Mein Interesse an Schriftzügen, die auf T-Schirts herumgetragen werden, ist ungetrübt. In Indien konzentrierte sich dieses Interesse dann langsam auf das Herausfinden der Tatsache, dass die meisten T-Shirt-TrägerInnen gar nicht wussten, was auf ihren Kleidungsstücken stand, und manchmal fand ich es auch ziemlich unangenehm, auf seltsame Begriffe hinzuweisen, die ich mit der Person nicht in Verbindung bringen konnte. Ein Bild herumtragen ist nochmal etwas anderes als ein Wort herumtragen. Nicht, dass das Bild sich nicht gleichermaßen einprägen könnte. Aber wenn ich z.B. auf einem schwarzen T-Shirt in großer, goldener Schrift das Wort ’sarcasm‘, also ‚Sarkasmus‘ durch den Bazaar trage, muss ich schon damit rechnen, dass Fragen auftauchen. Dachte ich. Aber nein, nicht nur keine Fragen, sondern allen gefiel nur das Schwarz mit dem Gold zusammen. Keine Spur von Sarkasmus. Doch gerade dort, im indischen Bazaar, tauchte die Sahne der T-Shirtbedruckung auf, der Satz der Sätze, die schwer zu toppende Aussage. Denn, dieses T-Shirt kam in allen Farben und war immer wieder ausverkauft, dieses Shirt also hatte vorne den Schriftzug ‚human being‘, und hinten ‚being human‘ drauf. Manche hatten auch nur ‚being human‘ auf beiden Seiten. Aber doch tiefer war die einfache Umdrehung der Worte, von ‚human being‘, Mensch, zu ‚being human‘ menschlich sein, und dazwischen der ganze Mensch, der es trägt, das T-Shirt. Unser Weg vom Menschsein zum Menschlichsein. Das ist doch als PfadfinderInnenhinweis nahezu unschlagbbar. Was würde ich, dachte ich damals öfters, mir denn auf mein T-Shirt drucken lassen, wenn ich mich mal für eine Zeile oder ein Wort entscheiden könnte, aber noch ist es nicht geschehen. Der Spruch von Rumi, den ich gestern in meinem Blogbeitrag stehen hatte, könnte sich schon wegen der Kürze eignen, aber dann, hallo!, was für ein Anspruch! Ja gerne doch treffen jenseits von richtig und falsch! Jenseits von richtig und falsch! Da klopfte er wohl schon an das Tor, wo die Liebenden ihre Meetings gestalten. Die, die es geschafft haben, von Mensch zu menschlich zu kommen und sich günstigerweise dort bis in die letzten Atemzüge aufhalten konnten. So, als gäbe es da noch ein Zurück. Man weiß doch, dass die Liebe kein Zurück hat. Wohin sollte sie denn gehen? Vielleicht könnte ich gar kein Wort öffentlich sichtbar herumtragen, obwohl ich so viele Worte liebe. Aber eines allein!? Manchmal stimmt es , nur eines allein. Wenn man für etwas zu Geschehendes einen Titel sucht, quält man sich oft kreativ durch die Vielfalt der Möglichkeiten. Und manchmal erscheint dann eines im unerwarteten Moment, und man weiß: das ist es, auch wenn es immer nur so nah wie möglich sein kann. Denn es betrifft ja immer etwas, das Wort. Immer ist es Aussage, und Aussage ist es in seiner niederträchtigsten und in seiner edelsten Form. Vorstellen könnte ich mir noch ein T-Shirt Kleid mit der Lieblingszeile eines dichterischen Geistes drauf, das einen immer wieder in eine wohltuende Verfassung transportiert. Zum Beispiel:
‚Und plötzlich in diesem mühsamen Nirgends, plötzlich
die unsägliche Stelle, wo sich das reine Zuwenig
unbegreiflich verwandelt – umspringt
in jenes leere Zuviel.
Wo die vielstellige Rechnung
zahlenlos aufgeht‘.
Ich weiß natürlich, nur ich würde das (herum) tragen wollen, aber ich will es auch nicht. Die Zeilen hängen ja schon an meinem Schreibtisch herum, und nach wie vor weiß ich leider nicht, wer sie geschrieben hat.