Fahrzeug

Dieses wunderbare, mehrere hundert Meter lange Objekt, das Oumuamua heißt, ist ein Fremdling und kommt aus den Tiefen des fernen Weltalls. Es wäre zu schade, wenn ich diese von Wissenschaftlern erspähte Erscheinung heute am Samstag nicht locker dem Gott Shani zuordnen könnte, wo wir außerdem Gäste aus dem fernen Bombay, neuerdings Mumbai genannt, haben, die den Shani-Tempel zumindest aus meinem Dorf dort kennen.  Man kann ihn kaum verpassen, denn, während vieles, was göttlich empfunden wird, der sogenannten „Reinheit“ wegen, gerne weiß ist, ist Shani schwarz und hat ein schwarzes Beförderungsmittel, ein Viman. Das könnte zum Beispiel Oumuamua als Asteroid sein, ein gelungenes Fahrzeug für Shani. Wen kümmert’s? Gestern war ja internationaler Asteroidentag, das Bild hätte dort natürlich auch gut gepasst, aber da war ja Freitag, Tag der Santoshi Mata, der Göttin des Friedens. Menschen beschäftigen sich nun mal mit scheinbar verschiedenen Dingen, mit Männern und Frauen und Kindern, und was die alle so in ihrer eigenen Existenz treiben. So sehr einen die Vielfalt auch überwältigen kann, so verblüfft darf man auch sein, wenn die Kernfragen des Menschseins nicht nur in den Reklamen erscheinen, wo ein hochbezahlter Trickster seine Bezahlung einlösen muss, indem er permanent darauf sinnt, was man mit Menschen alles so machen kann, damit sie kaufen, kaufen, kaufen. Weiß man einmal, wie leicht das ist, sind dem Einfallsreichtum keine Grenzen gesetzt. Der Mensch kauft alles, was angeboten wird. Woher und von wem soll er oder soll sie lernen, zu unterscheiden, wenn auch zuhause alles in vagen Ambivalenzen dainschwimmt und die potentielle Anlage des persönlichen Reflektierens nach dem tausendjährigen Schlaf noch nicht wieder erweckt wurde. Es muss gestolpert werden, damit aus den Särgen die nur schlafend so tuenden Frauen den Apfel endlich wieder hochspucken können, und schwupps!, zurück mit digiataler Technik an den Baum der Erkenntnis. Doch jetzt kommt ja erst die wirkliche Not der Entscheidung! Soll ich hineinbeißen oder nicht? Ist der Fluch, von der Erkenntnis, die wir (Männer, Frauen und Kinder) nicht nehmen sollen dürfen, vorbei? Gab’s da vielleicht auch einen Ruck im paradiesischen Garten und jemand, wer auch immer das sei, hat eingesehen, dass man die Menschheit nicht ewig versklaven kann, sondern vielmehr sie ermuntern zur Antwortfindung auf eigene Fragen. Kernfragen eben. Wie geht es mir denn tatsächlich, zum Beispiel, und lebe ich das Leben, das mir guttut. Jaaaa!? Tor! Dann ist ja alles in Ordnung.

ausgleichen


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Klar, das Sommermärchen geht weiter, auch wenn ich durch Wegbleiben kein Tor erzielt habe (durch kindlich magisches Denken). Nicht überall ist der Sommer genießber und vor allem wir Bleichgesichter wollen z.B. in Indien nicht unnötig schmoren. Es ist auch nicht überall Sommer, und nicht überall, wenn überhaupt irgendwo, ist gerade Märchenzeit. Das große „Es war einmal“ läuft dennoch immer mit in der Geschichte. Es war einmal ein Kaiser, der in Deutschland herumritt und Audienz erteilte, da zogen noch Ackergäule die Milchwagen durch die Straßen und immerhin leben davon noch Zeugen. Dann das Es-war-einmal der Flüchtenden. Wer wird je wirklich wissen, was sie zurücklassen mussten, wissen wir ja oft selbst nicht, was da war, als es noch da war. Und kann man wirklich sagen, dass sich die Menschen erholen von den Vernichtungsorgien, die oft in kleinster Form und kleinstem Kreis beginnen, wenn Menschen untereinander zu viel Anspruch erheben auf ihre vermeintlichen Anlagen. Sind es Anlagen, oder sind es Störungen, und wo und wann macht etwas einen Unterschied, auch wenn es nicht um die Rettung der Welt geht. Die Welt ist ja eh nicht zu retten, sie ruht unentwegt im Gleichgewichtigen. Manchmal schwillt das Dunkel an, dann gleicht sich das Helle aus, beides bewegt sich im Unfassbaren. Das Unfassbare ist der Zustand des Stromes. Was mich berührt, ist einerseits mein persönliches Gut, und andrerseits kommt es darauf an, was ich an Möglichkeiten zur Verfügung habe, um mich selbst am eigenen Ort vorzufinden, denn ich bin, bewusst oder unbewusst, an dieser Gestaltung permanent beteiligt. Auf der einen Seite wächst das Wissen über den Umgang mit den Dingen, auf der anderen Seite wachsen die Unheimlichkeiten. Nicht alle wichtigen Informationen kommen trotz digitaler Revolution überall gleichzeitig an. Wenn in Deutschland DDT schon lange verboten ist, wird in Indien munter ohne Hinweis auf die Gefahren weitergespritzt. Das produzierte Zeug muss ja immer auch benutzt werden, sonst liegt es nur rum und macht Verluste. Wann berührt etwas, und was hat es mit mir zu tun. Wann berührt etwas, und was hat es mit anderen zu tun. Wann verursache ich etwas, und wann wird etwas mit mir gemacht? Und wenn ich keine Sprache habe für die Dinge, die mit mir geschehen sind und weiterhin geschehen, wie kann ich in der Welt überhaupt auftauchen. Denn ist es nicht so, dass ich durch Sprache in die Welt komme?! Das Wichtigste an diesem Vorgang ist m.E., dass es einem selbst klar wird, was der Unterschied ist zwischen einem Wort, das aus meinem eigenen System kommt, und einem Wort, das nur durch ein Außen aktiviert wird. Warum sollte ich, wenn ich bei mir bin, keine Sprache haben. Hauptsächlich geht es hier um die Möglichkeit eines tiefen Interesses am Anderen, das sich ohne das Transportmittel des Wortes ja gar nicht klar ausdrücken kann. Nämlich, wer ich selbst bin, nicht einem zufälligen Blick überlassen, sondern im Sein anwesend sein, denn, wie gesagt, wer das Sein hat, hat auch die Worte.

 

Spiel

In der inneren Kindertagesstätte malt das siegesfreudig eingestellte und nun enttäuschte Kind ein Bildlein vom Ball, den jemand aus der Gruppe hätte in den rechten Fleck werfen müssen, aber es geschieht nicht, obwohl fieberhafte Gehirne auf der Tribüne und auf den Fan-Meilen und in den Wohnstätten am Werk sind. Ich selbst wollte nicht mehr hinschauen und ging kurz hinaus, um die in der Sonne brütenden Pflanzen zu gießen. (Wer weiß, vielleicht fällt ja das Tor, weil ich nicht hinschaue). Es war so heiß wie dort, als klar wurde, dass auch ein Gott gegen zwei koreanische Tore keine Chance hatte. Nur selten in der Geschichte geschieht nach dem ersten auch ein zweites Wunder. Es wäre verwegen, damit zu rechnen. Kein Zweifel, es ist ein verlorenes Spiel, das Ent-täuschte darf schon etwas schmerzen. Nun kann man auch nicht leugnen, dass es ein Spiel ist, und trotz der hohen Einsätze soll es das auch bleiben. Nur das Spiel weiß, was auf dem Spiel steht.

einschleichen

Als ich mit der Pinselung dieses Bildes fertig war, musste ich herzlich lachen.  Hätte man mir den staatlichen Auftrag erteilt, die psychische Momentaufnahme „der Deutschen“ bildlich darzustellen, hätte ich den Ausdruck vor lauter Anstrengung wahrscheinlich nicht so passend hingekriegt. Man kann natürlich in diesen Ausdruck alles, was man möchte, hineininterpretieren, und jedes Wort würde nur ausdrücken, was man mit einem Schlag sieht. Es käme also nur auf die persönliche Note an, die man dem Zustand geben würde. Ist es ein am Morgen erschreckt aufwachender Mensch, der ahnt, dass es auch auf den Fußballfeldern bald keine Helden mehr geben wird. Was ist los? Alle sehen so gleich aus, und will man mal z.B. sehen, wie die Menschen aus Uruguay spielen oder aussehen, so weiß man gar nicht, wer wirklich aus Uruguay ist. Jetzt tragen alle die Kniestrümpfe über den Knieen und heben die rechte Hand hoch, wenn sie am Ball sind, und ich habe gehört, dass keiner weiß, warum sie das machen, es hat sich so eingeschlichen. Vieles schleicht sich ein, und wenn man die Einschleichung nicht rechtzeitig bemerkt, kann daraus ein verdunkelter Film werden. Hat er denn nicht recht, der Horst Seehofer, und spricht irgendwie vielen aus der zögerlichen Seele, dass er die Ausländer nicht mehr ins Land lassen will. Da man es nur zu gut verstehen kann, kommt es hier nicht nur auf Menschenkenntnis, sondern auf eine bereitwillige Bewusstseinserweiterung an, die nur förderlich ist, wenn sie aus dem eigenen Reich der Gedanken entspringt. Das geht schnell, dass man zu etwas etwas sagt. Völlig hintergrundsleere Meinungen werden permanent ausgetauscht, sie sind das Salz der Alltagskommunikation. Auch die digitale Entwicklung bietet keineswegs die Reflektion innerer Vorgänge, im Gegenteil. Ich muss aus mir herausgehen, um dort hineinzugehen, in das Zweitreich meiner Ich-Vorstellungen. Natürlich wacht hier vor allem der Bürger erschreckt auf. Die Frau, die oft schon „Mutti der Nation“ genannt wurde und Großartiges leistete, erschreckte die Söhne dann doch mit ihrer so ganz anders gearteten Machtausübung, mit natürlicher Souveränität ausgestattet auf der Basis von guter Intelligenz und einem hohen Grad von Verlässlichkeit. Meine Lobeshymnen auf Angela Merkel klingen auch schon wie ein Abschied. Die Söhne sägen Mutti also einerseits erschreckt, andrerseits lustvoll ab, denn hier tobt immer noch auf geradezu unsterbliche Weise die alte Saga vom unvermeidlichen Schicksal, wo selbst inmitten der Schlacht der Gott der Liebe (Krishna in der Bhagavad Gita) zu Arjun sagt, er könne seinem Schicksal nicht entrinnen und muss töten können, auch wenn es die eigenen Verwandten sind. Man möchte doch manchmal gerne wissen, wie so eine missliche Idee/ Mist /cum Religion entstanden ist. Wer hat was warum und wie und wo gedacht, und wer hat danach in den niedergeschriebenen Geschichten nochmal nach eigenem Gutdünken reichlich nachgebessert, bis es zu uns als unumstößliche Wahrheit kam und in den Kirchen und Tempeln vorgebetet werden musste. Da gibt es nun mal keine Zeugen mehr. Es gibt nur Systeme, Methoden, Lehren, Versuche, das Ganze irgendwie zu erfassen, während man da ist. Das Land geht durch eine große, menschliche Krise. „Wir schaffen das“ ist im Erschrecken über die Realität des Alltags schon untergegangen, es geht um den Einzelnen und die Einzelne, und ob und wie sie es schaffen, mit dem Hereinströmen der Flüchtigen umzugehen, den Fremden, die gar nicht bei uns sein wollen, sondern zuhause, wo es das meist nicht mehr gibt. Für alle wie immer ein „Be here now“ mit großzügig flutendem Sonnenlicht. Im Wald leuchten die Himbeeren, auch unsere schwarzen Johannisbeeren sind schon reif.

 

Politeia

Vor vielen Jahren hat eine von mir geschätzte Meditationslehrerin mal im Unterricht nachgefragt, wer Zeitung liest. Sie war der Meinung, dass man zumindest auf diese Weise an den Informationen über das Weltgeschehen teilnehmen sollte. Bei allem Verständnis über politische Übermüdungen sehe ich das auch so. Es ist leicht, in einem Land, wo es einem gerade mal gut geht, etwas, was einen nicht so interessiert zu ignorieren oder für nicht denkenswert zu halten. Allerdings sitzen alle Völker in den Regierungen, die sie entweder gewählt oder die ihnen aufgezwungen wurden. Aufzwingen kann man nur, wenn man die Ahnungslosigkeit vieler Menschen ausbeutet. Auch über die Quellen der Ahnungslosigkeiten kann man reflektieren. Denn was man so hört über die laufenden Prozesse, an deren Resultat wir durchaus beteiligt sind, ja, was man so hört, ist ja nicht, was man selbst denken muss, es ist ja nur der Anstoß zum Denken über die Verhaltensweisen der Menschen und die Strukturen, unter denen sie ihre Leben gestalten, wie schon Platon in „Der Staat“durchgegrübelt hat. Auch die Hindus haben mächtig gegrübelt, wie das alles auf  beste Weise zu bewältigen ist, und die kollektive Ausrichtung an hoch angelegte Werte hat lange Zeit erstaunlich kultivierte Menschen hervorgebracht, deren Weisheit auch der Analphabetismus nicht im Wege stand, denn es gab genug Gelegenheiten, mit Weisheit und Werten in Berührung zu kommen. Eine meiner schönsten Erfahrungen in Indien waren bestimmte, leicht anzuregende oder angeregte Gespräche bei langen Zugfahrten, die sehr belebend und geistreich waren und auch eine spürbare Freude für gute Zuhörer, die aus anderen Abteilen heranströmten und lebhaft an allem teilnahmen. Politik ist interessant wie jedes Spiel, bei dem einerseits die Regeln festgelegt sind, andrerseits aber der Verlauf abhängig ist von vielen internen und externen Entscheidungen, die letztendlich zu Gelingen oder zu Scheitern führen. In Amerika darf man sicher von einer peinlich angenagten intellektuellen Elite ausgehen, die nun einen Herrscher wie Donald Trump vor der Nase haben, der gerade auf der bestehenden Weltordnung herumtrumpelt. Auch dieser unheimliche Kerl in Nordkorea soll auf einmal friedensliebender Mensch geworden sein? An den Esstischen dieser irrwitzigen Geschöpfe möchte man ja nicht einmal Maus sein, so wenig will man es sich vorstellen. Was Angela Merkel betrifft, gut, vielleicht ist ihre Zeit abgelaufen und ein Horst Seehofer lacht sich ins kleine Fäustchen. Aber trotzdem wäre es dann eine Zeit gewesen, wo wir eine ziemlich kluge und uneitle Frau an der Spitze unseres Landes gesehen haben, die bis zur letzten Minute ihrer Dienstzeit alle Achtung verdienen wird, die ihr gebührt. Nichts kann besser sein für ein Land als von einem Menschen regiert zu werden, der sich unter schwierigsten Umständen kontinierlich bemüht, angemessene Entscheidungen zu treffen, auch wenn gegen dunkle Machenschaften  und Gegenspieler kein Gras gewachsen ist. Von der eigenen Bemühung her, zu tun, was mir möglich ist, habe ich ein Verständnis für die Bemühungen anderer, zu tun, was ihnen möglich ist. Obwohl es oft so aussieht, dass immer m e h r möglich ist, sind doch auch allem persönlichen Tun und Sein Grenzen gesetzt, die es zu akzeptieren gilt. Man könnte auch sagen: alles ist politisch. (So wie man auch in anderem Kontext sagen könnte: alles ist poetisch, oder: alles ist philosophisch. (u.s.w.)

kursieren

Der Mensch kursiert langsam aber stetig durch seine und ihre Geschichte, also wir durch unsere jeweiligen Anteile, und was uns als Wissen vermittelt wird, ist keineswegs bodenfest. Menschen, die sich gerne real oder pragmatisch nennen, zeigen dann gerne auf den nächsten Tisch, den man nicht leugnen kann, seine reale Beständigkeit aber wohl, denn auch da findet ständig Veränderung statt, auch wenn sie für das schnelle Auge nicht sichtbar ist. Realer dagegen sind vermutlich bestimmte Wünsche und Vorstellungen, wie das Leben eines Menschen einigermaßen erträglich gestaltet werden kann, da es offensichtlich von vielen Menschen als eine Bürde empfunden wird, die oft genug ausweglose Züge hat, obwohl auch klar ist, dass es immer und überall ein gewisses Maß an freiem Handlungsraum gibt. Wo dieser nicht mehr existiert, sind die Gefahren nicht rechtzeitig erkannt worden. Diese Gedankengänge sind ja bekannt. Auch gibt es das Phänomen, dass die meisten Menschen . dh. wir uns alle, für „gut“ halten, vielleicht sogar noch „frei“, was schon waghalsiger ist, wenn kein tieferes Reflektieren damit verbunden war und ist. Frei von was? Gut zu wem? In Indien habe ich mit einigem Interesse beobachtet, wie fasziniert die sehr emotionalen und argumentationsfreudigen Inder von der kontrastreichen emotionslosen Kühle z.B. der JapanerInnen, ChineseInnen und KoreanerInnen waren, vor allem mit „-innen“ hinten dran. Maskenhaft kühle Frauen, die an das digitale Zeitalter erinnern und daran, wie sie in ihren Kulturen schon zu ungeheuren Grenzüberschreitungen fähig waren wie Geishas und gebundene Füße, die ein Leben lang schmerzen. Als ich einmal im indischen Dorf mit einer jungen Chinesin ins Gespräch kam, war sie glaubwürdig überrascht darüber, dass viele Menschen ihre Landsleute unheimlich finden und fürchten. Sie schien von dem, was wir zu fürchten meinen. nicht so viel erfahren zu haben. Gleichzeitig schreitet China sehr schnell voran in der Entwicklung künstlicher Intelligenz, weil es finanzielle Unterstützung und keinerlei Widerstände dagegen gibt. Während ich noch nach der Landung im Schock über die neue Gesichtserkennungsmaschine am Flughafen durch das procedere taumelte und mich dies und jenes fragte, gehen die Chinesen vermutlich einfach voran, unbeschwert von der langen Liste der Vorstellungen, wie der Mensch sein könnte und sei, und was ihn zum Menschen macht und was nicht. Und was er ist, wenn er nicht Mensch ist, wie nennt man ihn dann? Und wer entscheidet? Vielleicht ist der Planet bereits ein (mehr oder minder) subtiles Kampfgebiet, wo sich durch die alchemischen und algoritmischen Gedankengänge aller Anwesenden entscheidet, wohin der Kurs führen wird, auch wenn das wiederum kein neuer Gedanke ist. Es gilt ja inzwischen als harte Arbeit, herauszufinden, was und wer Mensch ist und was und wer nicht. Das kann einer alleine ja nicht entscheiden, denn paradoxerweise kann ich ohne Gegenüber gar nicht wissen, wer ich bin, und auch nicht, wer der oder die Andere ist. Und sollte der (ja auch nicht so pflegeleichte) Roboter der zukünftige, sterbefreie bzw. todlose Lebensabschnittsgefährte werden, gut, dann tanzen dennoch weiterhin die Atome und verrichten ihr meisterliches Werk, das wir zum Beispiel auch beim reichbestaunten Tor von Toni Kroos bewundern durften.

Das kleine Bild oben rechts ist ein Ausschnitt eines Höhlengemaldes, photographiert von Miguel Ángel de Arriba, Zeitmagazin vom 21. Juni 2018)

WM/Erich Kästner

Bildergebnis für Fußball

Das war dann doch gestern Abend so etwas wie ein Volksgedicht in der Fußballwelt, oder man könnte es auch einen mystischen Vorgang nennen, und ich konnte es an mir selbst beobachten, wie die Abnabelung von der Volksseele sich in mir vorbereitete, da ich als potentieller Nicht-Fan einigermaßen gefasst dem Gescheiterten gegenübertreten wollte, denn man war ja („asha pasha vinir mukta“)  gut dabei, sich „von den Ketten der Hoffnung zu befreien“. Hallo! Is ja nur Sport! Da schießt auf einmal in den letzten verbleibenden Minuten einer ein Tor, ein Verursacher des letzten Verlustes, nun ein Held, der die tragödienumwobene Mannschaft des Schiffes aus dem Schlund des ozeanischen Abgrundes wieder an die Oberfläche des Wassers gehievt hat. Dann rackern sich sofort danach diese irrwitzigen Reporter an ihnen ab, als wäre einem das Ausmaß der Trägodie oder der Komödie sofort klar und könnte es analysieren und protokollieren. Selbst in den Wohn-und Public Viewing Räumen schnellen wir hoch und können’s nicht fassen: ein Gott muss unterwegs sein, der das doch noch geregelt hat, leider nicht für alle, die anderen hätten ja auch gern gesiegt. Zumindest mussten sie nicht danach nach Hause fahren. Die Deutschen sind ein Rätsel geblieben. Sehr hoch und sehr tief angelegt, und in der Mitte vieles, worauf man sich ungern verlässt, weil es schwer zu verstehen ist. Auch fleißig und verlässlich, meistens auch pünktlich, vieles wird nach der selbst gebastelten Hölle als Schmach empfunden. Und dann die Unsummen, um die es geht! Gestern habe ich, unterwegs mit der afghanischen Familie, in einem Shopping Center eine Menge Waren gesehen für den/die deutschen Fußballfanclubkäufer/in. Es gab sogar falsche Wimpern in den Farben schwarz/rot/gold. Wer kauft das alles, wenn wir verlieren? Undsoweiter. Es war natürlich schon eine große Erleichterung und ist es immer, wenn der Ball statt am Pfosten abzuprallen elegant ins Tor trifft.
Heute ist ja Sonntag, und ich habe hier zwei Sätze stehen von Erich Kästner, die ich als übernachtender Gast in einem Taschenbuch mit seinen Gedichten gefunden habe („Hausapotheke), die mir (unter vielen anderen) gefallen haben, weil sie so einfach und doch trefflich waren. Vielleicht ist ja dadurch eine Verbindung zum Fußball möglich.  Hier die beiden Sätze:

 

Bildergebnis für Erich Kästner

 

Warnung

Ein Mensch, der Ideale hat, der
hüte sich, sie zu erreichen.
Sonst wird er eines Tages anstatt
sich selber anderen Menschen gleichen.

 

Mut der Trauer

Sei traurig, wenn du traurig bist,
und steh‘ nicht stets an deiner Seele Posten!
Den Kopf, der dir ans Herz gewachsen ist
wird’s schon nicht kosten

 

Sotschi u.s.w.

Nicht immer sind Fußballspiele und Politik so verquickt wie an diesem Wochenende, sodass, wenn auch kein Mitfiebern, so doch ein gewisses Interesse angebracht ist, wer die jeweiligen Tore schießt und was die Wirkung dieser Tore betrifft. Gut, man ist ja nicht verpflichtet und wahrscheinlich gar nicht in der Lage, sich länger als den Moment des Geschehens an die Kollektivpsychose zu lehnen, denn stets hat das aufwendige Fallen eines Meisters die Gemüter erregt, und man sieht dieses Scheitern ungern, obwohl es immer auch seine guten Seiten mit sich bringt, eben dass auch die Erwartungen an Meisterschaften nicht zu hoch angelegt werden dürfen, denn Scheitern gehört nun mal zur menschlichen Grundausrüstung. Aber gleichzeitig läuft das Spiel um die Handhabung einer Meisterschaft, die sich um schicksalsbedrohte Flüchtlinge dreht, auf deren Ansturm man nicht wirklich vorbereitet war oder sein konnte. Auf den hilfesuchenden Reisen, die Angela Merkel gerade unternimmt, sagte ein libanesiches Mädchen wohl zu ihr, dass sie davon träumt, wie sie, die Kanzlerin, zu werden, um gute Wirkung in die Welt zu tragen. Man nannte es großzügig „Balsam“ auf die Seele der Kanzlerin, so als bräuchte die arme Frau nun etwas Kinder-Balsam, um sich gut zu fühlen. Sollte das Unternehmen nun tatsächlich zu einem grandiosen Scheitern führen, sieht man hier sofort nach dem Schrecken von möglichen Neuwahlen, wenn dieser bayerische Unhold (um nicht andere Worte zu benutzen) Horst Seehofer endlich separiert wird von der Regierung und in Bayern weiterhin sein Unwesen treiben kann. Viele sind dabei, ihn zu verstehen, das ist gefährlich. Auf einem LSD Trip, den ich im Damals mal genommen hatte, und wo darin Erfahrene immer vor einem gewissen Moment warnten, wenn sich eine ansonsten verschlossene Tür im Unterbewusstsein öffnet und man einem bis dahin verborgenen Schrecken ausgesetzt sein kann, da erschienen bei mir die Bayern mit Wams und Hirschknöpfen und diesem angsteinflößenden Lächeln, das Horst Seehofer so glänzend beherrscht und das eine gnadenlose Arroganz und Dummheit verrät, die durchaus zu fürchten ist. Es gäbe also bei einer Trennung von dieser Partei Neuwahlen, auch furchterregend, denn die Welt schaut auf den Stabilisator Deutschland, und ja, vielleicht ist das manchmal ganz gesund, herunter zu stabilisieren und sich in den anstehenden Gefechten neu zu orientieren und zu ordnen. Leider kann man links und rechts und hinter und vor Angela Merkel keine verheißungsvollen Figuren sehen, die sich kraftvoll ans Steuer des Schiffes schwingen könnten, um einen nachvollziehbaren Kurs einzuschlagen. Aber wer weiß? Ist ja noch alles offen, der Himmel (noch) überraschend blau , obwohl Düsternis und Regen angesagt wurden, und in Sotchi scheint die Sonne am rauschenden Meer. Viel Erfolg, Jungs!

stille Sprache


Es gibt Menschen, die keinen Zugang zur Sprache haben, und andere haben keinen Zugang zum Schweigen. Es ist sicherlich angebracht, beides zu kennen, denn ansonsten, wie will man sich erkennen, wenn man das will. Wie es zu Behauptungen kommen kann, dass das Eine oder das Andere schwerer gewichtig sei, oder dass eines der beiden genügt, um Welt und Sein zu erfahren, hängt meist von den Geschichten ab. Wenn ein Kind in den Möglichkeiten seines Ausdrucks nicht gefördert wird, wie und von wem soll es die Mitteilung von sich selbst lernen. Denn die Resonanz, die ich in der Welt erhalte, hängt von Bild und der Mitteilung ab, die ich gebe, denn wie kann ich die Anderen verstehen (und sie mich), oder sehen, oder mich abgrenzen von ihnen. Wahr ist auch, dass das Wort, das nicht aus der Stille kommt, oft genug sinnlos ist. Aber auch die Stille ohne Wort ist bedeutungslos, denn sie kann eine Seinsqualität vortäuschen, von der niemand weiß, ob sie vorhanden ist, denn das Nonverbale ruht in der ewigen Kindheit,  in der Schweigende oft gebannt sind, bis es als Charaktereigenschaft getarnt werden muss. Es ist ja kein Makel, mehr im Bild zu sein als im Wort, aber nur beides kann in spielerischem Gleichgewicht die unangemessenen Ansprüche aufheben, sodass ich für ein gutes Spiel die Werkzeuge zur Verfügung haben muss und angemessen damit umgehen kann. In der meditativen Ausbildung waren immer wieder wunderbare Beispiele von vollkommener Überschätzung zu sehen, einerseits des Wortes, oder andrerseits der Stille. Viele  Lehrer sind in diesem Paradox gefangen, dass sie stundenlang am Tag irgendwo und irgendwie sprachlich vermitteln, was zu tun ist in der Stille und um die Stille herum. Immer mal wieder der Irrtum, irgendwo angekommen zu sein, wo es gar keinen Landeplatz gibt. Zu denken, man sei auf eine bestimmte Weise, dabei ist man vielleicht gerade dabei, sich zu verpassen. Beides, Stille und Sprache, können als Ausweichmittel dienen, um der leidlichen Arbeit ins eigene Bewusstsein aus dem Wege zu gehen. Ich kann mich an jemanden halten, der Sprache kennt und so tun, als hätte ich sie dadurch auch zur Verfügung. Dasselbe gilt für die Stille. Was ist Stille, und was ist das Wort? Warum sollte ich mir nicht erwerben, was im Angebot ist? Ist die Sprache nicht auch das einzige Instrument, das den eigenen Klang in den Dialog bringt? Es scheint so, dass auch Musik nicht ohne das Wort gelernt werden kann. Was dann noch dazukommt, hat denselben Raum unendlicher Möglichkeiten, mit denen das Spiel seine Nuancen vorträgt. Wer nur die Worte hat, hat sicherlich dadurch nicht das Sein, aber wer das Sein hat, hat eben auch die Worte. Wer kann es bezweifeln.

Das Bild zeigt meinen Kompass auf einem Tangram-Spiel.

erweitern

Dieses Graffiti-Bild habe ich gestern in einer kleinen Unterführung auf dem Weg zu meinem Grundstücktermin gemacht. Es kurbelte auf einerseits humorvolle, aber auch präzise Weise meine momentane Einstellung zu persönlichen Geschichten an, denn ich sehe immer mal wieder die Ähnlichkeit zwischen persönlichen Geschichten und antiken Dramen, wo man die DarstellerInnen gerne Helden und Heldinnen nennt, während man die eigene Geschichte ja meist weniger als eine abenteuerliche Heldenreise wahrnimmt, obwohl Bedrohungen und Hindernisse und unerwartete Schicksalsschläge permanent nicht nur lauern, sondern sich tatsächlich auch als Tragödien entfalten und zeigen. So war ich gestern zu Gast bei sehr angenehmen Freunden meiner Mutter und merkte u.a. in den angeregten Unterhaltungen, dass ich mich mit Menschen unterhalte, die meine Mutter kannten und sie schätzten, und fühlte mich manchmal in kurzen Momenten wie eine Tochter. Oder es war eher so, dass ich mich in Gedanken meiner Mutter gegenüber wie eine Fremde fühlte, die auf einmal, wie vom Blitz des Zeus getroffen, Tochter wurde. Einmal sagte ich zu meiner Mutter, es war als Kompliment gemeint, dass ich sie nicht besuchen würde, weil sie meine Mutter ist, sondern weil ich sie mag. Sie war empört und erklärte mir deutlich, dass sie immer meine Mutter sein würde. Damals entging mir, dass ich auch auf einer bestimmten Ebene immer Tochter sein würde. Es geht ja zum Glück nicht darum, dass ich mich vom Kopfschütteln anderer Menschen abhalten lassen muss, meine Empfindungen in Worte zu fassen, da sie nur über diesen Weg zum Bewusstsein gelangen. Als ich in diesem Kontext mal persönlich darüber reden konnte durch eine konkrete Verbindung, konnte ich schon spüren, dass da ein Schmerz mitlief als Gefühl, aber dass ich auch aus meinem eigenen, als gelungen und stimmig erlebtem Leben eine natürliche Distanz dazu spürte. Meine Mutter war ein freier Geist, es fehlte ihr am Interesse des Mutterdaseins. Ich konnte dadurch nicht wirklich einen Schaden feststellen. Es ist sicher für eine Tochter von Bedeutung, gerade von der Mutter als getrenntes Wesen wahrgenommen und auch dafür geliebt zu werden. Wenn ich in Indien der Mutter meiner Freundin Lali mal vermitteln möchte, was sie da für eine prächtige Tochter hat, versteht sie nicht, von was ich rede. Sie hat eine geradezu verblüffende Blindheit ihrer Tochter gegenüber und sieht sie vermutlich als so etwas wie eine automatische Verlängerung von ihr. Lali kam auch, wie üblich, nur durch Heirat von der Mutter weg. Da die Mutter den Ehemann der Tochter wählt, ist es unangenehm, wenn da, wie bei Lali, etwas schiefgeht, wofür sie, die Tochter, verantwortlich gemacht wird. Es ist eine Schande, nach Hause zurückzukehren, weil man es nicht (wie die Mutter) richtig gemacht hat. Da war ich doch sehr frei, auch wenn ich nicht weiß, was und ob mir meine Mutter anderes gewünscht hätte, als ich selbst gewählt habe. Sie hatte reichlich Grund, besorgt zu sein, aber vielleicht war sie es auch nicht. Wenn man sich dann mehr in fremden Ländern als im eigenen Land aufhält, entstehen weitere Gefühle, die jeweils unterschiedlich gedeutet werden. Das war eines der Themen, die gestern am Tisch auftauchten: was ist „Realität“. Oder dieses Buch, das ich hier herumliegen habe mit dem Titel „Wie wirklich ist die Wirklichkeit?“ Die Selbstverständlichkeit, mit der wir mit Begriffen oft umgehen, kann sich nur dadurch erweitern, dass wir erkennen, dass fast alles, was wir selbst als „real“ bezeichnen, von anderen anders erfahren wird, wo man durch die plötzlich auftauchende Komplexität des Themas auch mal ins Staunen geraten kann. Ich denke, es ist immer förderlich, die eigenen Weltordnung großzügig und so angstfrei wie möglich zu erweitern.

Äpfel

Gut, nochmal eine blasse Familienidee aus den mnemosynischen Tiefen, die manchmal die eigene Hand ins von einem selbst Unwägbare führen. Wer ist der Vater, wer die Mutter? Oder sind es die Geister eines Schreckensmomentes, tief vergraben in einem Winkel des inneren Irgendwo, einer Kniekehle des Seins? Oder trifft es genau ins Zentrum des Nus, als ich noch nicht geboren war, aber kurz vor meinem Eintritt in die Welt stand, und meine Mutter erschöpft die steile Treppe des Arztes hinunterfiel und empört war, dass man sich vor ihrer Wundbetreuung die besorgte Frage stellte, ob das Kind wohl in Ordnung ist oder Schaden davon getragen hatte.. Wie schnell kann dem Kind was passieren, das will man sich ja nicht ausmalen, oder doch ein bisschen ausmalen, in einem traumgleichen,  bleichen Blau, man kann die Besorgnis um das Wohl des Kindes spüren, vielleicht war sie, die Besorgnis, ja da, und vielleicht alle dann doch froh und erleichtert, dass es alles hatte, was es zum anfangen braucht. Vielleicht tauchen die Bilder auch bei mir vermehrt auf, weil ich unterwegs bin am Ort meiner Mutter, wo sie ihre letzten Jahre verbracht hat. Da leben einige ihrer Freunde noch, man hat sie gern gehabt und zu vielem eingeladen. Ich war dann am Schluss ihres Lebens öfters bei ihr, denn in der letzten Zeit eines Lebens kann für die Sterbenden und die Lebenden noch viel passieren. Keine Garantie niemals. Nachts kam, erzählte sie einmal, mein Vater sie besuchen und forderte sie zum Tanz auf. Aber ihre Füße steckten fest im Gras, sie konnte nicht zu ihm gehen. Der Tod geht uns nichts an, sagt Epikur. Wenn wir da sind, ist er nicht da, und wenn e r  da ist, sind wir nicht mehr da. Aber es gibt auch Weisheitslehren, die das ganze Leben als eine Vorbereitung auf den Tod sehen, wer könnte das bestreiten. Ich war auch beim Nachbereiten des Todes meiner Mutter viel Kritik ausgesetzt, weil ich kein Grab für sie wollte, wo ich weitere Jahre mich um die Grabpflege kümmern muss. Es gibt wunderbare Friedhöfe, aber auch furchtbare. Es kommt auf die Verbindung an, die man hatte mit dem Menschen. Liebt man den Menschen, kann man trauern, aber man kann die Liebe nicht verlieren. Die Liebe ist hartnäckig und treu. Ich fahre also einen Tag herum an diesem Ort, wo sie gelebt hat, und muss mich um ein Stück Erde kümmern, das sie mir vermacht hat und das ich weitergeben möchte, denn ich will kein Stück Erde besitzen. Ich war sogar bereit, es zu verschenken, aber jeder, den ich fragte, hatte schon ein Stück Erde, auf dem ihr Haus stand. Als meine Mutter es kaufte, das Land, war es als Bauland gedacht, dann wieder nicht. Nun ist es ein Stück Acker mit alten Apfelbäumen, wo vielleicht noch ein Imker ein paar Bienenstöcke hinstellen könnte. Wenn die Äpfel reif sind, sind unsere Äpfel hier im Garten auch reif. Jemand könnte dort Apfelsaft machen lassen aus ihnen. Aber alle, die ich fragte, hatten schon so viele Äpfel und kamen vor lauter anderem Stress nicht mehr zum Apfelsaftmachen. Wen wundert’s.

Anekdoten

Da schauen sie uns manchmal an, die fernen Geister, die wir oft nur aus Anekdoten kennen. Einmal saß ich am Steuer des Wagens meiner Mutter und chauffierte sie und ihre Freundin nach Ungarn, wo die Tochter der Freundin wohnte. Sie kannten sich alle schon länger, und im Auto fingen die Geschichten an. Auf einmal wurde ich hellhörig. Sie sprachen über meinen Vater, den ich nur aus den dunkel gedämpften Lobeshymnen meiner Mutter kannte, denn er war ihrer Meinung nach ein Gott gewesen, den keiner mehr einholen konnte. Diese andre Frau da hinten kannte ihn, sie hatte mit ihm gesprochen, er war vor ihr gestanden undsoweiter. Es gelang mir, sie zu überreden, mit mir in eine Therme zu gehen, um dort aus ihr herauszulocken, was an Erinnertem in ihr steckte. Es war auch nicht so viel mehr, eher ein bisschen weniger, ließ ihn als Mensch angenehm erscheinen, nahm Schlange und Adler weg von der azurnen Einsamkeit, in die sie ihn gehüllt hatte, die Frau von meinem Vater, die uns Töchtern den Eindruck hinterließ, als hätte sie gut und gerne die Tage mit Superman allein verbracht. Es machte ihr manchmal Mühe, sich an mich zu erinnern, als ich gelernt hatte, die Anekdoten ab und an zu unterbrechen und eine Frage nach mir selbst zu stellen, wo ich in all dem Trubel wohl war und wie es mir ging trotz der netten Hausangestellten, die wir auch hatten. Sie war erstaunt. Du? Oder dir? Wie es dir ging? Es ging dir doch noch gar nicht, denn du warst ja noch ein Kind. Gerade hat mir eine Frau erzählt, wie verblüfft sie war, in einem Laden vor einem zweijährigen Zwillingspaar zu stehen, die sich vernünftig und fließend unterhalten konnten. Und dass Kinder die Zeichensprache schon sehr früh beherrschen können, da sie Bewegung vor dem Wort wahrnehmen. Obwohl es oft nicht so aussieht, bewegt sich das kollektive Bewusstsein auch voran und man weiß nun mehr über das wache Erleben des Kindes, auch wenn man für dieses Wissen noch an bestimmte Orte gehen muss, wo so etwas Geheimnisvolles erforscht wird, oder man hat das Glück, darüber informiert zu werden. Dass wir vom Leben nie getrennt und mit eigenem Wesen angekommen sind, auch wenn viele Hüter-und HüterInnen (Eltern) davon nichts wissen oder nichts wissen wollen. Nun kommt es natürlich darauf an, dass man den Kleinen nicht dauernd die Tassen von anderen Schränken aufdrängt, so als hätte ich nicht meine eigenen zur Verfügung und wie viele müssen sich wehren, wenn sie können, gegen die Ideen der Wächter, so als hätten die ein Stück Land gepachtet und wüssten, was drauf wächst. Andere werden ständig allein gelassen und dürfen schreien, weil es die Lungen stärken soll. In Indien sehe ich oft auch Töchter auf Väterarmen stolz durch die Gegend getragen werden. Man schmückt sich rechtens mit ihnen. Kurz darauf, denn das dauert ja nicht so lange, bis erzogen wird, kurz darauf geht’s zur fremden Familie und dem fremden Mann, der nachschaut, ob er gut versorgt wird. Gut, ich bin vermutlich auch mal auf einem Vaterarm gesessen, wer weiß. Die Anekdoten geben es nicht her. Man sagt, er wollte gerne Töchter. Aber wer weiß schon, was er wirklich wollte. Er war ja erst 37 Jahre alt, als er starb.

Weltmeisterspiele

Wenn die deutsche Fußballmannschaft antritt, erlebe ich Ähnliches wie in Indien, wenn die Cricketmannschaft antritt. Man kann davon ausgehen, dass sehr viele Gehirne ihre verfügbaren Areale in dieselbe Richtung dehnen, auf dieselben Flatscreens oder public viewings, in Indien vielleicht eine kleine Fernsehkiste in einem Mini-Kiosk, vor dem eine lange Schlange viewers hintereinander stehen und sich über die Schultern schauen. Ich schaue dort nie ein ganzes Spiel, weil ich noch weniger von den Regeln verstehe als vom Fußball, aber ich bin in tune mit der Kollektivpsyche, denn man kann kollelktive Aufschwünge gut nutzen, und sich wappnen gegen kollektive Abstürze. Die Deutschen, zweimal Verlierer selber angezettelter Kriege, sind keine guten Verlierer. Man wird auch nicht als guter Verlierer geboren, vieles muss man sich aneignen. Wenn also die Deutschen z.B., wie gestern abend, im Rahmen einer auffallenden Glanzlosigkeit verlieren, fegt die gemeinsame Wucht der Enttäuschung erstmal alles leer. Hätte man zumindest bravourös gespielt, wären Seehofer und Merkel eine Weile in den Hintergrund getreten, und man hätte in der inneren Landschaft bröckelnder Erde noch einen Lehmbatzen formen und ihm für eine Weile Atem einhauchen können. Das kann man nun nicht. All diese massive Vorbereitung, die man als potentielle Außenseiterin nur ahnen kann. Das Nähen der Hüte und der Banner, und Russland so weit, aber dabei muss gewesen sein, man will das Volk, jeder sein eigenes Volk, beim Siegen unterstützen, darauf kann auch gespart werden. Und nun hat Mexiko, eins dieser Länder mit den flinken Körpern, die aus anderen Gründen gut werden wie unsere Jungs,  einen für sie historischen Sieg gewonnen über die Meister aus Deutschland. Ja, das waren noch Zeiten, als Basti Schweinsteiger mit blutender Wunde im Schlachtfeld stand, und der gute Lahm war da, und…wie hieß er doch noch. Daraus entstehen später Preisfragen: wer schoß Zwanzigachtzehn das eine Tor in der ersten Runde! Wenn man kein Fußballfan ist, trotzdem in der WM die Spiele mit den Deutschen und noch so ein bisschen mal hier, mal dort reinschaut, der schaut auch nicht unbedingt gleich das nächste Spiel, praktisch um zu vergessen, was man gerade an Erschreckendem erlebt hat! Man lauscht etwa in den Großraum einer aufgeschreckten Leere, soweit man Leere noch aufschrecken kann, und muss oder kann die Wahrnehmung vom Spiel, also vom gemeinsamen Scheitern, wegholen in die blühende Gegenwart. Gut, hier moderiert kein Béla Réthy die Handlung, obwohl der auch nicht alles weiß oder wissen kann, höre ich. Die Angst, die deutsche Mannschaft könnte aus dem Spiel ausscheiden, liegt dem Volk wie gemalt im Nacken. Politisch sieht es (mal wieder) nicht gut aus, aber wenn das Fußballspiel auch noch zusammenbricht, und dann diese unüberschaubaren Massen, die hilfesuchend zu uns hinflüchten und uns zu Entscheidungen zwingen (spricht die deutsche Undergroundvolksseele), die wir nicht gewollt haben.. Die Angst vor brauner Farbe, die mit der natürlichen Erdhütung wenig zu tun hat. Die Angst vor der Schadenfreude. Deswegen kann man die Zwischenräume in einer WM gut nutzen zum Reflektieren, denn wenn die Weltmeisterschaftsspiele vorbei sind, ist alles andere immer noch da.

Das Bild zeigt eine Aschenurne, die ich mal in einem chinesischen Laden erstanden habe, und davor eine kleine Statue der Katzengöttin Bastet, Tochter des Sonnengottes Re. Das liegt da oben auf meinem Schrank, und ich schaue nicht jeden Tag hin. Heute zum Beispiel.

Friedrich Hölderlin

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Mnemosyne

Reif sind, in Feuer getaucht, gekocht
Die Früchte und auf der Erde geprüft, und ein Gesetz ist,
Dass alles hineingeht, Schlangen gleich,
Prophetisch, träumend auf
Den Hügeln des Himmels. Und vieles,
Wie auf den Schultern  eine
Last des Scheiterns, ist
Zu behalten. Aber böse sind
Die Pfade, nämlich ungerecht,
Wie Rosse gehen die gefangenen
Elemente und alten
Gesetze der Erde. Und immer
ins Ungebundene geht eine Sehnsucht.
Vieles aber ist zu behalten. Und notwendig die Treue.
Vorwarts aber und rückwärts wollen wir
Nicht sehen. Uns wiegen lassen, wie
Auf schwankem Kahne der See…

derdiedas Geist

Das hat mich auch schon immer mal (am Rande) interessiert, wie eigentlich die Artikel zustande kamen. Wer hat jeweils entschieden, ob und warum (zum Beispiel) die Philosophie, die Mathematik, die Poesie, die Chemie, die Physik usw. alle weiblich sind, obwohl bis heute die schiere Wahrnehmung weiblicher Intelligenz unter den Völkern  immer noch Fragen aufwirft, die wenig Beantwortung finden. Sind die Wissenschaften etwa alle weiblich artikuliert, damit sie vom männlichen Geist beackert werden können? Und dass der Geist einen männlichen Artikel hat, ist mir auch erst neulich bewusst mal aufgegangen, nämlich wie sehr das alles noch von religiösen Vorstellungen untermauert ist, der Geist, das Geistige, wie kann das genderorientiert betrachtet werden! Die neuen Sprachen haben es auch nicht gebracht, denn bei aller Geschlechts-und Entwicklungsvielfalt bleiben bestimmte Fragen und Wahrnehmungen  ungetrübt und erfahren immer wieder neue Belebung, denn wer sagt, das Rätsel sei überhaupt lösbar, und wer sagt, es ginge letztendlich nur um des Rätsels Lösung. Ich sage das: es geht letztendlich nur um des Rätsels Lösung. Das ist dieselbe vertrackte Frage wie „Was ist Kunst?“ Und doch, wenn ich mich nicht selbst an den Rand bringe und in den Schlund des ewig Undeutbaren schaue, und mich durch die Schauder der Wortfindung treibe und mir beibringe zu sehen, wie weit das Auge reicht,  dann, ja dann, was denn dann? Bin ich selbst der unheimliche Urgrund, der sich manchmal einschleicht in meine Pinseleien, sodass der verhältnismäßig kleine Raum, in dem da etwas stattfindet, sich hinausdehnt in das nicht mehr Sagbare, wo ich selbst erstarre in tiefer Betroffenheit über das, was ich nicht von mir wusste, das helle Licht gleichermaßen wie die bedrohliche Dunkelheit. In den Jahren, als der Reinkarnationsgedanke für mich noch eine unantastbare Realität darstellte, waren bestimmte Ebenen von einer zeitlosen Leichtigkeit geprägt. Man konnte sich ein weiteres Dasein als Martial Arts Tänzerin vorstellen, oder mal ein Leben lang nur Urdu lernen, eine wunderbare Sprache für poetische Geister. Aber gut, weg mit den Phantasien, und her mit der zeitlosen Leichtigkeit und Schwere des Alltags, denn für die, die ich jetzt bin, wird es keine Wiederholung geben, jedenfalls nicht, soweit ich informiert bin, obwohl es in Indien auch dafür eine Theorie gibt, von Wahrheitsansprüchen gestützt, nämlich dass sich alles in großen Zirkeln immer um sich selbst dreht, und dass jede unserer Gesten wie von selbst kommen, da sie schon immer da waren. Vieles kann einem einleuchten. Es fragt sich nur, in wessen Hand die Lampe ruht. Bin ich interessiert, mir selbst eine Lampe zu sein oder halte ich immer Ausschau nach einem, der mir heimleuchtet und dem ich zugestehe, es besser zu wissen. Ich muss es ja auch nicht besser wissen wie jemand anderes, aber von mir selbst weiß ich doch gerne, wie ich es sehe, und warum gerade so und nicht anders. Schließlich ist heute Samstag. In Indien hat man mich gleich zu Anfang mal informiert, dass am Samstag in den Häusern gestritten wird. Da liegt, wenn man so will, was Saturnalisches in der Luft, das einem etwas aufzwingen will. Als seine Tempelform haben sie nur einen pechschwarzen Stein aufgestellt, der soll Angst machen vor den Samstagskräften. Vielleicht gibt es deswegen in Deutschland am Samstag so viel Kabarett, oder auch die Fußballspiele, damit die schwarzen Energien kanalisiert werden in das verhältnismäßig Harmlosere. Doch wer herrscht über die Kanalisation. Man kann an die russische Puppe denken, wo hinter jedem Hacker noch ein Hacker sitzt, bis keiner mehr weiß, wer auf wem herumhackt. Und weil Samstag ist und gleich die Stunde der Rasenmäher eingeläutet wird, zum Glück noch nicht von den Kirchenglocken, ja, da macht man sich gern aus dem Staube und fährt ein bisschen durchs Grüne, statt immer nur im selben Grün zu sein.

leben

Man entwickelt ja dann mit der Zeit bestimmte Eigenschaften und Gewohnheiten, die einem dabei helfen, sich an das Leben zu gewöhnen. Fakt ist, dass man sich gar nicht an das Leben gewöhnen kann, man kann aber so tun, zum Beispiel, als wäre es schon immer so gewesen und würde auch so weitergehen, mehr oder weniger. Jetzt nimmt aber keiner das Leben so wahr wie man selbst. Das ist schon verblüffend, wenn man bedenkt, von wie vielen Geschichten man selbst durchwoben ist, ein ganzes Universum, das ständig damit beschäftigt ist, sich selbst zu ordnen und zurechtzufinden und zu schauen, ob es denn einen der eigenen Person entsprechenden Ort gibt, wo man Möglichkeiten des Aufenthaltes findet, damit die Fremdheit dem komplexen Labyrinth gegenüber etwas eingedämmt wird. Jede/r, der es schafft, kommt ja hier an mit einem gewissen Recht, einer natürlichen Aufenthaltsgenehmigung, die allerdings auch Aufgaben mit sich bringt. Wenn man Worte findet für das, was einen bewegt, kann man sich einen Weg bahnen. Kommen die Worte aus dem inneren Think-Tank, transportiert einen die Neugier ziemlich mühelos in die Forschungsgebiete. Man hat ja, abgesehen vom Suizid, keine Wahl, aus eigener Entscheidung heraus auszutreten, ist daher unter einem Wahrnehmungsdruck, unter dem man dann öfters die Wahrnehmung mit dem verwechselt, was da ist. Außer man sieht wirklich was da ist, das ist schwierig zu erfassen, weil es so einfach klingt. Was ist denn da? Was benötigt es, um Anwesenheit überhaupt zu empfinden? Zum Training und zur Bewältigung dieses atomarischen Tanzes, in den man also eingebunden ist, werden ja am laufenden Band Instrumentarien angeboten, bei denen es hilfreich ist, sorgfältig zu wählen. Ich kann mich nicht grundlegend ändern, aber ich kann richtungsweisend agieren und korrigieren, was mir nicht angemessen erscheint. Es ist ja das pure Wunder, dass wir Menschen uns überhaupt verständigen können, was noch nicht verstehen heißt, aber immerhin eine Sprache zur Verfügung stellt. Es ist durchaus angebracht, wenn man in den Lebenselixierkursen außer der Deutungshoheit noch die Gestaltungshoheit dazu nimmt. Zutrauen, und auch zumuten. Diese Gedanken kamen im Kontext eines Gespräches über die Szene eines Figurentheaters, wo wir überlegten, wie man vermittelt, dass eine Figur ins Leben tritt. Die Frage dazu: was versteht man denn selbst unter „Leben“, und wie würde man die Frage beantworten. Das, was man dauernd tut, leben, etwas, das dauernd da ist, bleibt, wieder verschwindet, konstant vom eigenen Atem bewegt, in der Verpflichtung seiner klugen Erhaltung, damit die Schatten, die zu bewältigen sind, nicht noch unnötigerweise beschwert werden. Liebeslieder und Klagelieder singen, solange das Herz sie begehrt, denn sie lockern das Salz der Erde auf und machen das Erzeugte schmackhafter.

erscheinen

Hinter all dem, was wir scheinen und glauben zu sein und wo wir mit einer mehr oder weniger gewissen Identität herumhantieren, und noch dahinter, und auch dahinter noch vermute ich mich selbst als noch ungestörtes Wesen. Das kann ja nicht anders sein, denn in jeder Hinsicht ist es ein Neuanfang, denn ob es reinkarnierte Leben  gibt oder nicht, so wird auch die Verhaftung an die Idee der Ahnenkultur nur von mir geknüpft oder nicht, und es deutet doch von diesem Anfang an jede/r alles für sich und hält es für die bestehende Wirklichkeit. Nur, wie weit will ich gehen mit meiner Kenntnis von mir, und wann wird mir klar, dass es Hülsen und Hüllen und Verpuppungen und Verschleierungen gibt und all das, was verdrängt und stört, was eben einst einmal ungestört war in wortlosem Empfang von Welt und seinen günstigerweise positiven Resonanzen, die ja in der heutigen Zeit immer weniger abhängig sind von dem Ur-Dreieck Vater-Mutter-Kind, wenn dieses Dreieck sich entweder selbst auflöst oder sich durch die Gegebenheiten erforderlicher Resonanzen als tragfähig oder nicht mehr tragfähig erweist, und andere Formationen auftauchen, die die Bedingungen einer gesunden Kindheit besser gewährleisten. Obwohl es genügend bedrohliche Lebensanfänge gibt, gibt es doch stets auch eine Menge Räume, in denen ein Wesen sich selbst verhältnismäßig ungestört wahrnehmen kann. Dann kommen ja erst die Jahre, wo das Leben eher einer Heldenreise gleicht, wo permanent Prüfungen zu bewältigen sind, die klären sollen, wie weit ich die Matrix selbst durchdringen und selbst für mich erscheinen lassen  und manifestieren kann, was mir vorschwebt. Was einem nicht alles vorschwebt und fast in Zeitlupe an einem vorbeischwebt, wie an diesen seltsamen Tagen, wenn am Himmel diese dichten und geballten Wolkenmassen auftauchen, und man, wie ich einst an einem Fenster über der Amalfiküste dem antiken Schauspiel der Götter zusah, dort in den Wolken, und von der schieren Wucht der Formen überwätigt wurde, als feurige Pferde und hohe Kunstwerke von Kutschen mit den Helden und Heldinnen vorüberzogen und meine Wahrnehmung von Wirklichkeit vollkommen erschüttert wurde durch etwas, was auch unleugbar da war,  obwohl seine Lehre der Vergänglichkeit ebenso eindringlich war. Und klar, so sehr auch die großen Geschichten und Dramen und Epen uns permanent medial geliefert werden, so sind sie doch trügerisches Wolkenwerk, denn die Frage bleibt nach dem eigenen Schiff, nach seinem Bau, seiner Größe, seinem Maß,  seiner Transportfähigkeit hin, ja wohin. So wie die Großmutter und das Neugeborene miteinander einen zeitlos guten Anfang gewähren, so gewährt auch das Schiff eine gute Fahrt, solange die Ankunft am Ziel nicht aus den Augen verloren wird, nämlich ich selbst als das Ziel, auf dem Weg die Gefahren und Widerstände bannend, die mir im Labyrinth meines Seins als viele Fährten gelegt wurden, durch die ich wohl oder übel navigieren muss, um zu erreichen, wo ich bereits bin. Denn es lebt doch noch irgendwo in mir, das störfreie Empfinden, als tatsächlich noch alles gut war, wenn auch nicht außen, so doch in mir, nun ein kostbares, zerbrechliches Ei, das ohne meine Einfühlsamkeit nicht überleben kann. Und warum sollte es auch leben ohne mich. Bin ich doch noch immer dasselbe Ei, dessen Durchgang der Vernichtung entgangen ist. Ich selbst habe meine Kräfte einschätzen lernen und mit ihnen gerechnet und mich auf sie verlassen können, eben dass sie mich hinweisen können auf das, was mir schadet und was mir nicht schadet, sodass das Ungestörte sich auftun kann und in mir seine Wirkung entfalten.

nachfahren

Nun ist es ja so, dass wir gerade in einem schwer einschätzbaren Kollektiv durch die sogenannte und viel besprochene digitale Revolution manövrieren, jede/r mit sich und den Maschinen so allein, wie es Job oder Familie oder Sucht  oder Bewusstsein erlauben, und d i e s e r Weg ist ein Weg, der einen lehrt, dass es in der Tat kein Zurück mehr gibt. Mit der von uns willkommen geheißenen und ungeheuren Öffnung zu digitaler Nahrung wird dem Menschen und seinem Geist ein Sattsein offeriert, das die Grenzen der Übersättigung immer mehr der Wahrnehmung entzieht, bis der Zustand des Übersättigtseins vom jeweiligen System  als Normalzustand definiert wird. Gleichzeitig treten, wie von kosmischem Ausloten erzeugt, einerseits immer mehr Mangelerscheinungen auf, wie schlechte Augen, Ohren, Luft, Konzentrationsfähigkeit undsoweiter, und andrerseits erhöht sich der Konzentrationsionspegel derer, die an der Erkundung dieser Phänomene interessiert sind. Ist der Mensch tatsächlich dabei, sich einen Hades zu erzeugen, den er unwiderruflich erzeugen muss, um sich des Ausmaßes  seiner planetarischen Gewaltanwendung bewusst zu werden, die schon so alltäglich ist, dass man sich anderes kaum mehr vorstellen kann. Das ist genau der Grund, warum es interessant wird für das Individuum, zu sehen, wie das, was wir so gerne für selbstverständlich halten, auch umgesetzt wird. Da es keinen Ausstieg gibt aus dem Spiel, hat man sich schließlich selbst als Kompassnadel. Geht es wirklich immer weiter geradeaus, oder ist es doch ein Kreislauf, der bestimmten Gesetztmäßigkeiten unterliegt. Oder beides? Stetiger Strom der Ordnung, und angemessenes Maß an Freiheit, die es einzusetzen gilt, damit man dem eigenen Wesen nicht widerstrebt. Ob der Mensch immer hier leben wird, ist ja gar nicht so relevant, denn wenn er eines Tages weg sein sollte, ist er ja nicht mehr da. Und sollte er tatsächlich assimiliert werden von der Maschine, dann wird das dortige, hybride Wesen ja nicht wissen, ob es Teil eines von Algorithmen hervorgezeugten Suizids ist, sondern wird sich weiterhin vorkommen wie das jeweils Mögliche in seiner Optimierung. Da verliert man dann auch schon die Lust am Durchdenken, weil man am Ende des Tunnels kein Licht vorfinden kann. Das menschliche Leben, das hat uns Indien doch auch beibringen können, entfaltet den größten Glanz in seiner Einfachheit, seiner guten Nahrung, seinen Aufgaben des Enträtselns der Dinge, die einem lange vorkommen, als wären sie einfach so da. Bis man entscheiden muss, was wirklich da ist für einen, und was nicht. Was einem entspricht, und was nicht. Was man haben muss, und was nicht. Was einem gut tut, und was nicht. Ob man sich selbst schon kennt, oder nicht. Ob man weiß, was Sattsein ist, und was einem genügt, ohne Einschränkung der tiefen Empfindung. Nachfahre und Erbin der guten Gedanken, dankbares Lächeln nach allen Seiten hin. Jede/r allein in seinem und ihrem Spiel unterwegs. Wir sehen einander und nehmen Beispiel am Anderen. Daher die erst verwirrende, dann klare Nachricht über die Freiheit und das angemessene Handeln in ihrer tief menschlichen und zeitlosen Obhut.

Weg

So, wie man sich gerne mal individuell von der Masse trennt und trennen muss, obwohl man sehr wohl weiß, dass man auch zu der Großgruppe Mensch gehört, so verblüfft kann man auch bleiben, wenn man beobachtet, dass es eigentlich nur zwei grundlegende Seinsauffassungen gibt, mit denen wir Menschen vorangehen. Man kann das Leben einfach als einen Vorgang sehen, dem man nicht ausweichen kann und dem man permanent ausgesetzt ist. Stimmt ja auch in gewisser Weise, aber hauptsächlich kommt es darauf an, wenn ich mich für diese Richtung entscheide, wie ich die kreativen Kräfte in mir in Gang setze, um den Umgang mit dem vorhandenen Material zu gestalten, und mit was ich ausgestattet bin bzw mich selbst ausgestattet habe, um das zu bewerkstelligen, und was mich daran hindert, das, was ich als mich selbst empfinde, in ein lebendiges Bild umzusetzen, in dessen Rahmen ich mich auch als der Mensch, als der ich mich empfinde, zeigen und bewegen kann. Nun kommt das nicht so häufig vor, und die Fragen, die sich hier dann langsam auftun, um die einem als Rätsel vorkommenden Ereignisse zu entschleiern, sind der Anfang dessen, was man schlicht als den „Weg“ beschreibt. Vom Anfang unserer uns bekannten Weltgeschichte an gab es einen bestimmten Weg, der für diejenigen geeignet schien, die Fragen suchten auf bestimmte Antworten. Auch gab es immer schon weite und beschwerliche Reisen, die dafür unternommen wurden, wenn einem etwa in der eigenen Kultur eine Begrenzung zu dominant erschien. Auch zwischen Indien und Deutschland gab es weit in die Zeiten hinein Verbindungen, ein Hin und Her an Interesse, ein ungläubiges und ein gläubiges Staunen über Vorgefundenes, das einem einerseits in der Form  so fremd war, und andrerseits den Geist, die Seele, das Ich, oder wie man es auch immer nennen wollte und will, eine also als Ganzes einzuhüllen schien in eine undeutbare Logik des Daseins, die gerade noch von Gottheiten unendlicher Vielfalt erfasst werden konnte. Es ist aber die Masse, die das wahrlich Undeutbare anbetet, und es sind Einzelne, die über die Qualen und Abenteuer der Deutungsmechanismen letztendlich und vor allem nur sich selbst auf die Schliche kommen. Man pilgert dann gerne in Yogakurse, das schadet selten, ist aber auch keinerlei Garantie, für was, ja für was. Es schadet dem Körper nicht, aber erweckt es deswegen schon den Geist und seine schlummernden Stapelungen? Verliert man auf dem Weg das sogenannte „gesunde“ Ich, oder ist es möglich, durch tapferes Wandern und Durchhalten auf dem Weg, eine gewisse Gesundung zu erreichen, heißt: genügend Bewusstseinssubstanz ist zugeführt worden, um das Hungergespenst des Wünschens und Wollens in ein für mich selbst förderliches Maß zu bringen. Hier, wo das Interesse an der authentischen Wahrnehmung des eigenen, persönlichen Vorgehens und Damit-umgehens aktiviert wird, wird auch Hunger in tiefes Interesse und Staunen umgewandelt, denn die Vorgänge sind nun höchst lebendig und ringen einem immer wieder aufs Neue erfrischten Gewahrsam ab. Hier kann man sich auf nichts mehr verlassen als auf das, was da ist: man selbst, die anderen und der blaue Planet. Die Bühne also, auf der sich täglich das Zusammenspiel der Figuren enthüllt. Nur, um in der großen Bewegung im Fluß bleiben zu können, gilt es, letztendlich auch den durchgeackerten Ich-Anker loszulassen, denn an diesem Punkt, der keinen Standort hat, kann Verbindung nicht mehr verloren gehen.

bildlich

Vor Kurzem hatte ich ja noch beim „Pinseln“, wie ich es nenne, und beim Einstieg und Auftragen der Farben vor, unter keinen Umständen den Formen und Gesichtern nachzugeben, die sich hier großzügig der eigenen Sicht darbieten können wie verlockende Gesänge der Sirenen,  ein „hol mich heraus, lass mich leben, ja siehst du mich nicht (man musste mich nicht anbinden). Ich aber will zuerst einmal ein Feld erschaffen, aus dem heraus sich das zu Sehende bildet. Ob letztendlich das Abstrakte sein Siegel setzt oder die erzeugte oder zugelassene Form, so ist es doch immer das Bild an sich, das hier den jeweiligen Zugang bildet. Was sieht man, was ist man davon, und kann man etwas machen, was man nicht ist. Vielleicht ist die Kunst auch eine Gabe, über den individuellen Weg, durch sich selbst, die Vielfalt der Möglichkeiten zu erkennen, denen man Ausdruck geben kann. Es ist unendlich. Ob man jede Form ist oder nicht ist, verliert hier die Deutung, denn ja, dann wiederum auch nicht, denn das Paradoxe ist auch eine bedeutende Zutat der Weltbeschaffenheitswahrnehmung (kann man nur im Deutschen machen). Die offen sichtlichen Erscheinungen können in ihren Veränderungen ja frappierend sein, aber es ist auch ein undurchdringbares Gewebe, ein ständig sich verändernder Seinsteppich, in dem alle Anwesenden nur in beschränktem Maße das Ganze erfassen können. Doch auch das Ganze vollständig zu erfassen ist möglich, nur nicht mit denselben Mitteln und Methoden. Am Kern, also bei sich selbst, zu wohnen, erfordert eine gewisse Sichtfreiheit auf die Tatsache, dass der Strom bei allem Unterhaltungswert doch die Matrix des Illusionären darstellt, deren Spielregeln verstanden werden müssen. Man kann sie verstehen. Wenn man ein paar Grundregeln beobachtet, gelernt und sich angeeignet hat, kann man, immer den Verhältnissen entsprechend, ein „gutes“ Leben leben. Da das die meisten gern möchten, wundert es natürlich, warum das nicht einfacher ist. Es i s t ja nicht einfach, es ist erst einmal hochkomplex. Das ist mir in den letzten Tagen klar geworden, auch wenn es tönt wie eine  Binse, nämlich, dass jeder Ankommende eigentlich nur eines hat: er oder sie kann darauf achten, wie er oder sie das ganze Ding, mit dem man unterwegs ist, am besten schaukelt. Ich bin auch überzeugt davon, dass jede/r tut, was er/sie kann, denn wenn wir es wirklich besser wüssten, würden wir es ja tun. Sich reichlich beschenkt und wunderbar fühlen, wer oder was hält davon ab? So erzeugen wir tatsächlich ständig und unaufhörlich unser Weltbild, wir selbst das von uns erschaffene Weltbild. Deswegen ist es hilfreich, wenn man den Zugang zu der eigenen Kunst entdeckt und erforscht. Denn wir sind auch Teil eines gigantischen Zeugungsvorgangs, in dem die Chance, sich selbst als Ausdruck zu erfahren, ( in Existenz zu kommen durch das Lösen des eigenen Rätsels), ein Angebot ist, das man gestalten kann, wie man möchte. Oder dass man das, was man möchte, auch können muss.

Hermann Hesse

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Gewitter im Juni

Sonne krankt, Gebirge kauert,
Schwarze Wetterwolkenwand
Mit geduckten Kräften lauert,
Niedrig flattern scheue Vögel,
Graue Schatten übers Land.

Donner, lange schon zu hören,
Poltert lauter los und klingt
Herrlich auf zu Paukenchören,
Draus trompetenhell und golden
Blitz um Blitz den Schwall durchdringt.

Regen stürzt in dichten Güssen
Gläsern, kalt und silberfahl,
Rennt in Bächen, rauscht in Flüssen
Wild wie lang verhaltenes Schluchzen
Nieder ins erschreckte Tal.

daheim

Auf dem Bild sehen wir den Surfer, hier in seinem goldenen Neopren Home Design Outfit, von einer seiner langen Reisen zurückkehren, wo er wiederholt versucht hat, die Welt zu retten, doch sie ist hartnäckig und scheint unrettable. Gut, der Surfer ist müde von dem kosmischen Job, er freut sich auf Zen-La, wo Shalabal (wie immer) auf ihn wartet. Sein Surfboard, das man vorne im Bild angedeutet sieht, stellt er zur Seite an eine der uralten, hundert Meter breiten Wände von Zen-Las Behausungen. Hier ist Raum kein Problem, nicht wie auf der Erde, wo man am eigenen Atem zu ersticken droht. Was hat er sich nicht dusselig gegrübelt da oben in der vertrauten,  intergalaktichen Seinssphäre über die Vorgänge da unten, aber er hat in der Welt der Menschlinge keine Logik finden können, wenn er das Verhältnis Wissen und Tat auszuloten versuchte. Natürlich stand ihm auch der Borselino nicht so gut, den er wegen seines seltsamen Aussehens dort tragen musste, und den Trenchcoat musste er auch dauernd anhaben, die Burka des Weltenspions. Am liebsten hätte er den ganzen Osten gepackt und mit dem Westen zusammengefügt, dann hätte es seiner Meinung nach eine neue Schulung geben können, die Anreize schafft. Aber dafür ist er schon zu lange unterwegs, um nicht zu wissen, dass letztendlich seine Meinung nicht unbedeutend, aber auch nicht zu bedeutungsvoll war. Es war nicht mehr wie früher. Jetzt hingen an jeder Ecke des Alls Video-Kameras, um die Menschen vor ihrem eigenen Tun zu schützen, sozusagen vor ihrem eigenen Wesen und Wissen und Gewissen, beziehungsweise: was ging’s ihn an. Jetzt war er ja zu Hause, zumindest ein paar Tage, und da ging es ihm immer gut, weil viel auf ihn geachtet wurde. Aber wo waren wir, oder besser gesagt ich, stehen geblieben? War etwas stehen geblieben? Konnte jemals etwas stehen bleiben? Es konnte zumindest so wirken, zum Beispiel wenn jemand tot ist, doch auch da wird die Materie noch bewegt und verändert sich. Auch Asche sieht aus, als käme nichts mehr aus ihr, aber sie ist voller guter Stoffe und kann Leben hervorbringen. Auch die Asche ein Mutterleib. Komisch, immer wenn er draußen war in der azurnen Einsamkeit, sehnte er sich nach  Zen-La , und natürlich nach Shalabal. Nur war er dann in Zen-La und Shalabal balsamierte lindernd und lächelnd seine müden Füße, da dachte er nur an das All, den Kosmos, der auf ihn wartete zum Durchgrübeln der vielen Weltrettungsprojekte. Währenddessen streifte sich Shalabal, erschöpft und gelangweilt von der erwarteten Hingabe, die falschen Wimpern ab und betrachtete sich lange im Spiegelbild des Wassers, ohne hineinzufallen, und sinnierte vor sich hin die Sätze, die schon viele hochkarätig intellektuelle Frauen vor ihr erdacht hatten. Auch sie war davon ausgegangen, dass der Surfer  nach Zen-La zurückkehrte, um mehr von ihr zu sehen und zu verstehen, aber es war klar, dass es dazu nie kam und auch nie kommen würde. Sie erdachte sich eine neue Frau, die sein konnte, und siehe da, die Strukturen von Zen-La schwankten und brachen ein wie überwältigt von einem mentalen Termitenheer. Aus den Ruinen erschuf sich die frische Geschichte, die noch keiner kannte, und niemand auch nur ahnen konnte.

Drama

Dass mir das einmal so gleich-gültig im ursprünglichen Sinn des Wortes sein würde, ob ich schon einmal da war oder nach dem, was ich jetzt bin, noch einmal erscheinen werde, hätte ich mir sicherlich zu einer anderen Zeit nicht vorstellen können. Man muss ja, vor allem im Westen, ganz schön ackern allein um das Dreieck Vater/Mutter/Kind herum. Die ziemlich geniale Handhabung dieser Problematik durch die Hindus hat mich damals, als ich ankam, ziemlich beeindruckt. Morgens aufstehen und zuerst die Füße der Mutter und des Vaters achtungsvoll berühren und ihnen danken, das war hier bei uns leider nicht drin. Erst der Krieg, dann das Lösen von gewissen Zwanghaftigkeiten der Kultur, vom Unbehagen in ihr undsoweiter. Das riesige Kollektivbeil der Selbstzerstörung niedergelassen auf das Poetenvolk, die hochkarätig intellektuell Ausgerüsteten bei der Fleißarbeit des Gaskammer-Systems. Gut, irgendwann ist einmal alles bzw. vieles durchgegrübelt. Doch ist es? Wenn das Individuum realisiert, dass es das einzige Wesen ist, das das ungeteilte, also individuelle Ich (oder Selbst) verstehen  und darauf, was es ist, Antwort geben kann, dann bringt das sicher eine gewisse Freude hervor, sich selbst gründlich kennen zu lernen, vermutlich das einzige wilde Abenteuer, bei dem man alles erleben kann, was das Herz begehrt, und was es nicht begehrt. Klar, das Paket ist in gewisser Weise von Anfang an geschnürt. Wer war denn nur der Papa. Viele Papas werden ja durch Dasein auch nicht viel greifbarer. Ich hätte wirklich Grund, mich zu grämen, dass nur er, mein Vater, mich kannte und nicht ich ihn, da der kriegerische Abgrund ihn zuletzt doch noch holte. Für den Weg zurück, zumindest an einige brissante Stellen, habe ich mir über eine glaubwürdige Empfehlung dann doch noch Unterstützung geholt. Das war gut. Ich denke ungern und selten an das deutsche Volk als ein Volk von Traumatisierten, aber es gibt Momente, wo ich diese Sicht auch mal zulasse. Ich denke allerdings, man unterschätzt gerne den Umfang der Substanz dessen, mit was man bei der Geburt angetreten ist. Man kann es ja, egal wie es geartet ist, nicht anders wahrnehmen als das eigene Schicksal mit all seinen Kontrasten und Widerständen und den beiden extremen Seiten jedes Systems, die auf bewusste oder unbewusste Weise in die Harmonisierung drängen, was gern die Suche nach dem Glück genannt wird. Nun steht man sich im Wege. Wer soll räumen? Aufräumen? Wer macht es gerne, und wer hat es nie gelernt, ja, auch nicht lernen müssen, denn so weit ich sehen kann, wird zumindest niemand, den ich grad kenne, gezwungen. Wer soll zwingen? Wem oder was unterliegt das Zwanghafte? In dem indischen Dorf, wo ich einige Monate im Jahr lebe, sind die Menschen eigentlich auch ziemlich frei, zumindest werden sie nicht geknebelt von einem Diktator (obwohl ich persönlich Narendra Modi für einen verschleierten Diktator halte, der sehr wohl subtil knebelt), aber so im täglichen Leben herrscht das Übliche: viel Stress und Arbeit und Kreditbelastung und natürlich der helle Wahnsinn an magischer Zwanghaftigkeit all den Ritualen gegenüber, die das Leben des Hindus durchdringen. Auf die digitale Revolution waren vielleicht die Inder im Silicon Valley vorbereitet, aber nicht der Rest der indischen Bevölkerung. Alles ist noch da: die Irren, die Armen, das Plastik, die Kühe, aber nun hat niemand mehr Zeit, sich zu kümmern. Wenn der Strom ausfällt, geht das Land in die Kniee und bittet um Welan. Eigentlich werden Therapeuten gebraucht. Menschen, die gelernt haben, anwesend zu sein und sich auf ein Gegenüber einstellen zu können, ohne dass das eigene Drama ständig im Weg steht. Gleichzeitig in der Verfeinerung des Menschseins aktiv zu bleiben. In einer der wenigen Anekdoten, die mir von meinem Vater (glaubwürdig) überliefert wurden, soll er des öfteren, mit dem dazugehörigen Humor, die Frage gestellt haben; Wer kennt sich selbst? Das ist eine gute Frage, wenn man das ins Außen gerichtete Auge zum eigenen Inneren lenkt und sich am gründlichen Einsatz erfreut. In der televisionären Abenteurstunde.

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Es gibt ja immer mal wieder diese Momente, wo man mal nachschauen will, was man so alles hat, der Kleiderschrank, die Schuhe, die Bettwäsche, die Collector Items, der Inhalt der immer schöner und stabiler werdenden Boxen, wo gutes und langes Lagern möglich ist. Vieles hängt und liegt also im Verborgenen, wobei einige einem teuer gewordene Objekte draußen stehen, obwohl sie einem meist genauso verborgen bleiben wie das Verborgene. Und dann die Bücher. Die Bücher stehen draußen, und das Spannende einerseits, und andrerseits das Fatale an den Büchern ist, dass sie alle voll sind mit Gedanken, die sich Menschen so gemacht haben, über das Leben, was sonst, man hat ja vor allem das eine, mit dem man umgehen muss. Bücher spielen darin eine Hauptrolle. Ich bin nicht so durchtrainiert im Rückblicken (außer wenn der Moment es fordert), aber ich erinnere mich sehr genau an das sehr früh erfasste Gefühl der Hand, die über Bücher und Buchtitel gleitet, über Schätze, die in weitgestreckter Zukunft lagen, da gab es kein absehbares Ende, es gab immer Bücher (Agonie des Eros!) (Danke, Herr Byung Chul Han). Und jetzt gibt es sie immer noch. Man (ich) hatte das Glück, sie immer und immer wieder aus verschiedenen fruchtbaren Quellen herausnehmen zu können, bis klar war, was Finden ist. Langsam sammelte sich das an, was einem am meisten entsprach und enspricht. Zu Virginia Woolfs wunderbarem und wichtigem Titel „A room of one’s own“, wo sie dafür plädierte, dass jede Frau ihr eigenes Zimmer haben sollte,  füge ich hinzu, dass es in so einem Zimmer einfach wunderbar ist, auf eine reiche und vielfältige Auswahl von Büchern schauen zu können, die man durchaus alle noch mal würde lesen können, hätte man die Gelegenheit dazu. Was drinsteht, kann ja nicht wirklich verloren gehen. Die ungeheuerlich guten Gedanken, auf die man manchmal trifft, der Glanz der Formulierungen!, da dachte man doch recht oft, man könnte das nie vergessen. Aber man vergisst es, denn das eigene Denken ist ja bereits im Gange, und wer Freude hat am Denken, den lässt es so leicht nicht los, oder man selbst das Denken, wenn es einem inzwischen gelungen ist, den Geist leicht und locker zu lassen, so als würde sich hier die Theorie des Relativen unvermittelt in Praxis umsetzen. Der Mensch kann natürlich nur über d a s schreiben, was Menschen betrifft, oder was ein Mensch vorfindet, wenn er ankommt und alt genug ist, zur Feder zu greifen. Er will es oft gar nicht den Anderen erklären, wie er es erfährt und niederschreibt, sondern er muss es sich selbst erklären, denn sonst versteht er ja gar nicht, was ohne ihn und mit ihm und durch ihn (und natürlich sie) hier los ist. Es ist umwerfend, wie viele gute Bücher es auf dieser Welt gibt. Ich bin gerade am Aussortieren, heißt: ich wollte mal sehen, ob es etwas zum Aussortieren gibt, also das Ganze auf die Essenz zusammenschmieden. Ich greife hier heraus und schau mal da rein, dann da und dort. Es ist, als lese bzw läse ich in meinem eigenen Gehirn. Alles so vertraut, alles voller Themen, die mich immer noch beschäftigen. Da wird mir eines klar. Das wird ja nie aufhören. Jede/r, der ankommt, hat das ganze menschliche Gehirn zur Verfügung und kann wählen, was ihn interessiert. Ich bin hochzufrieden mit meiner kleinen Bibliothek. Ein paar Bücher habe ich dann doch herausnehmen können. Sie werden zu einer Installation im Gästezimmer gehören. Der Gast kann nehmen und lesen, aber der Bestand bleibt erhalten. Gute Bücher! Kostbares Gut!

trauern


Vor ein paar Jahren wurde ich einmal von einem Freund nach Guatemala eingeladen. Der Einladung ging eine tiefe Überwindung voraus, und es gab zwei Gründe, die mich dann vor allem zur Reise bewegten: ich wollte sehen, vor was ich mich fürchtete, wenn ich an Süd-oder Mittelamerika denke bzw dachte, und es gibt einen Jaguar-Tempel dort, den ich unbedingt sehen wollte, aber ich kam wegen der Ümstände nie hin. Alles kam mir vor wie wenn ich mich in einer Geschichte von J.L.Borges bewegte, überall Einfaches, gehüllt in Undurchdringlichkeit. Es gab viel Gutes, aber auch viel guten Grund zum Fürchten. Seltsam, dass ich auf den Treppen der schneeweißen Kirchen öfters mal Blutströme sah. Das Römisch-Katholische schien irgendwie gar nicht zu den Indianern zu passen, sondern kam mir vor wie ein Gefängnis der Mayakultur. Bevor eine gigantische Katastrophe ausbrach, hatte ich eines der schönsten menschlichen Erlebnisse in meinem Leben. Ich wohnte in der Nähe des beeindruckenden Atitlàn Sees und machte mich eines Morgens auf, um mit einem Boot etwas darauf herumzufahren. An einem Ufer lockten die aufdringlichen Bootsbesitzer mit den üblichen Touristen-Phrasen. Da entdeckte ich ein kleines, simples Ruderboot, auf das nur ungefähr zwanzig Menschen auf schlichten Holzbänken Platz hatten. Der Ruderer zeigte auf die anderen Boote, aber ich setzte mich durch. Da fuhren wir dahin, leise und schweigsam, und ließen uns von dem ruhigen Dahinplätschern treiben. Da merkte ich, dass wir irgendwie alle im selben Rhythmus saßen. Wir schauten hierhin und dorthin, wo es etwas zu sehen gab, einen Vogel, ein Haus, Menschen am Ufer, und unsere Köpfe bewegten sich immer in die gleichen Richtungen, wie ein choreographiertes Ballett. Eine tiefe Liebe erfasste mich zu diesen Menschen. Wie schön und ernst sie waren. Die Männer trugen gestreifte Hosen, weiße Hemden und schwarze Jacken, eine Frau trug einen Sonnenhut, der war aus unendlich vielen Metern von Band gelegt, immer im Kreis, sodass man dieses Gebilde, einmal auf dem Kopf, nach unten drücken konnte, wo immer es Sonnenschutz brauchte. Noch heute kann ich die Verbundenheit spüren, die ich mit ihnen auf so natürliche Weise hatte. Es ging ein Schweigen von ihnen aus, auf dessen Grund viele unerzählte und wenig gehörte Geschichten lagerten in einer bodenlosen Tiefe, die den Worten nicht mehr zugängig war. Mein Freund hatte auch einen Diener, ohne den er nicht leben konnte, Juan, der war auch so. So still und von einer Güte beseelt, die ich auch in Indien nur von den Ärmsten kenne. Dann brachen eines Tages, es war kurz vor meiner Rückreise, die Unwetter aus, es schüttete ununterbrochen, Hänge bewegten sich talwärts, 24 Brücken  brachen ein, es gab keine Straße mehr, auf der man sich gefahrlos bewegen konnte. Die Mauern des Gartens schienen sicher, dann floss das Wasser über sie hinweg und sammelte sich unter den Fenstern, und stieg und stieg. Dann hörte es plötzlich auf. Jetzt musste ich an all das denken, als ich von den Vulkanausbrüchen hörte. Sehr arme Menschen, die sich dort in der Nähe des Vulkans angesiedelt hatten. Ach, sagte der Sprecher der Regierung, es gab wohl Aschewolken undsoweiter, aber man ahnte nicht die Dringlichkeit einer Evakuierung. Ein heißer Lavastrom ergießt sich über die Dörfer und über die Menschen. 200 von ihnen werden noch vermisst. Weiß überhaupt jemand, wie viele da gelebt haben? Dann geht es schnell weiter. Bundestagssitzung. Fußball. Klar, was sonst, alles geht einfach immer weiter. Ich brauche manchmal auch Worte für mein eigenes Innehalten. Einen Raum für die Trauer, die mit dem Menschsein einhergeht.

ergiebig

Man ist sich ja oft gar nicht darüber im Klaren, wie unterschiedlich Worte, die man benutzt, gehört bzw aufgenommen werden oder was man selbst so hört und sicher ist, aufgenommen zu haben, was der Andere gemeint hat. Aber es ist doch wirklich sehr komplex und gar nicht einfach, was da aufeinandertrifft an inneren Beschäftigungen und Muster-Brillen und schnellen Urteilen und Projektionen, alles locker schwankend zwischen Gut und Böse, beides undefiniert, daher vielfältig vermischt. Die Notwendigkeit, Klarheit, Konzentration und Präzision anzuwenden, ergibt sich meist in den Berufen, wo Leistung von einem selbst oder anderen erwartet wird, daher auch der verzweifelte Ruf nach Ferien und Erholung. Die zwei Seelen, die angeblich in der Brust wohnen, und die sich irgendwie einrichten müssen in einer Kommunikation, die ja erst einmal erschaffen werden muss. Nichts spricht gegen gutes Denken. Selbst wenn das dual angelegte Denken aufgelöst werden könnte in einem einheitlich sich empfindenden Geist, kann das Instrument des guten Denkens nicht schaden, es verliert nur an Gewicht und Deutungshoheit. Daher können Dialoge mit Menschen so erfreulich sein, wenn jeder sein Zeug bei sich hat und gleichzeitig der Raum offen bleibt für das, was sich aus dem neuen Spiel ergibt. Spielen ist wichtig. Spielen lockert die latent vorhandenen Latten, und doch wird man erkannt in seinem Spiel. Im Spiel darf der Verderber drin bleiben, oder der Verlierer kann weitermachen, das ist nicht so gravierend. Die, die zusammen spielen, achten meistens auf fair play. Fair play ist, wenn man sich selbst und andere nicht betrügt. Einer meiner Großväter soll beim Mogeln mit seinen Enkeln  einen solchen Lachanfall gehabt haben, dass er daran erstickt ist. Das geht auch. Hauptsache, man findet einen gehbaren Weg aus dem Kampffeld heraus und nimmt sich mit, integriert sich sozusagen im eigenen inneren Ort, und lässt sich selbst sich erfreuen am ganzheitlichen Raum, wo der Wirkungkreis der Spaltungen aufhört. Was sage ich zu mir, und was vernehme ich als Antwort. Das ist die Wurzel des Dialogischen: die ergiebige Unterhaltung mit sich selbst. Die ungetrennte Stille, der Space, in dem der Teller ruht. Das Ich ohne Widersacher, gemeinsam auf Achse, zum Staunen bereit. Jetzt erst bereit zur Entwaffnung, denn das Vertrauen zu sich selbst ist unerlässlich, will man die Freude des Abenteuers gebührlich wertschätzen. Erfreulich ist auch zu sehen, wenn man im doppelbödigen Reich gute Entscheidungen gefällt hat. Den Kompass sorgfältig ausgerichtet. Eine leicht bewegliche Hand am Steuerrad. Navigation ist eine der Künste, die anregend sind. Für jede/n ist der Ozean ein anderes Mehr, das es gemeinsam zu durchsteuern gilt. Hinein in unbekannte Welten, die noch nie zuvor ein Mensch (so wie ich) gesehen hat. Wie könnte es anders sein! Man hat Raum bei sich für Andere, aber man schätzt auch die Kräfte der Anderen und ihre eigenen Kompositionen.

anregen

Im „Kepos“ (Garten) des Epikur wurde auch eine Art Lebensmeisterschaft geübt oder gelebt oder wie man das jeweils nennen möchte oder kann, wenn zeitgemäß bewusste Menschen beieinander sitzen und sich miteinander wohlfühlen, und dadurch ein Empfangs-Raum entsteht für das jeweils Mögliche, was an Substanz in solch einem Raum erzeugt werden kann. Geistige Zeugung ist kreativ und anregend. Wer geistig zeugen kann, fühlt sich selten allein.  Angenehm in den Anekdoten über Epikur fand ich auch immer, dass Frauen erwähnt wurden, und dass er wohl da nicht die übliche Notwendigkeit sah, die Geschlechter zu trennen. Man versteht ja oft nicht, warum es als so unendlich schwierig rüberkommt in der Menschheitsgeschichte, Verantwortung für das eigene Tun zu übernehmen, so als müsste jede Generation neu darüber nachgrübeln, wie das wohl geht, und ja, muss sie. Was bleibt uns anderes übrig, als darüber nachzugrübeln und zu durchdringen, was uns als das Undurchdringliche erscheint, bis es belichtet ist, Facette für Facette. Bis das Auge entschleiert ist von den Vorstellungen, die wir uns gemacht haben über das Ganze. Die Ich-Sicht ist durchaus wesentlich, bis auch hier die Positionierung am Tellerrand auffallend kreisläufig wird. Auch Sufi-Tänzer haben in ihren endlosen Kreisbewegungen einen Arm unten und einen oben im Tanz, sozusagen eine  förmliche Kanalisierung, die sicherlich eine gute Wirkung hat, wenn man das entsprechende Wissen damit verbindet. Aber à propos Lebensmeisterschaft, so gibt es tatsächlich eine Linie des Denkens und Erlebens, die sich durch die Zeiten lebendig erhalten hat, und immer wieder von Einzelnen dankbar aufgenommen wurde und wird. Es geht da viel um die Freiheit des Geistes, und ob es einen Ort gibt, und wie der gestaltet sein würde, wo Menschen das Gefühl haben können, dass der Weg zu sich selbst das wesentliche Abenteuer ist, um das es hier auf dem Planeten zu gehen scheint. Dazu kann ja niemand gezwungen werden, denn die Bedingungen sind nicht jedermanns Sache. Manche finden sie schwer, manche spannend.  Mit manchen Gedanken muss man sich vertraut machen. Manche Fragen müssen gestellt werden. Was braucht ein Mensch, um sich ein Leben zu erschaffen, in dem er sich wohlfühlt. Auch Siegfried Lenz (im gestrigen Beitrag) bezieht sich, wie auch Erich Fromm in „Haben und Sein“, auf die Antike. Es geht um die Kunst der Muße, die jetzt in unseren Gesellschaften vollständig zu versinken droht. Wenn man natürlich von heute aus mit dem gendererwachten Blick in die Antike schaut, findet man vor allem Epikur, bei dem sich auch Frauen an der Welterfassung üben durften. Wo waren sie? Was haben sie gemacht und gedacht? Wie kann ein Geist frei sein, wenn er ungern nach Hause geht, weil es dort durch seine eigene Gesetzgebung so unendlich langweilig ist. Auch Sex kann unendlich langweilig sein, wenn die geistige Unterhaltung nicht mitgeliefert wird. Alles das, was nicht genügt, braucht immer Steigerung. Deswegen weiß man irgendwann, wie schwierig das Einfache und gleichzeitig Gehaltvolle zu erreichen ist. Einzeln kann man(n) sich immer vieles vorstellen, aber die schönen Dinge zusammen gestalten und erleben, den Vogelgesang, das Gespräch, die Paradoxie der Erscheinungen, die Entwirrungen der Täuschungsmanöver, die Erfahrungen des begrenzten und des entlassenen Ichs. Das Erspüren ungeteilter Einheiten im Raum, die Kunst des Gegenüber-Seins, das alles braucht Zeit und hat mit Religiösem absolut nichts mehr zu tun. Das fließt seine eigenen Wege und regt niemanden auf.

 

Siegfried Lenz

Bildergebnis für Siegfried Lenz

Das hätte ein Grieche zur Zeit des Platon hören müssen, ein Mann im antiken Rom oder ein florentinischer Zeitgenosse der erlesenen Medici: Man hätte ihnen einmal sagen sollen, daß unser Leben durch Arbeit geadelt, versüßt oder sogar geheiligt werde; man hätte ihnen gegenüber behaupten sollen, daß der Inbegriff des menschlichen Lebens in der Leistungssteigerung liege – ich fürchte, all die kulturbegabten und kulturstolzen Leute von einst hätte es geschaudert. Sie wären in Versuchung gekommen, diese Ansicht für eine krankhafte Besessenheit zu halten, eine Form undiskutabler Verrücktheit. Generationen aufgeklärter und produktiver Müßiggänger hätten durch nichts tiefer erschreckt werden können als durch die heute sprichwörtliche Behauptung, nach der Arbeit unser Leben versüßt. Denn sie maßen das Niveau einer Kultur unter anderem auch daran, wie hoch die Muße, das aktive Nichtstun, eingeschätzt wurde.

Galt es einst als Zeichen von Urbanität, von Lebensmeisterschaft, wenn man seine Muße hervorkehren und sie gleichsam als Gewinn „ausstellen“ konnte, so gilt es heute als zeitgemäß, wenn man sich auf seine Arbeitslast beruft, seine Arbeitswut hervorkehrt. Niemand wird übersehen, wie genüsslich überbeanspruchte Leute von ihrer Erschöpfung reden. Die Leute haben nicht mehr ihre Arbeit, sondern die Arbeit hat sie, und je härter und heftiger man schuftet, desto größer sind oftmals die Genugtuungen. In gewissen Kreisen wird denn auch über den Herzinfarkt gesprochen, als handle es sich um einen Ritterschlag, um die Aufnahmegebühr in einen Orden der Rastlosen, der entschlossen ist, sich der Arbeit zu opfern. Wir haben wirklich keinen Grund, über Stachanow zu lächeln; Stachanow ist bereits in uns, er ist eine Schlüsselfigur dieser Epoche, sein Name läßt sich auch amerikanisieren.

Weil die Arbeitswut eine weitgehend internationale Erscheinung ist und ohne Rücksicht auf politische Systeme besteht, darum ist eine Verteidigung des Müßiggangs heutzutage bereits ein müßiges Unternehmen: Es ist verschwendet, es muss wirkungslos bleiben – eine Feststellung übrigens, die nur von einem Mann getroffen werden kann, der seinerseits von der Arbeit besessen ist.

Denn natürlich wird ein leidenschaftlicher Müßiggänger nicht nach Wirkung und Zweck fragen, nach kalkuliertem Nutzen, vielmehr wird er sich gerade für das erklären, was ihm verschwendet erscheint, er wird das Müßige als das einzig Schätzenswerte ansehen. Und das bezeichnet nun auch die Qualität seines „Tuns“. Es ist nicht blinde Geschäftigkeit, die nur die Zeit füllt oder an einem Zweck gemessen wird, sondern schöpferische Nichtarbeit, produktives Träumen, eben: Müßiggang.

Das hat keineswegs etwas mit Faulheit zu tun. Faulheit im einfachsten Sinne ist zunächst nichts anderes als die tatenlose, ermattete Freiheit von der Arbeit: Man lebt ohne Kraft zur Entscheidung wie Oblomow, bis man von sanftem Schlagfluss heimgesucht wird. Dem Müßiggang hingegen liegt eine definitive Entscheidung zugrunde: Man ist bereit, das Nichtstun auszukosten, auszubeuten, auf absichtslose Weise aktiv zu sein. Somit ist Müßiggang alles andere als eine Ermattung des Geistes. Der verständige Müßiggänger lehnt es ab, sich mit Betriebsamkeit zu betäuben, da er es durchaus bei sich selbst aushält. Pascals Bemerkung, dass „alle Leiden des Menschen daher kommen, dass er nicht ruhig in seinem Zimmer sitzen kann“, trifft auf ihn nicht zu. Er kann lange ruhig sitzen, und er kann staunen. Und vielleicht ist dies das überzeugende Geschenk des Müßiggangs: die Gelegenheit zum Staunen, die uns gewährt wird. Wer aber staunt, wer sich selbst aus bescheidenem Anlass wundert, der beginnt unweigerlich zu fragen, und wer Fragen stellt, wird zu Schlussfolgerungen gelangen: Der Müßiggang wird zu einem aufregenden Zustand.

Wenn Oblomow seufzt: „Man schläft, man schläft, und hat nicht mal Zeit, sich zu erholen“, dann ist damit doch gesagt, daß der wahre Müßiggang nicht in den Daunen betätigt werden kann. Der Kenner wird immer darauf aus sein, sozusagen in der Welt müßig zu gehen: An Flüssen und in Kneipen, auf Behörden und belebten Straßen, überall dort, wo anscheinend etwas geschieht. Ausgerüstet mit besonderen Möglichkeiten der Wahrnehmung, wird der Müßiggänger das, was geschieht, in seiner Art befragen und durchschauen, vor allen Dingen aber dem geschäftigen Leerlauf ein Beispiel geben: Ein Beispiel nämlich für den Rückfall in die Weile. Der Überfluss an Zeit, an Weile, ist der sichtbarste Reichtum des Müßiggängers, und indem er ihn zeigt, macht er auch schon unser Verlangen nach Kurzweil fragwürdig. Aber dieser ganz bestimmte Überfluss ist es auch, der eine wesentliche Rolle bei der Entstehung von Kultur gespielt hat.

töten

Natürlich wird auch im Garten (im Kepos) täglich gemordet und gestorben, das muss und kann ja nicht täglich Thema sein unter den Friedenswilligen. Das präzise Erwischen des Blutsaugers, der sich in die Haut des (favorisierten) Tieres gebohrt hat, kann noch eine gewisse hochkonzentrierte Findigkeit in einem hervorrufen, aber dann zappelt das Ungeheuer an der Zeckenzange und man tut, was getan werden muss: man tötet. Es macht den fürchterlichen Knacks, dann das Blut, das das Tier gesammelt hat für die Nachfahren, die wir hier mehr oder minder lustvoll vernichten. Der Dalai Lama Papa, der immer mal wieder was erfreulich Menschliches von sich gibt, hat mal gesagt, er fände es auch schwierig, Moskitos gegenüber friedlich zu sein. Das hat ihm sicher keiner übel genommen, selbst wenn er mal die heilige Schuhsohle ungesehen benutzt hätte, was er wahrscheinlich nicht hat, schließlich ist er der Dalai Lama, der kann das vermutlich, vielleicht beim ewigen Sitzen einen Kontakt mit …gut, ich breche hier ab, denn ich habe keine Ahnung, zu was der Dalai Lama fähig oder unfähig ist. Eine der auffälligsten Aufgaben in dieser Zeit ist m.E., dass man, also jede und jeder, immer mal wieder schauen muss, von wo aus einem Berührung verursacht beziehungsweise geschenkt wird. Auch dafür ist das Weltendrama ja da, dass man, oft notgedrungenerweise,  zurückkehren muss zu sich und herumknobeln mit sich und den Anderen an den ewigen Rätseln des Daseins. Was die äußeren Anekdoten betrifft, so kann man sich darauf verlassen, dass bestimmte Geschichten, die in der Welt passieren, einen selbst und alle mehr oder weniger flüchtig erreichen. Die meisten Menschen haben vermutlich durch ständigen Kontakt mit einer Maschine bereits die totale Überforderung erreicht, denn wie will man entscheiden oder spüren, was einen berührt und wann und warum, und ob ein Weg zurückführt zum eigenen Erleben, mag der Kontext auch noch so unwahrscheinlich scheinen. In den letzten Tagen saß also eine sehr junge Frau privat in einem Intercity, hatte aber ihre Polizistenuniform an mit dem dazugehörigen Revolver an der Seite. Als es blitzschnell klar wurde, dass in einem Streit unter zwei Männern einer davon sterben könnte durch ein Messer, und sie selbst durch Eingreifen verwundet wurde, erschoss sie den Einen. „Einen“ großgeschrieben, weil es vermutlich der Eine und Erste war, den sie erschoss. Töten ist deshalb so schrecklich, hier nochmal Sokrates, weil es schwer ist, mit einem Mörder zu leben. Deswegen erschießen sich vermutlich auch Amokläufer meistens nach dem Killer-Orgasmus, denn wenn die innere Befreiung der Spannung durch Morden vorbei ist, wird sicherlich auch uns und dem jugendlichen Mörder klar, dass da lange nichts mehr Lichtes hinterher kommen kann, egal, wie viel Mitgefühl man für die Tragik von Mörderkindergeschichten aufbringen kann. Der Soldat einer israelischen Spezialeinheit, der aus der Tötungsmaschine ausgestiegen war, empfand es als seine Pflicht zu berichten, wie sie geschult wurden als Scharfschützen, Palästinenser einfach als Ziele zu sehen, egal, ob sie Kinder oder Erwachsene waren. Wie macht ein Mensch das, oder was macht das mit einem Menschen, wenn er den Anderen ganz eindeutig als den Minderwertigen betrachtet, den es zu töten gilt. Während meiner Meditationsschulung ist auch einmal ein Entflohener der amerikanischen Navy Seal Spezialeinheit eingetroffen, der meditieren lernen wollte. Es kann aber auch sein, dass er auf der Flucht war vor seinen  Vorgesetzten oder deren Schergen, weil niemand ungestraft aus so einer Einheit flieht. Er erzählte uns, dass sie die meisten Männer oder Jungs aus den Slums holen und zuerst mit Wertschätzung in die als edel kultivierte Männergemeinde einführen, bis ihm klar wurde, dass er nur zu einem Killertier trainiert wurde, der irgendwo in unbekannten Dschungeln heruntergelassen wurde, um menschliche Störfaktoren zu töten, von deren Leben er absolut keine Ahnung hatte. Das ist einer der vertracktesten Dinge, die man nicht gewillt ist zu verdauen, dass der von allen Daseienden erzeugte Notstand der Welt es keinem Land mehr erlaubt, unbewaffnet zu sein. Von wegen „Du sollst nicht töten!“ Du sollst keine Waffen machen, damit du sie nicht zum Töten benutzen wirst! Auch PoetInnen müssen sich der Entwaffnung widmen, denn sie wissen sehr wohl, dass Worte töten können. Missbrauch kann töten, und Witze auch. Dummheit ist eine der tödlichsten Waffen. Man sorge rechtzeitig vor. Und man tue nicht so, als wäre man von den Waffen schon befreit. Hilfreich finde ich auch den auf uralte Weise praktizierten Kampfsport der „Martial Arts“.  Wenn ich weiß, dass ich töten kann, dann weiß ich, dass ich es deswegen auch lassen kann. Im Garten muss manches vergehen und manches muss sein. Die Waffen können zu Klangkörpern werden…why not.

angehen

 



Donner, Blitz und Paukenschlag mitten ins Paradies!!! (?) Wo alles gerade so gut ging und geht. Merkte man rechtzeitig, dass alles so gut ging und geht? Noch halten die schweren Rosenstöcke durch, und man ist froh, wenn die Tiere während des Unwetters drin sind. Mal trifft es den einen, dann trifft es den anderen. Ich bekomme aus Indien von einem Nerd ein technisch hochkarätiges Video zugesandt, in dem ein ungefähr 10-jähriges Mädchen die futuristische Katastrophe moderiert, die vor allem auch ihre Generation treffen wird, wenn nicht während der Zeit des Videoablaufs eine gravierende Entscheidung gefällt wird. Sie macht klar, dass diese „Indoor-Generation“ bereits alle Anzeichen von Erkrankungen zeigt, weil nicht mehr genug Tageslicht getankt wird und eins das noch Schlimmere andere ergibt. Ja ja. Und, so der persönliche Zusatz, es sei ein Brainstorming-Video. Ich dachte nach. Mein Gehirn war vom Sturm nicht gefährdet, denn die schnellen Folgen der digitalen Magie sind unschwer übersehbar. Noch gibt es nicht die adäquate Erwachungspille, adäquat verliert hier auch seine Bedeutung. Alles kann als rasend schnell registriert werden, aber in Wirklichkeit ist es meist ein schleichender Prozess. Niemand kann wissen, ob Hillary Clinton eine tragfähige Präsidentin geworden wäre. Allerdings weiß man, dass sie eigentlich gewonnen hat, aber u.a. auch eine Frau war, die nicht ohne ein gewisses Verständnis meinerseits zur Rachegöttin mutiert ist (was jedenfalls über das Buch daneben ging), weil es doch etwas demütigend sein muss, einen derartigen Gambler wie Donald Trump als Triumphator aus der Arena hervorgehen zu sehen. Es wäre schön, einmal, solange man hier aufmerksam herumwandert, das Einleuchtende als das Kraftvollere vorangehen zu sehen. Aber vielleicht ist auch das eine stets im Verborgenen agierende Wirklichkeit, dass das Einleuchtende doch immer vorangeht. Was heißt vorangehen. Es reicht ja, wenn es im Gleichgewicht ist mit den anderen Kräften, denn dann ist immer noch alles möglich. Die Vernunft kann siegen, höchste Formen von Diplomatie und Verantwortungsbewusstsein können das nötige Maß erreichen, mit dem bestimmte Eskalationen auch vermieden werden können. Wenn so etwas wie Krieg anfängt einzuleuchten, dann ist es tatsächlich meistens zu spät und das Konzept der Einleuchtung wird massiv gestört, bzw. in sein Gegenteil verwandelt. Ich denke also darüber nach, was ich antworten soll auf die Hiobsbotschaften aus dem Mund des Kindes. Ich wähle ein Photo aus mit strahlendem Wiesengrün und es zeigt die Katze an einem Mauseloch verharrend und sprungbereit. Will sagen und sag auch: gewisse Konsequenzen müssen zweifellos gezogen werden, und meinte jedes einzelne Individuum. Der Techie meint, er hoffe, dass die Maus gerettet wird und dass, gegen jedes Naturgesetz, er wünsche, dass Katz und Maus Freunde sein können. Es gibt ja niedliche Postkarten, wo Katz und Maus sich mal freundlich begegnet sind, aber das dürfte eher selten sein. Muss man miteinander spielen können? Man kann doch auch freundlich vorübergehen, ohne das Naturgesetz neu zu modellieren. Wenn ich eine Stunde lang jedes Jahr an den Slums von Delhi entlangfahre, bin ich auch ratlos. Ich bin auch ratlos, wenn eine befreundete Afrikanerin mir erzählt,dass im Kindergarten, wo sie arbeitet, selten jemand mit ihr redet. Wie kann das sein? Sicher ist, dass in jedem Garten ein Apfel hängt. Stimmt das?  Und wo und wann und warum geht es mich (jeweils) etwas an.