unterbrechen

Ich habe die Debatte zwischen Joe Biden und Donald Trump auch mit Spannung erwartet. In Amerika sprachen sie von rund 20 Millionen ZuschauerInnen, die immer die Debatten sehen, aber vor allem d i e s e Debatte wollten nun wirklich die meisten sehen, denn viel hängt davon ab, ob die Groteske weitergeht, oder ob es einfach nur, wenn auch rechtschaffener, aber dennoch mühselig und beladen für Joe Biden weitergehen wird. Wer will Verantwortung übernehmen für ein derart zerrüttetes Konstrukt!? Obamas ebenfalls oft angenagter Ruf schoss ja wie von selbst in die Höhe und wird vermutlich erst jetzt als eine Regierungszeit gesehen, wo man sich auf einigermaßen glaubwürdige Persönlichkeiten verlassen konnte, auch wenn deren Fehler unerlässlich sind. Aber da war auch Michelle Obama immer im Hintergrund und die menschliche Atmosphäre, die sie so schön zu erschaffen weiß. Interessanterweise kann letztendlich d o c h jede/r sehen, wenn etwas aus glaubwürdiger Quelle kommt. Es ist ein Klang, der unter bestimmten Bedingungen zum Tönen kommt, zu Melodien, zu Gleichklang, zu Verbundenheit. Nun konnte man von den Ausschnitten aus der Debatte einiges lernen, und offensichtlich wurde es wild diskutiert als das niederste Level, das jemals in dieser politisch wichtigen Debatte erlebt wurde. Man wurde geradezu gezwungen, innerlich inne zu halten und den Schrei zu unterdrücken: Lass ihn doch ausreden! Man beurteilte, soweit ich das bis jetzt nachvollziehen  kann, Joe Biden eher milde, denn er spielt ja die Rolle der ausgleichenden Ruhe. Aber was macht man, wenn man konsequent attackiert wird, und nicht nur das, sondern einer der Debattierenden den Feindespfeil auf das Blutvergießen ausgerichtet hat? Warum es so weit gehen konnte, hat sicherlich mit dem Finanzskandal zu tun, der sich kurz vor der Debatte ausbreitete. Und die tragische Komödie nimmt insofern ihren unvermeidlichen Lauf, da nun alle wissen, dass hier im Präsidenten kein Siegesbewusster (mehr) zu sehen ist, sondern einer, der sich schon auf dem Weg in den Abgrund befindet. Und man weiß auch, dass er nicht gehen kann, ohne eine Menge von hochkarätigen A….kriechern mit sich zu nehmen. Wird der blutreine Narzisst auf einem der vielen Throne  im falschen Moment an der Nase gekitzelt, muss man mit Mord und Totschlag rechnen, und man kann froh sein, dass der Weg zum Roten Knopf an einige Bedingungen geknüpft ist. Aber auch ihn, diesen Typus, gab es schon immer, und schwere Opfer hat es gekostet in der Verlässlichkeit des geistigen Zustandes, wenn man sich an die eigene Narrenkappe greifen muss anstatt zu tun, als wäre man selbst gar nicht beteiligt gewesen. Ich fand die Debatte auch lehrreich für mich. Fast schmerzhaft zu beobachten, wie unangenehm dieses ewige Unterbrechen voneinander doch ist, kennt man es doch so gut von sich selbst. Aber da, wo man es schlicht und einfach als unerträglich erlebt, da kann man sich auch auf erhöhte Achtsamkeiten in der eigenen Sprachführung konzentrieren, damit man einschätzen kann, was man (zuweilen) anrichtet. Gut, ich finde lebendige Debatten auch ganz anregend und achte nicht immer so sehr auf die Bedingungen, die in Kommunikationskursen erklärt werden. Aber Zuhören ist schon auch eine Kunst, die man nicht einfach beiseite lassen kann. Man weiß ja jetzt über sich selbst, dass immer noch genug Raum da ist zum Nachdenken und zum Verbessern, wenn man das bei sich für angebracht hält.

Man

Gestern wurde ich angeregt, (mal wieder) über das Wort ‚man‘ nachzudenken, das verständlicherweise abgelehnt werden kann, da es über eine anonyme Menge von Menschen aussagt, von denen man nicht wirklich etwas weiß. Individuen können dadurch vereinnahmt werden, Moralapostel damit herumhantieren, Gauner sich bestens verständigen. Man versteht sich. Irgendwann habe ich mich bewusst für das ‚Man‘ entschieden, nicht immer, nicht nur, aber doch mit einem gewissen Maß an Zustimmung. Aus ‚Es‘ sollte ja schon mal  ‚Ich‘ werden, und die bewusste Nutzung des ‚Ichs‘ in einer neuen Befindlichkeit wird drei weiteren Denkern zugeschrieben. Man kann sich natürlich fragen, was da vorher war, und natürlich auch, was jetzt ist mit dem Ich. Oder nach dem Ich. ‚Man‘ kommt auf keinen Fall hinterher, dafür taugt es nicht, da man ja nicht weiß, was kommt. Das muss sich schon durch die Individuen zeigen. Und was meine ich denn selbst mit dem Begriff, das muss ich ja vor allem verstehen. Einmal war ich froh zu erfahren, dass ‚man‘ ein Hindi Wort für ‚Geist ist, das verschaffte dem Wort zumindest ein offenes Tor oder eine Landebahn. Im Englischen wird es schon komplizierter. ‚Mankind‘ heißt ‚Menschheit‘. ‚Man‘ ist also gleichzeitig Mensch und Mann und deutet auf eine unsterbliche Groteske hin, die man am liebsten vergessen würde, aber nicht kann. Dann gibt es natürlich eine Menge Dinge, die uns tatsächlich alle betreffen. Das heißt ja nicht, dass das Individuum im Gemeinsamen untergeht, sondern es heißt u.a., dass es gerade günstig ist, ein Individuum zu sein, wenn es darum geht, sich an den Belangen des menschlichen Schicksals in irgendeiner Weise zu beteiligen und tut, was man kann. Auch das ‚Wir‘ wäre im Sprachgebrauch nicht hilfreicher, denn die Frage ‚Wer wir? wäre noch deutlicher. Ich beziehe mich auch auf ein Wir und ein Man. Es ist einerseits eine Gruppe von Menschen, die ich nicht unbedingt kennen muss, aber einfach davon ausgehe, dass ein gewisses Bewusstsein, das das jeweilige Geschehen einer Zeit prägt, immer verfügbar ist für die Anwesenden. Ich meine das geistige Gut, für das man sich jeweils entscheidet. Es ist auch jenseits von Gender und Umständen, dass ein Mensch sich für eine ihm oder ihr logisch vorkommende Reiseroute entscheidet. So ergeht es mir in gewisser Weise mit dem Wort Mensch/Geist/Man, dass es m.E. eher frei lässt zu dem hin, wodurch jede/r sich angesprochen fühlt. Ich kann ja, jenseits der Wahrnehmung von jedermanns Einzigartigkeit, nur davon ausgehen, dass es andere Menschen gibt da draußen in der Welt, mit denen man wunderbare Begegnungen haben kann, weil ein Klang sich hörbar macht, der in die Verbindung führt. Es ist eine Art Zumutung, hinter der ich voll stehe. Ich mute mir das eigene Ich ja auch zu und weiß, was das bedeutet. Die Wege sind immer sehr unterschiedlich gewesen, aber ein paar grundlegende Sätze haben es mühelos durch die Menschheitsgeschichte geschafft. Sie sprechen von dem Abenteuer und der Bürde des Menschseins, verraten einem aber auch, dass es doch etwas gibt hinter dem Schleier, das sich zu erforschen lohnt, und es gibt auf diesem Weg nicht so viele, die andere beneiden, denn die Frage nach sich hat sich von selbst geklärt. Das gilt einfach für alle Akteure des Spiels, dass man mit dem, der oder die man ist, leben muss oder kann. In diesem Sinn ist das ‚Man‘ auch eine Zwickmühle. Man spielt mit einem Einsatz und muss diesen einschätzen lernen.

ernsthaft & närrisch

Der ernsthafte Umgang mit sich und dem Weltgeschehen hat meistens erträgliche Früchte hervorgebracht. Oft hat es nur e i n e n Menschen in der jeweiligen Situation gebraucht, der sicher war, dass er oder sie keinen Schaden (mehr) anrichten wollte. Das kann schon ein Zünglein an der Waage sein oder werden. Denn wir richten doch alle den einen oder den anderen Schaden an, und nur, wenn es zu viel von etwas Schädlichem gibt, taucht die Idee der Schadensbegrenzung auf. In der eigenen, der inneren Schule, ist man erst einmal ziemlich allein. Ungesehen muss man den Stoff ordnen. Doch närrisch zu glauben, dass das, was man ist, könnte unsichtbar bleiben. Und das, was angerichtet wurde und wird von der Weltbevölkerung, so ein Feld wie Moria zum Beispiel, zwingt uns manchmal trotz seiner örtlichen Ferne, mit dem Schadensausmaß umzugehen, das fast wie nebenher auch die geistige Entwicklung der Menschheit betrifft und sie hemmt und beklemmt. So, als würde es keinerlei Unterschied machen, als wer wir hier herumgehen. Auch vor gefährlicher Selbstüberschätzung muss nur gewarnt werden, wenn sie sich deklariert als das Selbstverständliche. Auch das Selbst, wenn es nun da ist, kann sich nur verstehen, wenn es hinter die vielen Drapierungen gelangt, die zwar dem Kostümfest alle Ehre machen, nicht aber d a s offenbaren, was sich dahinter verbirgt. Auch der hungrige Geist kann sich im Labyrinth verlieren, wo er etwas später unter ungünstigen Bedingungen hineinmorpht in das eher Gespenstische. Und zuweilen sieht man ganze Länder wie ein Narrenschiff durch den Nebel gleiten, so, als gäbe es noch eine Richtung. Doch die Welt als Universität hat wiederum auch ihre Anziehungskraft. Sehr viele Menschen haben nun Zugang zu den verfügbaren Vorlesungen, und es kommt darauf an, wie man das Wahrgenommene und Gehörte  integriert in den eigenen Kosmos. Und wie soll man sich eine/n hell begeisterten Trump-Anhänger/in vorstellen können, wenn das, was wir da sehen, für uns gar nicht denkbar ist. Wenn man beobachtet, wie leicht der Verrat um einen Narren herum gelingt. Weil die Habgier nach diesem und jenem d i e Art von bereitwilliger Blindheit erschafft, die das Kostüm eines nackten Königs bejaht, ja bejahen muss, weil der Preis für den Posten schon zu hoch war und ist. Und wer bangt nicht manchmal um die Glaubwürdigkeit des eigenen Auftritts, geht es doch immer in letzter Konsequenz um den Tod und um das Leben. Das kann schon beängstigend wirken, wie an bedeutungsschwangeren, politischen Hotspots so gnadenlos gezockt wird, sodass jeder beliebige Thriller dagegen verblasst. Denn hallo!, wir sind hier live auf Sendung, und was dieser Irrwisch in Amerika zu tun fähig ist, hat Rückwirkung auf uns alle. Ich finde schon, dass jede/r Einzelne zählt. Jede/r, auf deren menschliche Beweglichkeit man sich verlassen kann, was sich früher oder später so verstehen lässt, dass ich mich auf meine eigene menschliche Beweglichkeit verlassen können muss. Können wollen müssen dürfen. Und ja, die menschlichen Darbietungen haben sich schon immer zwischen extremen Höhen und Tiefen bewegt, zwischen Himmel und Hölle. Aber nicht immer ist es so ausschlaggebend, auf Ursache und Wirkung zu achten. Dann aber schon: wenn sich unser Blick verliert in den schmelzenden Eisschollen, und wir auf einmal die verschlingende Mikrowelle sind, die sich ihres Urgrunds gar nicht bewusst war. Ihres Zerstörungspotentials.

Bhagavad Gita

Es ist besser,
das eigene Werk unvollkommen,
als das Werk eines anderen
vollkommen auszuführen.

Das dem eigenen Wesen entsprechende
Werk sollte man nicht aufgeben,
mag es auch noch so fehlerhaft sein.

Wie das Feuer vom Rauch,
so sind alle Unternehmungen
von Mängeln umhüllt.

 

reisen

Die Reise geht also weiter (nicht, dass sie mal stillstand), und klar wäre es schön, wenn die Planetarierinnen und Planetarier sich zusammensetzen würden an den größten verfügbaren Roundtable der Welten, um die Betreffe von uns Menschen zu lösen, unsere Wünsche wahrzunehmen, unsere Anliegen. Die Wüsten und Gebirge und Gärten bedenken und bereitwillig erkennen, wie unterschiedlich die Kostüme sind an den vielen Orten, und wie anregend und erfreulich das sich Unterscheidende sein kann. Da der Tisch nicht aus Holz gefertigt sein wird, kann man ihn oder einen anderen  manifestierbaren  Treffpunkt   im Geist bauen (freie Architektur). Und da findet dann das imaginierte Treffen statt, wo alle sich ausreden lassen, man selbst kann das dann auch endlich, und kann hineinlauschen in die Welt der Anderen, die so erstaunliche Wege gehen, auf die man nicht kommen würde, und man könnte es auch nicht, denn man ist nicht der oder die Andere. Man trifft sich mit Passagieren auf dem Raumschiff, und jede/r Teihabende trägt die Bürde und die Freude der eigenen Anwesenheit. Einmal war ich in New York im Kontext eines Projektes, das mit Meditation als einer Möglichkeit zu friedvollem Verhalten zu tun hatte. Ich wollte frühere Mitglieder des Living Theaters zur Teilnahme inspirieren, was auch stattfand, aber ich erinnere mich noch daran wie ein Treffen von Aliens. Ich gaukelte mich sogar noch bei einem Besuch durch eine Probe, aber ich war ganz einfach nicht mehr dabei, andere Seinsebenen waren aufgetaucht. Die Wertschätzung für die aufreibende Arbeit ist geblieben, und die treffliche Begrifflichkeit: Living Theater, das gleichzeitig ‚Lebendiges Theater‘ bedeutet und ‚Theater leben‘. Das gefiel mir auch bei ‚Living History‘, dem Titel von Hillary Clintons Biographie, der gelesen werden kann als ‚Lebendige Geschichte‘ und ‚Geschichte leben‘. Es ist immer ein lebendiges Theater, aber es kommt vor allem darauf an, wie man es lebt. Ob man den Vorhang des eigenen Dramas öffnen kann und das Spiel betrachten, das aus der eigenen Wirkung entsteht, und wie die Einwirkung von einem ständigen Außen gehandhabt wird, um aus dieser Zusammensetzung d e m Gefühl nahe zu kommen, das man als sich selbst erkennt. Wenn die eigene Seinsweise sich durchsetzen kann, weil man sich nirgendwo zu lange verankert hat in dem Glauben, das sei’s jetzt, so als gäbe es ein Sosein, das mit Worten zu erklären wäre. Die Worte sind nicht immer eine Krücke, o nein. Sie sind die Leiter aus den Abgründen heraus, sie dienen den Sternstunden zwischen Menschen, die das gemeinsame Schweigen erst möglich machen, sie sind die heroischen Liebesboten über alle Hindernisse hinweg, sie sind die vorhandene Geschichte der Menschheit an sich. Was wüssten wir von Sokrates, wenn Platon nicht Aussage über ihn gemacht hätte. Von ihm wissen wir auch, wie Einer, der Weisheit freizügig lehrte, dafür ermordet wurde. Oder vergiftet. Oder gefoltert. Manchmal auch Worte finden, wenn man lieber schweigen möchte. Damit die, die an den Tischen sitzen (denn alle sitzen an Tischen herum) zumindest nicht sagen können, sie hätten es nicht gewusst. Und es hätte dort oben, in fernen Himmeln oder ebenso fernen Regierungstischen, anders gemacht werden müssen, und man selbst weiß nicht wie. Und dann gehört noch dazu, wer man zuhause ist, wenn man dort ankommt und weiß, dass man da selber mitgemacht hat. Am lebendigen Spiel.

Krone

Krone der Schöpfung, aha, der Mensch. Krone gewesen oder Krone geworden, oder noch tragen werdend (?). Wie kam’s zu dieser großartigen Benennung? Natürlich ist das immer wieder berührend und belehrend auf der PfadfinderInnenRoute, die Vielzahl und das Ausmaß des menschlich schöpferischen Outputs wahrnehmen und achten zu können. Denn es zeigt sich in jeder Hinsicht, mit was der Mensch unterwegs sein kann, und von was er sich lieber fernhalten sollte. Doch wer will bestimmen, was jemand sollte. Oft sind es ja die, die aus ebenfalls unendlichen Gründen ihre Machtgelüste in die Welt setzen wollen, durch die vor allem dieses ungute Staunen sich breitmacht, wie prächtig ihnen  das gelingt. Man kann das an der Menge der roten Käppis bei den Trump-Auftritten beobachten, ein demaskiertes Heer an Zustimmung, hinter die man nicht blicken kann, so eindeutig scheint ihre Form. Als Donald Trump auf seinem Indientrip Narendra Modi besuchte, waren die von der Regierung ausgegebenen Käppis weiß. Die beiden Herren verstanden sich. Auch da nur ein falsch besetzter Thron, keine Krone. Es muss ja auch keine Krone sein, um Himmels Willen, dann schon lieber ein Lorbeerkränzchen, wobei auch Lorbeer rar geworden ist. Sicherlich muss man auch immer die Zeit bedenken, in der sich ständig verändert, was gerade so aktuell schien. Dann kann man immer noch in den Geschichten und Märchen nachlesen, wie es einmal war, damals in sogenannten hohen Kulturen. Wie hoch waren sie wohl, und wer definiert Höhe und das Los derer, die namenlos an ihr mitgewirkt haben oder an ihr zugrunde gegangen sind. Nun geschah es aber zu seiner Zeit, dass sich ein Virus niederließ auf der am dichten besetztesten Ebene, der Ebene der Angst und des Schreckens. Er gehört nicht zur Krone der Menschheit, aber seine Wirkung ist mächtig, auch wenn es vermutlich nicht weiß, dass es, das Virus, Corona heißt. Eben die Krone. Die Krone als Krankheitserreger. Oder als Ansporn zu bescheidener Haltung, da man sieht, wie tief menschliche Ohnmacht sich in einem verankern kann. Und vielleicht ist ja auch mit Krone etwas ganz anderes gemeint, etwa eine Ausstattung mit allem Drum und Dran für das, was jeder Mensch damit machen kann und möchte, seiner oder ihrer eigenen Vorstellung von Glanz folgend, das Mögliche bedenkend, was mit dem Instrument des Bewusstseins fassbar ist, denn das soll ihn ja vom Tier unterscheiden können. Nein, eben nicht drunter- oder drüberstehend, sondern nur anders, eigenes Wesen vertretend. Das Tier so arglos erscheinend, weil es nicht anders kann, als sich selbst sein. Da muss der Mensch erst einmal hinkommen, hat er doch in den sauren oder den so süßen Apfel des Wissens gebissen und muss nun pilgern, ob er will oder nicht, bis er, und d a s ohne jegliche Garantie, vielleicht eines Tages wie automatisch wieder vor dem Tor des Labyrinthes steht und flüstert: Seh-Sam, Seh-Sam, öffne dich. Und es soll vorkommen, vielleicht sogar häufiger als man denkt, dass das Tor, also der Same, sich öffnet und das verfügbare Licht einlässt. Und vielleicht ist Corona doch auch eine Krone im Staub der Weltgeschichte, die an ein tiefes Vergessen erinnert. Und vielleicht verbtrgt sich hinter der Maske gar ein scheuer Lichtglanz.

gewiss

So vieles weist jetzt auf das Zittern vor dem Ungewissen hin, so als wäre in einem Vorher vieles gewisser gewesen. Vieles ist auch gewisser geworden. Der Informationspool bietet reichlich Zugänge für alles, was man als wissenswert deklariert hat. Da gibt es viele Ebenen, und es ist klar geworden, dass ich mit jedem Tastendruck eine Ebene betrete, die bereits erschaffen und ausstaffiert wurde. Man kann unendlich vieles lernen, oder man kann auf dem Eselskarren zuschauen, wie die Gier nach der Karotte in verfügbare Abgründe treibt. Oder hin zu strahlendem Übermenschentum, so als gäbe es hinter dem Himmel noch weitere Himmel zu bewohnen. Und vielleicht gibt es sie ja, Man müsste nachforschen, was man unter Höllen und Himmeln versteht und ob es Wegkreuzungen gibt, an denen man lagern muss, um einen klaren Kopf zu erlangen für nicht ganz unbedeutsame Entscheidungen. Auch der kalte Wind dieser unermesslichen Freiheit kann einem zusetzen. Frei und doch eindeutig verbunden. Mit was verbunden? Mit wem? Durch was oder durch wen überhaupt in die Verbindung gekommen. Davon gehört oder darüber gelesen und gedacht: Ja, genau so sehe ich es, oder fühle ich es, oder denke ich es, sodass es mich stärkt in meinem Unternehmen und mein Einsamsein sich einlassen kann auf das Gemeinsame. Ruht dann da so selbstverständlich und macht trotz oder gerade wegen der Begrifflichkeit noch Sinn. Vielleicht ist es angebrachter, den inneren Kern, also sich selbst, als eine sich in Rotationen bewegende Substanz zu sehen, eine Quelle also des wortlosen Potentials, aus dem sich dann das eigene Wesen herausbilden kann, sodass sichtbar wird für uns, wer wir sind. Denn wir sitzen und stehen doch immer herum als das Resultat dieser Vorgänge, an denen wir Teil genommen haben, oder einfach nur teilgenommen wie an Konferenzen, wo man einfach pflichtmäßig dabei ist oder sein muss, während die Staubschicht auf dem erlesenen Mobiliar langsam zur undurchdringlichen Wand erstarrt. Da kann man dann nicht mehr wohnen und braucht es auch nicht abschließen, denn keiner weiß ja, dass es da ist, deswegen will auch keiner da hin. Einmal habe ich in einer Biographie über Freud gelesen, dass es ihm wohl mal daran gelegen war, dass die Psychoanalyse den sogenannten gesunden Menschen auf dem Selbsterkennungsweg zu begleiten vermag. Und man weiß ja nicht, wie viele geistig Gesunde er wirklich getroffen hat, oder ob die Vorstellung geistiger Gesundheit nicht auch eine Karotte ist, die sich als Gemüse ausgezeichnet geeignet hat. Und doch gibt es ihn, den gesunden Menschenverstand, und es gibt wunderbare Zustände wie die Stocknüchternheit oder das Liebäugeln mit präzisen Konstrukten, die nicht nur geistigen Ausdruck finden, sondern erscheinungsfähig sind, und vor allem auch lebensfähig. Wenn es noch zarter wird, als wir es bisher kannten, noch tief lauschender erfasst, und wieder hinuntergetaucht ins Rätselhafte und wieder erschienen, um Luft zu holen auf des Spürens Spuren, bis die Geheimnisse sich häufen und stärker werden als die Meinungen und die Vermutungen. Die offenen Geheimnisse natürlich, sodass von Gleichberechtigung hier nicht mehr die Rede sein muss, denn soweit ich das beurteilen kann und möchte, ist doch jede/r berechtigt, sich dem zuzuwenden, was das eigene Sein bestimmt. Das Sein also als Tor zum Geheimnis. Ein Tor.

Wellen

Die zweite Welle rollt, wie befürchtet im Weltgehirn, bereits heran, vielleicht als noch verständlich gemachtere Angst als bei der ersten Welle, und  diejenigen, die gerne vieles durchkontemplieren zu eigenen Sichtweisen hin, müssen sich entscheiden, welchen Stimmen Gehör geliehen werden soll und kann, oder überhaupt mal eine Weile weniger Gehör leihen. Oder noch genauer hinhören, wo einen selbst tatsächlich etwas anspricht. Das können ja auch zuweilen dunkle Kräfte sein, oder noch bewusstlos in einem herumirrende Seinsidentitäten, die man ganz einfach übersehen hat. Einladen oder verabschieden kann auch etwas sein, wobei Auskennen nicht schadet. Je nach Maß. Maß halten klingt so beengend, aber nein, es ist durchaus befreiend, wenn man nicht nur das eigene Maß erkennt, sondern gestaltend mitwirkt am  Rückgrat entlang, und dann schaut, ob darüber hinaus auch noch was möglich ist. Nicht (nur) an Leistung, vielfältig und lobenswert, wie sie sein kann ganz allein auf ihrer einsamen Bahn. Nicht an solch einsamen Leistungsdruck also gebunden, sondern als Bereitschaft, im Einklang zu sein mit dem, was man aus der Quelle hervorlocken konnte. Auch, damit man Wesentliches nicht übersieht: wie unendlich zart und gefahrenanfällig das Wesen des Ganzen ist, wir also und die dort, ja alle, denn noch ist nicht bewiesen, dass Böses im Menschen schon vor Eintritt in den Mutterleib da ist. Oder später die Idee, dass es sein muss, in den Krieg zu gehen und verstümmelt wieder zurückzukommen. Genug Verstümmeltes erlebt, um zu wissen, dass das kein Weg ist, den man empfehlen kann. Und wie mächtig das Dumme, von dem ja auch schon immer berichtigt wurde unter Menschen und über die Gegengifte und Heilmethoden im Kontakt damit, wie noch mächtiger also es jetzt scheint, wo man schon wieder fürchten muss, dass Biden gegen den regierenden Dummkopf seiner Welt nicht ankommt. Weil es eben sein kann, dass die Dummheit, zumindest von der Außenfläche her gesehen, immer wieder zu siegen scheint. Und kein Zweifel, es war (und ist?)  schon auch ziemlich hell auf der Welt, nicht wahr? Es war doch schon öfters hell auf der Welt. Sie hielt ein und wartete bewusst nicht auf eine Antwort. Was hätte sie sich auch antworten können. Wie die Helligkeit umfassend wahrnehmen, angemessene Worte oder Begriffe dafür suchend und nicht findend. Kurz an Nietzsche denkend, der über seinen Supermenschen hinaus dann eines Tages auf den Treppen der Weltgeschichte zusammenbrach. An ihr zerbrach? Weil sie so war, wie sie sich zeigte? So, als könnte sie auch ganz anders sein, aber w i e anders. Und hängt es tatsächlich an denen da oben, wie man sie gerne nennt, wenn man Oben und Unten nicht vorsichtig durchdacht hat und im Schachspiel die Wirkungskraft des Bauern verkannt. Nicht vergessen, dass das Nur-Außen ein Gaukelspiel ist, und das Nur-Innen eine Einsiedelei. Jeder ist zu allem fähig, was er oder sie sich vorstellen kann. Daher das Maß, nicht (nur) das der Anderen, sondern vor allem das Maß, mit dem man der unermesslichen Freiheit und Schönheit des Seins Konturen verleihen kann, die man als Fähigkeit zu guter Navigation erkennt und sich so bescheiden wie möglich d e m beugt, was man ist. Denn das, was man ist, nährt sich zum Glück nicht von den Begrifflichkeiten. Es nährt sich von dem, was schon da ist: der tiefen Verbindung im Freundeskreis, und die Freude darüber.

zurückkommen

Diesen Stein habe ich wieder entdeckt bei mir in einem der vertrauten Aufnahmebehälter, in dem die Dinge oft lange vor sich hinschlummern. Das war in Kathmandu, als ich den Stein kaufte und beim königlichen Juwelier die Fassung habe machen lassen. Ich lebte dort einige Jahre, und die königliche Familie war noch nicht ermordet worden. Dann  war es mir gegeben, viele Dinge zurückzulassen, weil es sich so ergab im Fluss der eigenen Wanderungen. Eine Facette des Lebens kann ja durchaus als ein Märchen erfahren werden, oder man sieht später etwas Märchenhaftes darin und fragt sich, wer man wohl war, als man in vom Monsoon konstruierten Meisterwerken die Geschichte des Volkes vorbeiziehen sah. Woher kommen die Bilder, die in einem wohnen? Und als ich unterwegs, es war in der Nähe von Benares, zum ersten Mal den Namen des Dorfes hörte, in dem ich später einheimisch wurde, da habe ich auf der inneren Leinwand genau d a s gesehen: einen geschliffenen Stein in der Wüste. Es ist ja ganz klar, dass ich mich nur erkennen kann, indem ich mich erlebe, und immer wieder auch mir selbst begegne, denn es stimmt, dass so, wie man in den Wald hineinruft, es heraustönt. Oder ins All hinein. Und Dinge kommen auch zurück. Man geht seines oder ihres Weges und lässt dies und jenes zurück, und eines schönen Tages kommt etwas davon wieder auf einen zu. Ein Archiv, das irgendwo entstanden ist, von dem man nichts wusste. Dieser Stein oben kam auch zu mir zurück. Ich hatte schon lange nicht mehr daran gedacht, als er mir eines Tages überraschenderweise überreicht wurde. Jemand, der den Diebstahl bereut hatte, hatte darum gebeten, ihn mir wieder zu bringen. Seither lag es im Kästchen, das Ding, bis auf einmal meine Hand danach griff und es sah. Deswegen hat es heute in meinem Blog einen Auftritt. Um 15:30, höre ich, beginnt der Herbst, und langsam werden die Tage kürzer und die Nächte länger, da schlage ich doch innerlich auch einen Zen-Gong und begrüße die Tages-und Nachtgleiche. Das ist genau der gleiche Vorgang, der in manchen muslimischen Ländern angewandt wurde, um den Ruf des Muezzins zu bestimmen: ein weißer und ein schwarzer Faden werden gegen das Licht gehalten. Wenn man sie nicht mehr unterscheiden kann, dann fängt die Dämmerung an und der Rufgesang des Muezzins. Ein Nu, in dem das geschieht, aber es geschieht, nur, dass es hier im Ritual Erkenntnis und Resultat davon zeigt. Der Nu in vergehenden Jahren. Und tatsächlich! Der Ort, an dem ich dann ankam, war ein Diamant in der Wüste, eine zeitlose Seinsoase. Ich gab all meine Pläne auf und blieb einfach und lebte dort viele Jahre, lernte ihre Sprache und ihre Art zu sein. Dort bewegt sich das Leben um einen kreisförmigen See herum, an dem der Schöpfer der Welt seine Ordnungen niederlegte und befestigte. Keiner weiß, ob das jemals zu ändern ist und ob das nur eine weitere Quelle darstellt, aus deren Leib die Geschichten herausgeboren werden, ausgestattet mit der jeweils zur Verfügung stehenden Lebensfähigkeit.

jenseits

Mein Interesse an Schriftzügen, die auf T-Schirts herumgetragen werden, ist ungetrübt. In Indien konzentrierte sich dieses Interesse dann langsam auf das Herausfinden der Tatsache, dass die meisten T-Shirt-TrägerInnen gar nicht wussten, was auf ihren Kleidungsstücken stand, und manchmal fand ich es auch ziemlich unangenehm, auf seltsame Begriffe hinzuweisen, die ich mit der Person nicht in Verbindung bringen konnte. Ein Bild herumtragen ist nochmal etwas anderes als ein Wort herumtragen. Nicht, dass das Bild sich nicht gleichermaßen einprägen könnte. Aber wenn ich z.B. auf einem schwarzen T-Shirt in großer, goldener Schrift das Wort ’sarcasm‘, also ‚Sarkasmus‘ durch den Bazaar trage, muss ich schon damit rechnen, dass Fragen auftauchen. Dachte ich. Aber nein, nicht nur keine Fragen, sondern allen gefiel nur das Schwarz mit dem Gold zusammen. Keine Spur von Sarkasmus. Doch gerade dort, im indischen Bazaar, tauchte die Sahne der T-Shirtbedruckung auf, der Satz der Sätze, die schwer zu toppende Aussage. Denn, dieses T-Shirt kam in allen Farben und war immer wieder ausverkauft, dieses Shirt also hatte vorne den Schriftzug ‚human being‘, und hinten ‚being human‘ drauf. Manche hatten auch nur ‚being human‘ auf beiden Seiten. Aber doch tiefer war die einfache Umdrehung der Worte, von ‚human being‘, Mensch, zu ‚being human‘ menschlich sein, und dazwischen der ganze Mensch, der es trägt, das T-Shirt. Unser Weg vom Menschsein zum Menschlichsein. Das ist doch als PfadfinderInnenhinweis nahezu unschlagbbar. Was würde ich, dachte ich damals öfters, mir denn auf mein T-Shirt drucken lassen, wenn ich mich mal für eine Zeile oder ein Wort entscheiden könnte, aber noch ist es nicht geschehen. Der Spruch von Rumi, den ich gestern in meinem Blogbeitrag stehen hatte, könnte sich schon wegen der Kürze eignen, aber dann, hallo!, was für ein Anspruch! Ja gerne doch treffen jenseits von richtig und falsch! Jenseits von richtig und falsch! Da klopfte er wohl schon an das Tor, wo die Liebenden ihre Meetings gestalten.  Die, die es geschafft haben, von Mensch zu menschlich zu kommen und sich günstigerweise dort bis in die letzten Atemzüge aufhalten konnten. So, als gäbe es da noch ein Zurück. Man weiß doch, dass die Liebe kein Zurück hat. Wohin sollte sie denn gehen? Vielleicht könnte ich gar kein Wort öffentlich sichtbar herumtragen, obwohl ich so viele Worte liebe. Aber eines allein!? Manchmal stimmt es , nur eines allein. Wenn man für etwas zu Geschehendes einen Titel sucht, quält man sich oft kreativ durch die Vielfalt der Möglichkeiten. Und manchmal erscheint dann eines im unerwarteten Moment, und man weiß: das ist es, auch wenn es immer nur so nah wie möglich sein kann. Denn es betrifft ja immer etwas, das Wort. Immer ist es Aussage, und Aussage ist es in seiner niederträchtigsten und in seiner edelsten Form. Vorstellen könnte ich mir noch ein T-Shirt Kleid mit der Lieblingszeile eines dichterischen Geistes drauf, das einen immer wieder in eine  wohltuende Verfassung transportiert. Zum Beispiel:

‚Und plötzlich in diesem mühsamen Nirgends, plötzlich
die unsägliche Stelle, wo sich das reine Zuwenig
unbegreiflich verwandelt – umspringt
in jenes leere Zuviel.
Wo die vielstellige Rechnung
zahlenlos aufgeht‘.

Ich weiß natürlich, nur ich würde das (herum) tragen wollen, aber ich will es auch nicht. Die Zeilen hängen ja schon an meinem Schreibtisch herum, und nach wie vor weiß ich leider nicht, wer sie geschrieben hat.

Dschalal ad-Din Rumi

Pension Rumi (Usbekistan Buxoro) - Booking.com

Jenseits von richtig und falsch
liegt ein Ort. Dort treffen wir uns.

wegen Corona

‚Wegen Corona’…kein schönes Mantra, obwohl ‚Corona‘ an sich ein wohlklingendes Wort ist, aber hier ist es eins, das uns mit gewissen Beklemmungen begleiten wird und immer wieder daran erinnern, dass wir uns in einer gigantischen Maskierungsinszenierung bewegen, die nicht wirklich überschaubar ist.  Ich werde meinen ersten westlichen Winter seit vielen Jahren erleben, denn Indien stellt wegen steigender Infektionszahlen kein Visa mehr aus für Nicht-Einheimische, und wer will schon dort betrachtet werden als potentielle Viren-HereinschleuserInnen. Ja, ich dachte daran, mich langsam auf eine Verabschiedung von dem Indien von Einst einzustellen, das hat mehrere Gründe, aber doch nicht sowas, wo man gar nicht mehr rein darf, und wenn man drin wäre, gar nicht mehr herauskäme. Wegen Corona. Ja, ich weiß, dass Menschen sterben, und dass sie trotz Vorkrankheiten nicht sterben müssen sollten, wegen Corona. Trotz aller Vernunftsbereitschaft kann einen eine Art kurzer Schauder erfassen, immer mal wieder, wenn man bedenkt, wenn sich das wegen Mangel an Alternativen einbürgern würde, die Menschen vielleicht noch ein Jahr mit halb bekleideten Gesichtern zu sehen. Ich denke wieder an die praktische Handtaschen-Burka, die man sich gegen Aerosole kurz überstreifen könnte für die eher schnellen Besorgnisse bzw Besorgungen des Alltags. Nie war ich froher, mir ein Leben gestaltet zu haben, das mir ermöglicht, wenig draußen sein zu müssen, wenn ich das selbst nicht wünsche. Mein Kreativfeld hat sich mühelos als mir entsprechend erwiesen. Keine hohe Instanz mehr, der man danken könnte, aber Dankbarkeit großzügig in den offenen Raum gestreut ist jederzeit möglich. Und immerhin kann man den Lappen ja auch öfters herunternehmen, wenn man irgendwo ist oder arbeitet, wo die Sachen geklärt werden. So viel mühselige Klärungen wegen Corona, meine Güte. Wegen den aufwendigen Maßnahmenmarathonen kommt so mancher Patient zu kurz, höre ich. Wenn man an sich selbst zu merken beginnt, dass die Lust, sich häufig eine Meinung zu bilden, langsam aber stetig nachlässt, kann das in der ersten Entzugsphase schon mal als Langeweile rüberkommen. Aber man muss bedenken, dass überall, wo eine Meinung entfällt, Freiraum entsteht, das heißt: Energie. Gegen das Ermüden hilft auch die freiwillige Aufregung. Das ist ja nicht wenig, über was man sich aufregen kann, ja echt jetzt, und das alles wegen Corona. Man traut sich ja kaum mehr, ein Bild zu pinseln, auf dem jemand erscheint, der oder die ohne Maske ist. Beim Pinseln hat es wiederum seinen eigenen Reiz, denn man kann die stets vorhandene Maskerade der Weltbevölkerung als Anregung nehmen. Denn man hat ja erlebt, wie wenig die Maske das Verborgene verbirgt. Erstaunlicherweise bringt die Maskierung das Verborgene eher hervor. Aber es ist auch wahr, dass nichts verborgen bleibt, egal, welche Art von Maske eine/r trägt. Ich will auch nicht, dass jemand hinter mein Make-up schauen will, ob da noch eine andere lebt, die man dadurch entlarven könnte, nein. Ich zeige mich freiwillig, wenn die Stunde es ermöglicht. Das ist ja immer ein Luxus, wenn man an einer Atmosphärenzeugung beteiligt war  oder ist, die einem selbst und den anderen Anwesenden ermöglicht zu sein, wer sie sind. Und wer sind wir denn, mit oder ohne Maske, und nicht nur wegen Corona.

Lamm

Das Gemälde von Jan van Eyck erschien auf der Titelseite einer Beilage der ‚Zeit‘. Das schön gemalte Lamm erregte meine Aufmerksamkeit. Ein paar alberne Gedanken schlichen sich ein, denn alle paar Jahre taucht von irgendwoher die Frage auf, was für ein chinesisches Horoskopzeichen man ist, und dass ich ein Lämmlein sein sollte, wollte mir in keinster Weise einleuchten. Natürlich wäre ich auch ungern Hahn, aber Lamm! So dachte ich: schau an, hier ist ein prächtiges Lamm. Es sieht aus, als wüsste es, was es tut und steht voll dazu.  Im Original  ist das Lamm umringt von Engeln, und ganz vorne sieht man in angemessenem Abstand Männer in vermutlich heiligen Schriften blättern. Deshalb muss man näher hinschauen und sieht dann, dass aus der Herzgegend des Lammes Blut fließt, das von einer goldenen Schale aufgefangen wird. Klar, irgendwie wusste man ja, dass es das Opferlamm ist. Die Frage bleibt offen, wie gut man sich in der einen umgebenden Religion auskennen muss. Natürlich kann es auch so sein, dass, je weniger man über etwas was weiß, desto direkter kann ein Blick etwas erfassen, denn er ist dann nicht durch Vorkenntnis getrübt, nichts gegen angebrachte Vorkenntnis. Um nicht zu sehr in ganz und gar sinnfreie Felder abzugleiten, habe ich mir selbst dann nochmal bestätigt, dass das Lamm im christlichen Kontext für Jesus Christus selbst steht und in dieser Form Agnus Dei genannt wird. Ließ er sich opfern, oder wurde er geopfert, oder macht das hier keinen Unterschied. ‚Liebe ist Wein ins Feuer aus dem Opferkrug‘ (Benn) Hier auf dem Gemälde steht auch kein braves Lämmlein, sondern ein sein Blut spendendes Lamm, vor dessen Würde selbst die Engel die Augen niederschlagen. Natürlich denkt man lieber an eine freiwillige Blutspende als an ein Tier aus einer Schafsherde, aber das ist doch alles wirklich…ja, was ist es denn. Alle Geschichten, die so unter Menschen entstanden sind, wollen immer auf etwas Bestimmtes hinweisen, was mit ihrer Welterfahrung in Verbindung steht. Vieles muss geglaubt werden, sonst kann es nicht sein. Und was zum Sein drängt, kommt an und wird eine Geschichte, wie alles andere auch eine Geschichte ist. Wo Geschichten sich bündeln und verdichten, werden Religionen daraus, oder Filme, oder Bücher, oder unauslöschliche Verbindungen entstehen. Und man selbst natürlich, man besteht ja auch aus Geschichten, die einen umranken, als müsste man sich für eine einzige entscheiden. Dabei verändert sich die Geschichte täglich und wählt ihre Quellen, aus denen sie sich speist. Deswegen erkennt man sich an dem, was einen speist. Eine verborgene Variante einer Deutung des Opferlamms könnte sein, dass Jesus durch freiwillige Selbstaufgabe zu seinem wahren Ruf gekommen ist, dem zu folgen er nun müheloser in der Lage war. Doch was fällt mir hier ein inmitten meines Bannes durch das Lamm: es sind Zeilen von Tamara Ralis in einem meiner Lieblingstexte von ihr, und gerade an dieser Stelle ein Lichtstrahl in der Finsternis geopferter Wesen:

Bei den Entschwundenen am Dunkelquell
leg‘ ab den letzten Dein-Beweis
auf jenen unvorhandenen Stein,
der alle Opfer wendet.

beteiligt

Ich bin am Tod beteiligt als mein eigenes Selbst.
In mir ist Platz zum Sterben.
Sei es das Wunschgeborene, sei es die Lust am Sein:
Der Findling toter Träume kann hier beruhigt des
Traumes Leben lassen. In mir ist Raum,
der Tode fassen kann und Licht wirft auf das Ungesehne.
S’ist ein Labor wie jedes andere, doch muss man sicher sein.
Ich sehe mich: ich bin geschnitzt aus unbrechbaren
Materialien und muss gelassen leben, als wär‘  ich nicht
beteiligt an den Toden. Als sei in mir das Tote nicht
auch Leben. Denn mit den freigelegten Grenzen stirbt
die Welt dahin, damit die zeitlosen Gesetze wieder
spürbar  werden.

heiter

 

Kann man das alles wirklich eine ‚göttliche Komödie‘ nennen? Natürlich war auch Dantes Komödie ein Produkt seiner inneren und äußeren Wahrnehmung, ein großartiges Herumraten, wie es sein könnte, wenn man wüsste, wie es wirklich ist. Viel ehrenwerte Mühe haben sich die jeweils großen DurchgrüblerInnen gemacht. Und wie viel haben wir auch lernen können von dem einschaubaren Material, das in der greifbaren Welt und in den Maschinen herumliegt. Und man weiß gar nicht, wie viele es noch gibt, die keinen Zugang zum Weltwissen haben, denn ich habe Smartphones in den Händen derer gesehen, die in manchen Kulturen als die Unberührbaren gelten. Und man kann auch nicht leugnen, dass in der Pandemie so einiges in den Vordergrund rückt, auch Zusammenhänge. Wenn in Deutschland die Schweinepest droht, dann müssen nicht nur die Chinesen um ihre Leckerlis bangen (Schnauze, Ohren, Schwänzchen), sondern was geschieht (schon wieder) mit den Tieren, die sich hier stauen. Heißt ‚göttlich‘ (u.a.), dass man den Willen dahinter nicht leicht erkennen kann, wenn es überhaupt einen gibt außer dem kontinuierlich sich gestaltenden Schöpfungswillen, der die Menschen umtreibt  auf ihren Existenzfeldern. Und egal (nicht wirklich), wie man es selbst gerne spielt, man muss das Spiel der Anderen akzeptieren als das, was wir alle daraus machen. Vielleicht ähnelt das, wenn man es schafft, einem  göttlichen Zustand: leichtfüßig, ernsthaft und liebevoll lächelnd durch die kostbaren Tage hindurchpilgernd, von denen man weiß, dass sie sich gerne als unsterblich geben, aber wir wissen doch, wie das unweigerlich endet. Wie weit man in bestimmten Zeiten das Spielerische für sich selbst in Anspruch nehmen kann, muss eine offene Frage bleiben. Wie kann im Angesicht des sichtbarer werdenden Grauens eine Leichtigkeit entstehen, die nicht an eine Narrenkappe erinnert. Nichts gegen Narren, alle Rollen haben ein Recht auf Glanz. Und es sollten an diesem neulich in einer philosophischen Runde visionierten Tisch nicht nur die Virologen unter den Wissenschaftlern sitzen, klaro, und nicht nur die Philosophen, oder mindestens einer, ein Philosoph solllte da sitzen, und natürlich ein Handwerker und ein Stammeshäuptling, und ein Latino, und ein Eskimo – und ein Flüchtling aus Moria, der das alles in spürbarere Nähe rückt. Eine Seiltänzerin am runden Tisch wäre auch wünschenswert, überhaupt… Shiva, der indische Gott, der neben Yoga und anderen Pflichten schon auch mal Zeit hatte, die damalige Geliebte damit zu erfreuen, alles um sie herum in eine weibliche Atmosphäre zu tauchen (tauschen die Nächte dich in ein dunkleres Du…), den könnte man ja (über ein Sprachrohr)bitten, ob er diesen Kunstgriff mal auf den Global Round Table anwenden könnte. Damit man als Zeugin da sitzen könnte und teilnehmen an den belebenden Ideen, die dort aus den Quellen sprudeln. Ganz wichtig wären auch, neben den Künstlerinnen und Künstlern, ein oder vielleicht gar zwei KomödiantInnen, die vielleicht am mühelosesten hinführen könnten zum Grundton, vielleicht gar ihn erschaffen. Ein Ton, der es ermöglicht, gleichzeitig dem Schrecken der Welt ein Ohr zu leihen, oder ein Herzgefühl, oder Hände und Füße, mit denen man einiges lindern kann, und dann der Ton, der eine Heiterkeit beibehält, die keinerlei Schaden zufügt, sondern lediglich sich selbst mit Freude und Zutrauen bei den notwendigen Gängen begleitet. Der Ton, der einem die Liebe abringt für das Weltenspiel mit all seinen extravaganten Widersprüchen. Das muss wohl das Salz der Erde sein.

Zentralrat

Heute findet das 70-jährige Jubiläum des Zentralrats der Juden statt, höre ich in den Nachrichten. Gegründet 5 Jahre nach dem Ende des Krieges. Man geht gerne davon aus, dass man sich alles vorstellen kann. Aber das Meiste kann man sich nicht umfassend vorstellen, weil man es nicht selbst erlebt hat. Als ich einmal mit einer Nigerianerin über Hitler sprach, bemühte sie sich zu sagen, dass ich oder meine Generation das alles ja nicht getan hätten. Es war gar nicht die Schuld, die ich fühlte, sondern den Druck des Verstehenwollens, der nicht nachließ. Ich bin in Berlin geboren, mein Vater hatte jüdische Angestellte, und man erzählte sich, er habe sie mit Aufträgen rechtzeitig außer Landes geschickt. Von ihm (meinem Vater) kommt auch die Nachricht, wie gut der jüdische Geist mit dem deutschen Geist harmonisieren konnte. In der Dynamik lag eine Inspiration, eine interessante Andersartigkeit, die einem Respekt abrang gegen alle Widerstände, weil es die geistigen Fähigkeiten waren, die man am Anderen erkennen und akzeptieren konnte. Zumindest fand das auch statt. Und es gibt auch ein Feindbild, das nicht aus der Ablehnung erschaffen wird, sondern aus dem Neid, etwas höchst Beneidenswertes nicht haben zu können, ja, überhaupt nicht zu verstehen, wie zum Beispiel den feinsinnigen, tiefen Humor, der über sich selbst und die eigenen Schwächen mühelos lächeln kann, denn das Andere ist ja ebenfalls da. Die humorvolle Selbsterkenntnis haucht dem Lebendigen etwas Menschliches ein. Wann und wodurch entschwindet dieses Menschliche, und durch was und wann und warum wird es zuweilen sichtbar, sodass man es erkennt fast als etwas Verlorenes? Es ist ja nichts Böses, ein erfolgreiches Business zu führen, sondern es kommt darauf an, wer man im Laufe der Geschäfte wird. Das gilt ja für alle und hat gar nicht so viel mit Schulbildung zu tun, wie man gerne denkt. Natürlich hilft die Bildung hinein in die Aufklärungsbahnen, aber ich habe das zutiefst Menschliche auch in einer Wüste unter AnalphabetInnen gefunden, das war nicht wenig. Aber was einen halbwegs gebildeten Menschen dazu bringen kann, dass er sie glaubt, die Vernichtung eines ganzen Volkes sei etwas unumgänglich Wichtiges für den Rest des Volkes, die das Glück einer arischen Herkunft vorzeigen konnten, das ist ein dunkles Geheimnis geblieben, wenn auch viel besprochen. Aber auch unter den Deutschen gab es die Anderen. Wem sollte man vorwerfen, nicht rechtzeitig aus dem Alptraum erwacht zu sein. So ein Ausmaß rechtzeitig ahnen? Ein Großteil meiner Freunde in der Welt waren und sind immer noch Juden, vielleicht wählte ich unbewusst die mir durch die Geschichte verborgene Erfahrung. Oder ich fühle diesselbe Liebe für ihre Persönlichkeiten , mit reichlich Humor ausgestattet, wie mein Vater, der die Zusammenarbeit so bereichernd fand. Ich fand es immer erstaunlich, dass jüdische Menschen sich wieder in Deutschland zuhause fühlen konnten und können. Vielleicht war unter den deutschen Überlebenden der Schrecken über die Grausamkeiten dann so groß, und das Entsetzen traf tief genug in das eigene Mark, zumindest bei einer kritischen Masse, sodass aus der Asche zwar kein Phoenix mehr auffliegen konnte, aber immerhin ein Wille zu anderem Menschsein. Das reichte auf jeden Fall zu einer stabilen Wirtschaftslage und einer halbwegs funktionierenden Demokratie. Und dann darf man auch heute, am 70-jährigen Jubiläum des Zentralrats der Juden, nicht vergessen, dass schon wieder Hakenkreuzfahnen auf diesen Straßen geschwenkt werden. Auch die Schattenseite des Ungewissen wird uns weiterhin begleiten.

Virus/Phil.

Durch ein Livestream Angebot im Netz konnten wir die Eröffnung der diesjährigen Phil.Cologne sehen. Auch Jürgen Wiebicke mal in persona sehen, den ich manchmal im Philosophischen Radio höre, und die sympatische Stimme bestätigte sich durchaus durch den souverän moderierten Dialog zwischen dem Virologen (Hendrik Streek) und dem Philosophen (Markus Gabriel), die sich, wie man erfuhr, bereits in der Garderobe lebendig ausgetauscht hatten. Das konnte man ebenfalls an der männlichen Freundlichkeit erfahren, mit der sie miteinander umgingen, kein Zweifel. Es ging viel um Corona, eigentlich nur. Man konnte dabei sein beim Austausch der Experten. In mir wartete etwas auf die Philosophie, aber von der Philosophie verlangt man ja auch sehr viel, und k l a r  will man sie am Tisch mitsitzen haben, wenn das Denken etwas vielfältiger wird durch weitere Wissensgebiete. Aber es dauerte nicht lange, da stellte ich mir vor, wie eine Frau dort auf der Bühne mitreden würde und wäre gespannt gewesen auf ihren Beitrag. Vielleicht stimmt es ja, dass wir (Frauen) die Verbindungsherstellerinnen sind. Nicht, dass man keine Männer getroffen hat, die es auch können oder könnten. Es kommt ja immer darauf an, worauf man sich konzentriert. Zumindest wurde hier ein gewisser Raum erlaubt für Unwissen und auch das Ungewisse, wenn wir mit etwas konfrontiert werden, das uns zuvor noch nicht begegnet ist. Auch der wirklich phänomenale Aspekt des Wander-Virus wurde erwähnt, nämlich dass keiner vor ihm es geschafft hat, den ganzen Planeten in Atem zu halten, obwohl mehr Menschen an anderen Krankheiten gestorben sind. Und doch ist die Gesamtzahl der Welttoten angestiegen im Verhältnis zu anderen Jahren. Es wurden lange Zeiten erwähnt, die es noch dauern könnte, mit Maske und Distanz und der Gefahr des ökonomischen Zusammenbruchs, bzw. bis es einen verlässliches Impfstoff gibt. Was kommt, bleibt meistens da. Nur ein einziges Mal ist eine Krankheit völlig aus dem Feld geschlagen worden. Was hätte die Frau dazu gesagt? Man weiß es nicht, genauso wenig wie man weiß, was man selbst gesagt hätte. Was ist eine weibliche Stimme oder die Stimme eines weiblichen Geistes, und warum vermisst man sie immer mal wieder, auch wenn es in Büchern oder unter den Herren intelligent zugeht. Der männliche Weltgedanke ist einer Ermüdung ausgesetzt. Immer noch ein Buch und noch ein Buch, und ja, auf allen Ebenen soll’s weiter gehen, aber auf manchen Ebenen geht es gar nicht weiter. Die Ideen bleiben im Treibsand stecken. Sie berühren keine spürbare Wirklichkeit. Ein Abgrund wird sichtbar, der das planetarische Leben verschlingt, indem es sich das Lebendige als Treibstoff zu eigen macht. Der Virologe sagte, er wüsste jetzt nach einem Shitstorm mehr darüber, was es bedeutet, Worte auf die Goldwaage zu legen oder gelegt zu bekommen. Es fehlen Stimmen, die die Idee aus dem Ideellen in die lebendige Wirklichkeit tragen können über das bloße Zuhören hinaus. Das tiefe Wohlwollen für den Menschen an sich, der geisterhaft umherirrt im Labyrinth des Verwirrenden. Als hätten wir nicht alle herzhaft in den leckeren Apfel gebissen. Markus Gabriel provoziert übrigens mit der These, dass es die Welt gar nicht gibt. Das kann einen schon heiter stimmen.

retten

Beim Vorüberfahren sah ich auf einem Schild den Aufruf, den Grüngürtel zu retten. Rettet den Grüngürtel! Ich wusste noch nicht mal, welcher Grüngürtel gemeint war, aber meine Gehirnzellen schütteten eine Menge Info aus über das, was gerettet werden könnte, musste, sollte. Die Tiere die Menschen die Wälder die Arbeitsplätze, die Liste ist lang, sehr lang. Sie scheint immer länger zu werden, obwohl sie wahrscheinlich schon immer ziemlich lang war. Aber hätte man die Kinder von Medea wirklich retten können, also Medea irgendwie zur Vernunft bringen, bevor es zu spät ist. Oder wollte nur ein Dichter eine Frau erschaffen, die zu so einer Tat in der Lage ist: eben genauso morden, wie es die Männer können, zum Beispiel aus Rache an dem, was ihnen angetan wurde, bevor jemand oder sie sich vor sich selbst retten konnten. Oder die Maus vor der Katze retten, oder die Katze vor des Nachbars Hund, oder das Opfer, das noch zappelt im Spinnennetz und man es herausgreift, weil man zufällig da war. Oder der Horror von Moria, wenn man nicht mehr weiß, wen man am liebsten gerettet sähe. Denn versteht man nicht auch die Einheimischen, die ihre Insel mal wieder ohne herumirrende Flüchtlinge erleben wollen, was natürlich auch Quatsch ist, weil Lesbos wird nie wieder sein, was es im Einst der Erzählkünste einmal war, oder nie war, oder erst jetzt etwas Bedeutsames wurde, weil als verloren erkannt. All das, was ja da war, bevor d i e alle kamen. Und natürlich wäre es wünschenswert, wenn die von irgendwoher Geflohenen und bereits schon einmal Geretteten jetzt auch menschliche Lebensformen finden könnten, bis sich weitere Öffnungen zeigen. Das Schwierige ist, dass überall ein Schlückchen Wahrheit mitschwimmt, das der vorgefundenen Realität nicht gerecht werden kann. Gar nicht an ‚Retten‘ müsste gedacht werden, wo man einen Zusammenhang sehen könnte zwischen den Schicksalskonten, wo eine Möglichkeit zur Ausgleichung sich zeigt, das ist wohl zu viel verlangt und würde eine komplizierte Aufarbeitung erfordern. Und wo man selbst zu schwimmen anfängt ist (z.B.), wenn man im Sterben der Bäume nur ein Erscheinen von Lichtung sehen will. So, wie man es gern hätte, dass überall da, wo zur Zeit die Touristenmassen fehlen, alle froh sind,  mal wieder ohne die hungrigen Geister ihre Welt zu erleben. Und jetzt erfahren, dass es sie gar nicht mehr gibt, ihre Welt. Und dass selbst der Geschmack der Erbsen nicht mehr gerettet werden kann, denn es gibt ihn einfach nicht mehr. Und wie soll man den Boden vor den Giften retten? Das wird lange dauern, bis man  d a s wieder die Mutter aller Wesen nennen kann, dieses vergiftete Etwas, um das alle kämpfen, als hätte jemand eine Erbschaft verteilt, die es zu verteidigen gilt. Ansonsten ist  ‚rette sich, wer kann‘ ein Befehl an eine Schiffsbesatzung, wenn koordinierte Rettungsmaßnahmen abgeschlossen oder aussichtslos sind. Es hängt von den Verbindungen ab, die man herstellt, und um was es einem letztendlich oder gerade geht.

 

 

 

dual


Lehrstuhl des Ungewissen

In der Tat gibt es diese vielen zwei Dinge, die man auf dem Weg unterscheiden lernen muss. Es ist der hilfreiche Teil des herrschenden Prinzips, dessen letzte Markierung man im Daumen-rauf- und-runter oder einem ‚liking and not liking‘ Button finden kann. Aber eigentlich stellt das duale Prinzip eine Art Trainingsprogramm des Menschen dar, das sich zum Glück kein Mensch ausgedacht hat und kein Coach für sich beanspruchen kann. Es ist einfach da, so wie wir da sind. Wir und das duale Prinzip, durch das wir aussortieren und einordnen können, einladen und wieder ausladen, was uns nicht bekommt. Vieles bleibt geheim von dem, was durchfällt und was Anklang erregt. In der Entscheidungshoheit kann eine Menge Kraft liegen, und auf beiden Seiten kommt an einem bestimmten Punkt der Verdacht des Missbrauchs auf. Wenn irgendwo und irgendwie die Entscheidung zum Missbrauch gefallen ist und die Hemmschwellen zu sinken beginnen. Daher sind klare innere und äußere Entscheidungen so wichtig. Die Fragen, die hier auftauchen, sind ja nicht immer leicht zu beantworten. Das Eine kann so reizvoll sein wie das Andere. Wer hat nicht schon mal gerne und bewusst gelogen, vielleicht um sich vor Schlimmerem zu bewahren. Nur muss man die Grenzen selbst setzen, wenn man nicht nur verstehen möchte, wie man tickt, sondern auch verstehen, woher dieses Ticken stammt, und was für Optionen auf der vorstellbaren Verhaltensskala es noch so gibt. Um in die gewünschte Richtung zu steuern, bis das Gewünschte einem selbst entspricht und einem antwortet. Alles andere Wünschen dämmt sich ja von selbst ein, wenn einem klar wird, wie hoch die Preise für das Wünschen sein können. Aber gut, wenn man gerne bezahlt. Sich nicht für das Wünschen entscheiden ist auch gut, denn es kommt trotzdem auf einen zu, wer man ist. Wie kann man diesem Vorgang ausweichen? Die Gewohnheit übernimmt natürlich einen Großteil des Programms. Man kann nicht jeden Morgen auf neue, lebendige Art aus dem Bett steigen. Oder kann man es doch? Oder tut man es schon: kein Aufstehen wie das andere, da ist das Prinzip schon voll im Gange. Wie bin ich drauf oder nicht drauf, und mit welchem Grad von Anwesenheit? Was esse ich oder was nicht. Wie bin ich zu den Anderen undsoweiter. Immer wieder schleicht sich ein Undsoweiter ein und will etwas ausdrücken, was man glaubt zu wissen. Wie ich bin und wie es von hier aus weitergeht. Zum Beispiel ohne Gott, aber mit den Menschen und den Tieren. Und klar können die Anderen einen Gott haben und sein, wer sie wollen. Vor meinen  persönlichen Augen konnten Menschen schon immer genderfrei durch die Gegend wandern, Hauptsache, ich werde nicht zugegendered und muss mich als Cis-Frau deklarieren. Dann fängt doch das Ganze schon wieder von vorne an, eben im neuen Kostüm auf der Dualitätsschiene. Kommt man da runter? Vielleicht als Mensch? Oder ist das zu einfach?

 

Recht

Immer noch tun wir oft genug so, als hätten wir’s nicht gewusst. Aber wir haben es nicht nur gewusst, sondern wir wissen es auch jetzt noch: dass immer noch dunkelhäutige Menschen im Meer versinken oder auf den Straßen des reichsten Landes der Erde niedergeschossen werden wie Tiere. Auch vom illegalen Niederschießen der Tiere wissen wir viel, oder vom Bruderhähnchenmord undsoweiter. Es gilt ja, die Ohnmacht anzuerkennen, allerdings auch das mir Mögliche. Im mir Möglichen gibt es noch Spielraum. Aber Spielraum kann es nur sein, wenn ich es erfühle. Nicht, wenn ich es bedenke, obwohl auch das nicht immer schadet. Nur kommt mir ‚Ich staune, also bin ich‘ naheliegender vor und zeitgemäßer. Staunen hat etwas Schönes, über die Dinge Schweifendes. Man kann über die Intelligenz der Menschen staunen und über die vielen sichtbaren Zeichen ihrer unbändigen Schöpfungskraft, und man kann über die Dummheit staunen, die sich gerne überall d a breitmacht, wo sie durch unüberprüfbare Vorkommnisse und Zustände zugelassen wird, das kann einen schon überraschen. Zuweilen entgleitet einem auch das Staunen, und man sieht es in eine Art von Erschrecken gleiten. Man kann zum Beispiel nicht wirklich über das Feuer im Flüchtlingslager Moria staunen und weiterhin rumrätseln, wer es wohl gelegt hat. So, als könnte eine/r von uns so was aushalten, obwohl auch hier Unvorstellbares ausgehalten wurde, bevor wir uns alle im Schlaraffenland des Alleshabenkönnens vorgefunden haben. Allerdings ohne es richtig zu merken, denn auf den Bildschirmen ist die Hölle los, da meint man vielleicht ganz schnell, man säße auch irgendwie drin. Man sitzt ja drin, das kann man nicht leugnen. Man sitzt drin, und allein dadurch, dass man d a ist, macht man mit. Vor allem in Zeiten, wenn die eine Seite der Waagschale überzuquellen scheint von dunklen Geschäften in finsteren Tunneln, muss man sich geradezu selbst ermuntern, auf der anderen Seite s selbst mal ein Körnchen zu manifestieren, das im hellen Licht der Sonne eine Chance hat zum Gedeihen. Schwerer, belehrte uns Nelson Mandela, ist der Weg hin zum Lichten, oder wie man es nennen will. Leider bin ich nicht mächtig genug, um Herrn Tönnies das Handwerk zu verbieten, aber er kann ja auch nicht meine Einstellung durchkreuzen. Unmenschlichkeit ist  außerdem gar keine Macht, es sieht nur leider oft so aus. Nun, da durch die digitale Revolution alle Fenster geöffnet sind, sitzt der buddhistische Mönch direkt neben dem Komödianten, und man darf ruhig mal staunen, wie nah sie sich sind, und als würde jede/r auf seine oder ihre Weise auf dasselbe zugehen, und um das Recht, sich selbst zu sein, weiterhin zu kämpfen. Denn niemand kann einem vorschreiben, wer man sein soll, wenn man sich im Spielraum des menschlich zu Akzeptierenden aufhält. Und niemand, fällt mir jetzt natürlich der Satz von Hannah Arendt ein … ’niemand hat das Recht zu gehorchen‘.

Kanäle

Neuerdings nenne ich das Virus zur Abwechslung mal eine Spalt-Tablette, einmal wegen der Spaltfähigkeit, und andrerseits wegen der drogenähnlichen Wirkung des unsichtbaren Alarmerregers, der manche in die Schläfrigkeit des Gehorsams transportiert, und andere in die aufgeputschte Erregung, die wir zuweilen an uns selbst beobachten können. Empört euch, ja, sehe ich auch so. Aber wie lange kann man so eine Empörung frischhalten, bevor sie ausleiert und von den Meinungsfeldern absorbiert wird. Eher doch diese Felder freiwillig verlassen und schauen, wie man selbst und die anderen sich so fühlen mit den Hervorkommnissen dieses surrealen Dramas. Man kann sich auch nicht wirklich schlecht fühlen, dass man nicht so viel leiden muss wie viele andere, Mütter mit Kindern z.B., und das Ausmaß der Verzweiflung in den Bazaarstraßen der Welt kann man sich gar nicht vorstellen, so vielseitig ist es, und niemand kann diese Krater mit Gold stopfen, das gibt selbst das Kalb nicht her. Und die halbleeren Säle mit den zugebundenen Sitzflächen, die das einstige Einkommen halbieren und oft für ein Weitergehen nicht reichen. Da kann einen schon mal der Zorn packen, beim Hades, wenn noch mehr Kohle in die Autoindustrie usw. gescheffelt wird, und derweilen der auf Anregung gepolte Geist der Gesellschaft das Interesse verliert, sich in kulturell schwer zu beatmenden Kreativräumen aufzuhalten. Aber wer sagt denn, es gäbe keine Lichtblicke. Jede/r kann Lichtblicke erzeugen, auch ein Hoffnungsstrahl kann zum Lichtblick werden. Nur, wie entsteht ein Lichtblick? Ich hatte eine Schockerfahrung mit meinem Smartphone, die mich in die Nähe dieser Frage gebracht hat. Gewohnt, auf meinem YouTube Kanal die Weltnachrichten auf unterschiedlichen Kanälen nacheinander abrufen zu können, gemischt mit guter amerikanischer Comedy und Trump-Erklärern, fand ich auf einmal ein völlig anderes Programm vor, es muss ein Knopfdruck gewesen sein, der eine total andere algorithmische Szenerie aufbaute, wo ich mal vermutlich irgendwen nachgeschaut habe, vielleicht einen Zen-Buddhisten zum Beispiel, und nun erschienen plötzlich nur noch Mantras und von westlichen SchülerInnen fleißig und kompetent vorgetragene Sanskrit Texte, und Rezitationen, die einen hundertprozentig zu sich selbst führen sollen. Ich schaute nur flüchtig in all dieses Angebot und fürchtete mich davor, irgendwo neugierig hängen zu bleiben und damit den Algorithmen-Alligator zu füttern mit all dem Blut, das man hineinschütten kann in die Dinge, das kostbar geistige Blut, das all dieses Denken transportiert. Ich vermisste ein wenig die Wachheit politischer ModeratorInnen, die den illusorischen Weltgehalt zu transportieren bestrebt sind. Illusorisch deshalb, weil er undurchdringlich ist (wie die religiösen Lehren) in seiner stetig beweglichen Dichte, sodass die Klarheit, die man sucht, nur aus einem selbst kommen kann, was wiederum hinweist auf individuelles Gedankengut und eigene Sprache. Es geht ja nicht darum, es sich einfach zu machen, sondern vielleicht geht es darum, das Einfache als mögliches Maß zu kontemplieren. Das Einfache, das für alle Anwesenden gleichermaßen gilt, nämlich nur sich selbst sein zu können auf der Reise. Da lasse ich doch gerne die Kanäle mal ruhn.

absolut

 

Hier ist ein stilles Satellitenprogramm im
Stummfilm-Stilleben-Stil. Irgendwann kam
dann die Liebe dazu und verlor sich in Spiel
und Arbeit. Doch selbst diese Trennung war
nur künstlich erzeugt, das Auge als Zeuge
der Wahrheit. Wenn das Auge im All ruht,
mitten auf dem Sitz des Piloten, erscheint am
Tor das Schild des Offensichtlichen: Erzählen
hier verboten! Warum, fragte Maxicool, der
Mythoszerstäuber, hört denn das Erzählen
immer gerade dann auf, wenn’s grad mal
spannend wird? Da neigte sich Kal, die Agentin,
freundlich ihm zu und sagte:
(Sie sagte nichts, absolut nichts, nichts, einfach
nichts, des Nichts‘ Selbst war, was sie sagte. Sie
sagte einfach absolut gar nichts, gar nichts sagte
Kal, die Agentin. Sie selbst überholte sich selbst
als Wort und sagte weiter und  weiterhin absolut
gar nichts, das wortlose Nichts ihr Begleiter.
Wohnlos breiteten sich Himmel aus, aber Kal
schwieg einfach weiter. Aller Eigensinn schwand
als wortloser Ort, Strukturen entglitten dem
randlosen Weiter, aber Kal sagte nichts, gar
nichts weiter. Sie bestand wortlos inmitten der
Wortlosigkeit die Prüfung des raumfreien Lautlos.
Und steht wahrscheinlich immer noch auf dem
Gipfel der Gletscherebenen auf Stille inmitten von Leben.).

zart

Die Zartheit des Menschen ist ganz sicherlich eine der innerlichen Ressourcen, da steckt die Quelle bereits im Wort. Wer weiß schon, ob sie, die Zartheit, von Anfang an ein Teil des Teams ist, oder wie alles andere hervorgerufen und angenommen werden muss als das einem Mögliche, eben auch zart zu sein neben all den anderen Facetten, die man entwickeln kann aus dem persönlichen Potential heraus. Auch wird man, wenn man Glück hat, selten gezwungen, etwas zu aktivieren, was man gar nicht aktivieren möchte, und doch wird  man ständig auf die eine oder andere Weise genötigt, mit dem Vorgefundenen umzugehen. Viele Orte auf der Erde erlauben es den Anwesenden gar nicht, etwas so Feines wie Zartheit zu kultivieren, denn das Leben wird oft als hart und grausam empfunden. Dabei ist es gar nicht das Leben, das  zarte Aufmerksamkeit verhindert, sondern es sind die Menschen, die sich gegenseitig abhärten mit ihren Launen und Spielarten. Das ist alles sehr gut eingerichtet, denn man braucht die Widerstandskräfte, um diese menschlichen Ebenen zu durchqueren, diese Wüsten, diese Wälder, diese Ozeane, diese Allkälten. Überall irrt das ‚Zu‘ herum. Zu kalt, zu heiß, zu hoch, zu breit, zu tief, zu verlogen, zu gut. Am Rückgrat der Dualitäten rangelt man sich voran, denn man muss durchaus wissen, was einen anspricht und was nicht, und wie ich meine eigenen Töne zum Klingen bringen kann, nicht zu wenig, nicht zu viel. Und dann immer mal wieder ein riesiges Herausbrechen aus den Strukturen, und schauen, wo der Staub noch liegt von den vergriffenen Begrifflichkeiten, oder wo etwas so klar hervorgelockt wird aus meinem Wesen, dass ich weiß, jetzt bin ich gemeint. Man kann das ja spüren, wenn der Ton in einer Bewegung stimmt. Auch bei Tieren bin ich oft verblüfft, wie stark ihre Körper sind, aber wenn man sie näher betrachtet, spürt man ihre Zartheit in sich selbst. Aber nur, weil sie so arglos ihr Wesen ausleben. Da kommt die zarte Katze mit der kleinen Maus im Maul zu mir, um mir was Leckeres zu schenken, und ich bin froh, wenn beide lebend davonkommen. Zart kann man nur im Schutz der Menschen sein, so, wie man es sich für jeden Winzling wünscht, eben, dass die Zartheit des Kindes alle Ventile der Liebesfähigkeit in Schwung bringt, und das Kind im Behütetsein sich selbst erfahren und sein kann. Dann können wir uns auch später gewappnet auf die Spielebene begeben und müssen keine gute Miene zum bösen Spiel machen, sondern können sorgfältig wählen, was am besten geeignet ist als Ausrüstung für den Wanderweg. Die Pilgerreise zur Quelle des Wasauchimmers.

Fenster

 

Da ich mich gerade u.a. als interessierte Zeugin der Vorführungen des laufenden amerikanischen Politthrillers erfahre, hat meine Bereitschaft zum Staunen Nahrung bekommen aus unerwarteter Ecke. Unerhört ist das Ausmaß dieser Komödie, die Dante wohl deshalb die ‚göttliche‘ nannte, weil einen die Fassungslosigkeit immer mal wieder anrührt. Da kann ein vom Volk auf zweifelhafte Weise gewählter Präsident gnadenlos lügen und eine derart peinliche Menschlichkeit vorführen und öffentlich zu jeder Schandtat bereit sein, denn zumindest bis jetzt konnte er sich auf die Dummheitsresonanz bestimmter Menschen verlassen, die in ihm den tollen Hecht sehen, der sie selber gerne wären. Aber siehe da, verkörperte Intelligenz wird auf den Plan gerufen, wodurch ein Zweifel sich einzuschleichen vermag über die lahme Weigerung des Hinterfragens. Was dieser Mann angerichtet hat, kann auch Biden nicht richten. Da wird es  viel auszuhalten geben, wenn der erste Schritt erstmal getan ist. Erstaunlich ist aber auch, dass man förmlich zuschauen kann, wie dem narzisstischen Commander die Felle wegschwimmen, denn schlechte Nachricht häuft sich derart  für ihn und um ihn herum, dass man sich nun einiges Unerwartete vorstellen kann. Zwei abwertende Worte soll er über gefallene Soldaten gesagt haben, und die Medien sind am Galoppieren. Der Vater eines gefallenen Soldaten sagt, dass die Worte, die wir sagen, Fenster sind zu unserer Seele, wohl wahr. Doch wenn wir keine Worte haben, können wir nicht sichtbar werden. Wenn man sichtbar wird, wächst die Verantwortung für die Handhabung des Geschehens, in dem man sich bewegt. Es hilft weder, Wirkung haben zu wollen, noch, Wirkung zu leugnen. Und wie schnell sich zur Zeit Menschen versammeln können, und blitzschnell können die Dinge umschlagen. Nicht, dass man sich jemals den Gehalt des Gehirnes eines Anderen vorstellen konnte, man hing ja wie heute von den freiwilligen Beiträgen der Sprechenden ab. Eben, wenn sie ihr (nennen wir’s mal so) ‚Seelenfesnster‘ öffnen und man einen kleinen Einblick gewinnt in das individuell gestaltete Universum des Gegenübers (der Gegenüberin). Aber wie oft findet das statt, das Öffnen der Monadenfenster? Und die Freiheit, die jedem zugängig ist an dieser Drehtür zwischen drinnen und draußen. Und heute ist Samstag. Am Rande der Wüste wird dem Gott Shani gehuldigt. Dunkel ist er und fliegt auf einem schwarzen Tier. Da, wo er herrscht, haben alle Angst, deswegen wird nichts aus den Handtaschen gestohlen, aus Angst. Auch bei Tönnies hat sich nicht viel getan, hier erkennt sich das Staunen als sinnlos. Wer schaut schon nach, ob der Schimmel sich immer noch an den Wänden der ausländischen Arbeiter befindet, und wie traumatisiert ihre Wesen sind von der nimmer endenden Grausamkeit der Tötungsprozesse, denn wir wissen es doch, wie es diesen Tieren geht, wenn in ihren Peinigern jedes Quäntchen Menschlichkeit durch Stumpfheit ersetzt werden muss, damit einer Milliardär werden kann und andere Billigfleisch kaufen können. So schaut der Blick hinaus und hinein auf die vorhandenen Bühnen, und überall und in jedem Stück zeigt sich das Sosein des Menschen. Als wer er oder sie auftritt und was er oder sie mit dem Vorgefundenen machen. Man kann der Komplexität nicht gerecht werden. Zum Ausgleich hat sie die Einfachheit.

Maßnahmen

Auf manchen Seiten in Kübra Gümüsay’s gutem Buch „Sprache und Sein“ dachte es in mir: ja, kenn‘ ich auch. Denn nicht nur, wenn man ein Kopftuch trägt, kann man ein Gefühl von Heimischsein im eigenen Land vermissen. Vielleicht fühlen sich ja viel mehr Menschen, als wir ahnen, wie Fremdlinge. Auch kann man sich, wenn es durch Aufenthaltserlaubnis gesichert ist, für das Einheimischsein und für das Fremdsein entscheiden. An meinem indischen Heimatort fühlte ich mich meist sehr einheimisch (obwohl es immer auch die Hintertür des Fremdseins gab), weil mein Fremdsein integriert werden konnte, eben durch einen Weg, der dort als Struktur existierte und mir den Rahmen schenkte für die Forschungen, an denen ich selbst interessiert war. Einmal, als ich von einem Visaüberprüfer gefragt wurde, warum ich das, was ich mache, nicht in meinem Herkunftsland mache, konnte ich ihm vermitteln, dass es dieses Seinskonstrukt in Deutschland nicht gibt. Es bestand aus einem offenen Bereich, oft ein Tempel, in dem von dem (ein lebendiges Feuer) Verwaltenden vor allem Insichgehen erwartet wurde, und Herumpilgernde wollten von diesen Geistverwaltern auch gerne hören, was sich da innen so alles tut und wie man die als göttlich verstandenen Mechanismen zumindest etwas besser verstehen kann. Durch diesen Austausch kamen die Geistverwalter zu den Dingen, die sie in ihrem einfachen Dasein brauchten: schön übersichtlich das Ganze, Nahrung vom feinsten, was Bhoomi, die liebende Erdmutter, zu geben hat. Einen Hauch dieser Atmosphäre habe ich noch selbst erlebt, da lag es schon im letzten Atemzug. Bevor die Habgier zugeschlagen hat und es nur noch um Geld ging, ging es noch viel um andere Dinge. Und man nahm schwierige Reisen auf sich, um Nächte mit Wesen herumzusitzen, die man als heilig empfand und die tiefgefühlten Worte mitsang bis in die Morgenstunden. Vergessen erzählen oder Erinnerung hervorlocken. Es stand im Zusammenhang mit den Reisewarnungen nach Spanien. Ja, das ist schlimm für die Betroffenen, und auf diesem Weg kann man auch die Berlin-PilgerInnen verstehen, die durch die auferlegten Schuzmaßnahmen den Flow ihres Lebens in Gefahr sehen. Und er ist in Gefahr der Flow ist in Gefahr. Er war schon vor der Pandemie in Gefahr, als die große Gaukelei noch flutschte und weitverbreitete und bereits verbrauchte Gedanken sich härtnäckig in der Geselschaft hielten, so als würde der Mensch, der grundsätzlich alles hat, was er oder sie zum Leben braucht, automatisch ablassen von der Habgier, nein, ganz im Gegenteil. Wenn in einer Gruppe Menschen oder einem Volk oder einer Welt mehr Süchtige oder Traumatisierte herumlaufen als, ja wie nennen wir denn jetzt die Anderen, die da übrigbleiben würden, die halbwegs Gesunden oder nur ein bisschen Geschädigten vom Abenteuer des Menschseins. Dabei gibt es gar nichts anderes zu bewältigen. Auch über das Gold, das in die beliebten Reiseländer fließt bzw. floss, kann man seine Seele verkaufen, oder sich selbst ganz und gar, bis man die Erinnerung an sich selbst verliert. Und jetzt auf einmal, ohne die geldtaschentragenden, tourenden Horden, steht man ganz alleine da und geht pleite. Das ist nicht schön, vor allem, wenn man Familie hat, wer will’s leugnen. Genauso sinnlos ist es , das Virus zu leugnen, da zum Glück an der politischen Spitze noch Frau Merkel sitzt, die man für gefeit hält gegen Verschwörungstheorien oder QAnon AnhängerInnen, was man nachschlagen kann: eine abstruse Sekte, der sich Trump verbunden fühlt und die in ihm den Welterlöser sehen, und die zum Erstaunen aller auch vielzählig in Berlin mitgeschritten sind gegen Virus-Maßnahmen, im Blickschatten oder dem Schattenblick anderer Bürgerbündnisse. Auch in der Wüste in einem Damals waren diesselben Fragen aktuell: lebe ich das Leben, das ich leben möchte, und wenn nicht, was hindert mich daran, es zu erschaffen. Und wenn es nicht mehr so weitergehen kann, wie es war, dann schweigt es in einem und wird still, bis neue Kräfte sich wieder sammeln können – oder auch nicht.  Neben meiner Tätigkeit beim Wortfindungsamt arbeite ich auch als Geheimagentin, Spezialfach Illusionsauflösung (Fachbegriff: Illusionkilling).

Wahrheit

  

 Wahrheit ist
überall möglich:
Weit, groß,
kalt und schön.
Wahrheit ist sehr
persönlich, und
wohnlich wie
die Halle des Alls.
Die Wahrheit ist
immer für
einen da.
Das macht sie
ungewöhnlich.
Da steht sie, meine
Damen und Herren,
gar nicht zur
Debatte. An eine
diamantengletschernadelglatte
Inspirationswand
kann sie sich
genauso gut
anlehnen
wie
nicht.
Wahrheit ist…
Wahrheit ist…
Wahrheit ist.
Oder ist sie es
etwa nicht?

elementar

Es gibt viele Vermutungen darüber, was in der Welt als eine mögliche Gemeinsamkeit unter Menschen vorherrscht im Sinne: wir sind alle mal ärgerlich, wir wollen alle wahrgenommen und geliebt werden, und wir kennen alle die Angst. Wenn man etwas, das man fürchtet, nicht grundsätzlich weghaben will, erschließt es sich leichter, denn auch d a s, was ich nicht (von mir und anderen) haben will, ist da und will dasselbe: wahrgenommen sein. So, wie man vielleicht manchmal denken möchte, die Liebe sei einfach die Substanz des Universums und man muss sich nur für sie entscheiden, so kann man leicht sehen, dass auch die Angst unbedingt da sein muss, denn sie hat ihre wesentlichen Funktionen wie schützen, behüten, warnen etc. Einmal habe ich eine Angst erfahren, die war eiskalt, vielleicht war es die Todesangst, jetzt nicht vor dem Sterben selbst, sondern vor der Bedrohung, die von der Situation ausging. Inmitten dieser Emotionslosigkeit hatte ich ein paar Eingebungen, die unter den wenigen Lösungsmöglichkeiten infrage kamen. Es war wie ein Schwert, das wusste, dass es um Leben und Tod geht. Es funktionierte und eine Möglichkeit erschien im Raum, die ich nutzen konnte. Wenn ich heute daran denke, so sehe ich, dass es die Angst selbst war, die mir geholfen hat, denn nur noch sie war da. Vielleicht ist es auch so mit der Liebe. Meistens wird man ja auch von ihr überrascht, denn nichts passt so wenig in einen als normal gestylten Tagesablauf als die Liebe oder die Angst oder der Hass. Wenn der Ausnahmezustand sich durchgesetzt hat und auf den Plan tritt, ohne einer nachvollziehbaren Logik zu folgen. Wenn allerdings Wünsche kultiviert werden, muss man auch fürchten, dass sie sich umsetzen, denn solange man noch eine Wahl hat, kann man sie treffen. Früher oder später werde ich mich in eine bestimmte Richtung bewegen, dann ist die Wahl getroffen. Was die Angst betrifft, die man sich unter guten Bedingungen vielleicht so vorstellen kann wie ein mildes Feuer am gemeinsamen Herd der Elemente, so kann sie, die Angst, auch bewusst entfacht werden, so, wie man es in Amerika durch Trump beobachtet. Trump, der in Panik ist, zu verlieren, schürt Angst als eine Strategie, auf die er sich verlassen kann, bzw bis jetzt verlassen konnte. In diesem Zusammenhang ist zur Zeit die Rede von „weißen Hausfrauen“, bei denen die geschürte Angst vor Gewaltausbrüchen und Gesetzlosigkeit trotz allen besseren Wissens dazu führen kann, dass sie Trump wählen, der das Chaos selbst gestiftet hat, damit er als Retter auftreten kann. Er erfindet Geschichten über eingeflogene Gewalttäter, die von irgendwem engagiert werden, um Unheil anzurichten. Über diese Verschiebung der Fakten wird nun auf einmal der so wichtige Kampf der ‚Black Lives Matter‘- Bewegung eine Rettungsaktion der weißen Rasse, die sich ja bekanntlich schwertut, dunkelhäutige BürgerInnen als Menschen anzuerkennen. Man staunt, wie schwer das sein kann, aber staunt man wirklich? Als Individuum ist man natürlich stets gefordert, die richtigen und wichtigen Entscheidungen zu fällen, aber mir scheint, als ist man gerade jetzt besonders gefordert, das Wesentliche vor allem mit sich selbst zu erörtern, bevor die Worte für das innere Erleben gefunden werden können. Wenn es einen berührt, dass jeder Mensch ein Recht hat auf eigene Sprache und höchsteigenes Anliegen, auch wenn es weiterhin höchst erfreulich bleiben wird, dieses Anliegen auf eigenen Sprachraum im Rahmen des Möglichen angstlos vermitteln zu können.

Menetekel

Irgendwann in meiner Jugendzeit muss mir der Spruch “ Mene Mene Tekel Uparsin“ begegnet sein und einen tiefen Eindruck hinterlassen haben. Er bedeutet: Du wurdest auf der Waage gewogen und zu leicht befunden. Die Geschichte, die dazu gehört, kann man ja nachlesen, aber in Essenz geht es um einen König, ein Sohn Nebukadnezars, der ein Fest gibt und sich mordsmäßig betrinkt und dann alle vom Vater geraubten Kelche herbeibringen lässt und den Göttern daraus zutrinkt. Eine körperlose Hand manifestiert sich und schreibt etwas auf die Wand. Keiner kann es entziffern, bis Daniel geholt wird, von dem man sagt,  dass er alle Träume, Omen und Rätsel deuten kann. Kann er auch und übersetzt es also für den König.  Aber viele Sätze haben es geschafft, sich aus ihrer Wurzelgeschichte herauszulösen. Oder wurden gelöst aus ihren Zusammenhängen, weil die Idee verstanden wurde und der (persönlichen) Schatzkiste mit den Silbenschöpfungen hinzugefügt, die mit dem Inneren in Berührung kamen und unsterblich scheinen wie die Länge des eigenen Daseins. Wenn man die Götter nicht mehr vor Augen in riesigen Gremien herumsitzen hat, das Weltgefüge bedenkend und Strafe und Lob, oder enthemmte Güte ausknobelnd, dann ist man natürlich erst einmal allein mit der Angst, man könnte, ja von wem denn, also von irgendwas Höherem als man selbst zu leicht befunden werden. Eigentlich ist leicht gar nicht so schlecht, denn man könnte es  als Beflügelung sehen, im Gegensatz zu dumpfer Schwere. Aber hier ist wohl eher gemeint, dass etwas fehlt, oder der oder die Betroffene gefehlt hat durch unangemessene Haltung oder Verstoß gegen die Grundrechte. Überall gibt es viele Vorstellungen darüber, was Recht ist und was Unrecht, nur Menschen tun sich schwer mit den unfundierten Meinungen und dem Rechthaben. Dann gibt es noch die Möglichkeit, sich die Idee der körperlosen Hand aus der Geschichte auszuleihen und die eigene im Innenraum herunterzuladen, falls man sie bei Gelegenheit braucht, um etwas in Erinnerung zu rufen: Hey, hier hat was gefehlt, da solltest du nochmal hinschauen, daraus könnte Unheil entstehen. Denn auch das schöne Wort ‚Menetekel‘  bezeichnet eine unheilsverkündende Warnung, einen ernsten Mahnruf. Es könnte helfen, den Aufmerksamkeitsgrad zu erhöhen, da gibt es immer noch Spielraum. Zwischen dem Bleischweren und dem Federleichten muss es also ein Gefühl geben, das einem zusagt und durch das man nicht ständig hin-und hergeballert wird. Es geht immer ums Ganze. Das kann man zur Zeit in der amerikanischen Politik gut beobachten. Es kommt tatsächlich darauf an, wie und von wem die Persönlichkeit Donald Trumps als vernichtend oder als segensbringend  wahrgenommen wird. Viele Stimmen haben schon das Menetekel ausgerufen, aber auch die Friedenswilligsten unter ihnen sind bereits auf dem Kampffeld, um das, was sie für offensichtlich halten, zu vertreten. Wenn das, was in der Tat offensichtlich ist, sich nicht als menschlich wohlwollende Substanz durchsetzen kann, dann… (huhuuu hahaaa hohooo!),…dann geht es einfach weiter, und bisher ist noch gar nichts entschieden.  Oder ist das Wesentliche doch schon entschieden, egal, wie das Spiel letztendlich ausgeht? Und ist nicht immer auch Menetekel?