, selbst den willigsten indischen Befürworter klarer Sichtweisen von der Anbetung einigermaßen schmerzfrei zu trennen.
Vor meinen Augen läuft gerade der Naga Baba vorbei auf seiner morgendlichen Seeumrundung. Zum ersten Mal weht keinerlei Tuch um seine Nacktheit. Er ist nackt, bzw. trägt er nur Asche, und, wenn mich nicht alle Sinne täuschen, in der rechten Hand ein Schwert in einem Stainless Steel Schaft. Wenn das bedeutet, dass er die letzte Hülle hat fallen lassen, dann kann ich nur gratulieren. Dann wiederum: ist das Schwert (k)eine Hülle?
Bhakti ist allüberall. Auch die Bilder oben, die ich heute früh auf meinem Weg gemacht habe, sind bereits angebetet worden. Oft kann man gar nicht mehr erkennen, um was oder wen es sich eigentlich hier handelt, denn Zeit und Wetter haben an Papierbildern oder zerbrochenem Glas gearbeitet und ihre Spuren hinterlassen, aber das kümmert die Anbetenden wenig. Licht wird entzündet, rote Farbe auf das Bild gekleckst, ein paar Räucherstäbchen angemacht, wenn man sie nicht zuhause vergessen hat, dann murmel-murmel und händefaltend verneigen. Fertig ist die Tat, die gute Wirkung folgt auf dem Fuß. (Füße werden auch angebetet!) Klaro, warum nicht? Schöne Gesten, und man ist beschäftigt. Oder wie ein Lama mal in Kathmandu auf meine Frage, ob durch dieses Murmeln mit der Gebetstrommel mit den Menschen innerlich was geschehen würde, geantwortet hat, es sei immerhin besser, als mit den Nachbarn zu quasseln. Ist es das? Om mani padme hum. Wenn es einem denn einleuchtet, was man sagt….
In mir haben solche Bilder wie oben immer sowas wie faszinierten Schauder ausgelöst, vielleich so ähnlich, wie ich es mit Bildern von Francis Bacon erlebt habe. Eine Auflösung des gewohnten Sehens, und alsbald bilden sich neue Formen und Formlosigkeiten, die eine das Innerste ergreifende Schönheit haben können. Diese ungeheure Freiheit, dass mein Auge sieht, was es sieht, und sieht es allein, und mich selbst in dieser Sicht zu erkennen, das hat mich schon immer begeistert.
Mein Blick wird von einem jungen Paar am Wasser angezogen. Er sitzt, sie ist über ihn gebeugt und zieht ihm seine Hosenbeine an. Die sind eng und sie müht sich mächtig ab, sie am Bein hochzuziehen. Ich vermute, dass er behindert ist, aber nein!, wenn es Zeit ist, die Hose ganz nach oben zu bekommen, steht er putzmunter auf, und sie beendet ihr Werk. Das ist auch Bhakti. Aber was soll’s. Da helfen alle klugen, in feinem Englisch formulierten Beiträge in der Times zum Frauentag nichts. Auch die Foreigners trainieren sich in der Anbetung. Heute früh habe ich eine junge Französin einen Shiva Lingum ehrerbietig umarmen und küssen sehen. Das macht ja fast schon wieder Sinn. „J’adore le phallus“ oder sowas Ähnliches könnte in ihr vorgegangen sein.
Auf dem Rückweg kann ich nicht widerstehen, dem Naga Baba, der inzwischen an seiner Dhuni sitzt, die Rosen zu überreichen, die ich täglich am Brahm Ghat bekomme. Für die Asche, sage ich. Das enthält auch noch ein Schlückchen Bhakti, vermute ich mal. Jedenfalls hege ich eine auffallende Leidenschaft für Asche in Kombination mit Rosen. Oder ist das ein Sinn für Erotik.

Akhara

Bildergebnis für guru gorakhnath

Da bin ich doch ganz leichtfüssig hinein in die Jodhpur
Nath Akhara (eine Yogi Bruderschaft), um jemanden zu
finden, der mich zur Dämonen-Maschine bringt, deren
furchterregendem musikalischem Output wir, dh jede/r im
Dorf jeden Morgen mindestens für 40 Minuten ausgeliefert
sind, denn es kreischt aus ihrer Tempel-Burg ohrenbetäubend
laut über den See. Und um dem zuständigen Herrn zu
vermitteln, wie schmerzhaft falsche Töne sein können.
Der Ort ist riesig, still, fleißig. Die Herren haben es gut.
Alles da. Endlich wird einer von ihnen sichtbar.„Wo ist die
„Dingdongdingdongbhuuuuuuuuuuuu-Maschine?“,
frage ich freundlich.“ Er bringt mich zum Boss, dem Mahant,
auch so ein bärtiger, gutaussehender Apostel. Ich stelle mich
als eine im „Damals“ beinahe Nathni (weibliche Mönchin bzw.
Yogini der Gorakhnath Bruderschaft) Gewordene dar, und
erfreue ihn damit, dass ich Kalima heiße. Ich frage nach
der Maschine, und tatsächlich, da steht sie ganz nah an
seinem Lager, eine kleine schwarze Box wie ein altes Radio
mit einem sehr verstärkenden Verstärker davor, und stolz
zeigt er mir die 4 Knöpfe, durch deren Bedienung man noch
mehr teuflische Tunes entlocken konnte. Bin ich Eine, die
den Herren dann die Freude verdirbt an ihrem Spielzeug?
Nein, leider nicht. Es gab auch meinerseits keine weibliche
Schrumpfung in den Bewunderungsmodus, eher Akzeptanz
des Unvermeidlichen. Allerdings konnte ich mühelos und
dankend absagen, als ich nach oben ins schattige Offen ihres
Yoga Palazzos eingeladen wurde, denn sie sehen sich ja als
Magier und checken gerne aus, ob man in ihrer Gegenwart
zur Maus mutiert, doch ich fühle keinerlei Ehrgeiz mehr,
in ihren Überprüfungen zu glänzen bzw ihre öden Stunden
etwas aufzulockern. Ich bin mein eigener Herr.
„Nath“ heißt „Herr“, oder noch besser „Herrin im eigenen Haus.“

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Stocktanz

Ansonsten ist im Dorf das Gewühle und Gewimmel von „Holi“ in vollem Gang. Ich bin zum ersten Mal seit Jahren wieder in der Nähe des Marktes, weil ich grad da wohne, bis ich in ein paar Tagen wieder in das Haus am See ziehe, auch nur ein paar Tage,  dann wird es Zeit…die Vögel ziehen vorüber…Kraniche und Pelikane….und ich mache mich dann auch auf den Weg westwärts.
Heute soll, so höre ich mit Schrecken, nun jede Nacht stundenlang getrommelt und gestocktanzt werden, auch ein sehr männlich geprägtes Vergnügen. Aber ich erinnere mich, auch mal als Sadhu- Frau stockgetanzt zu haben bei einem Fest der Bruderschaft, das schien zwar erheiternd, aber akzeptabel für alle, obwohl ich mich damals in der indischen Psyche nicht so gut auskannte. Kenne ich mich etwa jetzt in der indischen Psyche aus? Das Bild zeigt den ersten Abend, also gestern abend. Die Trommler stehen auf den Tischen, und wer immer tanzen will, bekommt zwei Stöcke, links und rechts einen, mit denen man mit Vorder–und Hintermann in Kontakt bleibt. Immer mehr Menschen schauen zu, und immer mehr Stocktänzer reihen sich ein. Das geht stundenlang so und übt einen faszinierenden Augensog aus. Man weiß gar nicht mehr, warum man immer wieder mal hinschaut. Wir haben hier auf dem Dach Königsloge für diesen Trommelstockwirbel, der sich steigern soll bis zum 13., wenn der nukleare Wahnsinn ausbricht, aber das hat eben noch Zeit und ist sehr farbenfroh. Mal sehen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Frauentag

     Frauen am Frauentag

Heute ist natürlich kein internationaler Frauentag mehr, aber wer sagt das? Es könnte ja einfach so weitergehen, jeder Tag ein Frauentag, oder ein Männertag, oder ein Transgendertag, oder alles gleichzeitig, wie es ja bereits ist.Natürlich habe ich dann im Strom der Ereignisse doch zwei exquisite Süßigkeiten erstanden, denn Reena hat mich angerufen und als Frau zum Frauenchai eingeladen. Sie hat mir erzählt, dass sie zur Segnung ihres Hauses einen Transvestiten eingeladen hatten, mit dem sie sich angefreundet hat. Keiner konnte mir je erklären, warum ihnen die Kraft des Segnens zugesprochen wird, denn sie werden auch bei der Geburt von Kindern zum Segnen gerufen. Reena erzählt mir, dass man glaubt oder eher fürchtet, dass alles, was Transvestiten sagen, sich umsetzt. Wenn sie Geld möchten, gibt man es ihnen aus Angst vor dunklen Worten, die sich bewahrheiten könnten. Dann erzählt sie mir eine Geschichte aus ihrer Krankenhauspraxis, die ich sehr berührend fand. Ein Paar kam vor einigen Wochen zur Beratung (Reena’s Mann ist Arzt, und sie und einige andere Frauen arbeiten in dem kleinen Hospital als Hebammen), da sie keine Kinder kriegen konnten. Fragen und Antworten hin und her. Ja, sagten beide, sie seien sehr glücklich, und ja, sexuell seien sie auch sehr zufrieden usw. Reena wollte dann die Frau untersuchen und fand, dass sie gar keine Vagina hatte, sondern einen ganz winzigen Penis. Da die beiden nur einander in dieser Intimität kannten, dachten sie, so sei es allüberall. Reena brachte es nicht übers Herz, sie aufzuklären, und sagte ihnen, dass sie leider keine Kinder haben könnten, teilweise wegen ihm, und teilweise wegen ihr. Wenn man jetzt die Tiefdenkerei anschubsen würde, kämen komplizierte Gedankengänge dabei heraus, und die vortreffliche Naivität des Geschehens wäre verloren. Ja wie kann man nur, ja, wie können sie nur oder auch nicht…

Dann zeigt mir Reena ein Riesenalbum in einer Riesentasche von einem Riesenfest, das ihre Kinder unbedingt haben wollten, und zwar eine 25 Jahre Ehe-Feier ihrer Eltern. Ich wäre erschütterter gewesen, hätte ich nicht vorher schon von dem Event gehört. Reena war nicht zu erkennen. Sie hatte sich im Beauty Parlour herrichten lassen und er hatte ihre sensible Haut zugepflastert mit betonartiger Maske, dazu Löckchen gedreht und der Körper war umrundet mit einem sehr teuren Kleid. Warum hast du das gemacht?, frage ich, wissend, wie gespalten ihre Ehe ist unter dem jederzeit terrorerzeugenden Ehemann, und sie sagte: für meine Kinder. Die wollten, dass es mal festlich wird und statt Drama: tanzen und fröhlich sein. Deswegen. Als sie nach der Schönheitsbehandlung in den Spiegel schaute, wusste sie , dass es nur einen Ausweg gab, und zwar gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Wessen Spiel? Mir fiel der Film „Das Fest“ ein, aber für so einen Bomben-Moment muss man in der Lage sein. Das geht nicht immer, und muss auch nicht immer sein. Meine Lieblings-Anekdote derart singulärer Handlungen ist, als Krishnamurti endlich vor illustrer Gesellschaft zum „Weltenlehrer“ gekürt werden sollte und wohl einige sehr tiefe Erkenntnis gehabt haben musste über den Wahnsinn dieser Inszenierung, in die er eingebastelt war wie eine Marionette. Jedenfalls ging er zum Mikrofon und erklärte in die Mitte der erwartungsvollen Menge, dass er es nicht sei, nix Weltenlehrer also, und sie sollten alle nach Hause gehen.
Auf dem Marktplatz steigern sich die Trommelwirbel. AlokJi hat mir gestern erzählt, dass er, jetzt so in seinen Fünfzigern, als Siebzehnjähriger den Stocktanz hier auf dem Marktplatz mit seinen Freunden eingeführt hat. Es ist nun akzeptierte Tradition, dass vor Holi, dem Farbenchaosfestival, hier tage-und nächtelang stockgetanzt wird. Hunderte von Foreigners sollen allein in einem einzigen Zug heute aus Gokharn angereist sein. Ein besonderer Tag. Ein Tag nach Frauentag.

Bildergebnis für ardhanarishvara

Das Bild zeigt Shiva in der Form des Ardhana Ishvara

heiß

Siesta

Hat was, die Hitze. Die Morgende und Abende sind angenehm und ausgewogen, dann kommen die Stunden, wo es besser ist, nicht hinauszugehen, denn die Hitze zehrt auf ihre Weise. Es gibt neue Zeiträume, die zur Verfügung stehen. Wo ist eigentlich das Buch von dem Rinpoche, das ich unbedingt zu Ende lesen wollte!? Selten so wenig gelesen, fiel mir gar nicht weiter auf. Einerseits ist da der eigene Rhythmus, und dann ergeben sich dazwischen die Dinge. Sie kommen auf mich zu und führen zu spontanen Änderungen im Ablauf. Zwei Tage Jaipur mit akzeptablem Essen, ja. Aber dann doch gerne wieder hantieren in meiner alchemischen Mini-Küchen-Ecke, reduziert, aber doch alles da, um mich selbst zu überraschen. Wenn das elektrische Licht ausgeht, alles trotzdem finden. Natürlich auch Kerze und Feuerzeug. Seit wir Foreigners hier sind, gibt es bessere Kerzen. Wenn ich erzähle, dass wir in Deutschland Kerzen lieben und oft brennen haben, sind die Inder erstaunt. Das Einfach-eine-Kerze-anmachen kennen sie nur von uns. Im März und in der Mitte der Hitze erreicht das Gefühl von vollem Drinsein seine natürliche Grenze. Auch für die Einheimischen ist es immer ein Abschied, wenn wir gehen. Das Leben verändert sich. Warum kommst du nicht im Mai, sagt Shivani, da haben wir nichts zu tun. Im Mai! OmG! Schwitzen unter sirrenden Ventilatoren! Wissen, dass kein echter Monsoon mehr auf dem Weg ist. Blutdürstige Armeen von Moskitos hinter jedem Fleckchen Haut her. Dengue Fieber! Nicht mehr funktionierendes Antibiotika, entweder Mensch oder Moskito wurden dagegen immun. Wäre man hier, wäre es natürlich ganz anders. Um 6 Uhr früh schon wieder zuhause in einer schattigen Höhle oder Halle, wo man ungestört bis abends den Tag gestalten kann in luftigem Gewänder-Komfort …Tuch und Turban. Die wollenen Dinge sind eh alle schon gewaschen und weggefaltet. Wohl dem bzw. der, die einen tip-top Lagerraum zur Verfügung hat, um in der zeitlos besungenen Truhe, nun eine Blechkiste mit gutem Verschluss, das unterzubringen, was nicht unbedingt mit in den Okzident muss. Es kann einen auch immer wieder mal nach Monaten von Abwesenheit erfreuen, das vorzufinden, was man nie vermisst hätte. Ach echt, da ist ja noch das kleine Elefantenholzkistchen mit dem goldenen, roten und schwarzen Siegellack drin! Und der Schlafsack, den Leslie mir zurückgelassen und selbst nie benutzt hat, der aber sehr teuer war, denn man kann in ihm noch bei Minus 41 Grad überleben. So was wirft man doch nicht einfach weg. Was, wenn ich mal wieder mit dem Kamel unterwegs bin! Sera Chokri! Always awake. Wo ich am zehnten Tag mit Pawan, dem Kamelbesitzer, am Shivaberg ankam und von einem Sadhu zum Essen eingeladen wurde, der in einem uralten Tempel einen Platz hatte, der war wie von Göttern erbaut. Unten im Fels lief reines Wasser in ein Becken. Achach.Und ringsum nur Stille und Raum, von allen Seiten eine Sicht bis an die Wölbung der Erde.
Unten auf dem Marktplatz beginnen die Vorbereitungen für „Holi“, nicht zu verwechseln mit „holy“. Abende und Nächte mit Trommeln und Stimmungssteigerung bis zum Vollmond. Noch ist Zeit. Gefürchtete Gruppen von Israelis reisen an, um sich im Farbenrausch auszutoben. Na ja, Schritt für Schritt. Ich bin ja heute erst wieder richtig angekommen. Alles schön im Fluß halten…Nu um Nu.

Dann noch ein Memory-Click bei der Rückkehr vom See: 8.3.!
Frauentag! Das Erste, was mir hier vor Ort meistens dazu einfällt ist, dass Frauen heute „freies“ Busfahren haben. Auf groteskeste Weise führen diese Ideen, vermutlich von gutmeinenden Herren ausgebrütet, genau zu dem, was eh schon da ist: kein Platz für die Frau, die sich nun in die überfüllten Busse rangelt, oder durchs Fenster geschoben wird, damit sie das Geschenk auch wahrnehmen kann. Ich bin auch schon ganz vorsichtig geworden mit dem „Es tut sich was“, wenn immer auf Delhi oder Bombay hingewiesen werden muss, wo sich angeblich was tut, fragt sich nur, was. Die wahrnehmbare Bewegung erinnert mich schon etwas an die Sixties im Westen, wo trotz allem Irrsinn doch wichtige Beschränkungen geöffnet wurden. Auch der Weg nach Indien war ein Resultat davon. So ist es augenscheinlich für die junge indische Generation der Weg in den Westen. Zumindest sind sie dem westliche Einfluss total ausgesetzt, und die englische Sprache ein Muss. Da lass ich die komplexe Flut des Themas einfach stehen für heute. Einen guten Tag wünsche ich planetenweit. Eine Jede tue weiterhin und unermüdlich, was sie kann. Möge das zu geistiger Ermüdung neigende Auge allerseits und allerortens hochschrecken und sich in adäquatem Wachsein stabilisieren!
Mere varsan jaia na khali!

The Jaipur Experience II

Ja, der wesentliche Teil war die immer mal wieder, oft in großen Abständen, erfrischte Freundschaft mit Lina. Lina ist einer der Menschen, mit denen ich am längsten befreundet bin: Jahrzehnte. Wir haben uns am Strand von Goa zuerst getroffen. Sie hatte eine selbstgenähte, senffarbene Robe an und einen Wanderstab in der Hand. Ich war derzeit noch beschäftigt mit Haus und Hof in Kathmandu und spielte Violine. Man weiß ja nie, wie die Dinge sich gestalten. Lina war tief verbunden mit dem spirituellen, hinduistischen Denken und Tun. Ich auch, aber wir gingen sehr verschiedene Wege. Jetzt ist sie mehr mit buddhistischer Praxis verbunden. Wir haben in Delhi einen kleinen, gemeinsamen Freundeskreis, z.B. Mauro, die rechte Hand von Sogyal Rinpoche, mit dem ich ganz früher mal an Sadhufeuern saß, und John, der zur selben Zeit wie Lina ziemlich lange unter der Obhut eines Kashmiri Brahmanen saß, der nicht sprach, aber ganz schön viel auf seinen Knieen herumkritzelte, was nur die Eingeweihten lesen konnten. Er war auch berühmt für seine Feuerchillums, die einen halben Meter in die Höhe schossen. Ich war mal dort auf meinem Weg nach Amarnath, dem 5000 Meter hohen „Karmapfad“, Pflichtwanderung für jeden Shivaiten. Aber Linas und meine Lehrer waren eindeutig nie diesselben. Die Freundschaft hat aber durch alles hindurch gehalten. Wahnsinn und Glückseligkeit in Indien war immer Thema. Sie und Serge, mit dem sie seit ein paar Jahren verheiratet ist und mit dem sie erfolgreich ein Kleider-Business aufgebaut hat, haben jetzt Delhi wegen der tödlichen Pollution verlassen. Heute fliegen sie westwärts. Für mich war und ist es nicht nur schön, diese Freunde zu treffen, sondern sie waren jahrelang in Delhi zwischen Ankunft mit Jetlag und Abflug oder Weiterreise eine Heimat, ja, genau, ein Tempel der Freundschaft. Deshalb ist es die Mühe wert, nach Jaipur zu fahren für ein paar Stunden und die Kulisse der Stadt als Rahmen zu haben. Am Sonntag Morgen entscheiden wir uns doch wieder, zum Amber Fort zu scootern. Wegen der staubigen Luft verwandeln wir uns in verschleierte Frauen. Amber! Klar!, immer noch umwerfend in seiner maßlosen Gestaltung. Ich scheue mich beim Aufstieg, in die Augen der Elefanten zu schauen, die täglich Tausende von lauten Touristen den Hang hochtragen. Viele Sprachen der Welt kommentieren auch alles rauf und runter. Lina geht voraus, um die Puja im Kali-Tempel nicht zu verpassen. Ihr Herz hängt noch irgendwo und irgendwie am Shakti-Kult. Als ich bei der Durchsuchungsmaschine ankomme und merke, dass ich den Eintrittszettel in den Tempel vergessen habe, bleibe ich gerne draußen und finde einen schönen Steinsitz an der Seite des Tores. Selfie-Irrsinn allüberall. Jetzt gibt es auch noch diese langen Selfie-Stäbe, die eingeschlagen haben wie Harry Potter Zauberstäbe. Die Ich-Welt formiert sich zum Ich-Finale. Dann habe ich ein supernettes Gespräch mit fünf indischen Studenten, die direkt vor meiner Nase mit diesen Geräten herumhantieren. Ich sehe, wende ich mich an sie, dass es für euch gerade sehr wichtig ist, euch selbst zu sehen. Vielleich ja erst außen, schlage ich vor, und wenn diese Phase durchlebt ist, vielleicht auch nach innen? Sie haben Humor und es entsteht eine heitere Atmosphäre. Ich beobachte, dass man an den Anstrengungen der sich selbst aufnehmenden Gesichter sehen kann, wie Menschen sich vor Spiegeln verhalten, wenn wir was zurechtrücken, was im wirklichen Leben niemals so aussieht. (das wirkliche Leben?) Die einzige Möglichkeit für mich, in der Zukunft mal wieder zum Amber Fort kommen zu wollen, wäre ein Projekt. „Tage in Amber“ oder so….Ich würde mit der ganzen Welt mühelos in Kontakt kommen können. Zum Beispiel könnte ich allen diesselben Fragen stellen. Solche, auf die man vielleicht selbst eine Antwort haben möchte. (Was wären die….!?) Lina taucht dann wieder auf mit einem großen roten Puderfleck auf der Stirn, ein Tilak, ein Segenszeichen der Göttin, das hier offensichtlich auch gehabt werden kann. Auf dem Rückweg halten wir bei einem „Pottery“Laden. Eine Keramikwelt vom Feinsten. Man darf gerne, und ich tue es wirklich sehr gerne: immer mal wieder staunen, was Menschen so alles Schöne hervorbringen können. Handbemalte Keramik auf zwei Stockwerken. Von Kettenperlen über Tiere und Teller und Schalen bis zur kompletten Hauswand: alles da. Alles aus Keramik. Aus diesem Keramik-Ozean wähle ich, auch weil ich genügend Zeit habe für diese Art von Luxus, denn Lina’s’ Einkaufsenergie ist zeitaufwendig, wähle ich also ein einziges Stück aus, weil es mir wirklich gefällt, und weil es ein schönes Geschenk ist.
Ja, das waren gute Freundes-Stunden. Wenn etwas angenehm und persönlich ist, kann es trotzdem anregen, denke ich, wenn man es erzählt. Vielleicht erinnert es ja an eigene Freunde und schöne Zeiten, die man mit ihnen verbracht hat.

Das Bild zeigt (m)einen Amberausschnitt

The Jaipur Experience I

(Den halben Tag des Samstag und einen halben Tag vom Sonntag war ich in Jaipur.)

Mal mit ganz leichtem Gepäck irgendwo hinfahren. Seit die meisten Reisenden jetzt mit Rädchen unter den Koffern durch die Gegend schieben, werden die Porter nervöser. In Jaipur also kein Porter, denn mühelos kann ich das tragen, was ich für ein paar Stunden brauche zB. grünen Tee, Handy Auflader, eine Kerze, falls entweder das Licht ausfällt oder es nur neonmäßig funzelt im Zimmer. Tut es zum Glück nicht. Die Röhre ist da, aber es gibt elegante Ausweich-möglichkeiten. Ein Luxus-Hotel. Lina, die ich hier treffen werde, kommt aus Delhi und macht noch Business im Industriegelände von Jaipur. Reine Baumwollstoffe mit echter Indigofarbe bedruckt. Fasst man den Stoff zu lange an, färbt das Blau ab. Jedenfallls wird es noch ein paar Stunden dauern, bis wir uns treffen. Ich liege etwas herum und gebe den Welanschlüssel in das Smartphone ein. Dann höre ich eine Weile in Jaipur hinein….Palast der Winde….Müde streift mein Auge über die Hotelvorschläge, wo man überall Ausflüge hinmachen kann. In fast allem Vorgeschlagenen war ich schon mal zu guten Zeiten, als es diesen gigantischen Ansturm von Touristen noch nicht gab. Und Führungen mit Schirmhochhalter vornedraus. Will ich überhaupt irgendwo hin in der pinken City? Einmal habe ich etwas außerhalb von Jaipur 10 Tage die in Schweigen gehüllte Vipassana Meditation gemacht, eine glaubwürdige Inszenierung mit viel Durchhalten. Dann….das Jantar Mantar Observatorium des genialen Jai Singh! Was bin ich dort stundenlang herumgesessen und habe meiner Bewunderung freien Lauf gelassen. Und diese himmlischen Geräte stehen Rücken an Rücken mit dem Palast der Winde, einem Gebäudeschleier für lebensentfremdete Frauen (nehme ich doch mal an). Na ja, mal abwarten, es ist ja erst Nachmittag. Ich laufe etwas in den Gängen des Hotels herum und schaue mir die gerahmten Malereien an den Wänden an. Hier zwei kleine Flecken, die mir gefallen haben. Da die Spiegelungen nicht zu verhindern waren, habe ich sie intergriert:

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Sonst viel Kindliches von Göttern und Elefanten auf den Paintings. Gähn. Eine Hausangestellte spricht mich an und preist anhand der Bilder die Saris und die dezenten Verhüllungen der Frauen, schwenkt aber schnell und charmant um, als sie meinen skeptischen Blick sieht. Wir einigen uns auf „muskhil hai“…es ist schwierig. Jaipur….Edelsteine und Diamanten….auch habe ich gelesen, dass Jaipuriten neuerdings beunruhigt sind, weil grad sehr viel hier gemordet wird. Dann gibt es das renommierte Literaturfestival, organisiert und vermutlich ins Leben gerufen von William Dalrymple, der empfehlenswerte und gut recherchierte Bücher über Indien geschrieben hat. Im Garten-Cafe des Hotels, wo ich mich dann hinbewege, ist auch  noch diese von den Engländern verbleibselte Atmosphäre zu spüren, die etwas von Verschlissenem hat, das unbedingt bewahrt werden muss, bis keiner mehr weiß warum. Hat was Surreales. Lina will das Zimmer wechseln. Wir bekommen eins oben mit mehr Licht und Luft, und Stille! Dann gehen wir nebenan Pizza essen auf einer Dachterasse. Flackerndes Feuer aus dem Backofen. Viel erzählen. Andere Menschen, andere Geschichten. Die schwarzbleibende Flatscreen im Zimmer erinnert daran, wieviel Ablenkungen omnipräsente Gegenstände anbieten. Stattdessen der gute Austausch.
Ich sehe schon, dass ich trotz der wenigen Stunden noch was hinzufügen muss…vielleicht fehlt noch das Wesen des Ausflugs.

Anna Achmatowa

  1. III Not, not mine: it’s somebody else’s wound. I could never have borne it. So take the thing that happened, hide it, stick it in the ground. Whisk the lamps away … Night.

Vieles möchte, wenn ich mich nicht täusche,
Noch von meinem Mund besungen sein:
All die wortlos dröhnenden Geräusche,
Was im dunklen Erdreich höhlt den Stein,
Was im Rauch erahne ich allein.
Fertig bin ich längst noch nicht geworden
Mit der Glut, dem Wasser und der Luft…
Meine Träume öffnen mir die Pforten
Zu so vielen unbekannten Orten,
Wenn von fern der Morgenstern mich ruft.

ausgleichen

Ständig müssen wir ausgleichen, balancieren, das Gleichgewicht halten oder wieder herstellen. Es ist auch eine Art Selbstkorrektur. Heute früh habe ich mich dabei ertappt, dass ich einem extrem laut schnarchenden Gast zwei Zimmer weiter innerlich empfohlen habe, mal beim Arzt nachschauen zu lassen und war dabei, über das Schnarchen nachzudenken. Meine Erfahrung damit reicht aber nicht aus, um es halbwegs interessant zu machen. In der Meditaionsausbildung war es eine der düsteren Erfahrungen, wenn man mit einer laut schnarchenden Person in einer Räumlichkeit gefangen war und gerade trainierte, die Kraft der Gedanken zu verstehen, anstatt mit Agressionsanfällen zu kämpfen…aber muss darüber nachgedacht werden? Nein! Das fiel mir zum Glück auf.
Etwas später hörte ich von dort fröhliches Lachen und Singen. Was hätte ich nicht alles anrichten können in einem unüberlegten Augenblick! Oder am See die Gruppe, an der ich vorbeiging und hörte, wie einer immer „Jai Ganesh!“ vorsang, und alle „Jai Ganesh!“ hinterher. Klar kann ich mich immer noch wundern, wie einst in der bereits Staub ansetzenden Anekdote mit Dayanand, dem Schullehrer, der sich über mich ärgern musste, weil ich ihm aus purem Übermut fragte, wie groß denn seiner Meinung nach Ganesh war, als er auf der Erde herumlief, und Dayanand sich gezwungen sah zu zeigen, dass er natürlich so groß war wie wir Menschen, und dass ich d a s nicht wüsste, wo ich doch schon sooo lange hier bin. Statdessen singe ich heute früh, im Hintergrund die Gruppe, Manish ein fröhliches „Jai Ganesh“ zu, er singt zurück, und schon ist gute Stimmung. Es gibt Tage, da muss man mehr ausgleichen als an anderen. Das durch innere Zustände ausgelöste und verlagerte Kommentieren ist nutzlos. Die präzise Konzentration auf das Denken hilfreich. Gestern habe ich Ashish noch gefragt, wer Shiva für ihn ganz persönlich ist. Es dauerte eine Weile, bis klar wurde, dass keine Datei zu finden war. Shiva ist halt ein Gott, fing er dann an….aber seine Familie seien ja Vaishnavs, also Followers von Vishnu.
Das beantwortet zwar nicht meine Frage, aber irgendwo schon. Das ist eine ganz andere Welt, sagt es, andere Sitten, anderes Denken, andere Rituale, andere Symbole auf der Stirn, anderes Denken, andere Tempel.
Da unten sucht der Brahmane am Rand des Wasserbeckens entlang mit den Augen wieder nach Münzen, die Pilger manchmal ins Wasser werfen. Dann sieht er einen Mönch und gibt ihm einen 10-Rupien Schein. Was will ich sagen? Eigentlich will ich selbst in der Tiefe verstehen, wie einerseits vieles so interessant und anregend ist von den Menschen und ihren Ideen und ihren Wegen zu sein, mir andrerseits aber das Verstehen von mir selbst als das Wesentliche erscheint. Das hat was mit Gedanken zu tun, die man auch lassen kann, bzw auch zu lernen, wie man sie lassen kann, will man das Seiende ohne eigene Kommentare und Projektionen erleben. Was bleibt, ist der Blick, der zurückgenommene Blick, der in sich selbst ruht. Etwas sieht sich. Etwas sagt sich. Es sagt nein!, als eine Gruppe indischer Touristen mal wieder ein Gruppenselfiebild mit mir machen will. Es könnte ebenso gut „ja“ sein, no difference. Es geht mehr um Stimmiges und Angebrachtes als um Wahrheitsgehalte. Aber immer ausgleichen, ja! Hinter mir und vor mir rasen gerade Affen hin und her, von Hunden gejagt. Wachsam sein!
Dann steigt auf einmal schmerzhafte Säure aus meinem Magen auf und wandert hoch. Ich kenne das, es kann richtig peinigend werden. Zitrone!, fällt mir ein. Der Sadhu, der in der Nähe sein Lager hat, hat keine Zitrone, aber ein ayurvedisches Mittel gegen Magensäure! Ich esse sofort eine Tablette und 5 Minuten später ist alles wieder in Ordnung. Auf diesem Weg über die Erfahrungen hat die Zurücknahme der Gedanken für mich einen großen Reiz, eben weil der Blick frei wird und Entsprechendes zulassen kann. Beides ist wichtig, auch das bewusste, kreative, philosophische usw Denken. Aber eben auch schön: Dieses stille Einhalten an der Schwelle zwischen drinnen und draußen. Diese Konzentration darauf, nicht zu senden und nicht zu empfangen. Nur da sein. Kein Denken, also bin ich.

Wind

Heute früh: ratter-ratter an den Fenstern, an den Türen,. Was ist das?, denke ich. Es ist der Wind (das himmlische Kind). Anfang März auf einmal kühler Wind. Gestern 33 Grad, heute Jacke. Ich danke dem Umschwung, denn er ist auch in mir. Im Gegensatz zu früheren Mustern habe ich  meine Monkey-Trauma-Story öfters erzählt, sodass sie genügend ausgedünnt ist, um sich langsam aufzulösen.
Sakshi hat mich gestern besucht und nicht nur mir ihren zukünftigen Mann vorgestellt, sondern auch ihrem Vater, der ihn akzeptabel fand, nachdem er seiner Tochter erst einen großen plumpen Kerl anhängen wollte, nur, weil er einen Doktortitel hatte. Immerhin hat sie es geschafft, eine eigene Wahl zu treffen. Nun waren alle erleichtert und Vivek, der Zukünftige, meinte, es sei doch besser, wenn alle drumherum freundlich gestimmt sind., was ich nur bestätigen kann. Es gibt immer mal wieder Zeiten oder Vorkommnisse, wo man sich in latenter Spannung mit jemandem befindet. Die kann sich meistens in Wohlgefallen auflösen, wenn es Zeit dafür ist. Ich bin ja gerne auf dem Freundshaftspfad. Gelingt es, bin ich beglückt. Familien-und Yogapfad, so genial ich diese Ordnungen im indischen System finde, haben m.E. ihre ursprüngliche Bedeutung zu so einem Ausmaß verloren, dass die Frage wirklich angebracht ist, warum an den Strukturen so gehangen wird. Eine Antwort: es ist der Profit, den man davon hat, daran wird (u.a.) gehangen. Es soll ja ruhig auch Nutzen bringen, aber kein toter Ort für gefangene Geister werden. Freundschaft ist eine tiefe, menschlich verbundene Angelegenheit, bei der die Liebe und die Freude unter uns ihre Wunder vollbringen können. Man ist durch das Einzelsein im Gemeinsamen gut aufgehoben. Die Stunden vergehen, und man ist immer noch gerne da, weil Angenehmes geschieht. Ich finde ja Tempel sehr schön. Es sollte Tempel für die Freundschaft geben. Freundschaftstempel. Man geht hin und sitzt dort herum mit Anderen und pflegt oder kontempliert Freundschaft und Liebe gemäß aktueller Befindlichkeiten und authentischer Erfahrungen. Man kann Gedichte lesen oder drinnen welche schreiben. Kunstvolles könnte auch da stehen, aber nicht zentral wie eine „Murti“, ein Abbild. Es gäbe dann so Menschen wie ich, die da gerne täglich etwas herumkehren würden, weil es ihnen am Herzen liegt, dass es so einen Freiraum gibt. Ein Cafe sollte auch dabei sein, wo man sich erfrischen kann mit einfachen, guten Dingen. Freundschafts-Tempel in Deutschland…hihihohohaha. Diese Inspiration, vom Wind herbeigeweht, spricht mich an, weil auf diese Weise, und allein schon in Gedanken, das Wesentliche zum Vorschein kommt, das der Zeit enspricht: es ist das Menschliche, das unter bedrohlichen Interpretationen des sogenannten „Göttlichen“ vernachlässigt worden ist. Es ist das „Göttliche“, was auch immer man darunter verstehen mag, das benutzt worden ist, um die Vernachlässigung des Menschlichen (was auch immer man darunter versteht) zu übertünchen. Das gilt ganz sicher für Indien. Auch dem westlichen Menschen, der von den Religionen nicht persönlich so pflichtmäßig beansprucht ist, scheint oft etwas zu fehlen. Was fehlt? Hat man einmal sehr viel mehr als das, was man für dieses Abenteuer des Lebens wirklich braucht, Wünsche erfüllt, Süchte bedient, dann tauchen andere Fragen auf. Tauchen sie auf? Welche Fragen?

Das Bild zeigt zwei Freunde am Taubenfutterverkaufsstand.
Man sieht auch, dass der Wind das Wasser bewegt.

nachhängen


Da sitze ich und merke, dass nichts aus mir herauskommt.
Etwas hängt noch herum. Warten, bis gar nichts mehr da ist.
Der Helfer, der mich gestern zum Krankenhaus gefahren hat,
trabt viele Male vor mir her, eine Strecke nach links, dann
wieder nach rechts. Es ist sein Morgensport. Er kommt gar
nicht auf die Idee, dass es mich stören könnte. Da mein
Notizbuch heute öfters mal zu ist, nimmt er u.a. die
Gelegenheit wahr, mir zu erklären, dass sein Dienst an mir
gestern nur „humble duty“ war. Demütige Pflicht also. Hat
er auch gut gemacht. Nur ich muss mich neu ordnen. Ein
Sadhu, der mühsam zu mir hochklettert, will Bakshish. Ich
habe keine Lust auf Bakshish und halte eine kurze Rede über
die Untugend der Babas, uns Foreigners immer anzubetteln,
als wären wir die „crorepatis“ (Millionäre) der Stunde.
Warum er seine Arbeit nicht tue, füge ich unnötigerweis
hinzu. Er sagt, er will nach Vrindhaban (Krishna’s Ort),
und Bacchans, also heilige Lieder, würde er auch singen.
Schon bin ich erweicht, habe aber nur einen 50 Rupienschein,
das ist zuviel. Einen jungen Dabeisteher (immer steht ja
jemand dabei oder kommt dazu) frage ich, ob er nicht fünf
Rupien für den Baba hat, denn schließlich seid ihr ja beide
Inder und könnt einander helfen. Er ist verlegen.
Drinnen im Gepäck hätte er schon was – und weg ist er.
Inzwischen hat „HumbleJi“ auch seinen Sport beendet und
der Sadhu wandert weiter mit seiner stainless steel Bettel-
Schale. Das alles deutet lediglich darauf hin, wie ich selbst
drauf bin. Wenn ich jetzt das noch „Hängende“ willentlich
enthängen wollte, würde es noch schlimmer werden. Es
muss der Schreck in den Gliedern sein, denn ich kenne ja
schon den Auslöser. Aber die Aufmerksamkeit geht doch
immer wieder zu dem Angriff der Tiere.
Die Gewalttätigkeit des Angriffs. Das heißt, ich sitze
gar nicht ganz hier, etwas ist woanders unterwegs.
Zum Mittagessen mit Pankaj bringt er Mukhul mit, einen
indischen Freund, der in Texas lebt. Er hat vor 3 Jahren
seinen gut bezahlten Job hingeschmissen und ist „auf der
Suche“. In Tamil Nadu war er im Ashram des „Sadhguru“,
wo, wie ich höre, die phantastische Statue von Shiva steht,
von der ich im Beitrag ‚Shiva Ratri‘ ein Bild habe.
Hinreißend! Vielleicht bekomme ich mal heraus, wer sie
gemacht hat. Von dort hat er ein Video mitgebracht,
in dem Narendra Modi und der Guru eine Show abziehen
mit tosenden Trommelwirbeln und entfachtem Feuer- und
Puja-Taumel, und die beiden Jungs dazwischen in ihrem
Spieltrieb, schillernde Schals tragend und wallendes
Heiligenzeug, da kann man was lernen, ich weiß nur nicht
was. Mukhul hat eine Maschine mitgebracht, mit der man
testen kann, wann und wo man in Gedanken abdriftet.
Man soll 3 Minuten ruhig atmen und dann zeichnet das
Gerät auf, wo von 3 Ebenen man sich aufgehalten hat.
Da ich tatsächlich weder Gedanken noch Eingebungen hatte,
war ich nicht überrascht, auf der Gedankenebene keinerlei
Bewegung zu sehen, es war eher still, ruhige Linien.
Fand ich gut.

von Hindernissen und Affenbiss

 

 

…gleich hinter meinem gestrigen Beitrag „heiter“ nun „Hindernisse“…und genau so war es….gestern, wo ich angefangen habe , es zu schreiben, ahnte ich ja nicht, dass es weitere geben wird…so fange ich mal  gestern an und mache dann mit heute weiter….es ist nun ein sehr persönlicher Hindernis-Bericht, aber so ist es nun mal…irgendwo steckt sicher auch ein Tropfen Unpersönliches drin, aber muss auch nicht sein. Zu gestern also, was dann zu weiterem Heute führen wird:
Hindernisse kommen, kleinere Unfälle. Am Nachmittag bin ich über mein Gewand gestolpert. Mein Smartphone, mit dem ich grad so unauffällig wie möglich ein Photo von einer Frau machte, die im Schlamm nach Münzen wühlt (s.o.), fegte vor mich hin über den Boden. Da ich bereits ein anderes Mal über ein Kabel gestolpert war, obwohl schon eine Weile her, fand ich es trotzdem ein bisschen viel. Obwohl ich dieses Mal zum Glück keine Verletzung hatte, ist es doch immer ein kleiner Schock. Hilfreich war beides Mal ein geteilter Schrecken der Anwesenden und sehr freundliches Nachfragen und Kümmern. OhOh! Stolpern von Kalimata mit Smartphone! Oje oje! Aber auch dieses Gefühl, dass daran was „stimmig“ war. Dem Körper passiert manchmal was. Dann freut es einen, wenn es einem wieder gut geht, und man kann schauen, was vorher im Geist los war. Also im Raum vorher habe ich nach einem Gedicht gesucht, das mir wirklich gefällt. Ich schaute mal hier und mal da nach. Viellleicht war ich nicht in poetischer Offenheit oder suchte in falschen Zeiten herum. Dann fiel mir gar niemand mehr ein, den oder die ich lesen konnte oder wollte, und ich empfahl mir, nach draußen zu gehen. Auf der Suche nach einem geeigneten Flecken für meine Befindlichkeit bin ich dann ins Double-Du Ghat hineingestolpert. Es heißt eigentlich anders, aber ich nenne es immer so, weil dort mal Dabal Du lebte und ich den bewusst falsch gedachten Namen inspirierend fand. Heute also Stolpern am Double-Du Ghat. Verlangsamen müssen. Setzen. Überprüfen, ob alles in Ordnung ist. Ja. Leicht zitternd im Gebein weitergehen. Einen Ort finden, wo möglichst wenige sind. Ein bisschen auf Tauben schauen. Im Blick schon ein Hauch Abschied. Er schweift über das, was unzerstörbar scheint und immer da sein wird, auch wenn es sich wandelt. Ich bin’s, die nicht mehr da sein werde. Beschenkter und dankbarer Blick in die Runde. Verwundbar! Das Gerüst muss in Ordnung sein, um auf der Erde herumzugehen. Keine weiteren Narben hinzufügen. Dann bin ich doch noch in den Bazaar und habe mir die tragische Geschichte von „Prince“ (so wird er genannt) angehört, wie ihn die Rumänin betrogen hat nach Strich und Faden, wo er sie doch so geliebt hat. Er will es aufschreiben, ich ermuntere ihn, da auch ich schon angefangen habe, meine Hindernisse zu beschreiben und weiß, dass es gut tut. Einerseits ist es ja für Andere nicht so interessant, aber andererseits erfahren wir letztendlich doch sehr ähnliche Dinge, auch wenn es manchmal anders aussieht. Allerdings wusste ich heute noch nicht, dass ich nach meinem Rundgang einen anderen Beitrag einfügen musste, denn nun kam es dazu, dass ich mich heute früh fragte,  ob ich in einer Hindernis-Serie bin, da ich auf dem Weg zu meinem Sitz….hallo Märchenstunde!, ja!, tatsächlich von 5 rothaarigen Affen angegriffen wurde…nicht nur das, sondern ich konnte tatsächlich blitzschnell reagieren und in einen Tempel flüchten, der ein Gitter hatte, und zumachen!, während draußen diese Scheusale die Zähne fletschten! Einer hat mich gebissen…es ist jetzt ungefähr zwei Stunden her, ich fasse es selbst noch nicht ganz….dann habe ich einen Mann, der  in der Nähe des Retter-Tempels  Puja macht und von dem ich wusste, dass er ein Auto hat, gebeten, mich zum Krankenhaus zu fahren, und siehe! schon war ich dort bei Arzt und Spritze gegen Tollwut, vier weitere werden folgen. Dann hat mich der freundliche Herr noch zur Drogerie gefahren, wo ich Antibiotika kaufen musste. So sitze ich nun hier oben auf der Terasse und denke wow! Der Tempel hat mich tatsächlich gerettet! Wäre ich da nicht reingeflüchtet!!!! usw….AlokJi vermittelt mir dann noch, dass heute der Tag von Hanumann, dem Affengott, ist. Zum Glück darf ich hier laut lachen. Den Biss als Segen sehen? Gut. Abwehrstoffe bewegen sich in meinem Inneren, aber besser als Tollwut. Als ich die Affen gesehen habe, die auf schmalem Weg links und rechts von mir auftauchten, hatte ich eindeutig Angst. Ich hüte mich immer vor ihnen, sie gelten als gefährlich. Es war diese Angst, die sie zum Angriff gebracht hat, ganz klar. Was tun? Das Nötige tun und weitermachen. Dann außer den Spritzen noch Antibiotika schlucken. Kann ja nicht schaden, ermuntere ich mich im Angesicht des Unvermeidbaren.

Das Bild ist auch ganz schön geworden….