Wenn die deutsche Fußballmannschaft antritt, erlebe ich Ähnliches wie in Indien, wenn die Cricketmannschaft antritt. Man kann davon ausgehen, dass sehr viele Gehirne ihre verfügbaren Areale in dieselbe Richtung dehnen, auf dieselben Flatscreens oder public viewings, in Indien vielleicht eine kleine Fernsehkiste in einem Mini-Kiosk, vor dem eine lange Schlange viewers hintereinander stehen und sich über die Schultern schauen. Ich schaue dort nie ein ganzes Spiel, weil ich noch weniger von den Regeln verstehe als vom Fußball, aber ich bin in tune mit der Kollektivpsyche, denn man kann kollelktive Aufschwünge gut nutzen, und sich wappnen gegen kollektive Abstürze. Die Deutschen, zweimal Verlierer selber angezettelter Kriege, sind keine guten Verlierer. Man wird auch nicht als guter Verlierer geboren, vieles muss man sich aneignen. Wenn also die Deutschen z.B., wie gestern abend, im Rahmen einer auffallenden Glanzlosigkeit verlieren, fegt die gemeinsame Wucht der Enttäuschung erstmal alles leer. Hätte man zumindest bravourös gespielt, wären Seehofer und Merkel eine Weile in den Hintergrund getreten, und man hätte in der inneren Landschaft bröckelnder Erde noch einen Lehmbatzen formen und ihm für eine Weile Atem einhauchen können. Das kann man nun nicht. All diese massive Vorbereitung, die man als potentielle Außenseiterin nur ahnen kann. Das Nähen der Hüte und der Banner, und Russland so weit, aber dabei muss gewesen sein, man will das Volk, jeder sein eigenes Volk, beim Siegen unterstützen, darauf kann auch gespart werden. Und nun hat Mexiko, eins dieser Länder mit den flinken Körpern, die aus anderen Gründen gut werden wie unsere Jungs, einen für sie historischen Sieg gewonnen über die Meister aus Deutschland. Ja, das waren noch Zeiten, als Basti Schweinsteiger mit blutender Wunde im Schlachtfeld stand, und der gute Lahm war da, und…wie hieß er doch noch. Daraus entstehen später Preisfragen: wer schoß Zwanzigachtzehn das eine Tor in der ersten Runde! Wenn man kein Fußballfan ist, trotzdem in der WM die Spiele mit den Deutschen und noch so ein bisschen mal hier, mal dort reinschaut, der schaut auch nicht unbedingt gleich das nächste Spiel, praktisch um zu vergessen, was man gerade an Erschreckendem erlebt hat! Man lauscht etwa in den Großraum einer aufgeschreckten Leere, soweit man Leere noch aufschrecken kann, und muss oder kann die Wahrnehmung vom Spiel, also vom gemeinsamen Scheitern, wegholen in die blühende Gegenwart. Gut, hier moderiert kein Béla Réthy die Handlung, obwohl der auch nicht alles weiß oder wissen kann, höre ich. Die Angst, die deutsche Mannschaft könnte aus dem Spiel ausscheiden, liegt dem Volk wie gemalt im Nacken. Politisch sieht es (mal wieder) nicht gut aus, aber wenn das Fußballspiel auch noch zusammenbricht, und dann diese unüberschaubaren Massen, die hilfesuchend zu uns hinflüchten und uns zu Entscheidungen zwingen (spricht die deutsche Undergroundvolksseele), die wir nicht gewollt haben.. Die Angst vor brauner Farbe, die mit der natürlichen Erdhütung wenig zu tun hat. Die Angst vor der Schadenfreude. Deswegen kann man die Zwischenräume in einer WM gut nutzen zum Reflektieren, denn wenn die Weltmeisterschaftsspiele vorbei sind, ist alles andere immer noch da.
Das Bild zeigt eine Aschenurne, die ich mal in einem chinesischen Laden erstanden habe, und davor eine kleine Statue der Katzengöttin Bastet, Tochter des Sonnengottes Re. Das liegt da oben auf meinem Schrank, und ich schaue nicht jeden Tag hin. Heute zum Beispiel.