Schon eine ganze Weile ist es her, dass keine
Klagen über das von mir Erlebte sich in mir
regen. Eine Ahnung wird wieder entfacht,
dass es wohl zu erreichen ist, einfachen
Herzens zu gehen, heraus aus der dunklen
Umarmung der Nacht. Der Tag, der vielfach
geschmähte, kann nun langsam, zu allen
Stunden, sich wieder sehen lassen. Sei es auf
Straßen, sei es auf Bahnstationen, Flughäfen
oder all den unzählig vielen, verschiedenen
Orten der Erde, auf denen wir gehen und stehen,
da will ich, dass mein Gesang niemals endet,
und meine Besonnenheit niemals aufhört zu
sein, und meine Heiterkeit und meine Freude
am gelungenen Spiel. Denn Liebe kann sich nur
frei bewegen, und es hängt nun von mir ab und
meinem Tanz, dass ich ganz furchtlos bleiben
kann und hingegeben an die lebendige Quelle.
Gibt es überhaupt noch unbeschriebene Blätter? Aber ja doch, jauchzt es aus verschiedenen Ecken der Welt, wo weiterhin heftig dokumentiert wird, was Menschen so erleben auf dieser Erde, manchmal auch mit Tieren und Umwelt, soweit man halt zum Sehen und Denken bereit ist. Wir alle dürfen sehen, was wir sehen, und denken, was wir denken. Das kann natürlich leicht dazu führen, dass man übersättigt wird von der Meinungsflut, oder aber von der Ungewissheit, was eigentlich mit einem selbst los ist. Deutsche Menschen haben in der Welt den Ruf, sehr fleißig zu sein, und so eine Prise Fleiß steckt sicherlich in uns allen. Nun hat aber der Spruch am Tor von Auschwitz eine historische Bremse eingelegt, denn Arbeit und Fleiß wurden von Verachtung und Hohn begleitet, und selten kann Arbeit innerhalb eines solchen Feldes frei machen. Immer noch wird gerätselt, wie so mancher Geist das überleben konnte, und viele unerhörten Einzelheiten spielten beim Überleben eine Rolle. Der Fleiß ist dennoch geblieben und die Weltbevölkerung hat es durchaus wahrgenommen, das hier etwas ziemlich Ungewöhnliches geschehen war, denn nicht aus jedem finsteren Loch steigt etwas auf, was den Anspruch auf Menschlichkeit erhält, und was gibt es Erstrebenswerteres für den Menschen, statt einem Ungeheuer ein Mensch zu sein? In diesem Zwiespalt hält sich das Tier nicht auf, deswegen lockt es zuweilen eine Zartheit aus dem Verborgenen hervor, die sich im Zwiespalt nicht wohl fühlt. Vielleicht fand ich es deswegen so interessant, dass Bernd Ulrich in seinem lesenswerten Artikel über Angela Merkel („Die Zeit“ N° 35) erst darum bat, ihn nicht mit den Worten „Sie ist ein guter Mensch“ zu zitieren, den Satz dann aber doch freigab, einfach, weil er dann doch genug Wahrheit enthielt, um nicht peinlich zu sein. Das Prädikat „Guter Mensch“ scheint also ziemlich hoch angelegt zu sein, und wenn man darüber nachdenken möchte, kommt man vermutlich zu überraschenden Ergebnissen. Der Fleiß, der unabhängig ist vom „Gutsein“, kann allerortens beobachtet werden. Er hat den Vorteil, dass er Leistung erbringt und natürlich Durchhaltekraft. Allerdings scheint es vielen Fleißigen schwerzufallen, hier eine Grenze zu finden, denn niemand setzt sie einem, außer man setzt sie sich selbst, günstigerweise bevor man sich unersetzlich gemacht hat oder krank wird, oder zum persönlichen Dasein nicht mehr wirklich geeignet ist. Muss man für das sogenannte persönliche Leben geeignet sein? Mönche und Nonnen und EremitInnen sehen das natürlich anders. Ein Teil der Gesellschaft erwartet von ihnen, dass sie sich mit dem beschäftigen, wofür andere BürgerInnen keine Zeit haben. So sind viele Lehren entstanden, und der antike Weg ist vielleicht einer der wenigen Pfade, der noch einen gewissen Glanz über die Souveränität des menschlichen Geistes werfen kann, eben (nur) in dem Sinne, dass man sich, wahrscheinlich gesellschaftlich privilegiert, die Zeit nehmen konnte, um die offensichtlichen Mysterien des Daseins zu ergründen. Irgendwie ging es immer und bis zur allerletzten Konsequenz um die Kunst und Fähigkeit, ein humanes Leben zu erzeugen. Sokrates wollte nicht morden, weil er nicht mit einem Mörder leben wollte. Hier liegt das Geheimnis: mit wem (als uns selbst) wollen und können wir leben?
Es wird vermutlich der zweite Winter werden, den ich nicht in Indien verbringe, obwohl ich mir noch ein Hintertor bereit halte, um doch noch diese Reise zu unternehmen. Allerdings wird es in jedem Fall eine bewusst gelebte Abschiedsreise werden und sollte in möglichst günstigen Umständen stattfinden. Die gestalten sich allerdings ziemlich zwielichtig, denn einerseeits hat Narendra Modi hinausposaunt, dass es jetzt ungefähr 500 000 kostenlose Visas (Visen?) geben wird, um uns wieder dorthin zu locken, wo die Hotels leer stehen und die finanzielle Situation für viele verheerend ist, oder noch verheerender als vorher. Manchmal wird ja in deutschen Medien die deutsche Armut diskutiert, und wie man sie eigentlich definiert. In Indien muss man sie nicht definieren, man kann sie erleben und läuft ständig an ihr vorüber, wobei ich es angebracht fand, meinen eigenen Umgang damit zu finden. Es ist ja nicht so einfach in Deutschland, wirklich arm zu sein, heißt vielleicht: angewiesen auf die Wohltaten anderer. Allerdings gibt es in Indien auch reiche Bettler, und arme Könige gab es auch. Nun ist also quasi ein Teil von mir zurückgekehrt in das Land, ja was denn für ein Land, also das Land, in das hinein ich geboren bin oder wurde. Und manchmal kann die bildliche Erinnerung an sogenannte erste Tage sein, dass ich mich aus einem pechschwarzen Krater emporkraxeln sehe, allerdings an einer Leiter, die ich später als die deutsche Sprache bezeichnet oder erkannt habe, und die mir trotz anderen Sprachen, die ich spreche, die herzens-bzw. geistesnahste geblieben ist. Gerne hätte ich die indischen Freunde an meinen schriftlichen Erfahrungen in ihrem Land teilhaben lassen, aber ich kam nicht einmal auf die Idee, meine deutsche Sprache nicht am Leben zu halten, da sie viel dazu beigetragen hat, m i c h am Leben zu erhalten. Oder mir ermöglicht hat, mich im Raum des Lebendigen aufzuhalten und von da aus meine Spur zu legen. Es kann sehr wohl sein, dass ich auch mein deutsches Hiersein neu erlebe, das muss ich noch beobachten. Es ist ja interesant, aus welchen Eigenschaften eines Volkes eine Sprache oder ein Denken entsteht. Und das, was da entsteht, kann genutzt oder missbraucht werden, kann zu Verarmung oder zu Bereicherung führen, jetzt im besten Sinn des Wortes. Tatsächlich läuft der Wahlvorgang aus meinem Blickwinkel heraus sehr deutsch ab. Abgesehen von der Genderfrage, wo vieles noch die berühmte Luft nach oben hat, so kann man doch sehen, wie viele BürgerInnen w a s oder wen gewählt haben. Ein bisschen Jubel, eine geradezu emotionslose Trockenheit, dadurch auch was Verlässliches. Und klar, alle waren in redlichen Schulabläufen und haben sich durchgeackert bis in die Nähe der Spitze, wo dann am Schluss nur Eine/r sitzen kann, zumindest im angestrebten Amt. Die Deutschen gelten ja gerne als ein bisschen unheimlich, und selbst Angela Merkel war da keine Ausnahme, denn sie war Frau und klug und mächtig zugleich, das gibt’s ja nicht so häufig. Oder doch schon viel mehr, als man denkt? Wenn man in einer Zeit lebt, in der außergewöhnlich viele Weltprobleme zu bewältigen sind, wünscht man sich am Steuerrad einen ruhigen Pol. Den kann Herr Scholz vermutlich besser darstellen als Armin Laschet, der sich selbst aus der Politarena hinausbugsiert und erst noch verstehen muss, was mit ihm los war und wozu es führte. So kann man dem Ganzen eigentlich ziemlich gelassen entgegen sehen. Weder tragen wir Burka, noch nagen wir am Hungertuch. Wie wir unser Leben gestalten, ist unsere eigene Verantwortung. Neue Festlichkeiten könnten eingeführt werden, so zum Beispiel das Lebensgestaltungsfest. Oder gibt es das auch schon?
Ja wer hat sich denn jetzt durchgesetzt, fragten sich sicherlich viele Bürgerinnen und Bürger, und gerne hätte man morgens gewusst, wer von jetzt an die Zügel in der Hand hält, aber es läuft ja oft genug nicht so, wie man denkt. In der Zwischenzeit wird Herr Laschet öffentlich so kommentiert, als wäre er an Dusseligkeit kaum zu überbieten, aber Kanzler werden, das will er schon. Wenn PolitikerInnen von Menschen aus dem Volk „die da oben“ genannt werden, die eben alles falsch machen, habe ich mich schon bemüht gefühlt, mich einzuschalten und sie auch mal zu bedenken mit all dem Irrsinn, mit dem sie zu tun haben, klar, so wie wir auch, aber es sind nun mal eben die Entscheidungs-trägerInnen, vor allem auch für Probleme, von denen wir wenig wissen. Als Angela Merkel da dann so herumstand in der Laschet-Gruppe, musste ich schon damit umgehen, aber mit was denn? Als meine Algorithmen mir zuverlässig einen Überblick gaben über die laufende Trump-Szene in Washington, über die sich zuweilen der schwarze Humor in mir informiert, da sah ich den Beitrag, den ich gestern ins Netz gestellt habe und dachte an den exzellenten Eindruck, den Frau Merkel in der Welt hinterlassen hat mit ihrer souveränen Führungskraft. Schön ist auch die Frage eines jungen Mädchens, ob denn Männer auch Kanzler werden können. Wir wissen es noch nicht, ob die, die gerade schlaflose Nächte verbringen, es können werden oder nicht. Sicherlich schwebt hier wenig aufregendes Charisma um die Männergestalten herum, aber Scholz würde man gerne so eine trockene und gewissenhafte Stabilität zutrauen, wüsste man nicht, wie viel Unstabiles da schon rumorte, das kann auch ein Warnsignal sein und zu vertrauenswürdigen Leistungen anspornen. Wenn man heraustüfteln kann, was das ist. Gut fand ich, dass man, wenn man sich bildlich orientieren wollte, alle Akteure und Akteurinnen mal zu Gesicht bekam, und wenn es (schon) die Technik gäbe, einen mitlaufenden Gedankenstrom direkt in gedruckte Schrift zu übersetzen, hätte man sicher auch viel lachen können. Zum Glück bin ich keine Sofakartoffel und wir waren um 20 Uhr schon unterwegs in die eigenen Welten, denn für ein gewisses Maß an monotonen Vorgängen muss man geeignet sein, und Parteienjubeleien springen selten über auf Zuhausesitzende. Sehr anregend waren übrigens, aber das hat ja jede/r gesehen, die zwei ganz jungen Damen, die man zur Lage befragte. Verständlicherweise wollen sie mehr Veränderung. Sie sind in der taubstummen Welle satter Zerstörungsriten groß geworden, bis ihnen was auffiel: nämlich, dass man in einem Schlaraffenland leben kann, das nun wirklich alles bietet, was ein hungriges Herz verkraften und verdauen kann, während gleichzeitig die Quellen versiegen und Asche niederregnet auf Feld, Tier und Mensch. Man weiß nun, dass „Achtsamkeit“, versäumt wurde, ermüdet aber bald am Begriff der Buddhisten, von denen vielleicht ein paar wissen, wie lang so was dauert: Achtsamkeit, bevor man sie anwenden kann, bevor sie zur Wirkung kommt. Das alles braucht Zeit und muss durch die Bahnen gelenkt werden, die das Ungewisse als Grundlage mitnehmen, was nicht davon abhalten muss, klare Sicht zu erlangen über das Daseiende. So warten wir Bürgerinnen und Bürger jetzt halt darauf, wer die Kanzlernase vorn haben wird, denn von der Persönlichkeit hinter dieser Nase hängt so einiges ab. Zum Glück nicht alles.
„Noch ein Mal schlafen“, sagte der Moderator, dann isses soweit. Auch er wusste nicht, was mit „soweit“gemeint ist und ließ Andere zur Sprache kommen. Zum Beispiel andere Länder, in denen selbstgestylte MenschenkennerInnen vor sich hingrübeln, oder zumindest eine lebendige Neugier in sich vorfinden und diesen Neugierstrahl auf Deutschland werfen, wo man hektisches Treiben vermutet, denn der Thron, von dem aus dem Volk gedient werden soll, ist frei geworden. Die Regentschaft von Königin Merkel ist zu Ende gegangen, und da geht schon was dahin, was man gerne erhalten möchte oder in einer Persönlichkeitsnachfolge wiederfinden. Aber ach, da sieht’s nicht so rosig aus, nein, eher etwas farblos. Am liebsten möchte man sich ein paar kindliche Reimchen erlauben wie „Lasset doch den Laschet (fahren)“, oder „Schade, dass es die Baerbock verbockt hat“ (aber hat sie’s wirklich?), oder „stolzer Scholz“ undsoweiter, man will ja in so einem Denken nicht glänzen. Aber ein bisschen Glanz vermisst man da schon. Irgendwann dachte man mal, vielleicht wäre doch der Söder besser gewesen, aber was heißt schon besser. Das Interessante ist, dass, hat man sich einmal durchs eigene Zwergenhafte durchgeackert, man auf einer sonnigen Terrasse im All landen kann, um einen herum das brausende Nichts, und aus diesem Nichtsgebrause wird eine neue Regierung entstehen, und dann muss man schauen, wie’s weitergeht. Die Tatsache, dass ich meine zwei Kreuzchen mühelos gesetzt habe, sagt ja gar nichts. Aber jedes Kreuz ist auch gleichzeitig ein Zünglein an der Waage. Muss nicht, kann aber sein. Insofern ist man nicht nur am Frühstückstisch verantwortlich für den Gesamtzustand, sondern gerade von dort aus führt es ja geradewegs zu den Urnen, wo eine weitere Meinung in den Kasten fällt. Das deutsche Volk wählt also eine neue Führungskraft. Schwer sind sie zu lesen, diese Deutschen. Der Kleine, wie heißt er doch (und ist er überhaupt klein?) kam ja zuerst gut rüber, eine rheinische Frohnatur nennt man ihn und auch seine Frau sei eine. Aber dann schlich sich da etwas ein, da wollte man auf einmal nicht mehr. Man war ja schon heilfroh, dass Merz aus dem Feld geschlagen war, jetzt droht noch der Herr Lindner mit Aufschwung. Ach, ach. Aber was, wenn alle Grünschnäbel und Fridays For Future Lovers doch noch Frau Baerbock wählen, und alle VegetarierInnen und von mir aus alle VeganerInnen und von mir aus auch alle die, die auf Fleisch (noch) nicht verzichten können, also so ziemlich alle, die mal grünes Licht haben wollen und volle Fahrt voraus preschen oder von mir aus auch gedanklich rege mitgestalten möchten, eben: Hey Leute, hier ist die Chance für einen Landslide. Eine junge Frau, die reifungsfähig ist, vorne an der Spitze, unterstützt von denen, die Wandel wollen und auch zulassen können, und Habeck im Hintergrund. So, jetzt habe ich meine Wahlrede gehalten. Gestrichene Butterbrote an „Bedürftige“ zu verteilen wäre jetzt nicht so mein Ding, obwohl ich mich gefreut habe, dass wir um diese Zeit herum den Tag der Butterstulle feiern dürfen. Wenn man als Fremder oder Flüchtling weiß, was eine Butterstulle ist, ist man schon fast einheimisch. Also noch ein Mal (oder auch zwei Mal) schlafen, dann wissen wir wenigstens genau, was wir die ganze Zeit geahnt haben.
Es ist schon auffallend, dass auf Titelseiten von Zeitungen oder auf Werbe- und Wahlplakaten nun die großen Fragen der Menschheit gestellt werden, eben wie wir eigentlich leben wollen und wie man das macht. Dass es klar geworden ist, so geht es nicht weiter, und ob das Ruder oder vielmehr die Ruder der vielen Problematiken noch rechtzeitig herumgerissen werden können, damit man dann sagen kann, man hätte klar Schiff gemacht und vor allem Raum für das, was wir gerne „neu“ nennen. In meiner damaligen Meditationsausbildung in Indien war es üblich zu meinen, es gäbe nichts Neues. Allerdings wurde es für den oder die praktizierende/ Yogi/ni als beleidigend empfunden, wenn man darauf bestehen wollte, dass man eben sei, wie man sei, mit dem Anspruch, als solches akzeptiert zu werden. Obwohl die Wissenschaft des Yoga, wenn man es tiefer betrachtet, von außen auf Nichtpraktizierende oft mühsam bis langweilig wirken kann, basiert hier die Übung auf der Tatsache, dass man sich permanent im Wandel befindet, also niemals der-oder dieselbe sein kann. Hier wird die Beschäftigung mit der persönlichen Geschichte eher als eine Störung betrachtet, die der Ichverhaftung zuspielt, und das Beisichsein kann man sich als eine Leere vorstellen, die gleichzeitig Auge ist, also direkte Wahrnehmung. Das kann alles genauso spannend sein wie die Frage, die einem mehr im Westen wesentlich erscheint, nämlich wie ich mich aus den verwirrenden Kontexten meiner Story herausarbeiten kann, in der ich eine Hauptrolle zu spielen scheine, ohne das unbedingt gewählt zu haben. Also keine Wahl zu haben, als Wege zu finden, wie ich mit dem, was ich kapiert habe über die Umstände, aus denen ich hervorgegangen bin, umgehe. Ich würde von mir selbst schon behaupten, dass ich mich, abgesehen von den automatischen Reifeerscheinungen, in meinem Leben verändert habe. Dsa würde wiederum bedeuten, dass meine Vorstellungen von dem, was ich einst vorhatte, sich stark verändert haben. Gewisse Entscheidungen brachten gewaltige Risiken mit sich, und immer noch bin ich zum Beispiel dankbar, dass, als ich einmal in der Wüste unter dem einzigen Baum landete, der in ihr und ihren Bedingungen überleben kann, nicht verhungert bin. Nicht nur bin ich nicht verhungert, sondern ich kam genau dort in Berührung mit einem Reichtum, der sich niemals mehr in mir verminderte, ja, immer noch nimmt er zu, und niemand kann ihn mir nehmen. Das Einlassen auf das Ungewisse ist mein Reichtum. Da, wo es keine Vorgaukeleien über Garantien und Versicherungen mehr gibt, da werde ich angeregt, hineinzulauschen in diese reichhaltige Leere, aus der zuweilen, wenn man sie dringend braucht, die Eingebungen kommen. Oder die Kunst, mit dem Lebendigen angemessen umzugehen. So bin ich, obwohl ich mir zuweilen auch andere Gedanken erlaube, doch zu der Erkenntnis gekommen, dass man die Menschen nicht zwingen kann, etwas zu erkennen oder zu tun, worauf sie nicht selbst gekommen sind. Da man aber immer nur vom eigenen Umfeld aus wirksam sein kann mit der menschlichen Praxis, bleibt einem nichts anderes übrig, als die Bewegungen des Weltgeschehens immer gleichmütiger zu betrachten. Denn man weiß ja von sich selbst, wie schwer es ist, die Einsicht darüber, dass bestimmte Veränderungen unerlässlich sind, in ein Tun umzusetzen. Ich wünsche guten Erfolg!
Nooriel Nahtlos lebte im
Großen Nihilo Trotzquam.
Das Trotzquam war Spiel-Raum.
Nach allen Seiten offen, war es
doch nach unten begrenzt durch
Dichte, in der sich die Erde
und ihre Gesetze befand.
Im Trotzquam herrschte das
Stille Noor, und nur die Null war
Macht und Licht des Gedankens
von Noor. Quelle und Ursprung des
Trotzquam war Unschuld, und
alles außerhalb war Spiegel, in dem
sich die ewige Ruhe verlor und fand.
Das Zentrum des Noor hing ab vom
Nichts als Wahrheit, und Wahrheit
war Zentrum von Trotzquam.
Nooriel Nahtlos lebte im Zentrum
von Noor und liebte den Nu und das
Licht, die Stille, den Großen Tod und
die Liebe. Nooriel Nahtlos liebte
das Noor, und die, die es liebten,
lebten auch im Nihilo Trotzquam.
Da können wir ja auch gleich eines
dieser schönen, unsterblichen Lieder
anstimmen, die aus dem Herzen
des Trotzquam emporsteigen, und
zwar ist es das Lied von der Nanoor,
die im Noor lebte. Dieses Lied ist
ein Eternal:
Es war da
die Nanoor,
die lebte nur
im Noor. Sie
trug auch
keine Uhr
im Noor. In
Nanoors Nur
war nur der
Nu Nanoors.
Kein Du in
Nanoors Nu.
Da kam
Janoon
dazu, an
Purnima
der Moon.
Kein Zufall von
Monsoon, nur Moon.
Im Urnu der Nanoor,
nur Noor von Ur zu Ur,
nur Noor. Nur Noor in
Nanoors Kur. Ein Urtun
der Kur pur, ein Urton der
Form nur, der Urton von Noor
Nu. Nur Noor. Das Ur-Du sah da
zu, vom Urnoor sah es zu. Vom Ur-
Noor kam auch Janoon. Ur-Du auf
Nanoors Spur, nur Spur, nur Spur: Noor-
Spur. Du Ur-Du, Ur-Du du, du bist das Ur-Du
pur, nur du, nur du, du Noor. Nur zu, Nanoor, nur
zu, nur pur, Nanoor, nur pur, tanzt Nanoor auf der
Schnur, im Licht von Nur zu Noor. Ur-Nu, Ur-Nu, nur
Du, du Urnuruhe du, du Nur-Du, Noor-Du, du, Ur-Noor,
du Ur-Du-Noor, nur du. Du bist der Ur-Nu, du, du bist des
Urtons Du, Des Urtons Ruhe nur, du UrDu, Urnur nur, nur Du!
Das Absurde hat eine Eigenart, an der man sich erfreuen kann, wenn man gut drauf ist und bereit, weitere konventionelle Vorstellungen aus den Angeln zu heben, ohne der Illusion zu unterliegen, nun sei dadurch das Neue geboren. Natürlich gebären sich Dinge auch ständig selbst und man kann mitstaunen, was sie zu Tage befördern. Das heutige Bild entstand dadurch, dass mir die (teure) Tube der anstrengenden Farbe „Caput Mortuum Deep“ wieder in die Hände fiel, die ich hauptsächlich wegen des Namens gekauft hatte. Man kann sie auf dem photographierten Bild gar nicht sehen, und zu beschreiben, was einen anspricht, wenn man sie sieht, wäre mühselig, aber irgendwie ist sie wie der Klang ihres Namens. Auf jeden Fall bot dann warmes Orange eine Möglichkeit, die tödliche Tiefe zu komplementieren, das allein kann einen erfreuen. Aber was dann noch so alles drumherum geschieht, da ist man ein bisschen hilflos, denn man kann irgendetwas oder irgendwem nicht entkommen. Man ahnt, dass man es selbst ist. Aber von wo aus dirigiert es den lockeren, freimütigen Vorgang? Woher kommt die Frau, woher die drei weiteren Gestalten? Weiß man es nicht, oder weiß man es doch? Man lacht kurz auf und bemerkt, dass der Humor zurückgekehrt ist, (God knows, warum der Humor männlich sein muss, aber vermutlich weiß es niemand.) Denn man hatte gar keine Absicht, etwas darzustellen, nur einen Pinselstrich Caput Mortuum Deep hingesetzt und geschaut, ob es eine Lösung gibt, eine Handhabung des Schauderns. Ich habe das dann gefunden, ohne zu wissen, ob man das Finden nennen kann, denn es hat sich freiwillig ergeben. Andere Formen des Absurden sind nicht unterhaltend. Donald Trump zum Beispiel, oder Wladimir Putin, bei denen klar ist, dass sie sich durch alles durchmogeln. Und eine finstere Variante des Absurden ist Nawalny, dessen Ausstrahlung im Gulag des Herrschers zum Auslöschen gebracht wird. Das Absurde ist ein Ton, der über ein bestimmtes, akzeptiertes Maß hinausgeht. Das passiert natürlich auch überall und ständig, weswegen dann bestimmte Philosophen (wie Camus z.B.) zu der Erkenntnis kommen, dass man die Absurdität des menschlichen Dramas einfach annehmen muss, ohne einen erlösenden Sinn darin zu suchen, oder sich vorzumachen, man hätte ihn gefunden, den Sinn des Lebens. Man kann dann jemandem gratulieren, ohne von der Idee gefesselt zu sein. Auch die Wahl, die wir gerade in Deutschland erleben, hat was Absurdes. Ein geisterhafter Wahlbetrug ist nicht zu befürchten, aber was wird da geschehen von all dem, was man zu fürchten geneigt ist, wo es gar nichts zu fürchten gibt. Man lebt ja immer noch in einem Land, das die Hölle schon hinter sich hat, und man tut, wenn man will, was man kann. Vollkommen absurd im Sinne von fehlender Vernunft ist der Fall des Mannes, der wegen der Wut, nicht einkaufen zu dürfen ohne Maske, nach Hause rennt, dort eine Pistole lädt, ja wo hat er die denn bloß her, und nochmal ohne Maske einkaufen will, was er nicht darf, da erschießt er den jungen Mann, der dort an der Kasse arbeitet und seine Vorschriften hat. Da hat das Absurde ein Opfer gefunden und man beginnt, es „Tragödie“ zu nennen, die entgleiste Form des Absurden, das in den Epen wieder seine Ordnungen erstellt.
Die Rose kommt aus unserem Garten und ist heute per WhatsApp (gesegnet sei WhatsApp) zu Asha gegangen, die junge Frau, die ich viele Jahre „meine Tochter“ genannt habe, hier und in Indien, obwohl alle wussten, dass sie nicht meine Tochter ist, und trotzdem ist sie eine Tochter geblieben. Ich freue mich und muss auch lachen, wenn ich am Muttertag Grüße von ihr bekomme, denn auch für sie bin ich ein Stück Muttergefühle. Wir haben die ersten sechs Monate ihres Lebens zusammen verbracht, nachdem ich sie, nicht weit von einem kleinen Krankenhaus entfernt, auf der Straße gefunden habe, in ein dünnes Tuch gehüllt, sodass ich sehen konnte im Vorübergehen, dass da etwas atmet, und dass sie es war. Kurz zuvor geboren und dann von einer vermutlich verzweifelten Mutter abgelegt, weil niemand es wissen durfte, dass sie ein Kind hatte. Man hatte erzählt, sie sei bei einem Onkel, aber sie war im Hinterzimmer des Krankenhauses, wo Dr. Shyama, eine Ärztin aus Kalkutta, sie betreute. Dr. Shyama hatte es sich zur Lebensaufgabe gemacht, die unerwünschten und bei ihr geborenen Kinder aufzunehmen und sie als ihre Kinder zu „adoptieren“, was in Indien damals locker gehandhabt wurde. In der Zeit, in der ich Dr. Shyama dann selbst kennen lernte, hatte sie bereits 56 Kinder aufgezogen, in die Schule geschickt und verheiratet, möglichst in einer gleichen Kaste, wenn das bekannt war. Als ich mit Asha, die ich damals „die Ayesha“ (die Schönste) genannt hatte, war Dr. Shyama weit über 80, und alle um sie herum stöhnten, sie wollten jetzt keinen Neuling mehr. Da hatte ich eine Tochter und verbrachte eine wunderbare Zeit mit ihr. Aber ich hatte auch ein Visa, das gnadenlos ablief und nicht verlängerbar war, und so fanden wir ein kinderloses Paar, das bereit war, sie aufzunehmen. Für alle um sie herum war sie ein wahrer Glücksbringer, gleichzeitig scheu und selbstbewusst zugleich, und als wir uns über die Jahre hinweg ihre berührende Geschichte zu erzählen begannen, da kam auch der Schmerz in die Höhe gespült, dass ihre Mutter sie einfach zurückgelassen hatte, wir wissen nicht genau warum. Als sich eines Tages herausstellte, dass sie tatsächlich im Hospital von Dr.Shyama geboren wurde, konnte ich diese überreden, ihre festgehaltenen Daten herauszurücken, und da kam noch eine Überraschung, denn sie war am selben Tag geboren wie meine Mutter, man stelle sich das vor. Solange meine Mutter noch lebte, freute sie sich mit mir darüber, und wir feierten manchmal zusammen mit zwei Kerzen den gemeinsamen Geburtstag und das unerwartete Erscheinen einer Enkelin in fernen Landen. Die neuen Eltern nannten sie dann Asha, was Hoffnung heißt, und man könnte sie auch eine erfüllte Hoffnung nennen, denn sie hat die Gabe, Liebe in einem zu erzeugen, und so ist ihr Leben gut geworden. Sie ist seit einem Jahr verheiratet, und ein guter Mann soll er sein, sagen sie mir: a gentle man. Such good news! Heute wird Asha 26 Jahre alt.
Meistens geht das, was so gemeinhin „das Leben“ genannt wird, einfach so weiter, wie es eben jeweils erfahren wird. Das „Weiterso“ kann auch ein Zeichen sein, das etwas gut läuft, ein Lehrer kann es wohlwollend zu einem/r Lernenden. sagen. Ansonsten gibt es viele Zwischentöne, wie etwas sein kann, ohne dass es besondere Aufmerksamkeit auf sich zieht. Gewohnheit spielt mit, man denkt: so ist es, aber wie ist es eigentlich, das geht gerne verloren in den Geschäftigkeiten, die für wesentlich gehalten werden. Bis der Satz auftaucht: so geht es nicht weiter. Da kommt dann eine Lücke in die Gewohnheitsstruktur, und wir haben von Leonard Cohen gelernt, dass der Riss die Öffnung ist, in die das Licht eindringt („There is a crack in everything, that’s where the light gets in). Das Licht, meist in Form des Bewusstseins, lässt dann die Dinge erkennen, die vorher im Dunkel lagen. Oder man hat sie irgendwo in die vielen inneren Archive gesteckt, weil man keine Zeit hatte, gründlich über das nachzudenken, was eigentlich dringend wichtig wäre, nur eben keinen Raum findet. Nun sieht es ganz danach aus, als gibt es zur Zeit auf diesem Planeten ein sich immer mehr durchsetzendes Bewusstsein darüber, dass es so, wie die menschliche Lebensweise sich hier gestaltet hat durch uns, nicht weiter geht. Wie ist das, wenn etwas, das einfach da war, auf einmal nicht mehr so weiter geht. Das kann eine Begrenzung von außen sein, so, wie ich gerade damit umgehen muss, dass das Indien, das ich kannte, nicht mehr da ist. Und es wird auch, wenn ich dort noch einmal auftauche, nicht mehr so sein, wie ich es gewohnt war, eben dort sehr einheimisch zu sein und ein integrierter Teil der Gesellschaftsstruktur. Schon bin ich jemand, die das zweite Jahr nicht mehr mitgelebt hat, was dort als Leben stattfindet, in dem ich meinen eigenen Platz eingenommen habe. Und selbst wenn ich noch einmal auftauche und weiterhin als jemand gesehen werde, die dazu gehört, kann ich nicht mehr dazu gehören, weil ich wieder eine Fremde geworden bin. Man muss anwesend sein, um vertraut zu bleiben, man muss mitgestalten, mitdenken und darauf achten, dass man inmitten der Gestaltungssucht der Anderen nicht untergeht, oder beeindruckt wird, oder verloren geht. Aber selbst für das Verlorengehen muss man einmal dagewesen sein, so, wie man für die Eindämmung der Ichverhaftung eine Distanz braucht zur eigenen Meinung. Auch um Raum zu geben für die Wahrnehmung eines Anderen. Aber warum glaubt man denn (z.B.) nicht so recht an den Klimawandel?, wo es doch so, wie es ist, nicht weitergeht? Vermutlich, weil man die Erfahrung gemacht hat, dass wir Menschen unsere eigene Verursachung nicht wirklich einschätzen können. Und bei dem Versuch einer Einschätzung stößt man ziemlich schnell und unwiderruflich auf die Urthemen, die die Welt gestalten. Wer bin ich, und wie will ich leben, und was ist mir dieses Leben wert, und in welche Richtung will ich es formen, und wie geht das, das Leben in eine Richtung zu formen, wo nicht nur „ich“ anwesend bin mit meiner begrenzten Sichtweise, sondern auch die Menschen, mit denen ich lebe, mir Raum lassen für mein Dasein, ich aber auch Raum lasse für ihres. Das ist Lebenskunst und eine außerordentliche Herausforderung. Habe ich einmal selbst gewählt, dann kann Trennung eine Variante sein, aber sie ist auch immer ein Scheitern. Von der Erde werden wir durch Sterben getrennt, von Menschen, die wir lieben, durch Scheitern. Da steht sehr viel auf dem Spiel. Man hört, wenn man hineinlauscht, das Ächzen der Räder. Bewegung kommt in die Sache. Wo es hingeht, weiß keine/r. Wer es weiß, hat den Einsatz gesetzt. Rien ne va plus.
Manchmal denke ich, dass auf einem oder meinem Bild nur d a s sichtbar ist, wie ich es sehe. Dann fällt mal einer meiner anderen Blicke darauf, und ich sehe etwas völlig anderes. Nie weiß ich, was die BetrachterInnen sehen, und da ist der Geist auch sehr frei, das kann auf beiden Seiten geschehen. Allerdings habe ich dieses Jahr zum ersten Mal in meiner Geschichte des WhatsApp-Austauschs eine Kommunikation abgebrochen. Ich hatte die Frau in Indien getroffen und wir führten ein paar interessante Gespräche über Land und Leute und unsere sehr unterschiedlichen Sichtweisen darüber und Erfahrungen damit. Menschen, die Indien lieben gelernt haben, kommen oft erstaunlich gut miteinander aus, denn wer es geliebt hat, kommt immer wieder. Dann kennt man sich allmählich aus im Irrgarten der Fremdheiten und hat sich meist für irgendeine der möglichen Formen entschieden, die dort möglich waren. Waren, weil sie nicht mehr sind, vor allem verstärkt durch die Pandemie, also Indien ohne uns. Dann verlor ich besagte Frau aus den Augen, sie wurde Dozentin in der Schweiz und schrieb ein Buch über die Deutschen in Indien während der Hitlerzeit, ein interessantes Thema, gut recherchiert. Nach einer langen Pause kontaktierte sie mich und wie sprachen wieder über Indien. Aber hauptsächlich fing sie an, mir alles Mögliche zu schicken, offensichtlich unter dem Eindruck, ich könne die Botschaften, die wohl damit verbunden waren, mühelos verstehen. Oder aber es war auch das nicht, sondern es kann sein, dass ich auf einer Liste stehe von Menschen, die sie mit Bildern beglücken wollte und diese Beglückung für selbstverständlich hielt. Zwei Mal habe ich angerufen und versucht zu informieren, dass mir ab und zu ein direktes Gespräch lieber wäre als z.B. vier tanzende Jungfrauen in Saris anlässlich irgendeines Festes, das ich nicht kenne. Aber die Bilder mehrten sich und mir wurde klar, dass ich hier geistig in etwas eingeordnet werde, wo ich nichts von mir wiederfinden kann. Nun hätte ich das alles weiterlaufen lassen können, aber warum? Da war ein Mensch, den es noch nicht mal interessierte, wen sie da mit Botschaften bombardierte, die ihr Ziel vollkommen verfehlen mussten. So erscheint zuweilen diese Fülle an Postings eher als eine Reaktion auf abgründige Angst und Einsamkeit, und all das wird nicht gesandt an den Adressaten zur Bereicherung seiner oder ihrer Zeit, sondern um die eigene Vereinsamung vor sich selbst als Bereicherung zu deklarieren. WhatsApp Botschaften sind sehr einfach zu senden, und es ist durchaus angebracht zu bedenken, was der Empfänger alles verdauen muss, will man annehmen, dass das Weitergeleitete auch ankommt. Aber was soll ankommen und wer ist gemeint? Neulich ist mir das mit einem einzigen Bild passiert, von dem ich annahm, ja, gar nicht infrage stellte, dass die Empfängerin sich daran erfreuen würde. Stattdessen kam die Frage: was ist die Botschaft? Ich fand zuerst, dass das keine Botschaft brauchte, so klar erschien es mir, was es zeigte. Trotzdem musste und wollte ich mich aufmachen, hier einen Zusammenhang herzustellen und diesen mitzuteilen, und im Prozess wurde mir selbst klar, was ich damit sagen wollte. Und ich finde es angebracht zu bedenken, was ich mit dem verursache, was ich in die Welt gebe. Und rechtzeitig aufmerksam darauf werde, wenn von dort, wohin ich etwas mir bedeutungsvoll Vorkommendes hinsende, nicht mal mehr ein Echo erscheint. Dann habe ich die Verbindung (sofern vorhanden) (mit der Frau aus der Schweiz) abgebrochen.
Fakt ist, dass wir alle hinausschauen auf das, was sich entweder in unserer Kultur gebildet hat oder es uns an irgendeinem anderen Ort scheint, als könnten wir einfach hinschauen und erkennen, was es ist. Aber Begrenzung und Erweiterung der Sicht laufen überall mit uns spazieren und die Wahrnehmungen sind so verschieden, dass wir selten dazu kommen, sie mit Anderen auszutauschen. Selbst im Bereich des Zuhauses, wo uns die Architektur vertraut ist, ist jeder Moment unseres eigenen Schauens ein neuer Blickwinkel, auch wenn er uns zuweilen vorkommt, als könnten wir die Perspektive nur zu gut erkennen, die Räumlichkeit, in der dann Dinge geschehen, von denen wir auch ausgehen, dass sie so sind, wie wir sie sehen. Aber sie sind nicht so, wie wir sie sehen, denn wir sehen nur den winzigsten Ausschnitt des Ganzen, und selbst der bietet keine faktische Nüchternheit, denn ständig verändert sich alles. Nur wir neigen zu erstarrten Blicken und bestehen mit natürlicher Zwanghaftigkeit darauf, dass das, was wir sehen, auch so ist. Vielerlei Wege wurden gesucht, erforscht und gefunden, um dem Druck dieser Blasenbildung zu widerstehen, indem ich eine Möglichkeit erschaffe, die mir hilft, herauszutreten. Das ist nur möglich, wenn ich mein Aussichtsplateau verlasse und mich öffne für andere Varianten des Seins. Sein ist ein großes Wort und erhebt Anspruch auf endlose Reflektionen, eben weil jede/r denkt, aber da bin ich doch drin. Aber in was bin ich also drin? Ungefähr auf Seite 850 oder an einer Stelle im Papyrus wird uns vermittelt, dass Sein einfach ist, nur einfach sein kann, sich eben nur selbst sein kann, was dem oder der Sichselbstseienden ja immer ganz einfach vorkommt. Niemand anderer steckt in meiner Haut als ich, das kann ich nicht leugnen. Eigentlich war ich in Indien bewusst auf die Ebene der Asche gestiegen (bevor ich sie liebte), um zu erfahren, was alle um mich herum zu wissen schienen, nämlich dass nicht nur im Unsichtbaren viel Action war von und zwischen den Gottheiten, sondern ein abstraktes Etwas, oder besser die Absolutheit des Abstrakten war angeblich da als die unbestreitbare Realität, an der keine/r mehr rumnörgeln kann. Es sagte und meinte auch Dinge, und der Haushalt mit den Vätern und Müttern und Kindern war dem untergeordnet. Nicht, dass es einer ablehnte, dass von da oben irgendwas das Chaos kontrollierte. Eine Wurzel vieler Kriege wurde dann wie immer die Abweichung von der Vorstellung. Ja wenn da keiner mehr ist da oben im Irgendwo oder sogar noch jenseits davon, wer um Himmelswillen reguliert dann das ganze Manöver. Denn manövern tut es, und niemand kann es aufhalten. Da wird einem mehr oder minder schnell klar, dass man tatsächlich nur sich selbst zur Verfügung hat. Und wenn man auch noch was beitragen will, während man da ist, klappt das erfahrungsgemäß nur, wenn man weiß, was man beizutragen hat. Hat man es einmal möglichst in aller Schlichtheit zu Worte gebracht, dann kann man sehen, was es ist. Und erfährt dann auch, dass es bei aller Komplexität doch einfach zu erkennen ist.
Höre also, o Kairos – geöffnetes Schicksal –
tiefster der Orte – meine Erschließung
durch dich: denn ich vernahm doch mehr
von deinem Ruf in mir, von deinem
angebotenen Heilungsverfahren, deinen
Narben an beflügelten Hufen, da sie als Zeit
über mich hinwehten und heimsuchten
das singende, sich erhellende Herz.
Als sich die entwaffnete Stirn auf mich
senkte, da hieltest du am Ufer mein
Schicksal offen und gabst mir die Antwort,
die niemand mehr suchte.
In einem Großraum meiner Innenwelt lebt natürlich auch die hehre Einstellung, dass der Geist und alles, was man darunter verstehen mag, frei ist und jede/r Zugang hat dazu, zumindest entlang eigener Vorstellung. Nun ist aber auch alles, auf was man trifft, Geistes-Gut, also Eigentum eines schöpferischen Gehirns, hinter dem meist ein Mensch steckt, der Anspruch hat auf die Gültigkeit seines oder ihres kreativen Outputs. Das wurde und wird weiterhin auf vielen Ebenen bekämpft, erkämpft und besprochen und ist ein weiteres komplexes Thema. In einem kulturellen Abendprogrammheft einer Stadt fand sich einmal als Überschrift eine Zeile meines Gedichtes, ohne dass ich davon wusste. Man nahm an, da man mich kannte, das sei in Ordnung. War es aber nicht, denn es fehlten einige Zwischenbewegungen. Nun nehme ich auch öfters mal an den Sonntagen dies oder jenes aus dem Netz, was mich angesprochen oder angetö(r)nt hat und weiß nicht, wo die illegalen Linien liegen, aber auf jeden Fall nenne ich die Namen der Geister, die es hervorgebracht haben. Nun sah ich gestern beim Öffnen meines Smartphones die Nachricht, dass es weitere Plagiatsvorwürfe gibt, und zwar gleichzeitig gegen Armin Laschet, Annalena Baerbock und Olaf Scholz, die drei KanzlerkanditatInnen, die offensichtlich alle der Meinung waren, es müsse unbedingt (auch) ein Buch geschrieben werden, oder zumindest eins schreiben lassen, wo man dann davon ausgehen möchte, dass darin alles überprüft ist, was einem Politiker oder einer Politikerin schaden könnte. Wir wissen ja, wer alles gehen musste deswegen, und manchmal tat’s einem leid, und ein andermal nicht. Aber wer war es, der den Buchpfaden der Triellierer hinterher geschnüffelt hat? Man stelle sich einen leicht unangenehmen, halbdunklen Raum irgendwo in der Welt vor, zum Beispiel in Österreich, in dem inmitten vieler aufgeschlagener Werke ein düster dreinblickender Mann sitzt. Er heißt Stefan Weber. Aber vermutlich irre ich in meiner Vorstellung, und Stefan ist ein aufgeräumter Workaholic, der auch Kriminalinspektor hätte werden können, bei dem man ja auch gerne die Fährte mit dem Fährtenleger verbindet. Stefan Weber ist aber Schnüffler geworden, beziehungsweise Plagiatsjäger, ein Beruf, den man ungern selber ausüben würde. Wer bezahlt ihn? Oder belohnt er sich selbst, indem seine trainierte Nase den Geruch gestohlener Sätze erkennen kann? Und nicht in Kleinkramzirkeln, da ist Geistesdiebstahl ja gang und gäbe, nein, Weber erschnüffelt den Worteraub der Großen. Er überführt in einem hochdramatischen Moment 3 Leute, die gerade Kanzler/In werden wollen, und sät also Misstrauen in ihre Glaubwürdigkeit. Später war die Nachricht verschwunden, und vielleicht forscht gerade jemand aus, wer Stefan Weber ist und für wen er möglicherweise arbeitet und für seine Tüftelarbeit Millionen in die Tasche gesteckt hat. Ich schau mal kurz nach, und der erste Eindruck ist: ja, so kann ein Plagiatsjäger aussehen, dem man einiges zutraut. Hier steht nur, dass er soeben hinter Olaf Scholz her ist, für den das ganz sicherlich politsche Auswirkungen hat. Aber welche? Kanzler wird er wohl dennoch werden, außer eine bislang ungeahnte Zahl von Wähler/Innen hat trotzig das Kreuz doch in Frau Baerbocks Kreis gesetzt, weil mit ihr trotz aller Plagiatsvorwürfe doch ein frischer Atem hereinwehen könnte, und man wäre zumindest gespannt, wie das Grünen-Duo das hinbekommen können würde.
An diesem ziemlich kühlen Morgen gibt es keinen Zweifel mehr, dass dies der herbstliche Duft ist, der sich verbreitet, und so lasse ich mein Comic-Figürchen, das auf meinem Farbenausprobierblatt entstanden ist, für mich den Sommer verabschieden, denn ich fand es für die drei Dinge geeignet, die Menschen gerne tun, wenn Sommer ist, und so sieht man es hier
das Wolkenmeer grüßend
in den kühlen Teich springend
am Strand sich ahlend.
Auch muss der Herr nicht (wie bei Rilke) die Schatten auf die Sonnenuhren legen, denn sie liegen bereits darauf, und ich persönlich war froh, dass es nicht so brütend heiß wurde, sodass man sich sagen hört „Mensch, ist es heute aber heiß“ und sich erinnert, wie gerne man sich als klimaunabhängig empfindet. Aber nicht nur das!, sondern im Wald knabbern die Borkenkäfer die letzten Rinden von den Stämmen, und die Streichhölzer, die da übrig bleiben, sind auch nicht geeignet für Erhitzung. Und es war der zweite Pandemiesommer, in dem Millionen von Menschen maskiert in die heiß herbeigesehnten Ferien fuhren, und manche Worte wurden einem auch ohne Ferienwochen vergällt, nicht, dass ich „testen“ als Wort mal attraktiv fand. Manchmal fällt mir ein, dass ich entweder gehört oder gelesen habe, dass es im Alten Ägypten, das man gerne neben den Geschichten über die Skavenhaltung als die sphinxhafte Welt des Schweigens sehen kann, dort einen heiligen Worthervorbringer gegeben haben soll, dessen Aufgabe es war, sorgfältig Gedachtes in seine Manifestation zu überführen. Und dass am sogenannten „Anfang“ das Wort war, hatte wohl eine ähnliche Bedeutung. Daher ist es immer bereichernd, sich zurück zu bemühen, was ja dann ein Vorwärts sein würde, eben zu den Wurzeln der Worte hin. Welchen Wert sie haben für einen selbst, und welche Worte man in die Welt geben möchte, damit sie sich dort im Strom des schöpferischen Teppichs mit Gleichgesinnten verbinden und verbünden und immer wieder neue Muster herstellen. Sodass es schwierig wird, Verantwortung für das Erzeugte zu übernehmen, und leichter, Klage zu erheben über das, was man vorfindet. Der Herbst, der sich gerade manifestiert, ist in der menschlichen Erfahrung auch immer eine Zeit der Wandlung. Doch nun ist die Zeit selbst, unabhängig von Herbsten und wo sie stattfinden, eine Zeitepoche, die von starken Veränderungen geprägt ist. Es geht um diese sagenumwobene Zwölfuhr-Zeit, und ob es fünf Minuten vor dem Gongschlag ist oder schon fünf Minuten danach, den Gesundheitszustand des Planeten betreffend. Einmal hatte ich einen Arbeitskollegen, der bei bestimmten Gesprächen anfing, Kopfweh zu haben und zu stöhnen, er sei doch nur ein bedeutungsloser Wurm, und wenn es Gott gäbe, er sicherlich Wichtigeres zu tun habe, wobei ich ihn damals fragte, was das denn wohl so Wichtiges wäre. Das ist ähnlich beklemmend, wie wenn man jetzt Olaf Scholz die ganze Verantwortung des Landes wird überlassen müssen, wird man ja auch müssen, zumindest die politische, was schon schwierig genug ist. Das Wort „Gott“ ist eine machtgetränkte Instanz, aber selbst die machthungrigsten Vertreter der Gottesmächte können offensichtlich nicht verhindern, dass ihre Leute am Hungertuch nagen, während sie zum Burkatragen gezwungen werden. Der Sommer ist also vorbei, das Tier hat sich etwas erholt. Innen am Banianbaum geht (zum Glück) die Schulung weiter.
Gestern Abend habe ich mich dann ermuntert, das sogenannte „Triell“ (was’n das, dachte ich neulich flüchtig, aber danke, ich hab’s kapiert), und es war in der Tat wenig erbaulich, denn es ist geschehen, dass man im Moment eigentlich keine/n der Triellierer an der Spitze der problemschwangeren Zeiten die festen Zügel in der Hand habend sehen kann. Die Herren haben gezankt, Herr Laschet leider noch eine Spur zwergenhafter als Herr Scholz. Kurz nach der Polit-Show kam die Katze, die bei mir wohnt, humpelnd und vor Schmerzen schreiend in mein Zimmer. Solche Töne habe ich noch nie gehört, sie sind wirklich durch Mark und Bein gedrungen. Ich bin jetzt keine besonders lobenswerte Tierliebhaberin, aber alle paar Jahre, und das selten genug, dringt ein Tier in meine Herzgegend vor und lässt sich dort nieder. Einmal war es ein Adler, das war in Kathmandu. Wir hatten damals noch zwei gigantisch große Himalya Eulen, aber als der Adler dazu kam (ich hatte ihn im Bazaar einem Händler weggekauft), da verlor ich kurz das Interesse am Weltgeschehen und nistete mich eine Zeitlang bei ihm ein, was die verstimmte Atmosphäre einer Beziehungskrise mit sich zog. Wenn man ein Tier liebt, hat es einen ähnlich schönen Side-Effect wie wenn man einen Menschen liebt: man dehnt sich liebevoll hinaus in großzügige Schwingunskreise, und weiß eines Tages von einem einzigen Wesen, wie sich andere Wesen fühlen, oder zumindest erschafft sie (die Liebe) die Freiwilligkeit der Bemühung dem Wesenhaften gegenüber. Wer will da nicht zutiefst dankbar sein, dass so etwas überhaupt möglich ist. Wir wissen noch nicht, woran Coco, die Katze, erkrankt ist, aber wir sind schon angemeldet beim Tierarzt, bei dem kaum Platz gefunden werden konnte, so überfüllt war die Praxis. Die ganze Nacht fühlte ich mich wie eine Mutter, die über ein krankes Kind sorgenvoll wacht. Vieles anderweitig Praktische verliert an Bedeutung. Man will nur noch, dass das geliebte Wesen wieder gesund wird und aufhört zu leiden. Insofern bin ich auch der Pandemie dankbar, dass ich mich in meinem und unserem Leben so eingerichtet habe, dass ich Zeit habe und da sein kann, wenn wesentliche Dinge geschehen.
Ich muss gestehen, dass ich weder Sesamstraße gesehen noch das Lied kannte, das ich dann allerdings bemerkenswert fand, habe ich doch selbst eine Fragemappe angelegt über das, was so alles in der Welt gefragt wird, aber auch in vielen Verkleidungen als Weisheit über die Weltenbühne wandert. Schon letzten Sonntag habe ich zugemutet, aber noch hält es sich ja in Grenzen. Interessant wäre hier die Frage nach den Grenzen und wo und warum sie sich eigentlich irgendwo befinden. In diesem Sinne kann ich den Beitrag auch „Wahlkampf 2021“ nennen.
Mir ist es auch während der Pandemie schon mal passiert, dass ich dachte: „Wie, schon wieder Freitag“, oder Montag usw., und ich merke, dass sich da tatsächlich eine gewisse Zeitlosigkeit eingeschlichen hat wie ein Nebenprodukt des Hauptdarstellers Corona, weil man ja eine Zeitlang glauben wollte, das alles mit den Masken und so bald aufhören würde, es hat aber nicht aufgehört. Und bei 9/11 habe ich jetzt die Jahre auch nicht mitgezählt, aber da war ich doch kurz erstaunt, dass es schon 20 Jahre her ist. Selbst nach der digitalen Revolution sind ja nicht alle Nachrichten überall abrufbar gewesen, aber von 9/11 wurde niemand verschont. Das allen Menschen gleichermaßen Unfassbare war eingetreten, und klar mussten nicht nur d i e darunter leiden, die die vielen Toten zu beklagen hatten, sondern auch alle Muslime der Welt bekamen zu spüren, dass jetzt etwas infrage gestellt wurde, was schwer zu klären war. Auch in Indien lebten Hindus und Muslime lange Zeit mehr oder minder friedlich miteinander, zumindest, ohne sich totzuschlagen. Die indische Welt ist prall gefüllt mit sichtbaren Seltsamkeiten, und wenn etwas auffällt, muss es schon sehr auffallend sein. Die Detonationen von 9/11 hatten dann allerdings auch dort immense Auswirkungen, und bis heute sind sie nicht wirklich verklungen. Ein Loch, eine Leere, ein Totenort, Ground Zero also gibt davon Zeugnis, und jede/r in der Welt kennt ihn. 20 Jahre her ist das alles, erstaunlich. Wir waren zu zweit in München bei einem Besuch unterwegs, der uns viel bedeutet, weil es dort die Möglichkeit gibt, die Geschehnisse des Außen und Innen auf wohltuendem Niveau zu besprechen, und gelacht wird auch genug. Wir waren gerade bei Fritz in seinem an sich schon atemberaubenden Studio, und er zeigte uns ein wunderbares Urnen-Gefäß, das er für Shelley, den Kater und seine Asche angefertigt hatte, und es wurde sehr, sehr still, als mitten in diese Stille Tamara hereinstürmte mit der Frage, ob wir schon wüssten, was wir noch nicht wussten. Wie dann die ganze Welt den Vorgang immer und immer wieder anschaute, bis man nicht mehr konnte. Das war ganz eindeutig ein Riss in der Menschheitsgeschichte, oder man könnte es auch einen mächtigen Schalthebel nennen, oder eine Erweckungsglocke, oder was auch immer jede/r damit machte. Und ein friedlicher, muslimischer Vater hatte auf einmal sicherlich andere Sorgen als wir, die wir uns den Luxus des Erschreckens leisten konnten. Los ging die Jagd, es gab neue Berufe. Verborgene Fähigkeiten wurden ans Licht geholt, keiner war mehr sicher vor dem anderen. Vieles war natürlich schon vor 9/11 so, aber danach war sehr vieles nicht mehr wie vorher. Wer weiß schon, wie viele Deutsche über deutsche Juden nachdachten, bevor sie öffentlich gejagt wurden. Der mörderische Trieb lebt doch in jedem, oder nicht? Es kommt darauf an, was man mit der Kraft macht, wenn sie sich meldet und die Synapsen zum Zittern bringt. Zumindest sich selbst gegenüber kann man rigoros ehrlich sein. Man kann ja sehen, wohin das führt, wenn zu viele zu lange zu wenig achtsam sind.
Ideen sind ihrem Wesen nach abstrakt, aber sie sind auch die Grundlage für die Erscheinung all dessen, was durch eine Idee hervorgebracht werden kann. Das Wort „Idee“ löst eher positive Gedanken aus, obwohl man weiß, dass es auch ungute Ideen gibt. Eine gute Idee ist etwas wie ein Ideal, das einen befeuern kann, aber auch erschrocken machen wegen dem plötzlich aufflackernden Anspruch auf Umsetzung. Gerne würde man etwa Nietzsche befragen, ob er denn je für möglich hielt, dass dieser seiner Meinung nach exzellente Mensch (Mann) (man), den er sich da erdacht hatte, auf den Straßen der Welt vorzufinden sein könnte. So, wie in Religionen meist der bärtige Patriarch zu finden ist, von dem das Ideal schöpferischer Manifestation geradezu erwartet wird. Der Schöpfer selbst als Idee aller Ideen, entlanggebastelt an der Vorstellungskraft der Völker. Wie man sich einen vorstellt, der den Erwartungshaltungen entspricht und sie beantworten kann. Leuchtet einem einmal eine Idee ein, so erhebt sich fast gleichzeitig ein Interesse an tieferem Verstehen, wofür die Einleuchtung auch gedacht ist, da gerade ihr Licht die vorhandenen Dunkelheiten erhellt. Man sieht sie erst dann, die dunklen Flecke und die vielen Fragen, die sie begleiten. Einmal erwähnte eine befreundete Poetin mir gegenüber das Wort „geschichtslos“ und seine Wirkung war so tiefgreifend, dass ich keine Wahl mehr hatte als zu ergründen, was es hier zu verstehen gab. In Indien könnte ich in jedem Zugabteil auf dem Weg nach irgendwo darüber diskutieren, warum es offensichtlich ist, dass wir Menschen nicht unsere Geschichte sind. Hier im Westen ist das nahezu unmöglich, denn die Geschichte, beziehungsweise die Geschichten werden als einziges Beweismaterial der Existenz gesehen, was auch einigen Sinn enthält. Wahr ist aber auch, dass alle Geschichten ein Konstrukt der jeweiligen Vorstellungen sind, mit denen wir Menschen unser Dasein zu erfassen und gestalten suchen. Was wir allerdings „wirklich“ sind, bleibt uns überlassen. Das heißt, wie weit wir bereit sind, uns auf das gänzlich Ungewisse einzulassen, dem wir Nu für Nu gegenüberstehen und damit anfangen, was immer wir können. Ein einziges Wort, eine einzige Idee, kann einen haltlos machen, sodass eine stabil geglaubte Bilderreihe sich entleeren kann in einen vollkommen bilderlosen Raum, in dem wiederum andere Gesetzmäßigkeiten sich zeigen. Zum Beispiel kann ich dann meine Monade vergrößern lassen und einen Garten anbauen, ohne dass ich das als den Inhalt meiner Existenz betrachte. Oder die Hütte am Waldrand, oder das Palais in der Toscana, oder mit Sand oder Asche bedeckt. Ohne Geschichte bin ich genau das, was ich bin, worüber es in letzter Konsequenz wenig zu sagen gibt. Vielleicht werden aber genau dann erst die Geschichten erzählenswert, und wenn man dann noch das Glück hat, der Liebe begegnet zu sein, kann man dem Abenteuer lebendig ins Auge sehen.
Dann war es mir, als könnte ich endlich
aufgeben das Hören an schalltoter Stelle
im Raum, und könnte innerhalb und
außerhalb von mir bestehen in eigens
von mir und für mich gestalteter Realität.
Da kam ich in wirkliche Nähe zu dir und
spürte, vielleicht zum ersten Mal,
Begabung des Liebens in mir, die mir die
Angst nahm vor dem Nicht-Innewohnenden.
Wo sich das Vertraute im Frenden entziffert
durch Lauschen auf den geräuschlosen Ton.
Hier finde ich Raum für äußerstes Leiden.
Hier finde ich Freiheit davon.
Alle (oder die meisten) (oder viele) kommen nicht umhin, sich mit ihrem Geborensein zu beschäftigen, und auch aus der philosophischen Welt kamen bittere Kommentare über das scheinbar willkürliche Hineingeworfensein in den Spielplan. Der hat zwar schon ein paar Anweisungen auf Lager, oder Ratschläge, oder Vorschläge, wie das alles zu handhaben sein könnte, wäre man nicht genau diejenige (oder derjenige), die (oder den) eine Kairoslaune hineingeschleudert in den Seinsschlund oder herausgeschleudert aus der Ursuppe, wo irgend ein Mann und irgend eine Frau in Zuständen, die von ihnen oft selbst nicht wahrgenommen werden, etwas zeugen, nämlich einen Menschen, der sie, falls das kleine Potential es schafft, nicht vernichtet zu werden, der sie also den Rest des Lebens von nun an beschäftigen wird, zumindest eine ganze Strecke lang. Die Mutter weiß (meistens), dass sie bei der Stange bleiben muss, denn sonst ist das Überleben des Kindes nicht garantiert. Garantiert ist überhaupt nichts, obwohl nackte Fakten vorherrschen. Man ist da und der Erdlingsbildung automatisch unterworfen. Dabei merkt man, dass die Jahre vergehen, und zwei Mal jährlich tickt die Zahlenuhr besonders: beim Geburtstag und bei der Neujahrskurve, wenn’s sprudelt und zischt und man vielleicht gerade in Australien ein paar Stunden jünger ist, oder bis überall endlich Mitternacht vorbei ist und alle wissen, dass jetzt 2021 ist, obwohl es in Indien eigentlich schon das Jahr 2078 ist (im Vikram Kalender), aber jetzt läuft viel über die Ordnungen der Weißhäute. Man wird also zum Beispiel als Weißhaut geboren und nimmt einige der Sitten und Gebräuche an, zum Beispiel das Geburtstagsfeiern. Im Land der Weißhäute ist Geburtstagsfeiern ein ganz wichtiges Ritual. Es ist eine der Möglichkeiten, wo entweder was für einen ausgerichtet wird, oder wo man selbst was in die Hand nehmen muss, denn die um einen herum wissen meistens, wann die anderen geboren sind und können nicht so tun, als wüssten sie’s nicht, was sie ja auch gar nicht wollen. Als ich einst in Indien ankam, traf ich auf sehr viele Menschen, die nicht wussten, wann sie geboren wurden. Ihre Kinder gingen dann allerdings zur Schule und mussten oft ein Datum erfinden, das gar nicht existierte. Die Mutter von Lali zum Beispiel wusste nur noch, dass der Mond schien bei ihrer Geburt, aber nicht in welchem Monat und Jahr. Oder es wurde zum Vorgaukeln gegriffen. So wurde ich einmal zu einer seltsamen Gestalt an einem Feuer gebracht, von der man munkelte, sie, die Form, sei 125 Jahre alt, ein Heiliger natürlich, an dem kein Haar mehr angezweifelt werden durfte, vor allem aber nicht die Legende. Je mehr Menschen in die Schule gingen, desto mehr Birthday Parties gab es. So konnte ich noch einige Jahre unbefragt herumlaufen, da keinen das Thema beschäftigte. Ich komme drauf, weil wir heute im Haus so ein Datum hatten (Claudia). Erst einmal ging es um gar nichts, dann ging es um viel. Als klar wurde, dass der Geburtstag um s i e ging, die ihn hatte, fragte ein Freund, ob es ihr recht wäre, wenn es um sie ginge. Um was soll es denn sonst gehen, oder zumindest kann es auch am Geburtstag um das Geborensein gehen, und wie das war, und wie es sich gestaltete, und was man davon weiß, und ob die Welt, in die man hineinkam, eine war, an die man gerne denkt undsoweiter. Aber natürlich gilt auch für den Geburtstag dasselbe wie für den Frauentag, an dem in Indien Frauen einen ganzen Tag lang frei Bus fahren dürfen. Denn niemand sollte einen davon abhalten können, das Geborensein zu zelebrieren, wann auch immer es einem angemessen scheint. Da kann der Tag mit dem Datum als Übungsfeld dienen.
Gestern hatte ich ein langes Gespräch mit Reena, mit der mich seit vielen Jahren eine Freundschaft verbindet. Wir sind am selben Tag geboren und haben zahllose gemeinsame Teestunden hinter uns, noch in Zeiten, bevor das Fernsehen nach Indien kam und die bis dato üblichen Zusammensitzkreise auflöste, um alle in eine einzige Richtung stieren zu lassen. Am Anfang dieses kulturellen Wandels war ich oft verblüfft zu sehen, dass die Programme nicht nur in schwarz/weiß liefen, sondern es konnten auch Beiträge aus Japan sein, die kein Mensch verstand und trotzdem alle gebannt hinschauten. In der Zwischenzeit hat sich vieles getan. Kinder schauen zusammen Filme auf Smartphones, und an den Wänden einfacher Restaurants hängen Flatscreens, auf deren Bildflächen sich gewalttätige Dramen abspielen, die ich lange mit Indien nicht verbinden konnte oder wollte. Aber verstanden habe ich schon, dass Menschen die Last ihrer eigenen Dramen gerne an andere delegieren, eben an Schauspieler, die gelernt haben, sie auszudrücken. Reena und ich haben gemeinsame Freunde an Covid verloren und zum ersten Mal darüber gesprochen. Über die Frau und die beiden Kinder von Ram Rattan, der vor Kurzem im Krankenhaus gestorben ist, kurz danach sein Bruder. Sie nun allein mit den Kindern auf einem riesigen Tempelgelände, um das die beiden Brüder sich gekümmert haben und sie keine Ahnung hat, wie das geht. Ram Rattans Großvater war der Erfinder von 90 neuen Yogastellungen, die man alle auf Bildern im Tempel betrachten konnte, in dem es auch oft schöne Musik zu hören gab, live natürlich, und noch ohne Lautsprecher. Automatisch rutscht man wegen der vielseitigen Erfahrungen in einen orientalischen Erzählmodus, denn wenn man es erzählt, kann man es selbst kaum glauben, was da so alles war im Dschungel des Unfassbaren. Reenas Mann ist Alkoholiker und ja, trinkt immer noch, man muss akzeptieren, meint sie, nirgendwo ist Vollendung, zumindest nicht, was die nüchterne Bilanz des Alltags betrifft, was ja allerortens zutrifft. Aber im geistigen Feld haben sie (wer auch immer sie waren) wirklich nichts ausgelassen. Das Netz war zwischen verlockendem Nichts und praller Ekstase so dicht gedacht, dass niemand entkommen konnte. Selbst Engländer und Muslime beugten sich dem verschlingenden Angebot des großen Einfach des Daseins, präzise konstruiert für die, die Familie wollten, und die, die den anderen Weg wählten. Nicht einfach frei, nein, sondern es musste ein Weg sein, der Weg an sich, auf dem man sich auf viele kunstvolle Weise dem nähert, was am schwersten zu erfassen ist, nämlich das eigene Wesen in seiner letzten, unkörperlichen Konsequenz. Und diese umwerfende Frage über den einen Gott, welchen auch immer aus dem Ozean der Möglichkeiten, und ob er es wohl weiß, eben alles, oder auch nicht. Neti neti, eine meditative Analyse also über die Natur des Absoluten. Schon wird mir warm ums Herz, denn das Heimweh bahnt sich den Weg zu mir. Wieder ein Jahr, in dem ich, selbst wenn ich wollte, kein Visa bekommen kann dorthin, wo das alles war. „Das ist doch alles noch da“, sagt Reena, „komm auf jeden Fall, wir sind alle noch dieselben.“ Aber es stimmt ja nicht, wir sind auch ohne Pandemie nicht mehr dieselben, aber die Pandemie hat zweifellos ihre Finger im Spiel. Ein Abschied dauert oft länger, als man denkt. Und vielleicht hat er kein Ende, sondern wird zu einem Bilderbuch, in dem wir in gemütlichen Hütten oder weißen Marmorpalästen immer noch weiterhin Chai trinken und erzählen, wie es einmal war, und dass es, wenn es nicht gestorben ist, heute noch lebt.
Der sogenannte „Wahlkampf“ könnte einen ins Grübeln bringen, und das wäre noch aktiver als nicht mal grübeln zu wollen. Schließlich weiß man ja, dass man dann mitgewählt hat, wenn die Sache gelaufen ist. In der Zwischenzeit, wann immer die stattfindet, ist einiges ausgehebelt worden, was zuvor ziemlich stabil schien. Annalena Baerbock ist, egal wie man es sonst noch sehen möchte, über den Herrentisch gefegt worden und ist jetzt da, wo alle sie haben wollten. Nichts leichter, als an Biografien an einem bestimmten Punkt herumzupobeln, da kommt auf jeden Fall was bei raus. Trotzdem kann man natürlich weiterhin die Grünen wählen, schließlich sehnen sich auf einmal alle nach dem Klimawandel und möchten den Nachkommen keinen toten Planeten hinterlassen, auf dem man jede Form der Niederträchtigkeit ausprobiert hat, und natürlich auch das Gegenteil, wie immer man das nennen wollte. Erstaunt hat mich am Wahlzettel, dass Sahra Wagenknecht auch wieder im Rennen ist, oder ist sie als Glanzpferd nie ausgestiegen? Bei ihr könnte man die Frage, die Bernd Ulrich neulich in einem wunderbaren Artikel über Angela Merkel stellte, nämlich: kann man an der Macht ein guter Mensch sein?, diese Frage also könnte man einengen mit: kann man in der Politik (als Frau) gleichzeitig superklug und schön sein, denn das muss man Frau Wagenknecht lassen. Ich finde, man sollte einfach mal zur Abwechslung zuschauen dürfen, wie die Grünen und die Linke sich auf der Politbühne verhalten oder bewähren. Ansonsten regt sich keinerlei Freude innerlich zum Kreuzesetzen, und Laschet, der mal Mensch spielen wollte und fast damit punktete, erscheint jetzt mehr wie ein gerissener Hund. Und die, die das alles irgendwie anders gemacht hat, die geht in ein paar Tagen. Es freut mich zutiefst über mein eigenes Schicksal, dass ich in der Zeit ihrer Regierungsführung eine Frau an der Weltspitze des politischen Geschehens wirklich wertschätzen lernen konnte. Und natürlich gab’s da Grenzen und die üblichen Widersprüche, aber dass jede/r tut, was er oder sie kann, das gilt auch für Frau Merkel. Nur, dass das, was sie konnte, sichtbar wurde. Ein Satz, der mir auch in dem glänzenden Beitrag von Ulrich gefiel, war, sie hätte „all das Männer-Theater wegegeatmet“, eine sehr feine und brauchbare Anweisung für Frauen, die viel von männlich Kollegen umgeben sind in ihrem Wirkungskreis. Man kann mal locker durchschaudern, dass sich vielleicht vieles, was man für grundsätzlich wandelbar hält, nie wirklich wandeln wird. Daher ist es durchaus angebracht, sich von den Ketten der Hoffnung bewusst zu befreien und Raum zu schaffen für reale Möglichkeiten. Auch für das Erkennen realer Möglichkeiten braucht es allerdings wie für alles andere ein Training bzw. einen Trainingsboden, wo man ausprobieren kann, ob man tatsächlich versteht, was man denkt und fühlt und tut. Unerbittlich führen alle Wege zur Honigwabe hin, und obwohl sich dort der Honig sammelt, enthüllt sich genau am erreichten Ort die vollkommene Flüchtigkeit der Zeit. Nichtsdestotrotz steht dem Genuss an der surrealen Qualität der Vorgänge nichts im Wege. Ich wende mich also getrost meinem eigenen Wahlomat wieder zu, denn der Nu hält ja nicht an, und die Schalthebel zittern lebendig vor sich hin.
Zu diesem Lied bin ich über die WDR5 Sendung „Tischgesräch“ gekommen, das mit der Journalistin Gisela Steinhauer stattfand, deren Gast Jürgen Wiebicke war, ein Wegbereiter der „phil. cologne“ und Moderator des „Philosophischen Radios“. Wiebicke wünschte sich als Pausenmusik diesen Song eines Baggerfahrers aus der DDR, und ich machte mir die Mühe zu verstehen, warum er den Text poetisch fand, und es gelang mir, das Lied zu mögen, deswegen ist es hier. Gestern bemerkte ich, dass im Hintergrund meiner Gedanken ein Ohrwurm lief. Ich fürchte, es war das Lied.
Kaum schaue ich auf mein Smartphone, um zu meinem eigentlichen Ziel zu gelangen, da habe ich schon gelesen, dass Christian Drosten meint, die Gleichgültigkeit der Deutschen würde den Impf-Fortschritt blockieren (upday Info). Weil ich mich zur Zeit gerade dem Begriff „Gleich-Gültigkeit positiv genähert habe, nämlich im Sinne, dass etwas gleiche Gültigkeit haben kann. Dies kann natürlich klare Entscheidungen erschweren, weil sich zwei Dinge gegenüber stehen, die, wenn eine Entscheidung vonnöten ist, diese natürlich hemmt. Dann gibt es das „gleichgültig“, wo jemand es einfach nicht wichtig findet, sich um Klarheit zu bemühen, und ja, man kann das in der Schwebe lassen, so lange man möchte oder muss. Wenn ich jetzt mal das „Impf“ aus Drostens Satz weglasse, kann ich sehen, ob ich den Satz noch stimmig finde, nämlich, ob Gleichgültigkeit den Fortschritt blockiert. Vorausgesetzt natürlich, dass Fortschritt gewünscht ist, und dann: welcher Art soll er sein, der Fortschritt. Oder mal zwischendurch die inzwischen in allen Ecken lauernde Gleichgültigkeit aufgeben und schauen, ob es wirklich um das geht, was ich immer dachte. Inzwischen sich aber die Gültigkeit verlagert hat und vielleicht selbst gar nicht mehr da ist. Man kann das ja am Impfprozess ganz gut sehen, nämlich an der eigenen Gleichgültigkeit. Klar soll jede/r frei sein, ober er oder sie will oder nicht. Die Politik ist gleichzeitig anderen Kriterien verpflichtet und muss sich verpflichten, den Erforderlichkeiten so gerecht wie möglich entgegen zu treten. Deswegen dient die Politik meist als Meinungsbildnerin, wo man sich an Tischen mit Anderen schulen kann in der Positionierung und Meinungsproduktion, während es an anderen Orten in erhöhtem Maße um Leben und Tod geht, aber dennoch ein Zwang nicht ratsam ist. Wo eine Entscheidung fällt, kommt eine Wirkung. Denselben Zwiespalt, den die Gleichgültigkeit bietet, erfahre ich über die Tatsache, dass gerade in Amerika (Texas) ein Verbot gegen Abtreibung im Gange ist. Nun muss man weder für oder gegen Abtreibung sein, um sich über den Kern der Sache zu empören, nämlich die Einmischung, vor allem von Männern (aber auch Frauen), in eine zutiefst persönliche Angelegenheit, die die involvierten Personen und ihre Erfahrungen betrifft und niemals durch einen Gesetzentwurf für die Allgemeinheit bestimmt werden kann. Ich kenne die Situation und war in der Stunde meiner damaligen Not froh, jemanden zu finden, der mir helfen konnte, kein Kind in die Welt zu setzen. Vom heutigen Standpunkt aus ist es immer noch nicht das Bedauern, das Kind nicht gehabt zu haben, sondern dass ich durch meine Ignoranz dem Kind und mir diese fatale Situation überhaupt ermöglicht habe, statt darauf zu achten, dass ich die Pille nicht vergesse. Auch hier ist jeder Fall und jedes Gehirn anders und muss dementsprechend gehandhabt werden. Vor allem aber nicht über Religionen. Insofern kann Gleichgültigkeit den Fortschritt erleichtern oder bremsen, ganz und gar, wie man damit umgeht und was es für einen darstellt: ein Tor oder eine Wand.
Die Anregung zu Bild und Titel kam natürlich vom letzten Soldaten, der aus Afghanistan herausbefördert wurde, wobei klar war, dass er nicht der Letzte ist, der da raus muss aus der Hölle, und ob die Letzten, die da noch drin sind, es überleben werden. Man kann sich nun im Rahmen der technischen Entwicklung vorstellen, dass bereits toll ausgestattete Bunker gebaut werden oder schon wurden, oder schon immer da waren und jetzt nur noch optimiert werden müssen. Auch läuft der Tourismus zum Mars durch die Durchsetzungskraft der Milliardäre schon auf Hochtouren, und hoffentlich gibt’s dort bald Lufthotels mit schicken Beatmungssprühern, und fühlt euch dort wohl, und bleibt möglichst dort unter, ja, unter wem, seinesgleichen oder ihresgleichen oder gibt es überhaupt irgendwas Gleichermaßenes, was man dann erleben kann? Auf der Erde kann es natürlich aus anderen Gründen leerer werden. Noch gewitztere Mutanten setzen sich durch, die die Führung der Gesellschaften übernehmen und im Gegensatz zu ziemlich dümmlichen RoboterInnen sich als super clever und einfallsreich erweisen, sodass man ihnen gar nicht mehr auf die Schliche kommt und sie uns völlig im Griff haben. Das ist ja alles schon da, und es belebt auch, entlang der tiefen Angststrukturen, die Variationen des Erwachens dem Zustand des Planeten gegenüber. Auch darüber gibt es tatsächlich schon einiges Epische, mal ging alles unter, mal tauchte alles wieder auf, und keiner weiß, ob wirklich nur über den Affen der Mensch reinkam und wurde, was er jetzt ist. Vielleicht stammen andere vom Zebra ab und sehen alles in Schwarz/Weiß. Ja, es gibt Beweise, das habe ich auch schon vernommen. Doch an einem anderen Punkt sind alle Beweisführungen irrelevant, denn nicht nur weiß nur das Spiel selbst, was auf dem Spiel steht, sondern das Sein ist ebenfalls nur, was es ist, und man könnte durchaus behaupten, dass es gerade durch das, was es ist, klar wird, was es nicht ist, nämlich etwas, das vollgepackt ist mit nachweisbarem Inhalt. Es ist zwar direkt durch sich selbst, aber eben dadurch kann man es bei tieferer Betrachtung auch inhaltslos nennen. Klar ist auch, dass das sich ständig neu formierende Spiel abläuft und leider ist es keine/m/r gegönnt, das Ganze zu erfassen. Oder doch? Eines der interessanten, indischen Konzepte fand ich immer den Kreislauf der Zeit, irgendwie auch „in tune with nature“. Und die Kreisläufigkeit erlaubt das Zuspitzen vor allem der negativen Energien in dem Zeitalter, in dem wir uns gerade befinden, wo es so schwarz werden muss, damit sich die träge gewordenen Geister (oder der ermüdete Geist) sich nach sich selbst sehnen, bis erneut der Spruch in Delphi erscheint zur Aufmunterung des Erinnerns. Wer ich bin und worum es (mir) eigentlich geht in dem Ganzen. Immer wieder eine gute Frage, die Antworten zulässt, ja, geradezu dazu einlädt.
Weiten waren vor mir.
Hinter mir Zeichen.
Abgerundet der Lichtblick
der Atmosphäre.
Nicht verboten war mir
das Wort, nein. Angefragt
wurde vielmehr mein
ureigenster Ton.
Woher kommst du, forschte
in mir das Windähnliche,
Furchtsame und doch Wissende
um die Bewegung im Spiel, die
blieb und immer nur war.
Als die Stimme mir sagte, sie
komme aus mir und sei gerüstet
mit feinem Werkzeug und ohne
weiteres in der Lage, Berührung
hineinzubringen in Welt.
Da war ich sehr froh, meine Freunde,
das könnt ihr mir glauben. Sehr froh!
Was ich in den Lernprozessen, in denen wir uns laufend bewegen, wirklich lernen kann, ist die Handhabung der auf mich zuströmenden Ereignisse. Alles, was gesagt wird, und alles, was getan wird, hat Wirkung. Beides ist schwer: die Wirkung der Anderen über ihre Handlungsweisen einzuschätzen, oder meine Wirkung auf die Anderen. Es kommt darauf an, wie wesentlich mir diese Vorgänge erscheinen, denn vieles geht mich nichts an, das muss sich erst klären. Gleichermaßen mühsam ist es, herauszufinden, was mich tatsächlich betrifft, was mir entspricht, was meinem Wesen anspricht, was mich berührt oder einfach interessiert, weil es mir vorkommt, als könnte ich davon lernen, und meistens kann ich es auch. Selbst für das Fehler-Machen braucht es Übung, damit ich mich darin erkenne. So, wie ein Spiel die Möglichkeit bietet zu erkennen, ob ich ein guter oder ein schlechter Verlierer bin, oder ob ich vielleicht das Gewinnen nicht kann. Es gab auch in hoch angelegten Kulturen die Einstellung, dass das ganze Leben ein Workshop sei für einen gelungenen Ausklang. Immer wieder entscheiden sich Menschen, den Übergang von Leben und Tod selbst in die Hand zu nehmen, wohl wissend, dass Andere dann notgedrungenerweise mit meiner Entscheidung beschäftigt sind, also hier mit den sterblichen Überresten. Das angeblich friedliche Lächeln auf dem Gesicht der Verstorbenen dürfte weit weniger häufig vorkommen, als man denkt, und weist außerdem nicht unbedingt auf einen Abschied vom gelungenen Leben hin, sondern es kann auch aus einer Erleichterung über den Abgang kommen. Gut, dass man nicht hellseherisch genug ist, es zu wissen, aber wissen kann man, dass jeder Tag und jede Minute darauf zu laufen. Und wenn man ein gutes Resultat des eigenen Handelns wünscht, muss man rechtzeitig bedenken, auf was es einem eigentlich ankommt. Man bringt ja mit sich selbst eine neue Variante ins Spiel, mit der man allerdings nicht punkten kann, denn nur man selbst hat sie ja zur Verfügung. Aber nur diese individuelle Verantwortung für meine Handlungen und Entscheidungen und ihre Resultate bringt mich in gelungene Verbindung mit Anderen, die Menschen sind wie ich, aber vollkommen andere Varianten spielen als ich gemäß ihrer Herkunft und persönlichen Weltwahrnehmung. Da Menschen immer und überall zusammentreffen, folgt man in der Weltgeschichte auch oft diesen Strömungen oder Zusammenballungen oder Bewegungen als einem gemeinsamen Tun, aber auch von Sokrates weiß man nicht, ob das, was Platon von ihm behauptet hat, tatsächlich so war. Und versteht vielleicht heute besser, warum Xantippe oft so genervt war, obwohl man keine Ahnung haben kann, wie es wirklich war. Ich kam mir auch häufig so einfach vor wie ein Schluck Wasser und beschrieb mich gerne mit diesem Bild, wobei mich das Kichern meiner Freunde rechtzeitig zur Vernunft gebracht hat. Die Vernunft kann zur notwendigen Erkenntnis führen und als Erweckungshammer dienen. Wie!?, alle Anderen sehen es anders als ich? Dieser erschreckte Ausbruch aus der eigenen Ignoranz kann tiefschürfend sein und unter besten Umständen einen Quantensprung bewirken. Wie, das wussten Sie nicht?