Monat: Januar 2022
Antonio Machado y Ruiz
Wanderer, deine Fußstapfen
sind der Weg und nichts sonst.
Wanderer, einen Weg gibt es nicht,
den Weg machst du beim Gehen.
Beim Gehen machst du den Weg,
und blickst du zurück,
so siehst du den Pfad,
den du nie mehr wieder
betreten musst.
Wanderer, einen Weg gibt es nicht,
nur Wirbel im Wasser des Meeres.
Erwärmung
Ein Bild aus Indien, man möchte förmlich den Duft des Landes einatmen. Doch der Text dazu ist nicht zum Einatmen geeignet. Es geht um Erderwärmung und eine Landschaft, in der es sehr lange schon so heiß ist, dass sich die Kohle unter der Erde als Feuer entfacht und den Menschen das Leben zur Hölle macht. Der Ausstieg aus der Kohle ist, so sagt es, an Indien gescheitert. Immer wieder erinnere ich mich selbst daran, dass wir den Kipppunkt unserer menschlichen Existenz bereits erreicht haben. Das ist nicht neu, das läuft schon lange, und wie immer kommt es darauf an, wie man es sieht oder sehen möchte oder sehen muss, wenn es nicht mehr geheimgehalten werden kann. Aber auch das geheime Halten geht weiter, das Aufrechthalten der Tier-und Menschenquälerei geht unaufhaltsam weiter, und natürlich gehen auch die großen Bündnisse der Wohlmeinenden und Gutestuenden und menschliches Leid Begleitenden weiter. Hält sich das noch die Waage? Irgendwo stand der Satz, bzw. die Frage „Reicht es nicht, ein Mensch zu sein?“ Man lässt einen Nu das eigene Denken los und schweift um die Frage herum. Klar reicht das, möchte man meinen, doch man kommt nicht weit. Es sind doch alles Menschen, weiß man, und die Skala ist an Immensität nicht zu überbieten. Jeder und Jede ein Mensch, und niemandem kann man den Titel aberkennen. Es wäre dann sinnlos, auf die Frage zu antworten. Sie ist also komplexer und führt zur Definition des Wortes „Mensch“. Und was meint man genau mit „menschlich“? Nun habe ich das T-Shirt, das ich mir wie viele Andere in Indien erstanden hatte, fast vergessen, aber da steht es auf vor meinen Augen. Auf der einen Seite steht „Human being“, auf der anderen Seite „Being human“, den Kern der Sache so trefflich auszudrücken nur in Englisch möglich. Da spürt man die Veränderung, die mit einem geschieht. Einerseits ist jede/r ein Mensch, andrerseits ist nicht jeder Mensch automatisch menschlich. Menschlich werden scheint zumindest eine der lichteren Aufträge, die man sich selbst als Mensch geben kann. Man kommt nicht herum, es für sich selbst zu definieren. Das Menschlichsein fordert einen heraus und befördert einen in eine Bereitwilligkeit, sich mit dem Aufenthalt auf Erden auseinanderzusetzen. Wie will ich sein und wer kann ich sein in Anbetracht meines mitgebrachten Gepäcks, meinem Schicksal, meiner sich ständig neu formierenden Einstellung zu ihm. Menschlich zu werden oder zu sein verlangt von einem eine Bereitschaft zum Reifeprozess, zu angemessenen Entscheidungen, zum Umgang mit der geistigen Freiheit, die sich nicht automatisch entwickelt, sondern mit ziemlich viel Mühe verbunden ist und mit sehr viel Navigieren im Ungewissen. Denn hier kommt zum gründlichen Denken ja noch der Raum dazu, durch den sich das Menschliche bewegt und als solches immer in Gefahr ist, zerbrechlich und scheu, wie es nun mal ist. Das Menschliche fühlt sich dem Sein verpflichtet, oder vielleicht ist das Menschliche identisch mit Sein. Nun sind das alles erst einmal nur Begriffe. Wie sie sich zu Seinsgehalten entwickeln, das müssen wir selbst schauen, allein auf weiter Flur. Aber auch das nicht. Überall gehen wir weiter und kontemplieren und setzen um, was uns möglich ist. Das viel zu Beschäftigte eindämmen und zur Ruhe bringen. Tun im Nicht-Tun.
wundern
Nach dem Wust an dunkelumwölkten Nachrichten, denen man sich selbst über karge 3 Minuten Zufuhr aussetzt, und nach einer Reihe von geistigen und körperlichen Unbefindlichkeiten meinerseits, die durch Anhäufung unnützer Gedanken entstanden waren, konnte sich der ansonsten eher plump klingende Satz „Es ist anders, als man denkt“ zu einem Realitäts-Check entwickeln und durch günstige Verläufe endlich ein Ende finden. In diesem Sinne hatte ich eigentlich vor, heute früh ein ungeschminktes Photo vom Himmel in seiner steten Gräue zu machen, nicht ohne einiger Poeten zu gedenken, die wohl u.a. auch an diesen Himmeln gescheitert waren. Aber siehe da: ungewohnte Erhellungen zeigten sich am Firmament, was zu tiefem Durchatmen anregte. Vorgestern war ich zum ersten Mal gezwungen worden, mich testen zu lassen und stellte mir eine endlos im tröpfelnden Regen wartende Menschenschlange bis an den Rand der Straße vor. Dann aber war es so leer, dass wir Wenigen nur auf den Ausdruck des Resultats warten mussten, von sehr freundlichen Menschen gereicht. Wohlwollend fielen die Augen auf das erwartete Wort: negativ, hier mal mit positiver Konnotation. Das bringt mich erst einmal zu dem, was frei von Wundern ist. Der Papst zum Beispiel, von jemandem als weißer Elefant benannt, den sich keiner traut zu beflecken. Und nun hat die öffentliche Befleckung dennoch stattgefunden, und ich denke an viele Geschichten aus den religiösen Kreisen Indiens, in denen es nicht besser aussah, und auch dort den Heerscharen der Opfer keinerlei Gehör geschenkt wurde, sondern alles wurde verdreht und versteckt und im finsteren Bündnis mit Anderen gutgeheißen. „Jetzt austreten?“ fragt es auf der Titelseite der Zeitung, und ja!, rufe ich da herzhaft und vermutlich wirkungslos ins All hinein, ja! Austreten! Aufhören, was nie mehr geflickt werden kann. Mit was für einer Substanz soll da eine neue Institution aufgebaut werden können, wenn es noch nicht einmal ein Vorgestern gibt, wo etwas aufhört, sondern das läuft doch einfach weiter, weil die Missstände noch weiter und dann noch weiter zurückliegen. Und auf all das dann die grotesken Gewänder, die hohen Hüte und der Hirtenstab. Weg mit dem Zirkus, denn der Abgrund der Bedeutungslosigkeit all dieser Einrichtungen ist doch bereits erreicht. Die Followers sind gefragt sich zu überprüfen, u.a. auch, um dem immerhin gut informierten und daher wacheren Bewusstsein etwas gerecht zu werden und das nicht aus kindlichen Bedürfnissen heraus zu missachten, nur, um keine Eigenverantwortung übernehmen zu müssen. Natürlich kann man auch einfach ab und zu mal erschrecken in der Vorstellung, wie viele durchaus krankhafte Gehirne sich durch das Daseinsgewebe bewegen. Das alles also bedenkend, sitzen wir dann beim Frühstück, bereits erstaunt über die blauen Flecken am Himmel. Doch dann werden wir verzaubert. Sieben Rehe, die wir noch nie gesehen hatten, betraten unseren Garten. Und eines war weiß. Ein weißes Reh. Das macht doch was mit einem. Auf schnellstem und mühelosestem Weg erreicht man das eigene, ursprüngliche Kinderauge. Hemmungslos strömt das Entzücken über die Macht der Natur, so als hätte man vergessen, wie sie einen durchtragen kann durch so manches Beschwerliche. Und diese Wesen, die irgendwo wohnen und einfach nur sind, was sie sind!
weitreichend
Seht hier: eine Flotte.
Majestätische Schiffe, so weit
das Auge reicht. Es reicht weit.
Und zeigt keine Erschöpfung.
Boote, Yachten, Schiffe, alle
unterwegs zur Küste hin,
zur Küste. Alle unterwegs
nach dem Ei in der Wüste.
Die Kraft des Gemäßigten und
des Gebändigten öffnet das Tor.
Wir werden erwartet. Wir
werden begrüßt und eingeladen
zum Miteinandersein.
Vielleicht kann das nicht mehr
beschrieben werden, das ist gut.
Und ganz ohne förmliches Zutun.
Auf dem Deck ist es leise.
Ich bewege mich lautlos voran
und bin froh, dass mein
herumstreifendes Auge auf
fließende Bewegungen fällt.
Dann das Ufer.
Die Sphinx starrt mich an.
Starrt mich an.
Wir kommen dem Rätsel näher.
Wir sind ganz nahe.
Sind dran.
Docken an.
Steigen aus.
Sand und Licht,
das bereitwillig scheint.
Geist, der bereitwillig eint.
Gemeinsames Land in Sichtweite.
lautlos voran
Tonart
Es rasseln die Säbel, es klirret mal wieder der Stahl. Der russische Zar fühlt sich in die Enge gedrängt, also missachtet, also gefährlich wird es dann für uns alle. Die Herren auf den Hochsitzen wiegen sich noch erstaunlich häufig in der Illusion, ein herrliches Geschöpf zu sein, das ist allerdings bekanntlich auch ein paar Frauen passiert. Und das dürfte damals keine Bagatelle gewesen sein, wenn es um die freiwillige Amputaion der linken Brust ging, damit die Waffe besser Platz hat. Es gab auch Zeiten, wo die Heldenrolle herzhaft von allen angestrebt wurde, und immer ging es um viel. Aber selbst in dem Epos der indischen Mahabharata kommt einem so einiges lächerlich vor, oder wer liest sich begeistert durch das Schlachtgetümmel der Ilias. Wir wissen jetzt, dass im Menschen der Kampfgeist steckt. Fragt sich nur, wo er oder sie ihn hinlenkt. Auch der Kampf gegen die Viren ist ein Schlachtfeld, und es ist ja nicht so, als würden die Götter in Weiß nicht an ihren Ausübungen heldenhaft verdienen. Vieles davon ist vorhersehbar, bis wir, bewusst oder unbewusst, in eine Zeit, unsere Zeit, hineingleiten, wo das Nichtvorhersehbare sich ins Bewusstsein drängt. Wie, man hat nur den Moment? Klar, was hat man denn sonst. Denn genau in diesem Moment lässt sich doch alles entscheiden, verändern, bestimmen, beleuchten, erspüren, verhindern, oder was auch immer vom lebendigen Moment gefordert ist. Das ist doch die vergessene Heldenreise, wenn es darum geht, die Prüfungen zu erfassen und sie angemessen zu bewältigen, damit für einen selbst und andere so wenig Schaden wie möglich entsteht. Darum habe ich das nie ganz verstanden, dass Krishna, der indische Gott der Liebe, dann auf einmal den Streitwagen lenkt und Arjuna unterstützt im Krieg gegen die eigene Familie. Schicksalsbestimmt sei das alles, und unausweichlich das Schicksal der Einzelnen. Darüber kann man streiten. Allerdings soll er (Krishna) in der Mitte dieses Kampfes die Säulen des Yoga gelehrt haben, was immerhin auf einen tieferen Sinn hindeutet, mit dem man sich befassen kann. Und natürlich können wir Putin gar nicht verstehen, der sich außerdem noch mit russisch orthodoxen Patriarchen berät und nie werden sich die Schleusen zu solchen Kammern öffnen. Oder doch? Ist die katholische Kirche nicht gerade in die Knie gegangen mit dem unredlichen und schicksalshaften Ende der Unfehlbarkeit des Papstes. Zu viele sind in Versuchung geführt worden. Der Herrgott hat es ganz offensichtlich nicht verhindern können. Was sollte er auch machen, wenn es ihn gäbe. Natürlich soll er auch gegeißelt haben und sehr wütend geworden sein. Halt wie Menschen, die nicht wollen, das alles an ihnen klebt. Das schwierige Leben. Die begrenzte Zeit. Die Suche nach den Richtlinien. Die fehlenden Vorbilder auf den Friedhöfen der Heldentode. Vorbei. Darin liegt eine Chance. Kommt jetzt darauf an, wer mit wem redet, und wie, und warum. Denn wie gesagt kann man jederzeit den lebendigen Moment ergreifen und das Unkalkulierte hervorbringen. Es kommt auf den Ton an. Wir werden sehen.
förderlich
Der Film „Die Wannseekonferenz“ lief also gestern Abend im ZDF zur Hauptzeit und es wäre interessant zu wissen, wie viele Bürger und Bürgerinnen ihn gesehen haben und ob und wie und was darüber geredet wurde. Ich persönlich schätze Filme, die mich noch aus einer gewissen Distanz betrachten lassen, aber nur, um meine eigenen Gedanken dazu entwickeln zu können, also Filme, die weniger zum Miterleben als zum Nachdenken anregen. Es blieb nicht aus, dass man sich diesen Konferenztisch mühelos wieder mit neuen Figuren denken konnte, die bereits auf politischen Bühnen agieren. So hätte unter den exzellenten Schauspielern Björn Höcke einem vermutlich noch mehr Schauder über den Rücken gejagt, wenn der lauernde Sadismus in dieser Form politischer Überzeugung einem allerdings auch s o nahe genug kam. Was kommt nahe? Nicht nur, dass es wieder passieren könnte, sondern dass einige Weichen immer gelegt bleiben für den Ausbruch solcher, meist männlicher Gelüste. Denn Gelüste sind es doch in so ziemlich allen kränklichen Ausgeburten, diese Selbstüberschätzung, diese Anmaßung, Besseres und Höheres zu sein. Was Ausgewähltsein und Posten ins Spiel bringt, die unbedingt den Wert des Lebens ausmachen sollen, bis die Verblendung ein Erwachen aus dem Alptraum kaum mehr ermöglicht, obwohl es auch in dieser unseligen Geschichte Formen von Erwachen gegeben hat. Und Scheitern in dem Bestreben, dem ganzen Grauen ein Ende zu setzen. Bis dem entgrenzten Spiel dann doch ein Ende gesetzt wurde, von außen wohlgemerkt, nicht von innen. Und dann die Amerikaner, die den Deutschen das Recht auf Rückkehr zur Menschlichkeit nicht ganz verbauen wollten, und ich erinnere mich selbst noch an riesige braune Papiertüten aus dem PX, aus denen übergroße Schokoladentafeln ragten. Den Gedanken, dass einem „bösartige“ Menschen auch leid tun kennen, kenne ich aus Indien. So wird Ravan, einer der bösesten unten den Widersachern, immer noch Respekt gezollt für das, was er auch noch ist, eben ein Herrscher im eigenen Königreich, etwas albern aus heutiger Sicht gesehen. Das ganz neue Problem auf dem Planeten ist ja die ungeheure Zufuhr an intelligenten Informationen, die ein Bewusstsein erzeugen, das nicht mehr kanalisiert werden kann. Ein 18-Jähriger kann sich den Zugang zum Darknet verschaffen und dort für seine misslichen Zustände eine Knarre kaufen, um noch ein paar mitzunehmen in den gähnenden Abgrund. Immer wieder muss und wird es eine Grenze geben, wenn die sich aus dem ganzen Vorgang des Daseienden gestaltete Realität eine Form annimmt, der es entweder gelingt, die Tendenzen der Selbstzerstörung zu steuern, oder aber die Hebel der Zerstörung in Gang setzen. Unruhig beobachten wir wieder einmal die militärischen Bewegungen an den Grenzen der Ukraine. Man merkt, dass man es sich in friedlichen Zeiten nicht vorstellen kann, dass dieser delikate Friede nicht für alle Länder genug bedeutet, um ihn zu erhalten. Wobei es ja auch irgendwo immer Kriegszustände gibt, oder überhaupt Zustände, die man sich nicht vorzustellen wagt, weil sie einen verzweifeln lassen können an der Fähigkeit des Menschen, menschliches Leben würdevoll leben zu können, bzw. Andere es leben zu lassen wie sich selbst. So bleibt es keiner Generation erspart, die dunklen und die hellen Kräfte in sich in eine förderliche Balance zu bringen, und vor allem „förderlich“ für sich selbst zu definieren.
grenzerweiternd
Auf meinem Schreibtisch steht dieses kleine Kupfergefäß aus Indien, an dessen einer Seite ich neulich diesen Totenkopf erscheinen sah. Obwohl ich vorziehe zu sehen, was wirklich da ist (soweit das überhaupt möglich ist), so faszinierend fand ich auch immer die Möglichkeit, das sich auf geheimnisvolle Weise verdichtende Etwas zu entdecken, das aus einer vorbeitobenden Wolke ein episches Drama herausbilden kann. Denn sobald man den Streitwagen erkennt, erkennt man auch die Profile, da diese kühnen, künstlersischen Entwürfe sich an keine Größenordnungen halten müssen, weiß man doch um die direkte Wirkung der Sicht auf das subatomare Feld. Und wie viel freier sind Wolken und vom Monsoon vorgefertigte Mauern als Bildschirme, von denen man derart Lebendiges nicht erwarten kann. Allerdings sieht man auch hier nur, was man kennt, sonst kann man es nicht wahrnehmen. Es gab doch dieses schöne Beispiel einiger im dörflichen Leben verankerter Afrikaner, denen man ein Video aus New York vorspielte. Man fragte sie nach dem Grund ihres schallenden Gelächters, und sie sagten aus, vor allem Hühner gesehen zu haben. Und obwohl die Weltsicht von vielen Seiten her durch Gesetze, Kulturen und Übereinkünfte usw. stabilisiert wird, sieht jeder Mensch es noch einmal anders, denn er steht nur an einem Ort, an dem kein Anderer oder keine Andere stehen kann. Außerdem steht hinter den Augen das ganze Material zur Verfügung, mit dem ich mein Sehen geschult habe. Interessant fand ich in Indien, dass z.B. Brahma, der Schöpfer bei aller Unterschiedlichkeit sonstiger Götter, dem christlichen Schöpfer total ähnlich sah, und es erleicherte so manchem Foreigner auch den Transit von einem zum anderen. Man war überzeugt, dass es ihn schon deshalb, wegen dieser Ähnlichkeit eben, wirklich geben müsste, wobei eher anzunehmen ist, dass sich jede/r einen gütigen Papa wünscht, der für die Menschheit nur das Beste im Sinn hat.Einmal wurde ich von einer Familie aus der Provinz Sindh in ihren Tempel geladen und sah dort, wie sie den Kopf des hinduistischen Gottes einfach mit dem Kopf ihres Gottes ausgetauscht hatten, nicht, dass es jemanden gestört hätte. Man weiß einerseits, dass „not five fingers the same are“, andrerseits weiß man, dass es in letzter Konsequenz auf dasselbe hinauskommt, wenn eines schönen Tages die Fixierung auf duales Denken transzendiert ist und das Einssein des Ganzen wahrgenommen werden kann. Es hatte auf jeden Fall etwas Grenzerweiterndes, wenn man das alles eine Weile in seinem makellosen Irrsinn zulassen konnte. Aber nun sitzt man, vielmehr ich sitze im Westen und habe mir am Wochenende den Film „Die Wannseekonferenz“ angesehen. Das Konferenzgebäude ist immer noch dasselbe wie damals, wobei es in einem anderen Damals einem jüdischen Unternehmer gehörte. Da passt nun wieder das Bild auf meinem Kupferkesselchen ganz gut dazu. Das Knirschen der Räder auf Kies kann auch in mir noch ein Schaudern erzeugen. Männer, die sich einer hohen Aufgabe verpflichtet fühlen, der Vernichtung und vollkommenen Auslöschung allen jüdischen Lebens. Zum Glück merkt man manchmal, wenn man keine Worte mehr finden möchte. Dann kann selbst ein Bild, das es nicht wirklich gibt, Aussage machen über ein Geschehen, dass es unleugbar gab, und das vor ein paar Jahren.
Raimundo Panikkar
Die indische Grundhaltung zielt auf das Sein hin und beruht auf der Annahme, dass dieses Heil mit der vollkommenen Realisierung des Erkennenden zusammenhängt.
Der Hauptsinn des indischen Lebens besteht nicht primär darin zu erfahren, was die Dinge sind oder was Erkenntnis heißt, sondern Erkennender zu werden. Der Erkennende aber kann nicht erkannt werden. Würde er erkannt, würde er aufhören, Erkennender zu sein und würde ipso facto in das Erkannte verwandelt. Es handelt sich nicht darum zu fragen, was der Erkennende ist, sondern was es heißt: Ich bin der Erkennende.. Das lässt sich aber nur wissen, wenn ich auch der bin, der heißt: „Ich bin“. Das schließt jede Objektivierung, aber auch jede Subjektivierung aus.
to follow or not to follow
Humor aus Indien
Könnte man follower vom Humor werden, würde ich mich vielleicht freiwillig melden, aber zum Glück funktioniert es ja nicht so, denn der Humor lebt auf freiem Fuß und macht was er will, und kann sich darauf verlassen, dass man sich freut, wenn er sich meldet oder einem zugepostet wird. So sieht man auf dem Bild auf schlichteste Weise den Abgrund dargestellt zwischen Idee und Wirklichkeit, der sehr dunkel sein kann, dieser Abgrund. So bekomme ich einen Anruf von einer jungen Frau, die (u.a.) Deutsch studiert, mit der ich viele Texte durchgegangen bin, und dann der Tee, dann manchmal andere Themen. Sie ruft mich an und erzählt mir, dass die ganze Familie sie drangsaliert und zum Heiraten zwingen will. Sie kennt schon jemanden, den sie heiraten möchte, und günstigerweise kommt er sogar aus derselben Kaste. Aber nein, meinen die Eltern, selber wählen geht nicht, die Eltern wählen, die kennen, so meinen sie, ihr Kind besser als das Kind sich selbst. Sie will aber nicht und lebt nun praktisch als Nervenbündel unter denen, die zu wissen meinen, was besser für sie ist. Wir planen einen Ausweg, und man muss schauen, ob er sich umsetzen lässt. Die großen Moralapostel wie Moses und Manu (z.B.) dürfen von mir aus gerne auch mal überprüft werden, denn vielleicht braucht die Frau ja irgendwann einmal keinen Gott oder Ehemann oder Bruder oder Sohn mehr, der die Sachen für sie regelt, und es kann sich als durchaus günstig herausstellen, wenn man den Anfängen erfolgreich gewehrt hat. Und ebenso, wie ich mich freue, dass ich mich an der Impfdebatte nicht mehr beteiligen muss, weil ich mich entschieden habe, freue ich mich darüber, dass ich aus der Kirche nicht austreten muss, denn ich war nie in ihr drin. Unheimlich und finster ist ihre dumpfe Verlogenheit, wobei ich mich jetzt selbst an die Kandare nehme, damit es nicht zum Kotzen kommt. Dabei eruptiert hier vor unseren Augen ein wahrer Vulkan mit Eigenlicht, durch das man bis ins Zentrum des Vatikans blicken kann, wo sich die Unfehlbarkeitslüge des Papstes beschämt aus dem Saal schleicht. Ich bedaure keine Sekunde, dass ich auch einmal den Antrieb hatte, so hoch wie möglich mit Gedanken und sehr intensiven Gefühlen die elitären Räume geistiger Hochleistungen als meine tägliche Praxis zu betrachten, in der der Neigung zu simplen Ermüdungen nicht mehr Rechenschaft getragen wurde. Es brachte einen erst dadurch in die Möglichkeit, einen bisher ungekannten Weg zu gehen, der seine eigenen Bedingungen vorgibt. Nun aber bröckelt das Weltbild, und froh ist man, wenn die Füße den Boden der Erde wieder spüren können, da warte ich doch gerne noch ein Stück auf den Sommer, denn der kommt bestimmt, was auch immer das für uns alle bedeuten mag, und wenn wir noch da sind.
messen
In allen Bereichen des Daseins bietet einem das Lebendige ständig Überraschungen an, und man ist mal hier, mal dort mit mehr oder weniger innerer Intensität beteiligt. Zum Beispiel fand ich Amerika für mich, als ich mit sechzehn Jahren dorthin meine erste Reise machte, sehr spannend, und frei kam es mir vor, obwohl mich Autofahrer einmal beschimpften, als ich mit einem farbigen Studenten der Stanford University von dort aus irgendwo hintrampte, denn wo unsere Freunde lebten, gab es diese Diskriminierungen eher selten. Zur Zeit verlagert sich das erlahmende Interesse am amerikanischen Tun eher auf die Frage, wie lange es wohl noch dauern wird, bis es gelingt, Donald Trump zur Rechenschaft zu ziehen für Machenschaften, für die andere schon längst im Knast sitzen würden. Allerdings ist es auch schon ziemlich spät auf der unsichtbaren Uhr, die den kosmischen Gongschlag einleitet, wenn er gebraucht wird. Trotzdem ist alles, was mit der Angst angemessen umgehen kann, immer ein gutes Zeichen. Die Angst fühlt sich im Meditationsraum genauso zuhause wie neben Putin. Man würde seinen Worten gerne glauben können, kann man aber nicht. Fiebriges Denken ist die Folge. Wird er oder wird er nicht? Und was dann. Immerhin sind wir nur ungefähr 900 km von der Grenze entfernt. Also ein bisschen Katz und Maus, mal hin, mal her, denn auch Putin muss natürlich herumgrübeln, ob er das will oder nicht, oder ob das mit dem Militärübungswitz nicht auch schon zu spät ist. Die Inder, oder besser die paar (wenigen) Hindus, die sich noch in den ziemlich hochqualifizierten Schriften auskennen, könnten sich jetzt zurücklehnen und müde lächeln, denn sie wissen es ja schon sehr lange, dass im dunklen Zeitalter des Todes die verfügbaren Throne von falschen Leuten besetzt sind. Nur was hilft’s, wenn nur ein paar Inder das wissen. Immerhin gibt es in ihrer Finsternis einen Lichtblick. Der ist im Gegensatz zur Schwärze des menschlichen Verhaltens sehr klein, aber dennoch birgt dieser Blick ein Leuchten in sich, denn irgendwann ist auch die Scheußlichkeit ausgereizt und kann mit nichts mehr gesteigert werden. Wir sehen die Institution der Kirche im Dreck versinken. Selbst am Heiligen Stuhl frisst sich der Schimmel durch. Das habe ich auch in Indien erlebt. So lange auf alle Arten und Weisen hingeschaut, bis tatsächlich alles sich als leer und bedeutungslos entpuppte, eben genau dann, wenn man das Leuchten wieder wahrnehmen kann. Nicht in Ländern oder Religionen oder den politischen Deals, nein, sondern in sich, denn nun ist man stocknüchtern und stellt mit einer Pfauenfeder keinen Bezug zu einem Liebesgott-Stirnschmuck mehr her. Man lässt das Wundern und die Wunder und die Verwundungen ihre Arbeit tun und wendet sich der eigenen zu, so gut man es eben kann, und siehe, das ist manchmal schon ganz gut, gemessen an der kleinen und an der größeren Latte.
hier
Hier sind Begleiter.
Ihre Sprache weist hin
auf die Gärten des Augenblicks,
wo das Geliebte sich findet.
Dort trifft, ohne Widersacher,
das Selbst die Vorboten des Leisen.
Staub des Vergessens
Sicherlich ist es für alle jeweils Lebenden immer gleichermaßen schwer zu erkennen, in welchem Akt des Weltendramas sie sich gerade befinden, da wir ja mittendrin stecken und uns die Übersicht fehlt, die dann durch große nachfolgende Werke durchdacht und durchschaut und reflektiert und kommentiert wird, sodass die Nachfolgenden ahnen und lernen können, wie das wohl war, als zum Beispiel der große Worthervorbringer im Alten Ägypten noch die Kunst der Materie-Manifestation über die präzise Aussprache der Begrifflichkeiten ausübte. Aber man weiß nicht, ob es ihn wirklich gab (ich habe das früher in meiner jugendlichen Ägypten-Phase bei Schwaller de Lubicz gelesen und fühlte mich dort sehr zu Hause). Ein tiefes schweigendes Geheimnis liegt bis heute über dem, was man wirklich gerne wüsste. Ich war mir sicher, dass ich mit meinen eigenen nackten Füßen irgendwann über die Steinfliesen des „Temple of Man“ gehen würde, um eigene Erfahrungen zu machen. Aber die Chance, dort mal allein herumzuwandern, wurde immer geringer, und die Gefahr für die geistige und körperliche Unversehrtheit zuweilen bedrohlich. Aber mal sehen, kann ja noch alles kommen. Die Corona-Zeit bot und bietet natürlich besondere Chancen an, aber genau in den wenigen Kulturen, die ich noch gerne besuchen würde, möchte ich nicht maskiert sein. Zuweilen stockt einem der Atem, wenn man bedenkt, wie viel Großartiges einfach verschwunden ist. Auch etwas, was noch da ist, kann auf einmal verschwunden sein. Es verschwindet, wenn der Geist, der es belebt hat, nicht mehr existiert. Natürlich arbeitet die ganze automatische Weltorganisation daran zu erhalten, was erhaltbar ist, jeder in seinem eigenen Maß. Alles, was sich draußen und drinnen bewegt, sieht erstmal lebendig aus, wer will es leugnen. Doch was ist ‚lebendig‘? Hängt es (immer noch) vom Geist ab, der die Materie durchströmt, und welcher Geist setzt sich durch in einer Zeit. Überdrüssig verfolgen wir den Omikron-Zirkus, und gerne verzichte ich auf die Stimme von Herrn Lauterbach, der seine Bestimmung gefunden hat in der Wellenreiterei. Ein gefährlicher Bursche, der schon die fünfte Welle ausruft, und wer wird ihn aufhalten mit seinem Verkündigungssprachrohr. Man muss sich auch hüten können vor den Zeichen der Zeit, damit man nicht plötzlich denken könnte, der will sicherstellen, dass alle bestellten Impfdosen auf jeden Fall in den Mann und die Frau und das Kind kommen. Und dass wir Geboosterten auch bald wieder dran sind sowie die Genesenen. Eine ungesunde Welt! Lieber noch an ein Gerücht aus der uralten Zeit denken, diesmal aus Indien, wo mir mal berichtet wurde von einem brahmanisch gebildetetn Brahmanen, dass es außer den vier berühmten Veden noch eine fünfte gibt, die aber nicht in Schrift exisiert. Nein, sie ist Veda selbst und höchstpersönlich, das Wissen an sich also, das immer da ist und niemals verschwindet, nur zuweilen versinkt im Staub des Vergessens, bis es selbst sich wieder meldet und das Spiel wie durch einen Windhauch in seine inhärenten Ordnungen navigiert, was zur Folge hat, dass Spieler und Spielerinnen erwachen und keine Wahl mehr haben als ihren selbst erzeugten Platz einzunehmen. Das nackte Leben also sichtbar wird in seiner unerbittlichen Präzision. Nichts Neues, könnte man auch sagen. Oder doch?
suchen
Ist es der Nachtschratt oder die Sehnsucht nach der Verführung der Beflügelung, oder schwingt sich hier ein erschöpftes Augenpaar durch das Virengewirr der Entzündungen, wir wissen es nicht. Was heißt hier: wir? Ich kann ja nicht erwarten, dass sich jemand außer mir darüber Gedanken macht, was und warum und zu welchem Zeitpunkt etwas in mir sich ausdrückt. Einerseits ist es konzeptlos, andrerseits bietet genau die Unweigerlichkeit des Ausdrucks die Möglichkeit, noch nicht Gewusstes (von sich) zu reflektieren. Wenn man im Luxus dieser Zeiträume lebt. Immer wieder habe ich mich selbst erkennen lassen müssen, dass kein einziger Blick auf die Welt das Daseiende erfassen kann, wie es wirklich ist, weswegen es nicht von ungefähr das Illusionäre genannt wird. Eine tiefere Schicht der Wirklichkeit kann durch das Ergründen der eigenen Wahrnehmung geschehen. Will ich das ernsthaft angehen, muss ich, oder vielmehr: ist es ratsam, den Arbeitspfad des Bäckers einzuschlagen und Schritt für Schritt erst einmal zu studieren, auf wieviele verschiedene Arten Brötchen gebacken werden können, bevor ich mich der Schöpfung des eigenen Brötchens zuwende. Als ich (damals) lernte, die ersten Yoga-Brötchen zu backen, traute noch keine meiner Lehrerinnen (ich hatte vor allem Lehrerinnen, deswegen war ich dort) uns Geschöpfen aus dem Westen zu, die inneren Zustände sachgemäß analysieren und einordnen zu können. Sie erlebten diesen Mangel an Zutrauen erst durch uns, denn viele von uns waren widerspenstig und denkgeschult und sahen sich nicht als lediglich Mitmachende, während es mit den indischen Praktizierenden selten Probleme gab, denn sie waren das Folgen gewöhnt und vertrauten weiterhin darauf, dass der dunkle Korridor des Folgens letzendlich zu einem Lichtpunkt führen würde. Da erkannte ich eines schönen Tages zu aufgeweckter Morgenstunde, dass ich für die Weiterleitung dieses Brötchenbackens nicht mehr geeignet war. Die Achtung blieb erhalten, vor allem für die tausenden von stillen Stunden, die man in wunderbaren, architektonisch extra dafür hergerichteten Räumen verbringen konnte in einer tiefen und freien Verbindung mit den Anderen, die ansonsten schwer zu erleben ist. Denn es braucht das authentische Interesse an mir selbst. Nicht für das, was ich schon weiß, denn das führt allzu leicht in die Ich-Verhaftung, eine andere Form der Begrenzung, sondern das Wachhalten des Bewusstseins für das, was ich noch nicht aus mir zutage gefördert habe, das ist doch das lebendige Abenteuer, ist es nicht so? Ich weiß nicht, wann ich anfing, mich dem gewachsen zu fühlen. Es war auch zweifellos die einzige Kunst des Erwachsenseins, die mich ansprach. Hier konnte man reifen, indem man zu sich kam. Irgendwann muss das in Indien, im Land der Milliarden Augenpaare, die alles, was sie zu sehen glauben, aufmerksam sehen, jemandem aufgefallen sein, wie friedvoll das Beisichsein ist, und oft beim Sitzen schließt man ja dann genussvoll die Augen und kann sehr wohl verblüfft sein darüber, wie schnell die Welt verschwindet und nun die innere Welt in den Vordergrund rückt. Nun sitzt gerade dort oft die Angst, ja was hat sie denn dort zu suchen?
leiden
Das Leiden gehört ja dazu, wie man gerne sagt, so wie vieles, was man lieber nicht erleben würde, hat aber keine Wahl, denn es ist da. Obwohl es, das Leiden, unendlich viele Gesichter hat, so wurden und werden auf Bühnen oft Masken verwendet, um diese Gefühle auszudrücken. Sie sind also erkennbar, und oft machen sie untröstlich, denn selten kann man den Anderen ihre Last abnehmen, höchstens ein wenig lindern, oder dabei sein, wenn etwas Leidvolles geschieht, damit die Einsamkeit der Gefühle nicht überwältigt. Als ich gestern die Bilder aus den Flüchtlingslagern in Syrien gesehen habe, merkte ich, dass ich mich mit einem Stöhnen abwenden musste, denn das ohnmächtige Zuschauen ist auch eine Form des Leidens. Man fragt sich immer und immer wieder, wie das sein kann, dass Menschen, die die Macht haben, so ein Leiden zu ändern, es nicht tun. Das lastet doch immer noch auf uns, dass unsere Eltern oder Großeltern von einem Leid wussten, das sie nicht für möglich hielten, dann aber wohl doch. Und dann: was soll man tun, wenn man weiß, dass Leiden überall um uns herum ist, und wir müssen schauen, wie wir damit umgehen: mit der Blässe, mit der Traurigkeit, mit den Schmerzen, mit dem gelben, dem ausgrenzenden Stern auf Mänteln und Jacken, mit den Veränderungen des Alltags, die das Leiden mit sich bringt. Ich fand es schon als Kind ziemlich unglaubwürdig, dass Jesus, wie man schon im Kindergarten lernte, unsere Schmerzen auf sich nehmen könnte. Außerdem hatte er genug mit seinen eigenen zu tun. Vielleicht gab es in der gaffenden Menge am Wegesrand auch ein paar, die hätten ihm gerne geholfen, das schwere Ding zu tragen, aber die hatten vermutlich berechtigte Angst, in das scheußliche Drama mit hineingezogen zu werden. Es braucht Mut und Fähigkeiten, sich für Leidende einzusetzen. Nur wer entschlossen ist, sich über das eigene Leid und das der Anderen keine Illusionen zu machen, kann sich selbst bleiben, wenn es da ist. Man muss sich auf eine Kernsubstanz verlassen können, um nicht umgehauen zu werden von Formen des Leidens, von den emotionalen Formen und denen des körperlichen Leidens. Das braucht ja wenig, und schon eine starke Erkältung kann die Lebensqualität empfindlich einschränken. Bei meinem (persönlichen) Leiden wie das langsame Entschwinden von Indien, bevölkert der herbe Verlust schon meine Traumebene , und ich, hungrig nach jedem Faden der Erinnerung, muss mich auch daran erinnern, unter was ich bereits gelitten habe, als ich noch dort war und niemand ahnte, dass wir bald alle als Maskierte durch die Gegend gehen. Das Leiden weckt und ruft nach mildernden Mitteln, aber auch nach Handlungen, die eine Veränderung möglich machen. Daher kann es den Schlaf der Leidtragenden so gründlich stören, bis man den Umgang damit findet, oder auch nicht. Ich war mir des Leidens auf dieser Erde lange nicht so bewusst, oder war mir so sicher, dass es bewältigt werden kann. Manchmal kann es aber nicht bewältigt werden, dann muss man wissen, so präzise wie möglich, um was es einem geht. Dann braucht man BegleiterInnen, dann braucht man die Worte. Und alles andere, was noch über die Worte hinausreicht.
Brandi Carlile
Sa.
Der sagenhafte Sieg (und Sog) des Unsagbaren
Man könnte sich, es ist ja Samstag, also Einkaufs-und Wochendüberlebungstag, da könnte man sich vorstellen, dass ein neues Virus oder eine neue Virus-Mutantin in die Sphäre eintritt und nichts anderes bewirkt, als ihre Wirte und Wirtinnen zum Schweigen zu bringen. Aus allen Ländern hört man die Kunde, dass die Lust nach Worten versiegt ist. Manche erfahren die Wirkung der eintretenden Stille als ein Stehen in voller Freiheit, da alle Einengungen wie plötzlich verschwunden erscheinen, denn das erste, was sich verschiebt, sind die Grenzen. Wie wird man sich verständigen, wenn einem der Impuls der Sprache geraubt wird. Alles wäre auf einmal sehr laut, denn man würde ja weiterhin hören, was sonst noch alles geschieht, wenn Menschen nicht sprechen. Das Mailen und Kritzeln und Posten würde neue Rekorde verzeichnen, ebenso wie die Zeichensprache. Menschen würden sich ihrer Umgebung bewusst werden, am meisten aber sich selbst. Wer kann das aushalten? Nicht umsonst leitete Freud die ungeheure Neuheit ein, dass ein Raum geöffnet wird, in dem Menschen ihre Worte suchen und finden können, dadurch mit ihren Geschichten und Störungen in Verbindung kommen können und möglicherweise zu einer geheilten Verbindung mit sich selbst und Anderen gelangen. Durch die ausgebrochene Wortlosigkeit würden sich die Dramen innen entfalten…Eigentlich hatte ich mir die Idee sehr schön vorgestellt, aber jetzt merke ich, dass sie mir immer unheimlicher wird, und der Film wahrscheinlich in Mord und Totschlag enden würde. Wären da nicht die Liebenden, die ihre eigene Sprache sprechen, und denen würde es einigermaßen gut gehen, während draußen der Wahnsinn tobt. Sorry, das war jetzt als Vision leider nicht so motivierend, dass es einen heiter zur FFP2 Maske treibt, mit der man draußen immerhin noch als Mensch erkannt wird. Und durch sie hindurchreden darf man auch, wenn man unbedingt was sagen muss.
beschweren
Der unstete Tanz um das Leiden der Anderen
Es kann einen schmerzen, wenn man der Komplexität eines Themas nicht gerecht werden kann, aber jedes Thema kann unendlich viele helle und dunkle Stellen bieten, und man muss entscheiden, worum es einem selbst an einem bestimmten Punkt geht. Was das Schweineherz im Körper eines Mannes angeht, so möchte man sich die fiebernde Beobachtung ungern vorstellen, mit der darauf gewartet wird, wie lange das Ding in ihm den Erforderlichkeiten standhält, und ich kann gerne berichten, dass ich auch den Artikel in der Zeit nicht lesen möchte, denn zur Abwechslung drängt es mich mal nicht zu einer erweiterten Sicht der Lage. Weder der/die brillianteste Wissenschaftler/in noch der an zahlreichen Pavianen sich geübt habende Meisterchirurg könnten mich auch nur ein Iota von meiner Sicht abbringen, die ich zu diesem unseligen Ereignis hin habe. Gerne sieht man sich ja zuweilen nicht nur zu Hause flammende Reden halten, sondern man könnte größere Hallen visionieren, wo man einem dunklen Menschensaal gegenüber aussagt, was einem selbst kristallklar ist, und man spürt förmlich innen die Befreiung von der Menschenfurcht aktiv werden, die einem suggeriert, man würde das nicht richtig sehen. Ich aber nehme mich wie eine Schachfigur und bewege sie irgendwo hinein in die Mitte des Alls mit einer Frage, rings um mich schauend. Und ihr, frage ich hinein, seht ihr denn das richtig? Dass das ganz großartig ist, die Tötung von Millionen von Tieren für rechtmäßig zu halten, die man vorher foltert und aus ihrer Lebensweise reißt, wenn man ihnen denn vorher erlaubt hatte, eine zu haben. Oder man steht einfach da und bittet um Schweigen. Wo, fragt man dann etwa, sind wir eigentlich angekommen als Menschen, wenn eine derartige Unsäglichkeit einem vorkommt wie etwas ganz Nachvollziehbares, das man in die dunstige Traumwelt des Normalen einschleusen kann, um dort ad acta gelegt zu werden in den Archiven des Schauderns. Schaudert wer? Ich schaudere! Ein guter Freund von mir und weitere Freunde schaudern, da sind wir schon sechs oder sieben. Auch braucht man nur zu warten , bis das unvermeidbare „ach, das war doch schon immer so“ irgendwo auftaucht, so, als würde das die Abscheulichkeiten mildern, zu denen Menschen sich berechtigt fühlen. Und was sich in den kalten Räumen der Todesfabriken alles noch abspielt, will man nicht heraufbeschwören, denn man muss geschult sein in dieser Art von Gefühllosigkeit. Ich würde es für sinnvoller halten, wenn das menschliche Sterben etwas mehr in das Zentrum des Lebendigen rückt, sodass man verstehen und akzeptieren lernt, wodurch und warum meine Zeit des Abschieds gekommen ist. Auch das ist nur eine Meinung, beschwert mit Menschen-und Tierherzen.
heute
Heute ist der Tag,
wo Liebe möglich ist.
Wo die Poetin möchte,
dass das Wort verschleiert
geht wie eine Muselmanin,
und geht doch nackt,
begleitet von einem Tier,
das Kräfte hat zum Töten.
Und Kräfte auch, sich
anzuschmiegen an das Kalt des
Raums. So tief ist Liebe, dass Worte,
die sie fangen wollen, flacher werden
im Versuch. So zart und hilflos ist sie,
dass man Vögel braucht, um aufzuatmen
in Gemeinsamkeit. So einsam ist Liebe
in ihrem dunklen Wissen. und auch so hell
in ihrer ganzen Einfachheit.
Wenn ich dies schreibe, denke ich
an euch, die Dichterinnen, denn eure Worte
leben hier in mir. Wenn ich durch eure Kunst
dem Herzen Ausdruck gebe, ist es, als wär‘ ich
nie gebunden. Dies ist der Tag, an dem die Sterne
günstig stehn, denn ihr habt mir gesagt mit
eurem Leben:
Dass Tod ist wie die Liebe,
so sicher, ewig, tief und frei.
Ich bin berührt von eurem Wesen.
grenzenlos
Überall schauen uns Augen an
Ich suche nach Worten, ich finde sie nicht. Muss mich aufmachen in meine Empörung hinein. Weiß nicht, ob sie dort herumliegen, die Worte, bereit, mir zu helfen beim Unlösbaren, also dem, was die eigene Vorstellung derart sprengt, dass man ohne sie zurechtkommen muss, aber mit dem Gefühl zurückbleibt, das einen wortlos gemacht hat. Ich hatte schon einmal davon gehört, dass es einem Chirurgen gelungen war, ein Schweineherz in einen Menschen hinein zu pflanzen, der ohne dieses einmalige Experiment gestorben wäre. So hat man’s gemacht, und noch lebt er. Klar will er leben, er ist erst 57. Nun pocht in ihm ein Schweineherz, das genetisch manipuliert werden musste, damit man den Menschenkörper austrickst und er das fremde Organ annimmt. Gestern habe ich unterwegs einen längeren Bericht darüber gehört. Wenn das klappt, sagte jemand, dann gibt es fortan unbegrenztes Material. Die Schweine, oft gelobt wegen ihrer Ähnlichkeit zum Menschen (?), sind dann das unbegrenzte Material, so, wie Raubtiere das unbegrenzte Material für Pelzmäntel waren. Aber Frau Vogt, sagte die Frau aus der Pelzabteilung damals zu mir, dafür werden sie doch gezüchtet. Ach so, sie werden als Pelzmantel geboren. Zurück zum Herzen. Der Arzt, hochgelobt für seine stundenlange Exzellenz, hatte, so hörte ich, hunderte Male schon vorher jeden Handgriff geübt. An Pavianen. An hunderten von Pavianen, die vermutlich gesund waren, bevor man ihnen das eigene Herz herausgenommen hat und ein Schweineherz eingesetzt. Eine lobende Stimme erklärte, dass eines von den Tieren sogar 5 Monate lebte danach. Das bringt keinen Tropfen Bewunderung in mir hervor, sondern es ist das Grauen, das keine Worte findet. Es gibt eine Menge Menschen, die auf ein Herz warten und keines bekommen. Soll man sie sterben lassen, weil man die Tiere schonen will? Es gibt ja nicht nur einen Ort, an dem diese Untaten realisiert werden, sondern es wird wissenschaftlich danach gegiert, auch an die Reihe, heißt an die Erlaubnis heran zu kommen, dieses Experiment auch durchführen zu dürfen. Es gibt sozusagen bereits ein Chirurgenfieber, das übt sich an Pavianen, die man irgendwo im Gehege hat, nimmt ihnen das Herz heraus und hinein mit dem Schweineherz, damit später beim Menschen jeder Griff sitzt. Ich bin keine fanatische Tierliebhaberin, bin aber dankbar dafür, dass ich vor allem in Indien in so nahen Kontakt mit Tieren kam, die alle draußen frei herumliefen und eine helle Freude waren im Tumult des Lebendigen. Nun kann ich nicht darauf antworten, würde ich gefragt werden und wäre um die 57, wie ich mich entscheiden würde, hinge mein Leben davon ab. Und ich weiß ja schon lange, dass ich keine Maus und keinen Affen vor diesen Hochgeehrten retten kann. Meine Empörung gilt diesen beeindruckten Stimmen, die es kaum fassen können, was der Mensch so alles schon kann. Kein Wort über die Tiere, kein Wort über diese unheimliche und grenzenlose Arroganz, die den Menschen ergreift, wenn er sich als das erhabene Wesen betrachtet, das sich die Erde untertan machen kann und tun, was er will, mit wem und mit was auch immer. Und kann man wirklich tun, was man will ohne Liebe? Und kann man mit Liebe Tiere grenzenlos quälen?
gelingen
What was it that so darkened our world?
Elias answered: I don‘ know, my dear, I don’t know.
So wie das Licht, so ist auch die Dunkelheit stets anwesend und bereit, sich über die Schicksale der Welt und der Menschen zu legen. Es wird dunkel, wenn das vorhandene Wissen nicht ausreicht, um die eigene Welt so zu gestalten, dass man sich in ihr aufgehoben und stimmig fühlt. Wenn Menschen ihr eigenes Leben nicht mehr bestimmen können, wird es sehr dunkel. Furcht und Panik können genauso leicht hervorgelockt werden wie Freude und der Wunsch nach liebevoller Begegnung. Alles, was wir bei diesem Aufenthalt brauchen, ist in uns angelegt, nun kommt es darauf an, wie wir es einsetzen. Überall gibt es unterschiedliche Spielregeln, an die man sich halten kann, aber nicht unbedingt muss. Man muss nur bereit sein, den Preis zu bezahlen, und die Preise können bekanntlich sehr hoch sein. Kaufe ich mir eine Pistole, so ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich sie eines Tages benutzen könnte, deutlich angestiegen. Schon lange vor den Handlungen beginnt es ja mit den Gedanken. Wie entstehen sie, durch was oder wen werden sie ausgelöst und weiß ich überhaupt, was ich denke, wenn ich nicht gerade beruflich ausgerichtet werde auf das, was mir vertraut und verlässlich vorkommt. Oder eben das Gegenteil, wenn der Arbeitsplatz als eine Qual empfunden wird, aus der es keinen Ausweg zu geben scheint. Aber es gibt den Ausweg, und es gibt die Frau unter der Burka, die eine gute Poetin geworden ist genau so wie den Mörder aus gutem Hause. Vieles fließt in unseren Adern aus der Ahnenkultur, aber geht es mich unbedingt etwas an? Irgendwann, in einem Moment, den keiner mehr kennt, bin ich gezeugt worden innerhalb der Konstellation, die dort möglich war. Ich habe Schwächen und Stärken und unendliche Möglichkeiten, mich innerlich auszurichten auf das, was mit mir zu tun hat. Damit ich anhand des illusionären Schauspiels meinen eigenen Pfad bahnen kann. Illusionär bedeutet, dass ich es nie so sehen kann, wie es ist, sondern ich nehme lediglich vom Vorgefundenen meine Anregungen für die persönliche Schöpfungskraft, die mir zur Verfügung steht. Es ist ratsam, sich von belohnenden und strafenden Göttern zu lösen, so reizvoll ihre abenteuerliche Erotik auch sein mag, denn welchen Weg könnten sie mir letztendlich weisen, da auch sie nur sind, wer sie sind, eben menschengedacht und menschengemacht. Auch unser Schicksal ist erst einmal nur Blase oder Urei. Bis es knistert und funkelt und sich eigenständig bewegt. Bis es eine Kraft in sich selbst generiert, die die scheinbare Grenze durchbricht und sich fragt: was nun? Was mache ich mit den Stunden und Jahren, die vor mir liegen. In welchem Spiel finde ich den Ort, der es mir ermöglicht, Aussage zu machen über das, was ich bin. Und ist es mir gelungen, darüber Auskunft zu geben, anstatt mich zu gewöhnen an die Geste des Nehmens von dem, was schon da war.
einzeln
Die Bedeutung der Tatsache, dass wir einzeln und unnachahmlich geboren werden, muss im Laufe des Lebens immer wieder aufs Neue ins Auge gefasst werden. Was gestalten wir aus uns selbst heraus, und welche Wirkung soll das, was wir sind, entfalten. Das immer wieder Aufnehmen des Fadens, der sich zeigt im eigenen Lebensprogramm, gibt eine gewisse Sicherung, dass wir uns nicht in zu vielen Nebenwegen- und höhlen verlaufen und verirren. Doch was ist schon Verirren, wenn man erst einmal herausfinden muss, was einen anspricht und bewegt, bevor man weiß, was zusagt und was nicht. Diese Welt ist kein stabiles Konstrukt, auf das man sich verlassen kann, und es kann dauern, bis einem klar wird, dass man selbst am Webstuhl sitzt und die Fäden zu Mustern zusammenfügt, von denen man dann gerne behauptet, man sei sie. Aber die Muster sind auch nur Orientierungshilfen für das, was hinter den Mustern agiert und was hauptsächlich eine Energie ist, die sich immer wieder heraus zu kristallisieren versucht, vor allem, um sich selbst zu verstehen und zu erfassen über die eigenen Bilder und Tonarten, die man zu spielen lernt und mit dem Wort „ich“ definiert. Es kann ziemlich lange dauern, bis man ein sicheres Gespür vom eigenen Klang bekommt und von der eigenen, ganz persönlichen Weltsicht. Das, was wir gemeinhin die „Welt“nennen, ist ja vor allem ein Gebilde, das durch die Menschen, die jeweils darin auftreten, zum Ausdruck gebracht wird. Man muss nur ein einziges Menschenalter zurückhören und kann wahrlich staunen, wie anders die Weltsymphonie klang und wie anders Menschen aussehen können in einem anderen Jahrhundert. Erkennbar durch alle Zeiten hindurch ist die unendliche Mühe, die die Gestaltung des Menschseins mit sich bringt. Man weiß ja inzwischen viel über Menschwerdung, aber die Frage, wie Menschen gemäß dieser Wissensforschung um die eigene Existenz ihr Erkennen auch umsetzen können, ist nicht wirklich beantwortet worden, und vielleicht kann es auch nicht beantwortet werden. Jedes Buch, das ich in die Hände nehme, spiegelt die Arbeit wieder, die es macht, über das Menschsein nachzudenken, wobei die Kernpunkte meist tiefpersönlich sind und kann nur ein weiterer, wenn auch kostbarer Einblick in das Denken eines anderen Wesens sein. Und so sehr man sich darin auch aufgehoben fühlen mag, so heißt es doch, zurückzukehren zu sich selbst um zu schauen, was durch den Filter gelangt ist, um Eigenes zu werden. Und klar, es ist eine ungeheure Verantwortung zu sein, wer ich bin, also wirklich bin, daher die immer lebendige Frage danach, die ich nur selbst beantworten kann. Es scheint ja so, als hätte man gar keine Wahl, aber doch, man hat sie. Es gibt ein Gerücht, das besagt, dass man sich auch verpassen kann. Niemand kann sagen, wem das passiert ist, aber es kommt vermutlich häufiger vor als man denkt. Denn es sieht so aus, dass das, was man ist, gedanklich erfasst werden muss, bevor man das Grübeln darüber vielleicht eines Tages sein lassen kann, ganz einfach, weil man bei sich angekommen ist. Alle Menschen sind wichtige Mitspieler füreinander, doch am Kern unseres Wesens sind wir ganz schön allein. Einzeln eben und unnachahmlich.
Iwan Alexejewitsch Bunin
Hoch oben …
Hoch oben auf dem eingeschneiten Gipfel
Steht mein Sonett, mit Stahl perfekt graviert.
Die Zeit vergeht. Mag sein, dass meines Griffels
Spur, aufbewahrt vom Schnee, einst lesbar wird.
In jener Höhe, wo die Bläue leuchtet,
Das kalte Licht in seiner Heiterkeit,
Ist nur die Sonne da, um zu bezeugen,
Wie ich die Verse meißelte auf Eis.
Dass nur ein Dichter auch zu schätzen weiß,
Was ich geschrieben habe, ist mir Freude.
Erfolg hienieden zählt für seinesgleichen nicht!
Hoch oben, wo die Bläue leuchtet,
Gravierte ich zu Mittag mein Gedicht
Für den, der diese Höhe auch nicht scheute.
rätseln
Das Rätsel der Woche…*
Da ich weiß, dass es nicht leicht zu erraten ist, was sich auf diesem Bild zeigt, schon gar nicht am Samstag, wo lange Einkaufslisten zur Umsetzung drängen. Da droht schon der Sonntag, wo zumindest nicht gehungert werden muss, aber alles zu ist. Die Nahrungsmittel-Läden, in die man rein darf, also auch Halbgeimpfte oder Ungeboosterte, haben sich in weiträumige Herbergen verwandelt, in denen man noch legal herumwandern kann und schauen, ob man noch was braucht, während man die anderen HerumwanderInnen zwar nicht trifft, aber doch weiß, dass es sie gibt, wer auch immer sie hinter ihren PP2-Masken sein mögen. Aber zurück zum Bild. Ich habe schon lange eine Schwäche für dieses Symbol, also das nahezu perfekte Rund mit dem nahezu vollkommenen Zentrum, das man hier in seiner Unvollkommenheit wahrnehmen kann. Auch in Indien erinnert jeder einzelne Chapati-Fladen an einen Planeten, und sie werden auch „Roti“ genannt, etwas, das schon zwischen den Händen der MeisterInnen heftig rotiert und dann im Mund zu Ruhe und Genuss kommt. Auffallend hier im Bild ist der schwarze Krater und erinnert an die schwarzen Löcher, von denen man immer zu wenig weiß außer, dass sie auf unheimliche Weise Materie verschlingen. Wenn man zu lange in solch ein undurchdringliches Schwarz hineinstarrt, kann es passieren, dass man es für möglich hält, durch ein Wurmloch (Raumschiff Enterprise) geschleudert zu werden und auf der anderen Seite der Schwärze wieder aufzutauchen, so, als wäre nichts geschehen, dabei ist man selbst geschehen. Eigentlich bin ich gegen Special Effects, aber heute mache ich eine Ausnahme, um dem Orange mehr Intensität zu verleihen. Orange und helles Grau fand ich schon immer betörend, denn beides kommt durch einander zur Geltung. Nun kommen wir zur Lösung. Ja! Es ist, lese ich mir mit einer Lupe vor, eine Bio Tortilla auf Basis von Karottentrester. Ich habe keine Ahnung, was ein Trester ist, aber weiter unten wird einem gedankt, dass man diese Gemüse-Tortillas kauft, was ich nicht habe, aber zum ersten Mal gesehen und gekostet, das schon. Der Trester soll die Hauptzutat dieser Tortillas sein, und viel, viel Gutes soll da drin sein, natürlich alles Bio. Bio, Bio, und nochmal Bio, das kann einem als Wort bei aller Wertschätzung der Materie auch mal zuviel werden. Aber angesprochen hat mich ja eh das schwarze Loch, weswegen ich es auch mitnehmen durfte in mein Labor, wo Dinge, die mir gefallen, eine Chance haben. Auf der lupenreinen Verpackung des Fladens stand noch ein Wort, das mir auffiel und gefiel: Schutzatmosphäre. Die Fladen sind in Schutzatmosphäre verpackt, aber das Wort ist trotzdem frei und gehört allen, die fortan davon Gebrauch machen wollen. Wenn ich mich also nachher in die Omikron-Welle stürze mit meiner lapprigen Maske, die ich schon seit Monaten aufhabe, wenn nötig, weil irgendwas in mir sich wehrt, diese Schweinchendinger aufzusetzen, obwohl ich auch eins habe, da könnte ich, wenn ich mich daran erinnern sollte, in eine selbst gestaltete Schutzatmosphäre hineingleiten lassen, oder aber, wenn ich zurückkehre, mich bereits an der existierenden Schutzatmosphäre unserer Räume erfreuen, wohl wissend, dass nirgendwo Garantie ist und alles nur ein Abenteuer in Zeit und Raum.
Immer noch Trump
Was an Donald Trump so verstörend geblieben ist, ist die Tatsache, dass es so einem offensichtlichen Irrwisch gelingt, ein ganzes Land politisch zu spalten, sodass ganz sicher eine Angst sich in der anderen Hälfte des Landes, das von seinen gnadenlosen Lügen nicht durchseucht ist, breitgemacht hat, er könne am Ende des Kampfes tatsächlich noch einmal an die Macht kommen und nicht nur in Amerika, sondern überall da, wo noch Tropfen von Vernunft spürbar sind, eine Katastrophe auslösen. Es wäre ein grässlicher Rachefeldzug an all denen , die auf seinen Hasslisten stehen undsoweiter. Wie oft hat man sich schon gefragt, was da wohl alles in den Köpfen der Bürger und Bürgerinnen des Dritten Reiches vor sich ging, als sie merkten, dass da etwas läuft, was nicht gut sein kann, oder haben sie es gemerkt und gedacht und vielleicht schon ihre Koffer gepackt. Nicht die jüdischen Einwohner, die noch dunklere Probleme hatten, weil sie den Gerüchten irgendwann Glauben schenken mussten, bis das, was man nicht für möglich hielt, dann doch wahr war. Bis es Realität war. Ich meinte die Deutschen ohne jüdischen Hintergrund, die an so einem Denken und Tun nicht beteiligt sein wollten und nichts wie weg wollten von diesem Vernichtungswillen eines grotesken Zwerges, der psychisch noch weit kranker war, als man gewillt war sich vorzustellen. Bis es dann tatsächlich zu spät ist, und wann genau ist zu spät. Immerhin hat das Virengeschehen noch einmal deutlich gezeigt, welche unauflösbare Abhängigkeit unter uns Menschen herrscht. Als der Container im Suezkanal stecken blieb, erzählte der Fahrradhändler, konnte er die Nachfrage nach Fahrrädern nicht mehr bedienen, weil die Teile fehlten. Und weiterhin fehlten und fehlen sie und wir erfahren, woher das ganze Zeug, das wir zu brauchen glauben, eigentlich alles herkommt. Nicht jede/r vertieft sich in das Wirtschaftsblatt oder fragt neugierig nach, wem wo irgendwas fehlt. Günstig ist, wenn man das Fehlen in Schach halten kann, da hilft auch ein verhältnismäßig ruhiger Charakter wie Olaf Scholz. Oder aber lieber ein bisschen langweilig, wie Steinmeier zuweilen gesehen wird, als jemand Lautes und Wichtigtuerisches. Und auch eine Frau muss nicht immer als Alibi dienen, außer es zeigt sich das Offensichtliche und kann sich durchsetzen. Das würde man sich jetzt von den Demokraten in Amerika wünschen, dass die lückenlose Aufklärung des Staatsstreiches, den Donald Trump vor einem Jahr in die Wege geleitet hat mit einer gnadenlosen Lügenkette, der keiner seiner Anhänger mehr entkommen kann, dass diese Aufklärung stattfinden kann und man sieht, dass so etwas möglich ist. Was sehen die Menschen, hat man sich doch öfters gefragt während Donald Trumps Amtszeit, wenn sie diesen Menschen anschauen, der die einen an der Intelligenz des Menschengeschlechtes zweifeln lässt und die anderen mühelos zur Ausrottung dieses Geschlechts treiben kann. Man vergisst, wie klein so was groß Aufgebauschtes sein muss, und wie immens der Grad der Verzweiflung, der es ermöglicht, über alles Glaubwürdige hinwegzufegen, um einen schmutzigen Tümpel zurück zu lassen. Aber dann will man schon am 7. Januar über Amerika nicht mehr so viel nachdenken, denn für wen unter all den Leidtragenden sollte man zuerst die Daumen halten, wenn sich das ebenfalls als nutzlos erwiesen hat. Man könnte irgendwo im Inneren eine kleine Trauernische etablieren, und wenn man das Bedürfnis verspürt, ab und zu mal hemmungslos vor sich hinzutrauern, könnte man das dann tun, um was und wen auch immer.
Der Sitz
DER SITZ AM ÜBERGANG DER ZEIT
STEHT FÜR MICH BEREIT. ICH HEBE
MEINE EIGENEN URTEILE AUF,
ERKLÄRE MEINE SYSTEME NACH
UND NACH FÜR BEENDET, DENN
WASSER UND WASSER KANN SICH
GLEICHEN, DANN ABER WIEDER SEHR
UNTERSCHIEDLICH SEIN. DAS WISSEN
DOCH ALLE, SAGT IHR? DENKEN
DARÜBER NACH UND TEILEN ES MIT,
SODASS DER WAHRHEITSGEHALT
IHRER EIGENEN MEINUNG SICH
IHNEN SELBST UND DEN ANDEREN
ERSCHLIEßT? FÜHLEN DAS RECHT
AUF GEORDNETE FREIHEIT DES
RAUMES? LEBEN NACH IHREN
GESETZEN? LEBEN DANACH! HEBEN
TRENNUNGEN AUF, LEITEN
NOTWENDIGE BEGEGNUNGEN EIN?
STELLEN SICH DIE VON UNS SELBST
VERDRÄNGTEN FRAGEN NACH DER
QUELLE, DER QUELLE DER SAGEN,
NACH DER GEISTIGEN FRISCHE, DES
RÄTSELS DUFTENDER ORT. HIER AM
ÜBERGANG, ALS FLIEßENDE ENERGIE
AUF BAHNEN STRÖMEND DAHIN,
STEHT DER SITZ UNSERER ZEIT. WIR
LAUSCHEN, INDEM WIR GESCHEHEN
LASSEN DES LICHTES UNLEUGBARE
STRAHLUNG.
Anfänge
Natürlich haben Anfänge auch etwas Interessantes, da sie bekanntlich gewisse Gedanken anregen können, deren Umsetzung einem wesentlich oder reizvoll oder möglich erscheinen. Wahrscheinlich könnte man auch auf subtilen Ebenen an den ersten Tagen des Jahres eine gewisse Schubkraft erfahren, denn der Reiz, sich eine Änderung im eigenen Leben vorzunehmen, welcher Art auch immer, scheint nicht abgenommen zu haben. Der Satz „Wehret den Anfängen“ deutet allerdings auf etwas hin, was man lieber bleiben lassen sollte, denn verirrt man sich einmal in ungünstigen Anfängen, ist es schwer, die Folgen dieser Fehlentscheidungen wieder zu verlassen. Hat man aber keinen Grund, den Anfängen zu wehren, ist es trotzdem günstig, sich ein so klares Bild wie möglich von dem zu machen, was man veränderungsnötig findet, und will noch einmal eine extra Energie darauf richten und einen Pfad zum erwünschten Resultat schmieden. Denn schmieden muss man, sonst wird da nichts draus, und auch ein vorhersehbares Scheitern tut ja nicht gut. Eigentlich bin ich schon immer gegen diese albernen Vorsätze gewesen, und die ganz bestimmte Änderung in meinem Leben, an die ich mich hoch motiviert immer mal wieder heranwage, ist auch schon (fast) so alt wie meine Existenz. Eine Neigung, an der ich herumgrüble, ist zum Beispiel, dass ich etwas nicht in Ruhe lasse, wenn ich es verstehen möchte, aber nicht verstehen kann. Das ist ja für jede/n anders, wo er oder sie die Grenzen des Verstehbaren wahrnehmen muss und dann möglicherweise auch kann. Aber nein, immer wieder denke ich, ich kann`s verstehen, aber nein, ich verstehe es nicht und muss nun einen Weg bahnen, wie ich ohne dieses Verstehen weitergehe, sodass sich möglicherweise eine andere Möglichkeit offenbart, damit umzugehen, ganz ohne mein Zutun. Mit dem Verstehenwollen steht man häufig mitten in der Bredouille menschlicher Kommunikation, und es ist nun einmal die letzte Konsequenz der vielseitigen Erfahrungen, dass man sich nur selbst verstehen kann, obwohl auch da ein Maß vorhanden ist, an das ich alleine dadurch gebunden bin, dass ich niemand anderes als mich selbst sein kann. Nur von diesem Selbstvertehen heraus kann ich von innen her meine Welt erweitern und die Chancen von weiterem Verstehen ausloten. Wenn ich mich auf die Reise mitnehme, bleibt mir immerhin schon der Vergleich erspart mit den vielen Anderen, und so können wir einander anregen und ermuntern und auch begeistern, warum nicht. Hauptsache ich habe mich genug im Beimirbleiben geübt, um darauf nicht mehr allzu viel achten zu müssen. Es gibt Formen von anbiederndem Lächeln, die unerträglich sind, weil sie erzwingen wollen was nicht sein kann, d.h. die erzwungene Form erschafft den Widerstand gegen das eigentlich Erwünschte. Andrerseits gibt es die Rückzüge, die keine Kommunikation mehr möglich machen, so wertvoll die Möglichkeit des Rückzugs auch sein mag. Mich interessiert vor allem dieses Zusammenspiel zwischen innen und außen, und dass der Schatten zwischen Idee und Wirklichkeit sich nicht so sehr vertieft, dass man über Eselsbrücken und Leitern und Seile nachdenken muss.
Freiraum
Der Gedanke, die Durchseuchung der Weltbevölkerung als einen positiven Vorgang wahrzunehmen, wäre sicherlich keiner/m von uns gekommen. Dabei haben es Seuchen ja so an sich, an Orten aufzutauchen, die über ihre Anwesenheit erst einmal keine direkte Aussage machen können. Auch so eine wie zum Beispiel die Habgier-Pandemie fällt schon auf, aber man macht sich keine Sorgen, denn solange sehr viele auf dem jeweiligen Luxus-Dampfer dahinschwimmen, hält man die Anzahl der Vielen für eine Garantie, nicht zu Betroffenen zu gehören, bis die zuweilen verheerenden Wirkungen des als „normal“ Deklarierten deutlich werden. Reisenden, die in Delhi ankamen, wurde es oft schwindelig beim Anblick des für das westliche Auge chaotisch erscheinenden Verkehrs, aber lange Jahre konnte man sicher sein, ob mit Riksha oder Taxi, im stetigen Fluss letztendlich zum Ziel zu kommen, auch noch angeregt durch das Erfahrene. Dann irgendwann blieb man dauernd im Stau stecken. Aufgebrachte Driver brauchten Stunden, um sich aus der Stadt herauszuwühlen. Einer von ihnen meinte mal, es könne eben nicht jeder Mensch ein Auto haben, was außer dem simplen Fakt auch noch eine tiefere Wahrheit birgt, wo es dann wieder schnell komplex wird. Also wer soll und wer nicht und warum sollen die, die können, auf was verzichten usw. Allerdings wurde mir in Indien noch während Ende der 70er Jahre vermittelt, dass es als unangemessen gesehen wurde, wenn ein wohlhabender Mensch seinen Reichtum zur Show stellt. Nicht immer wurden Könige beneidet um die Bürde ihrer herrlichen Bauten, in denen Kargheit dann als eine Demütigung gesehen werden musste, oder aber wie beim Nazim von Hyderabad, der die andere Seite der Seuche lebte: den Geiz. Alle seine Familienmitglieder und Getreuen waren spindeldürr, und später fand man in der Schublade eines kargen Tisches einen der riesigen Diamanten in Zeitungspapier eingewickelt, der vermutlich jetzt in einer düsternen britischen Ecke herumliegt, von menschlichen Gelüsten belastet. Zurück zur laufenden Pandemie, obwohl das auch nicht mehr geht, denn leider rumort das Thema gnadenlos vor sich hin, jetzt noch mit Herrn Lauterbachs Stimme begleitet, die sich schon hörbar tönend einen Loorbeerkranz bastelt, den es zum Glück nicht mehr gibt. Auch der Lorbeerkranz ist am Aussterben, was einen in eine traurige Stimmung versetzen könnte, die dem Wetter draußen zu sehr gleicht, deswegen lässt man es, bevor die Traurigkeit sich festgesetzt hat. Im Moment wird also geunkt, dass kein Lebender dem Omikron Eindringling entkommen kann, und wenn er milder ist als gedacht, dann kann das das Ende dieses Epos einleiten. Dann erst kann auch das Nachdenken darüber in eine neue Phase gehen, und es wird auch wieder Lücken und Luken geben im kollektiven Denkgewebe, und plötzlich teilen sich diffuse Wolkengebilde und man erinnert sich daran, dass dahinter die Sonne scheint und Freiräume wieder natürlicher werden. In der Zwischenzeit kann man allerdings auch schon darüber reflektieren, was man unter einem Freiraum versteht. Damit man ihn nicht verpasst, wenn er da ist.
Zwei II
Σ
So, nochmal zum Einprägen die Zwei in bildlicher Form, hier als zwei kleine Geschenke unserer Gäste. Die Objekte sind total identisch gegossen, scheinen aber schon durch den Lichteinfluss einen anderen Gesichtsausdruck anzunehmen. Würde man es nur so tief verstehen, dass es einem immer gegenwärtig ist: dass jeder Gedanke, jedes Gefühl, jede Einstellung eine unterschiedliche Wahrnehmung in mir auslösen kann, und dass ich gemäß dieser Wahrnehmung die Welt sehe, in der ich lebe und die ich genau dadurch geprägt habe und weiterhin präge. Auch höre ich in gewissen Momenten ungern einen Einwurf wie den (z.B.) über die saudi arabischen Frauen, ja was sollen die denn bestimmen dürfen, wenn man sie nicht mal Auto fahren lässt. Aber ich plädiere ja weiterhin für den Geist, mit dem sich bekanntlich jede/r verbinden kann, denn durch Denken und Kontemplieren meiner Situation entstehen mir entsprechende Seinsweisen, die ich mir zumindest schon mal vorstellen kann, bevor ich mich mit dem Konstruieren der Wege befasse, die die Vorstellung in eine Manifestation bringen (können). Die Schöpfungskraft, gerne den Göttern zugeschrieben, legt sich natürlich erst einmal als eine Last auf die Schultern der lernwilligen Menschen. Irgendwann steht man an einer Stelle im (kosmischen) Raum und muss sich entscheiden, ob man das möchte: sich selbst verstehen. Woher kommt diese Neugier, dieser Impuls? Warum greift die Hand eher zu diesem als zu jenem Buch, zu diesem oder jenem Denken. Da ich selbst auf diese Frage, nämlich warum mir dieser Weg des Erkennens wesentlicher schien als alles andere, was zum Angebot stand an menschlichen Entscheidungssträngen, keine Antwort finde, habe ich mir angewöhnt, mich einen Glückskeks zu nennen. Das bleibt im Garten des Humors gut aufgehoben und kann damit umgehen, dass es nicht weiß, warum es sich so glücklich schätzt.Tatsächlich ist auch Denken Glücksache, aber vor allem ist es Glücksache, wenn es eingebettet ist in einen Großraum, in dem es lediglich die Funktion eines Tonarms auf dem Plattenspieler hat. Allerdings entsteht gerade dadurch die Musik, und es kommt darauf an, was auf der Platte gespeichert ist. Deswegen klingt das zwar alles sehr bekannt, aber man vergisst allzu leicht, dass tatsächlich jeder Nu neu ist und anders als jeder andere zuvor. Der Himmel anders, die Wolken anders, der Regen anders, die Stimmung anders, ich anders. Ja wie bin ich denn. Diese Frage einigermaßen redlich zu beantworten ist ein wahrer Kraftakt. Gewöhnt man sich allerdings daran, sie im lebendigen Geschehen beweglich zu halten, zeigen sich auch immer mehr Möglichkeiten des Handlungsspielraums.Nun schule ich mich, so mit den sich zeigenden Ereignissen umzugehen, dass es zu einer Art Zufriedenheit führt. Nicht unbedingt die satte, schläfrige Art, sondern eher die nüchterne, durch die sich immer noch was verändern kann, wenn neue Einblicke in das Gewohnte dazu kommen und das bereits Vorhandene erweitern. Irgendwo in mir scheint sich eine Verdichtung zu formieren, die ich als Ich und meine Existenz erfahre. Eben durch ihre Beweglichkeit geht sie fast automatisch auf ein weiteres Ich zu, das erweiterte Ich also. Es hat sich einerseits in der erwiesenen Ungewissheit des Seins etabliert, ist aber wach und aufmerksam auf das gerichtet, was sich tut und was ist. Das als kompliziert Empfundene entlässt seinen Bann und zollt dem Komplexen Respekt. Denn abenteuerlich und komplex ist es nun einmal, das kann man nicht leugnen.
2.1.2022
Gemälde von Ursula Güdelhöfer