verfügbar

In dem Rahmen war wohl mal ein Gott zu sehen, jetzt kann man gar nicht mehr erkennen, wer gemeint gewesen sein könnte, und so dient es einfach als Öllämpchenuntersatz. Nun lässt das Gewesene natürlich auch den Blick frei für neue Sicht, was alles nur Übung ist und gewisse Entscheidungen betrifft darüber, was man im Leben alles lernen und wahrnehmen und darin integrieren möchte und kann. Durch die gefährliche politische Situation zwischen Indien und Pakistan kommt der Aspekt hinzu, den man nicht selbst entscheiden kann. Ich frage Pawan an seiner Brahmanendienststelle, warum es so unmöglich gewesen wäre, einfach weiterhin, dem Urgrund der hinduistischen Einstellung gemäß, friedlich zu bleiben, egal, wie provozierend die Pakistanis sich verhalten. Aber es geht schon sehr lange, dieses kämpferische Gerangel, und offensichtlich ist das kollektive Maß der Inder voll, immer von Muslimen als Waschlappen gesehen zu werden. Hindus sehen sich selbst in unermüdlicher Kindlichkeit gerne als das friedlichste Volk der Erde. Ich denke, das war auch ziemlich lange so, nur: wann verwandelt sich eine gute Idee und Ausrichtung in eine verdunkelte Realität.  Der Geist wandert und schleicht umher und wird zu dem, was gedacht wird und gefühlt wird, oder nicht (mehr) gefühlt wird, oder nie gefühlt wurde, und jetzt gar nicht vorhanden ist.. Pawan will mir ein Beispiel geben von dem, was geht und was nicht geht. Er beginnt mit „Wenn ein Mann eine Frau in seinem Haus schlägt, ist das ok“ (ich hänge ab), aber wenn er das draußen tut, verletzt er den Respekt usw“, da versuche ich bereits zu unterbrechen, um zu sagen nein, es ist eben nicht ok, im Haus seine Frau zu schlagen. Die Ebenen verschwimmen und entfernen sich voneinander wie schwimmende Inseln. Vermutlich wollte er sagen, dass, was Pakistan im eigenen Land macht, ist ok, nur, wenn es draußen angreift….usw.    Eine junge Inderin aus dem Dorf, mit der ich mich morgens manchmal unterhalte, da sie zur selben Zeit unterwegs ist wie ich, meint auch, der militärische Angriff sei notwendig. Es ist ja nicht so, dass ich kein Verständnis entwickeln kann für die Notwendigkeit einer kämpferischen Haltung. Ich bin auch regelmäßig mal im Dialog mit meiner eigenen kämpferischen Haltung. Gerne bedaure ich noch einmal öffentlich, dass ich keine Martial Arts Ausbildung genossen habe, denn das leuchtet mir am meisten ein: dass man Künste des Kampfes lernt, eben genau, um nicht töten zu müssen, sondern dem Angreifer keine Angriffsfläche bietet. Man sagt, beziehungsweise ich sage über dieses Zeitalter, dass man beobachten kann, dass wirklich alles, was der Mensch je auf diesem Planeten hervorgebracht hat auf der ganzen Skala seiner und ihrer Fähigkeiten und Weisheiten (und Verbrechen), mehr als jemals zuvor zur Verfügung steht. Und vielleicht erst da, am zitternden Potential eines Quantensprungs hängend wie ein Tropfen Tao an der Bewusstseinsblüte, erfahren wir die leuchtende Schwere des Weges als eine große Herausforderung: zu sein, wer man ist, die Furcht vor dem Ungewissen immer wieder hinter sich lassend.

erhalten

 

Es war, wie wenn sich auf einmal eine Dunkelheit ausbreitete und wir alle auf irgendeine Weise, vielleicht der momentanten Befindlichkeit entsprechend, damit in Berührung kamen. Als ich vom See zurückkehrte und kurz danach noch einmal hinausging, um mein Phone an einem kleinen Kiosk aufladen zu lassen für die nächsten Monate, setzte sich ein Mann mit einem Koffer neben mich, der mir irgendwie bekannt vorkam. Er wartete offensichtlich, bis es bei mir klickte, aber es klickte nicht, stellte sich aber heraus, dass er vor vielen Jahren schon einmal hier war und ein guter Freund des Mannes war, mit dem ich ein paar Jahre in Kathmandu zusammengelebt hatte, und damals dabei war, mein Leben neu zu gestalten. Nun saß hier dieser Mensch wie ein Gepenst aus vergangener Zeit und begann, mir eine Geschichte nach der anderen zu erzählen mit der Frage, ob ich mich erinnere. Er hatte unendlich viele Erzählungen über mich auf Lager und sagte, ich wäre selbst in New York in Künstlerkreisen eine Legende. Das konnte ich erheiternd finden, in irgendwelchen Köpfen eine Legende zu sein. Inzwischen war die Nachricht von der Bombardierung der indischen Armee in Pakistan durchgedrungen. Die Männer waren guter Laune, werden Hindus doch häufig von Muslimen alg kampfunfähige Schwächlinge gesehen.  Dann wurde ich plötzlich in das naheliegende Hotel einer mir bekannten Familie gerufen, um dort eine junge Israelin davon abzuhalten, aus dem Fenster zu springen. Das Zimmer war im zweiten Stock, und als ich sie zurückdrängte vom Fenster, blickte ich unten auf eine Menge aufgeregter Gesichter, die halb hofften, halb fürchteten, dass es ihr gelingen könnte. Im Zimmer waren überall Scherben und Blutstropfen. Sie fand ihr Leben wertlos und sah keinen Sinn darin, es weiter zu bewohnen. Nach ein paar Stunden wusste ich, dass hier professionelle Hilfe gefragt war, und es fand sich ein angenehmer junger Mann, der auf dem Heimweg nach Israel war und sich bereit erklärte, sie dorthin zu begleiten. Als sie durch ein organisiertes Beruhigungsmittel in Schlaf fiel, ging ich zu meiner Freundin Lali, um bei einem Chai selbst etwas zu entspannen. Sie war aber noch angespannter als ich, denn in ihrer Familie wurde gerade entdeckt, dass die Frau ihres Neffen Gift gekauft hatte und sagte, sie wolle ihre Kinder damit umbringen. Endlich konnte der Vater bewegt werden, die Einweisung in eine Anstalt für möglich zu halten. Ich fing an zu frieren. Von überall her schien ein kalter Wind zu wehen, der kalte Wind menschlichen Leidens, das einen so oft ohnmächtig verstummen lässt. Ich fand vor allem am Abend des schwer wiegenden Tages berührend, dass alle indischen Frauen, die ich näher kenne, mit mir Kontakt aufnahmen, weil sie wegen der politischen Entwicklung besorgt sind. Ich dachte an den Begriff des Papstes, den er durch die Reden einiger Frauen bei der Anti-Missbrauchskonferenz gefunden hatte und ihn als “ Mysterium des Weiblichen“ prägte. Vielleicht ist in der Tat das Mysterium des Weiblichen, das sich durchaus auch in Männern manifestieren kann, dass wir uns sorgen um den Erhalt des Lebendigen, denn  wenn es zerstört wird, ist alles verloren. Dann weiß man nicht mehr, was oder wer nur noch herumgeistert, und was oder wer noch am Leben aktiv beteiligt ist mit dem ausgerichteten Willen, diese Kostbarkeit vorhandener Zeit wertschätzend zu erhalten und zu gestalten, für jedes Lebewesen, und auch für sich selbst.

Kriegsgelüste

Seltsam, sich (mich) in einem Land aufzuhalten, dessen Bevölkerung  gerade Kriegsgespräche führt, die nicht viel von hoher Diplomatie ahnen lassen, sondern eher begleitet vom Druck, endlich ein anderes Land auszulöschen, das vielen ein Dorn im Auge war und ist, nämlich Pakistan. Die „bösen“ Pakistanis. In einer befreundeten Familie treffe ich einen der Brüder, der mir erklärt, sie bräuchten jetzt Krieg, das Maß sei voll. Ich versuche zu scherzen und drücke meine Hoffnung aus, noch rechtzeitig aus dem Land zu kommen, bevor das, was er sich erträumt, losgeht. Oh, keine Sorge, sagt er, das dauert keine fünf Minuten, dann gibt es kein Pakistan mehr. Eine Bomben-Lösung also, die mich fassungslos zurücklässt. Es nagt an mir, und so gehe ich heute früh zurück. Er ist gerade aufgestanden und wäscht seine Hände. Hast du schon mal dran gedacht, dass bei deiner „Lösung“ eine Menge Frauen und Kinder sterben werden?, frage ich. Natürlich werden auch eine Menge Männer sterben, vor allem auch welche, die alles andere wollen als ausgelöscht werden von einer weiteren Zusammenballung des kollektiven Wahnsinns, so als hätte man die Folgen davon nicht schon gnügend beobachten dürfen. Es zeigt doch vor allem die Hilflosigkeit und den Unwillen einiger Menschen, um nicht Männer zu sagen, sich ernsthaft mit den seit Jahren brodelnden Spannungen auseinander zu setzen. Mit den Religionen vor allem und ihren unverrückbaren Gesetzen etc., aber ach!, schon breitet sich eine Komplexität aus wie ein Fächerwerk aus Spinnweben, immer wieder neu geflickt, immer wieder neu erfunden, immer wieder neu in die Irrgärten des menschlichen Geistes getrieben. Das Komplexe, das nicht nach Klarheit verlangt, sondern eine Anhäufung wird von politischen Druckmitteln, wo es um Macht geht und nicht um Menschenleben. Die Vorstellung, dass gerade Indien, das Land, wo wir alle hingepilgert sind wegen seiner archaischen  bzw. anarchischen Gelassenheit, dass gerade dieses Indien mit der langen Liste der Friedenswilligen- und kämpfer, wenn auch auf seltsame Arten und Weisen, dass diese Hindus also tatsächlich bereit wären, einen Krieg zu führen, das ist schon einen Gedanken wert. Es gab schon einmal einen Krieg zwischen Indien und Pakistan, er dauerte zum Glück nur 5 Tage. Ich saß im Goldenen Tempel von Amritsar, wo ein blinder Mann schöne Lieder sang, und das Gold des Tempeldaches war wegen des Vollmondes verhangen mit Sackleinen. Ich war entspannt damals und dachte na ja, wenn’s denn jetzt sein soll, dann wenigstens am Wasser der Unsterblichkeit sitzend in Begleitung der schönen Sängerstimme. Jetzt will ich nicht von so einer grenzenlosen Dummheit einiger Weniger mir mein kostbares Schicksal kürzen lassen, aber aufgeregt bin ich jetzt auch nicht. Besser, es gab Alarmbereitschaft auf den Flughäfen, dann sind wenigstens nicht alle beim Teetrinken oder ein bisschen eingenickt, wie man es dort unter Dienstleistern oft beobachten kann. Aber auch wach: was sollen sie machen, und was sollen w i r machen, die wir danach dann mit Air India über Pakistan fliegen. Das Wort „Shanti“, Frieden, war eines der beliebtesten Worte der Inder. Sie waren stolz auf ihr Shanti-Sein, und es gibt auch noch viele, die beunruhigt auf das Nicht-Shanti-Sein schauen, so als hätte es sich eingeschlichen als ein Virus, der auch gerne mal mit westlichem Einfluss verbunden wird. Eine Krankheit, die man nicht wollte, die aber jetzt da ist, weil man selber ein Nutznießer davon wurde. So spielen Macht und Geld im Kinderzimmer des Menschseins weiterhin eine große Rolle. Jetzt sitzen schon Sechsjährige da und jauchzen erfreut auf, wenn sie in ihrem Spiel auf dem Smartphone des Vaters einen Menschen umgelegt haben, wie ich beim Butter-Einkauf beobachten konnte.
Das ist ein Nachtrag: war gerade draußen und habe gehört, dass Indien heute früh um 3 Uhr Ziele in Pakistan gebombt hat…Stolze Gesichter. Ich bin erschrocken.

Das Bild oben war ein termitenzerfressenes Teil, das ich unterwegs  wegen der schönen blauen Krone mitgenommen habe und es mit meinem Indigo etwas neu gestalten wollte. Es blieb aber dunkel und passt ganz gut zu den verhangenen Gefühlen, die den Islam umkreisen.

 

können

Als ich gestern irgendwo diesen Satz von Anna Achmatowa las, war ich berührt von der Tiefe dieser einfachen Antwort. Erst später fiel mir ein, dass ich die dazugehörige Geschichte schon einmal gelesen oder gehört hatte, und habe sie dann auch gefunden. Mit einem Freund sprach ich später am Telefon über die Schönheit und Güte, die manche Menschen ausstrahlen können, wenn sie einem Grauen begegnet sind, das keinerlei Hoffnung mehr zulässt, und dann, eines Tages, nach all dem, was nie vergessen werden kann,  sie vielleicht  wieder einen Vogel singen hören, oder sie lassen sich wieder ein auf das Wagnis,  einem Menschen zu trauen, weil sie nicht anders können. Vor ein paar Tagen war ich bei Shivani zu Besuch, sie vermietet 5 Zimmer an Reisende. Ein  alter, würdig wirkender Mann aus Israel, der mit seinem Sohn unterwegs war, kam zu meiner Überraschung auf mich zu und fragte mich, wo ich herkomme. Ich merkte, wie es (mir) unmöglich war,“Deutschland“ zu sagen, ohne ihm zu vermitteln, wie dankbar ich bin, in diesem Dorf Menschen aus Israel zu treffen, um vielleicht  wieder gemeinsame Erfahrungen machen zu können mit einem menschlichen und achtsamen Umgang. Er erzählte mir, dass er jedes Land in Europas bereist hat, aber niemals mehr einen Fuß nach Deutschland setzen würde. Ich hätte gerne mehr mit ihm geredet, aber es wurde auf eine unheimliche Weise klar, dass trotz einer Wärme, die sich durchzusetzen versuchte, ein Gespräch nicht wirklich möglich war. Über den Holocaust? Kann man darüber reden? Viele haben darüber geredet, viele haben dann doch noch Worte finden können. Immer wieder bemerke ich, dass ich Menschen anrege, Worte zu finden für das, was innen in ihnen vorgeht. Wie kann man sich kennen lernen, wenn man nicht Wege und Pfade sucht und findet, die zumindest in die Nähe des eigenen Aufenthalts führen, sodass man über das eigene Denken und die eigene Sprache etwas von sich und den Anderen erfährt. Auch Liebe, finde ich, hat etwas Nüchternes an sich. Man nimmt sich ernst gegenseitig und will verstehen, wie und wer der oder die Andere ist. Diese Mühe, sich selbst treu zu sein, und auch den anderen Menschen sich treu sein lassen, das ist ja vielleicht die Bedeutung des Wortes Auseinandersetzung, die einem ermöglicht, den Anderen in seinem oder ihrem eigenen Licht zu sehen, und nicht gefärbt von der eigenen Vorstellung. „Ja, ich kann das“, sagte Anna Achmatowa so klar und sicher auf die Frage der Frau, die im starren Schrecken dieser Situation kurz wieder zum Leben erwachte. Da ist jemand, der es ausdrücken kann. Der Worte findet für das Unsagbare. Man vermutet es kaum, dass es genauso schwer ist mit dem Schönen und Guten auf der Erde. Wie Nelson Mandela in seinen berühmten Sätzen sagte, dass wir noch nicht einmal wissen, wie das geht. Und uns so oft beunruhigen lassen von den dunklen Geschehnisse auf diesem Planeten,  und eben auch nicht wissen, wie wir den unermesslichen Reichtum beschreiben können, in dem wir uns täglich bewegen, in der Grundausstattung der Bühne sozusagen: Bäume, Himmel, Wasser und Luft. (Sterne, Meere, Wolken, Tiere, Menschen!) Um wahrnehmen zu können, was uns an bewusster Gestaltung möglich, und was uns nicht möglich ist, aber dennoch zur Reifung unserer Menschlichkeit beitragen kann.

Anna Achmatowa

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Frage & Antwort an Anna Achmatowa:

„Und das können Sie beschreiben?“

Und ich sagte:
„Ja.“

 

 

In den schrecklichen Jahren des Justizterrors unter Jeshow habe ich siebzehn Monate mit Schlangestehen in den Gefängnissen von Leningrad verbracht. Auf irgendeine Weise »erkannte« mich einmal jemand. Da erwachte die hinter mir stehende Frau mit blauen Lippen, die meinen Namen natürlich nie gehört hatte, aus jener Erstarrung, die uns allen eigen war, und flüsterte mir ins Ohr die Frage (dort sprachen alle im Flüsterton):
»Und Sie können dies beschreiben?«
Und ich sagte:
»Ja,«
Da glitt etwas wie ein Lächeln über das, was einmal ihr Gesicht gewesen war.“[5]

pilgern

 

Am Samstag wird besonders viel gepilgert, weil Menschen dann, wenn sie sich sie nehmen, Zeit haben zum Pilgern. Man würde sich wünschen, dass so ein Ausflug dann viel Freude bringt und vor allem einige Abwechslung, vermutlich ein Grund, warum man die pilgernden Frauen mehr redn und lachen hört als sonst, aber meistens wirkt es eher angestrengt. Schon das Packen der Tasche, weiß man ja aus Erfahrung, hat viel Grübeln gekostet. Während die westliche Frau einen Bikini in eine Taschenecke schieben kann, braucht die indische Frau schon zum Baden vier aufwendige Kostümteile, deswegen werden es auch meistens zwei Taschen, die unter Atemnot die vielen Treppen hinauf-und hinuntergeschleppt werden. Meistens tragen die Frauen die Taschen und reichen daraus dem Ehemann, was er braucht. Daran sieht man, dass sie auch seine Taschen packt, denn er weiß gar nicht, wo seine frischen Sachen stecken, und wann sie gewaschen und eingepackt wurden. Der Mann im Bild reist allein, deswegen trägt er allein, was er braucht. Was diese Stecken in seiner Hand bedeuten, weiß ich leider nicht, aber für meine Augen sieht er aus wie ein Pilger, den man in jedem Zeitalter genau s o hätte beobachten können. Man müsste vielleicht die Taschen herausnehmen und in Stoffbehälter verwandeln, und auch in den Taschen nachschauen, wo die Plastiktüten alles Mögliche beherbergen. Noch gibt es ein paar Dinge, die nicht aus Plastik sind. Zum Beispiel die 200-bis 300 Jahre alten Ahnenbücher, die die Brahmanenpriester mit sich herumschleppen, um die Namen der URURURURUR-usw- Ahnen zu suchen und, o heilige Macht des Wunders, auch finden. Es gibt hohe Ordnungen, von denen man wenig oder keine Ahnung hat, und manchmal lege ich auch im Anblick solch einer Rarität die Hände zusammen und lasse Andere wissen, dass ich staune. Die Pilger und Pilgerinnen, die sich meistens nur einmal im Leben zu so einem mit Bedeutung vollgepumptem  Ort aufmachen, lassen überall eine Menge unterschiedliches Zeug zurück. Die Säuberungskräfte (Sweeper-Kaste) haben vor allem am Wochenende alle Hände voll zu tun. Manchmal liegt ein Bh. oder eine Herrenunterhose auf dem heiligen Pfad, daneben die neue Schachtel, aus der das Vorgedachte entfernt wurde, das andere zurückgelassen. Auch um die Bäume herum wird es voller, denn  beim Murmeln wird allerhand gespendet, man kommt ja nicht gerne mit leeren Händen zum heiligen Stammbaum. Und von wem und wo soll man besser die Söhne wünschen, wenn nicht hier, oder mal mit sich selbst sein und herausbekommen, wie man so ist. Das ist sicherlich auf dem Jakobsweg auch nicht viel anders. Endlich kommt man mal etwas zu sich. Eine Vermutung, denn ich war noch nicht dort, habe aber wie alle, die ich kenne, zumindest mal damit geliebäugelt, Jakob hin oder her. Klar, die Leute wandern auch ohne himmlisch bewerteten Urgrund, und man erwartet nicht von Joggern, dass sie in eine kleine Kapelle am Wegesrand einkehren möchten. Aber Pilger schon. Ab und zu so ein Kirchlein, das hebt doch etwas im Inneren empor, man weiß nicht mehr genau, was, aber wen kümmert’s. Auch ich könnte mein Herumgehen hier Pilgern nennen, auch wenn mich kein Abbild mehr in irgendeinen Ort hineinzieht, außer es besteht ein direkter Zusammenhang. So besuche ich manchmal den Pandit, der sein neues Amt in einem Krishna-Tempel ausübt und mir, die ich draußen auf den Stufen sitze,  signalisiert, dass er gleich Zeit  hat für unsere Unterhaltung. Ist es nicht ein bisschen langeweilig, habe ich ihn mal gefragt, und er meinte, dass das, was er da tut, er nur für den Gott tun kann. Ich gewöhne mir das Nachbohren hier immer mal wieder etwas ab. Das Leben selbst, mit oder ohne Gottesstätten, kann man ruhig auch eine Pilgerreise nennen. Je leichter das Gepäck ist, desto müheloser lässt sich wandern, kein Zweifel. Und wenn man etwas Glück hat, lernt man sich ein Stück besser kennen.

lieben

Manchmal werde ich von Pilgern oder indischen Touristen gefragt, was mir an Indien oder wie mir Indien gefällt. Das ist eine Frage, deren Antwort mir erst klar wird, indem ich höre, was ich sage. Ich lasse sozusagen meinen Geist entscheiden, was der adequate Einfall gerade sein könnte, oder es kann auch so sein, dass ich aus meinem reichhaltigen Erfahrungsschatz schöpfe, das reicht nicht nur bis zu meiner zeitlichen Segnung (!), sondern jeden Tag kommt was dazu. Auch kann man sich bei etwas, das man oder den oder die man liebt, leicht überfordert fühlen bei der Frage, denn man wird der Liebe selten gerecht, wenn man sie auseinandernimmt. Doch kommt man mal in Schwung, kann einem doch sehr viel einfallen. Und je mehr einem einfällt, desto klarer wird einem, dass man etwas oder jemanden liebt, denn offensichtlich bereitet es einem ein gutes, wohltuendes Gefühl, wenn etwas Derartiges aus einem hervorgelockt wird, und man freut sich am eigenen, glaubwürdigen Klang. Derart wurde ich z.B. gestern von einem indischen Ehepaar interviewt. Ja, die Architektur, klar, die eine Art himmlischen Frieden einkreist, so, als wäre man auf einmal beim Zugang zur See-Ebene  in eine andere Zeit versetzt. Jeden Tag öffnen sich hier Herzen beim Anblick des Schönen. Und wenn sie von Brahmanen betrogen werden, was häufig vorkommt, setzt tiefe Enttäuschung ein. Auch dieser Inder war enttäuscht, weil ein Priester ihm einen unanständigen Betrag aus der Nase gezogen hat, dabei soll man für die Puja, das Ritual am See, geben, was man will und kann. Er ist aufgebracht und gar nicht so willig, in meine freudige Beantwortung seiner Frage einzusteigen, sondern sucht eigentlich Mitschimpfer. Aber ich bin schon in Fahrt. Ja, sage ich, man könnte alles wegpusten, und trotzdem würde man spüren, dass es ein kosmischer Knotenpunkt ist, eine tief atmende Stelle im All, da würden sich wieder welche niederlassen wie einst, um in Höhlen ringsum zu erforschen, wer in ihrem Körper wohnt, und wer wo wirklich zuhause ist, und ob es außer dem Unfassbaren überhaupt ein Zuhause gibt, das nicht von Vregänglichkeit gezeichnet ist. Undsoweiter. Aber dann würde einem ja alles andere fehlen, was man auch liebt: die Marmorstatuen z.B., die achtlos herumstehen, wenn sie in geringster Weise beschädigt sind, was die meisten sind, siehe oben in meinem Bild. Es zeigt einen der 4 Köpfe von Brahma im Profil, und diese fehlende Hand. Aber wer ist der dunkle Gott im Hintergrund, der tröstend seine Hand an die Stirn des Schöpfers legt (mmmh?). Das liebe ich auch sehr, dass ich sehen kann, was ich sehe. Jetzt fühle ich mich auch frei genug, um manchmal an heiligen Plätzen, wo jeder Pilger Zeug lassen kann, das ihm wichtig scheint, ein paar Dinge zu bewegen, damit etwas Neues entsteht. Manchmal empfinde ich den Ort als eine außerordentlich fordernde Universität, wo einem nichts anderes übrig bleibt, als sein Bestes zu geben. Aber dann ist es auch ein paradiesischer Kindergarten, wo viele schönen Elemente für alle (Menschen)- Kinder zum Spielen vorhanden sind. Ja, die Liebe ist groß, die Liebe ist schön, was fällt mir nicht alles über sie ein, auch wenn es wahr ist, dass man manchmal erstaunt einen Flügel hebt, wo es schmerzt, und siehe, da rinnt aus einem ein Blutstropfen, und wenn man kann, dann findet man auch den noch schön.

bhakti

Dieses ‚Bhakti‘, wie die Hingabe an einen persönlichen Gott (Ishtadevata) in Indien heißt, kann auch einem unfrommen Menschen wie mir durchaus das Herz berühren, wenn auch nur für kurze Momente. So wollte ich heute (sehr) früh mal in den Himmel schauen nach wilden und windigen Tagen, da fiel mein Blick auf einen Mann, der auf dem leeren Platz vor einem Tempeleingang die Schuhe auszog und auf die Kniee fiel und mit seiner Stirn minutenlang den Boden berührte. Das Bild strahlte so eine Innigkeit und Bescheidenheit aus, das hat etwas Berührendes, zumindest für mich als Beobachterin einer inneren Haltung, die durch nichts zu ersetzen möglich scheint als das Verhältnis ‚kleiner Mensch zu großem Gott‘, warum ich es auch nicht förderlich finde. Es gibt offensichtlich einen Halt, wo sonst keiner ist, so, als könnten Menschen untereinander diesen Halt nicht geben und finden, und das ist, was mich persönlich mehr bewegt als alle Ishtadevtas der Welt. Eigentlich sind die Devtas gar nicht als Götter gemeint, sondern werden auf einer anderen Ebene des indischen Denkens als Aspekte des menschlichen Wesens gesehen, also als das, was der Mensch selbst über bestimmte Wege erreichen kann, wenn es denn gewünscht ist. Offensichtlich gibt es auch unter Westlern einen unersättlichen Hunger nach Gottesanbetung, und in untereinander erschaffenen Kreisen werden die indischen Götter besungen, Om Namo Shivaya, Hare Krishna, Hare Ram. Nun müsste man natürlich zustimmen, dass so ein gemeinsamer Gesang an die jeweiligen Götter gerichter nicht wirklich jemandem schadet, und es ist sicherlich gesünder als in einem Video-Game menschliche Figuren zu jagen und zu erschießen, wie es die indische Jugend gerade liebt, aber bei beiden Tätigkeiten kann man nicht wirklich von einem Erwachen reden. Beides ist ein Hineinschlummern in eine ‚virtuelle‘ Welt, wobei der Begriff für beides gut taugt, einmal als ‚virtue‘, also Tugend, und dann als virtuelle Geisterbahn, wo real Vorhandenes vermieden werden muss, will man das erwünschte Gefühl erzeugen und erhalten. Die Handhabung des Ichs (Ego) ist keine kleine Sache. Wie kann ein Ich vergehen wollen, wenn es doch voll ist von sich, vor allem vom Gutsein und Guttun voll, da fehlt mir persönlich die Liebe für die dunklen Strähnen im Gewebe des Seins, ohne die das Licht nur eine flache Ebene anbieten kann, in dem selbst das OM, gerne der Ursound genannt, sich verliert im Bedeutungslosen. Es ist doch der Mensch, der seine Begrenzungen durchbrechen kann und unser Bewusstsein kann sich in jegliche Richtung erweitern. Und der Geist, der ein Gespür hat für die eigene Freiheit, kann die Flügel ausbreiten und sich den Kräften und Fähigkeiten zuwenden, die dem individuellen Wesen entsprechen. Und dann kann, o pausenloses Mysterium des Seins, das Sebst sich erkennen und sich (zum Beispiel) unterscheiden lernen vom Ich.

Super-Schnee von gestern

Das war doch wieder so ein Klassiker: in der ‚Times of India‘ stand gestern ein halbseitiger Artikel über die unter keinen Umständen zu verpassende Besonderheit dieses Vollmondes, ein Super ‚Snow‘ Moon‘, ja, selbst schuld, wer d e n verpasst, denn der oder die muss  bis  2026 warten, bis so einer wieder geboten wird am Himmelszelt. Man zählt heimlich an den Fingern, ob man das noch schafft zeitlich, aber wer will schon warten bis 2026, man dachte ja schon gestern, er sei voll, aber nein, dann noch voller und leuchtender und der Erde sehr nah, das will man doch erleben, denn der Artikel vermittelt einem das Extra Special. Ein indischer Astro-Photograph (!?) wird mit der einleuchtenden Bemerkung zitiert, dass er groß sein wird, dieser Mond, aber nicht so blutrot wie der letzte hochkarätig gehypte Superrotblutmond, weil es ja keine Finsternis gibt. Ach so. Keiner aber erklärt, wo der „Schnee“ im Schneemond herkommt, nur, dass er in manchen Kulturen ’snow moon‘ genannt werden soll. Ah ja, mmh. Astrophysiker, liest man weiter, nennen ihn auch einen perigean full moon, und man lernt weiter, dass das ein Vollmond ist, der da ist, wo der Satellit am nächsten zur Erde kommt in seinem ‚elliptischen Orbit‘, wofür ich, wegen der korrekten Schreibweise, meinen Translater bemühen muss, abgesehen vom nicht stattfindenden Aha. Und dass an der Küste Fluten zu erwarten sind. So, nun ist man präpariert für etwas Bewegendes und man, beziehungsweise ich mache mich auf zur höchsten Terasse, die ich kenne, und von der ich gleichzeitig die Vögel im Auge habe, die wegen der neuen, scheußlichen Nacht-Beleuchtung um den See herum auch nachts wahrnehmbar sind. Ich bin auch die Einzige, die den Mond anstarrt, der mir wegen der paar Zentimeter, die er größer sein soll, jetzt nicht viel anders vorkommt als die anderen Vollmonde. Ich hole Maat, eine spanische Fashion-Designerin, zum Hinstarren, aber sie tut mir zuliebe so, als sähe sie auch was Größeres, will aber lieber über ihre Probleme mit den Schneidern reden und die 100 Designerteile, die bis Ende Februar in Spanien eintreffen müssen, und dass ihr das Wasser bis zum Hals steht. Ich selbst bin gerade etwas unzufrieden mit der Qualität meiner Smartphone-Kamera, die aus dem Nichts kein Mehr machen kann. Aber siehe da!, als ich meine Bilder, die sich von der Umgebung des lunaren Aufstiegs und dem Leuchtschild des Hotels ‚Nirwana‘ schwer trennen ließen, als ich also das, was möglich war, nachher anschaute, gefiel mir am meisten das Licht auf dem Harlekin-Haus, das man oben hoffentlich sehen kann, oder sehe nur ich es und freue mich über eine der mysteriösen Befindlichkeiten, die uns Menschen ergreifen können, z.B. darüber, dass ich diesen Ausdruck eines Gebäudes nie hätte sehen können ohne den Supersnowmond. In der Nacht kam starker Regen, und ich fürchtete schon um die letzten paar Pelikane, die noch am Wasser ausharren und  auf Fische warten, oder auf Zeichen des Abflugs. Aber sie waren noch da. Alles war noch da, und auch ich war da.

vastukala

  1.  
‚Vastukala‘ ist das Hindi Wort für Architektur, die Kunst also (kala), Architektonisches zu gestalten. In den Ländern, in denen man mit viel Sonne rechnen kann, lassen sich andere Projekte verwirklichen. Eine meiner schönsten Visionen, als ich hier ankam, war, in die Wüste auf einem weiträumigen Gebiet eine Anlage zu bauen, die nur aus Podien, Säulen und Treppen besteht. In einem Tempel, in dem ich etwas später landete, fand ich die Vision auf eine  andere Art schon bestehend, allerdings als Banian-Baum, von dem ich ein paar Jahre das Holz für mein Feuer holte auf Ästen, die wie Straßen waren, die zu mächtigen Säulen führten, die das ganze lebendige Wunder stützten, ja, der Baum selbst ein Pilger war, der sich über die selbsterzeugte Kunst weiterbewegen konnte, da er nur aus Säulen bestand. Und wo auch immer er landete, war er ein schattenspendendes Reich für die Anwesenden. So hatte ich mir das auch vorgestellt: überall Treppen in ein scheinbares Nichts, und einladende Plätze für die Ankommenden, und Säulen, an die man sich lehnen kann, und schattenspendende Bögen, und Wasserbecken, alles aus demselben Stein gehauen. Aber auch das ist schon da. Hier am See haben Könige ihre kostspieligen Strukturen  errichten lassen, natürlich auch, um in der Nähe des Weltnabels einen Badeplatz zu haben, und als die aristokratische Welt zerfiel, entstanden viele leere Räume und Hallen und Treppen, die nun alle für die Pilger zugängig waren und sind. Ein paar Hotels haben sich durchgesetzt am Wasser, aber, wie ich höre, soll auch das aufhören. So sehr man allen Menschen das Herumsitzen-und laufen an schönen Orten gönnt, so sehr kann man auch die Einheimischen verstehen, die langsam erkennen, dass es durch den heißersehnten Tourismus auch beträchtliche Verluste zu tragen gilt. Man erkennt, dass es kein Zurück mehr gibt, nicht, dass es jemals eins gab. Auch meine Antike ist hier. Ich bin es doch, die seit Äonen hier herumgeht, und wenn nicht jeder Stein, jede Ritze der alten Marmortreppen meine Liebe gespürt hat, dann kommt noch ein Tag, wo es möglich ist, bis eines Tages auch meine Asche hier ankommen wird, sagte ich heute früh zu dem Pandit, der sich in der Nähe meines Platzes um den Tempel kümmert. Dann sinkt auch meine Pilgerschaft in den schwer definierbaren Zustand (weil er noch nicht erschlossen ist). Und ja, ach, die Vögel ziehen davon, und auch dadurch komme ich ihnen nahe, dass ich mich bereit mache zur Rückreise, zum Flug.

Luft

Was der P.M. auf dem Kopf trägt, habe ich nicht herausfinden können, denn ich erkenne jetzt, wenn ein Hindu etwas nicht weiß, aber mit tödlicher Sicherheit einen Staat nennt, wo dieser Vogelkopfputz seiner Meinung nach herkommen könnte, z.B. aus Assam. Offensichtlich stört es aber den P.M. nicht bei einer seiner Reden, die vor Kurzem noch hoch geschätzt wurden, nun aber in Wirkung nachlassen, da er seine oratorische Kunstfertigkeit auf Beschimpfungen der Gandhi Familie konzentriert. Rahul Gandhi ist allerdings auch nicht viel geschickter, wenn er ihn heimlich vernichten will mit einer großzügigen Umarmung, die er öffentlich als ‚Liebe‘ deklarierte. Nun ist aber dieser Terrorangriff passiert in Kaschmir, und der Hass auf Pakistan nimmt beunruhigende Formen an. Alles wird hochgeputscht, auch die Toten, die man auf einmal Märtyrer nennt und ‚Bravehearts‘, und ‚Helden‘, dabei saßen sie nur in einem Bus und wurden getötet von einem radikalisierten Jugendlichen. Man spürt eine Kriegslust in der Luft vibrieren und kann nur hoffen, dass es genug Willen gibt, es auszutarieren. Die wilde Gerüchteküche ist eröffnet. Manche sind sicher, dass Donald Trump Waffen an Pakistan liefert, andere glauben gar, Modi stecke dahinter, um sein Image durch Handhabung der Krise aufzupeppen. Ein wirklich schreckliches Bild erscheint in der Zeitung von Frauen aus der Familie des Täters, die sich mit Schleiern aus dem Blickfeld des Photographen herauswinden, und man ahnt, was die Zukunft für sie bereithält. Man kann auch bemerken, dass die praktische Vernunft nachlässt. Ein Mann wurde entlassen, weil er dafür plädierte, nicht alle Menschen aus Pakistan als Terroristen zu stempeln. Ich sinniere mit einem Brahmanen herum, wie es möglich ist für einen jungen Kerl, der mal ins College ging, so radikal zu werden, dass er bewusst all diese Menschen in den Tod fahren kann. Man kann sich ja nicht wirklich daran gewöhnen, weil es schon so oft passiert ist. Fliegt man bald mit einem indischen Flieger über Pakistan hinweg, spielt der Geist automatisch einige Szenarien durch, bis man ihn zur Ruhe ruft. Viele denken, dass das Versprechen, dass dort in einem muslimischen Himmel, wieviele waren es doch gleich, 72 oder 27 Jungfrauen auf den Bomber warten und ihm schöne Stunden bescheren, eine große Anziehung auf den potentiellen Täter ausübt. (?) Neulich hat mir eine indische Freundin eine pakistanische Komödiantin vorgestellt auf dem Smartphone, die vermutlich nicht mehr in Pakistan lebt, sonst wäre sie schon tot. Sie hat in ihrer Show behauptet, eine Jungfrau zu sein, denn kein Muslim würde sie je heiraten, weil sie spricht. Sie sagte, sie wäre nur stark beunruhigt, weil sie, käme sie im Himmel an, vielleicht mit einem Suizid Bomber schlafen müsste. Aus manchen Ländern kommend, kann es, auch wenn es nicht der eigene Geschmack ist, sicherlich befreiend wirken, krasse Aussagen zu machen. Einst waren sie Brüder, die Hindus und die Muslime, bis eines Tages durch das ignorante Eingreifen der Engländer Züge mit Toten hin-und herfuhren. Auf beiden Seiten herrscht das Unversöhnliche. Man wünscht sich einen Zauberstab zum Wegpusten von so manchem Festgefahrenem. Aber es werden nur Seifenblasen, und man lässt die Ketten der Hoffnung fahren und konzentriert sich auf das Wesentliche, zuweilen auch ‚das Profane‘ genannt. In jedem Falle das Da, zu dem Zugang ermöglicht ist.

 

Edna St,Vincent Millay

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Glaub mir: sind je die Brücken dieser Stadt
mit ihren makellos gebauten Türmen
genommen, fällt die Festung ein, dann hat
kein sterblich Dach mehr Raum, mich zu beschirmen;
nicht Ast noch Zweig soll mich verbergen, wenn
der Ost, der Nord mich peitschen, und ich werde
kein Reisig reiben und entflammen, denn
mich wärmen nun die Wunder dieser Erde.
Nimm du ein Schiff zu neuen Ufern und
denk nicht an mich, ist es einmal geschehn!
Ich bleibe, teile den Ruinengrund
mit Dächern (einst von See her weit zu sehn)
und bettle im geborstenen Entrée
Gespenster an… geschlagene Armee.

 

 

samstags

 

Eigentlich hatte ich den Eindruck, heute schon genug Samstagisches, heißt hier ‚Saturnisches‘ bzw Shani (sches) erlebt zu haben, als sich dieser verdunkelnde Aspekt dann doch in den Tagesteppich hineinwebte. Samstags gehe ich automatisch am Shani-Tempel vorbei, wo Rosen und Hibiskusblüten dem tiefdunklen Stein einen blütigen Blutstropfeneindruck verleihen. Manchmal lächle ich auch in mich hinein, wenn ich sehe, dass in dem Satz, der  da steht, noch immer das „nicht“ verblasst ist, das ich einmal mit einem kleinen Stück einer schwarzen Plastiktüte zugeklebt habe, das „nicht“ also aus dem Satz ‚Frauen ist der Zugang da oben auf dem schwarzen Podium nicht erlaubt‘. Nicht, dass ich je raufwollte, es war nur das Verbot und die Aussagen der Priester, dass Frauen nicht die Kraft hätten für diese Energie. Wie dem auch gewesen ist und sei, so wurde ich später nach meiner Rückkehr vom Vogelrausch durch eine extrem schreiende Stimme ans Fenster gelockt und schaute dort einem Mann zu, der offensichtlich verrückt war oder geworden war. Manchmal entgleist hier auch ein Alkoholisierter, aber das war ganz anders. Eine unbändige Energie, die sich  Luft machte und in keine Normalität mehr einzureihen war. Einmal ging er bedrohlich auf einen alten Mann zu, der immer wieder, wenn er zu nahe kam, die Hände zusammenlegte und kein Wort sagte. Ein anderer Mann auf einer Vespa kam vorbei und wollte ihn mitnehmen, das war nicht möglich. Er nahm sich überall, was er gerade wollte zu essen und zu trinken, und schrie unentwegt vor sich hin. Die Foreigners, die vorbeikamen, warfen neugierige Blicke auf den Vorgang, liefen aber rasch weiter. Ich war verblüfft, wie viele Einheimische ihn einfach ignorierten. Es soll irgendwo einen Platz geben, wo Verrückte untergebracht werden, aber ich habe noch nie jemanden gekannt, der einem Anderen oder Angehörigen das antun würde. Man schaut, ob es sich aushalten lässt und ob es für Menschen nicht gefährlich wird. Ansonsten kann der Zustand sich auch ausleben, ich habe tatsächlich einige zurückkommen sehen. Irgendwann verschwand die Stimme, aber neue, ungewöhnliche Töne tauchten auf. Da ich inzwischen unterwegs war, kam ich an einer großen, aufgeregten Versammlung vorbei, in deren Mitte eine Fahne verbrannt wurde, und Pakistan gemeinsam verteufelt. Ah ja, fiel mir ein, ein junger Mann fuhr einen munitionsbeladenen Wagen in einen Bus in Kashmir und riss über 40 Menschen in den Tod. Einige der Toten waren hier aus der Gegend. Kerzen wurden verteilt und flackern immer noch vor sich hin. Indien beschuldigt Pakistan, an dem Anschlag beteiligt gewesen zu sein. Das gegenseitige Blutvergießen höret nimmer auf. Das Eine ist, die Welt zu erfahren und zu verstehen, das Andere ist, das Selbst zu erfahren und zu verstehen. Und bei allen Selbsthilfegruppen und Selbsthilfebüchern und Selbsterforschungen, die überall zu finden sind, kann es einem einleuchten, warum die Wege mal getrennt wurden. Es schien, als könnte man das Jeweilige nur mit ganzem Einsatz tun. Nun kann, wer möchte, beides in das eigene Dasein integrieren. Vielleicht müssen neue Wege gefunden werden für die Lockerung des Trennenden unter Menschen, das zum Großteil aus Meinungen und Vorstellungen besteht. Und Räume können entstehen, wo man einfach sich selbst sein kann. Dann weiß man ja endlich, was es ist.

vor Ort

 

Wenn die ersten Anzeichen meiner Rückkehr in den Westen sich zeigen, taucht die ganze Tiefe durchlebter Erfahrungen noch einmal auf in ihrer ganzen Pracht. Ich kann es nur von dieser simplen Stelle aus, wo ich sitze, allen Anwesenden von Herzen wünschen, dass sie außer dem Ort, den sie als ihr Zuhause betrachten, noch auf einen Ort treffen, den sie als ihr Zuhause empfinden, wenn auch vielleicht auf ganz andere Art. Ein Ort, der aus einem hervorlocken kann, was man auch ist, aber die entsprechende Umgebung braucht, um einen Ausdruck dafür zu finden. Viele Dinge, die ich hier als natürlich empfinde, sind an der anderen Stelle nicht mal denkbar. So laufen hier draußen schon am Morgen Hunderte von in sich gekehrten Menschen herum, die alle den Ort preisen, weil sie ihn für tief bedeutsam halten, und so ist er es auch. Die tiefe Bedeutsamkeit wird einerseits durch die Legenden genährt, andrerseits gefällt es den Menschen offensichtlich, zu loben und zu preisen, wenn etwas ihr Herz berührt. Von dem Ort, an dem ich jetzt noch (ach, wie viele Tage sind es noch, zählen die Finger) bin, wurde einst in verschwundenen Tagen gesagt, er wäre schwer zu erreichen, und als ein Glück zu betrachten, wenn er erreicht werden kann. Deswegen kommt es ab und zu vor, dass ein Brahmane mir zumurmelt, ich sei nicht nur lucky, sondern very very lucky, dass der Ort mich an sich genommen hat. Nahe dran, ihn verlassen zu müssen, war es vor Jahren regelmäßig, wegen Visaproblemen oder neuen Ideen der Regierung oder des Bürgermeisters, wie man die Flut der Hereinwandernden kontrollieren und ordnen kann. Nun muss ich dazufügen, dass trotz all meiner auch von mir so wahrgenommenen Luckyness eine ebenso große Freude in mir auftaucht, in das westliche Zuhause zurück zu kommen. Klar wäre das schön, wenn dort auch alle täglich die Umgebung besingen würden, als gäbe es nichts wohnlich Lebenswerteres auf der ganzen Welt, aber vielleicht wird es ja gefühlt und weniger gesungen. Die Lieder auf den Lippen sind auch hier am Aussterben, obwohl ich nachts manchmal einen Singenden höre, der auf seinem Motorrad durch die Stille braust und sich von irgendeinem Gott seine Angst nehmen lässt. Zwei Orte zu kennen, die einem entsprechen und gute, ausgewogene Wirkungen in einem hervorrufen, halte ich für günstig und zeitgemäß. Es muss ja kein fernes und fremdes Land sein, und auch keine zwanghaften Hautbräunungsorgien müssen stattfinden oder was auch immer, nein, es kann ein einfacher Fleck sein, der inneres Wohlbefinden hervorruft. sodass man in die Erfahrung kommt, von beiden Feldern befruchtet zu werden und die Extreme der dualen Erscheinungen sich ausloten und das Lebendige in einem erzeugen können. Und lucky, ja, very, very lucky, in dieser Zeit auf dem Planeten geboren zu sein, wo so vieles möglich ist, was vorher nicht möglich war. Und mehr.

gesprächig

Das Bild zeigt drei Ebenen indischer Alltäglichkeit: die frei herumtrabenden Kühe, der schlafende Sadhu, hingegossen wie einst Shiva, der  unschuldige Herr persönlich, und dann darunter eine der namenlosen Gesichter und Geschichten, die die Seinsweisen der Menschen und ihre Wahrnehmung davon dokumentieren in den monsoongezeichneten Mauern. Was die Gespräche betrifft, mit denen ich in Kontakt komme, so sind sie sehr unterschiedlicher Art. Obwohl es sicherlich stimmt, dass Frauen gerne als schweigende Utensilien im Haushalt der Männer gesehen werden, so kenne ich eher indische Frauen, die im Redefluss kaum zu bremsen sind, und das Hindi wie das Englisch pistolenartig aus dem Mund schießt. Es geht auch um viel, und meistens darum, wie willkommene Arbeit zu balancieren ist mit bedrohlich sich nähernder Heirat. Ist die Heirat einmal da, fehlt den Gesprächen jegliche Aufmerksamkeit, da ringsum immer was passiert, mit was man zu tun haben scheint. Da ich bemüht bin, die Trennung zwischen Familienpfad und, ja, wie nennen wir ihn, den anderen Pfad, der Pfad also, der einen so gründlich wie möglich durch das Dickicht illusionärer Erscheinungen führen soll, zum inneren Kern sozusagen, und womöglich noch darüber hinaus… ja, eigentlich habe ich diese Grenze nie wirklich empfunden und habe die klare Einstellung, dass alles, was in der einen Seite gesammelt werden kann an tiefen Eindrücken, auch in der anderen Seite  seine Entsprechung hat. Dann gibt es die Gespräche, die sich draußen ergeben. Ein Brahmane, den ich schon viele Jahre kenne, setzt sich zu mir an einem der Nachmittage, an dem ich mir einen speziellen Platz gesucht habe, um meiner Pelikan-Leidenschaft zu frönen. Harmlos streift das Gespräch übers Wasser dahin. Auf einmal, man weiß nicht, wie es kam, kommt der Brahmane in Fahrt. Ich habe wohl unmerklich den Eindruck erweckt, dass ich weiß, um was es hier geht. Er beginnt, sich über Brahma, den Schöpfer, auszulassen. Ich muss meine Augen von den Pelikanen losreißen und auf eine Ameise schauen, von der er mir erklärt, Brahma würde auch ihr Karma erschaffen, er erschafft schlicht und weg alles, was auf diesem Planeten kreucht und fleucht.  Diese Momente sind mir vertraut und ich ich lande im Staunen. Diese vollständige Abwesenheit eines Zweifels ist beeindruckend. Er erklärt, dass bislang Brahma 4 Köpfe hatte, also ringsum Köpfe, und dass bald ein fünfter dazu kommt, nämlich oben auf dem Kopf, wo noch Platz ist. Mein sich vertiefendes Schweigen muss eine Anregung hervorgerufen haben, und ich drifte in meine eigene Story ab. Wie ich einst im Tempel von Brahma herumsaß und mich fühlte wie eine Tochter, die vorzüglich für ihren Freiheitsdrang und den Fleiß ihrer Bestrebungen vom Herrn Vater geschätzt wird, und zack!, landet man (bzw. ich) in der Biografie und seinen vitalen Lösingsvorschlägen, die oft genug, lässt man sie zu, von kreativer Erfindungfskraft zeugen. Der Geist lässt sich nun willentlich  zurückführen in das immer noch laufende Gespräch, das nun von Vishnu erzählt, der endlos lange mal meditiert hat, bis  Brahma aus seinem Nabel emporkam, in der Hand das von keiner Weisheit der Welt je übertroffene Wissen. Ich lächle. Wir sind beide ein bisschen gereist, und während in meiner Welt kein Brahma mehr agiert, ist er für ihn wesentlich. Geht doch.

dankbar

Indien ist berühmt dafür, dass alle Augen alles anschauen, was vorüberzieht, was nicht bedeutet, dass etwas gesehen wird, wie es ist, sondern die global verbreitete Gewohnheit ist ja, dass man die Dinge aus der eigenen Welt sieht, wobei das Resultat von der Schulung des Auges abhängt. Aber auch ein Resultat muss es ja gar nicht geben. Wenn ich irgendwo mit einer Idee in die Stadt gehe und nach ihrer Umsetzung suche, interessiert mich das Phänomen des grenzenlosen Einkaufs nicht, sondern ich verfolge ein bestimmtes Ziel. Als ich gestern  nach oben schaute in die Wolkenbildung, hat mich dieses Gesicht angesehen, das auch nicht jeder sehen muss. Ich dagegen liebe solche Bilder, weil sie mir zeigen, wie Götter zustande kamen. Man wollte sie, man wollte gesehen werden, wenigstens von diesem einen Auge. Und dieses eine Auge kann einen wirklich überall anschauen, im Mauerriss, in der Tapete, im Wasser, im Feuer, in den Zweigen, aus den Tieren, aus den Menschen. Vielleicht reicht da was nicht, oder reicht es nicht mehr. Wenn zu viel göttergehimmelt wird, beginnt irgend etwas, gefährlich zu werden, und manche Gehirne sehen, wie leicht es ist, Schafherden zu erschaffen, weil Menschen verlernt haben, ihrem eigenen Blick zu trauen. Oder lernen wir es erst jetzt? Vielleicht stimmt es ja, dass das Erwachen des Bewusstseins einfach ein Teil dieser Zeit ist, der Kosmos sozusagen zu sich selbst erwachend, als hätte was geschlafen wie ein großes, in unbewussten Gewässern schwimmendes Ei/I/Eye. Ein Ich, ein Ego, das sich als sich selbst erkennt und dadurch erst erwacht zu sich selbst. Erst verschwindet das Komplizierte, und das Komplexe gewinnt an Reiz, bis auch der verblasst. Man erfreut sich zum Beispiel an wohlschmeckenden Erbsen oder am großen Wasauchimmer, da das Lebendige tatsächlich überall mitspielt. Man darf nicht vergessen, wir sind hier auf Myrtlok, dem Planet der Toten. (Und der Tod: Schlafes Bruder. Das fällt doch auf, wenn erwacht wird!) Wie ein Traumgebilde schiebt sich das gemeinsame Wesen lange und unbeirrt durch die vage vermutete Realität, in der wir uns jeweils befinden, und die akzeptierte Norm wurde irgendwie abgenickt, damit sie stattfinden kann. So, wie in der Psyche die Wahrnehmung vorhandener Dunkelheiten aufrütteln und im Auge ein Licht erschaffen kann, um es zu beleuchten, so kann das ungehemmte Spiel von verwegener Ignoranz, dem man begegnet in bestimmten Zeiten der Weltpolitik, den Einzelnen aufrütteln, sodass eine angenehme Ausgleichung entsteht, die einerseits die Freude an der eigenen Sicht ermöglicht, und andrerseits die Dinge und Wesen sein lassen kann als das, was sie gewählt haben zu sein. Und dann d a s: wie alles einfach i s t. Heute war ein schöner Spruch vom Buddha in der „Times“, und zwar sagt er ( in meiner Übersetzung (des Übersetzers)), man soll dankbar sein, denn auch wenn man heute nicht viel gelernt hat, so hat man doch ein bisschen was gelernt. Und wenn man kein bisschen was gelernt hat, ist man wenigstens nicht krank geworden. Und ist man krank geworden, so ist man zumindest nicht gestorben, deswegen dankbar sein.

verpassen

Es ist ja so, dass der Geist sich an königlichen Ausdrucksformen egal welcher Art erfreut, was keineswegs heißt, dass es langweilen muss oder Betrübnis hervorrufen, wenn gerade keine Pelikane zur Verfügung stehen, um einen inneren Begeisterungsschwung zu erleben. Mir fielen andere Momente ein, die gut belichtet im Raum der Erinnerung schweben. Einmal im deutschen Sommer saß ich im Gras (ohne Buch oder Notizbuch), und mein Blick sank in die Geschäftswelt kleinster Geschöpfe ein. Ungeheure, akrobatische Leistungen wurden hier vollzogen, und man bedenke, was es heißen kann, von einem Grashalm zum anderen zu kommen, immer umringt von schwer einschätzbaren Gefahren, und diese Tapferkeit und dieser Fleiß, und dieser Überlebenswille, der sich hier mächtig ausdrückte. Dann der ewige Nu in der Wüste, als ich mich zum (indischen) Pinkeln im Sand niederließ und dort eine millimetergroße Oase entdeckte, auf die ich nur aufmerksam wurde, weil ein winziges Tier einen langen Schatten warf, dessen Spur ich verfolgte. So etwas geschieht meist nur einmal, diese Ergriffenheit im Angesicht des Lebendigen, ausgelöst durch eine konzentrierte Wahrnehmung. Deswegen danke ich auch gerne, wenn es mir einfällt, dem phantastischen Plan, wo immer er herkommt, und ich denke oft, dass es nichts Wesentlicheres gibt, als in den vorüberhuschenden Stunden und Tagen und Jahren die Wahrnehmung des Daseins zu schulen. Sein ist Wahrgenommensein. Es stimmt in jeder Hinsicht, dass der Geist, der wahrnimmt, auch wahrgenommen wird. Wieder fällt mir der Satz der einstigen Meditationslehrerin ein, ‚dass man sich auch verpassen kann“. Kann man sich verpassen? Als ich heute um den See ging (eine Insel von schlafenden und vollkommen regungslosen Pelikanen driftete auf dem Wasser), lief vor mir ein indisches Pilger-Ehepaar. Sie wollte gerne auf die andere Seite zu der berühmten Brücke, aber er sagte, er könnte doch auch ein Photo davon machen, und das Widersprechen hatte sie wahrscheinlich gar nicht erst angefangen oder gelernt. Schau mal, sagt er zuhause, wenn nach , sagen wir mal 3000 Bildern, auch dieses Bild auftaucht. Sie erkennt auf dem Bild, wo sie hinwollte, aber dadurch war sie leider nicht da. Das Gefangensein in den menschlichen Konstrukten und der damit verbundene Glaube, dass es so sein muss und nicht anders sein kann, führt zum Verlust des eigenen Erlebens und der eigenen Wahrnehmung. Und ja, das Leben hat auch für die meisten Menschen eine angenehme Länge, in deren Zeitraum man schauen und sich schulen kann darin, was man damit macen möchte und auch macht, auch wenn es Anderen nicht immer einleuchtet oder vernunftsgesteuert vorkommt. Aber, auch das wurde oft schon beklagt, dass gerade dann, wenn man ein ‚inkling‘, also eine leise Ahnung davon hat, wie es sich für einen selbst mit dem Steuer und dem Kompass in der Hand anfühlt, die Zeit auch eine Neige vermittelt und ein unvermeidliches Ziel, das noch zu erreichen und zu bewältigen ist. Alle gefühlten Dinge werden dann günstigerweise im Raum der Erinnerung wie  leise dahingleitende Pelikane anwesend sein, so still und in sich ruhend.

satt

Eine Berauschung, wie ich es gerade mit den Pelikanen erlebe, kann als vorübergehende, leichte Erkrankung empfunden werden, für die ich das Wort ‚Pelikanitis‘ geprägt habe, auch wenn es wenig weitere Fälle geben wird. Dieser leise Anflug einer erhöhten Empfindung bis zum zwanghaften Eingrenzen der weiteren Wahrnehmung ist sicherlich eine der Zutaten der Leidenschaft, die bekanntlich Leiden schafft (Erotik des Leidens), auch wenn eine gewisse Süße mitschwingen kann, die von der Ahnung verschwindender Dinge singt, zum Beispiel einen Fado: ach wie schön war dieses Leiden, als mein ganzes Herzensblut sich in einen Flügelschlag ergoss. Mein Flügelschlag? Oder der Genuss des Grenzenlosen, wenn es klar wird, dass es bei aller Mühsal nicht wirklich greifbar ist, was wir sind, was ich bin. Sind die Beflügelungen, die gerade durch meine Hand und den Pinsel an Schultern auftauchen, ein verwandelter Ausdruck meiner Pelikan-Studien? Ihre Schwingen im Äther, wenn dann meine Beflügelung auf die ihre trifft. Oder halte ich augenblicklich einen Ort für möglich, in dem nichts sich ausschließt, aber alles ganz und gar sich selbst ist. Putten und Erzengel zum Beispiel, die verschiedenem Geschmack großzügig gerecht werden. Nähe und Ferne, gut dosiert, damit einen das Ungereimte nicht unnötig anzieht, und dass man frei bleibt von followers und following. Da alles, was man zu sich nimmt,  seiner Natur gemäß immer komplexer wird, kommt automatisch im Bewusstsein die Frage auf, wie es zu Vereinfachung kommen kann in jeder Hinsicht. Wie für alles, so gibt es auch hier unzählige Wege zu dem, was dabei erreicht werden möchte. Wenn die Methoden der Vereinfachung sich mit dem eigenen System verbinden, kann man sich auf eine große Entspannung verlassen. Sie wiederum ermöglicht, dass man, um bei meinem Beispiel zu bleiben, einerseits an den See gehen kann, um weitere Tiefen der Beglückung auszuloten, und andrerseits ist man auch durch tiefe Nahrungsaufnahme in einem Sattsein gelandet, wo das Genügen Raum gibt für weitere Unermesslichkeiten.

Das Bild zeigt einen mit Tränen geschmückten  Erzengel

Pelecaniformes

Pelikane

Die Pelikane (Pelecanidae, Pelecanus) sind eine Familie und Gattung von Wasservögeln und Namensgeber der Ordnung Pelecaniformes. Sie sind bis auf Antarktika auf allen Erdteilen vertreten. Ihre Gestalt und vor allem ihr sehr dehnbarer Hautsack am Unterschnabel machen sie unverwechselbar.

Als Symbol für Jesus Christus sind Pelikane auch Teil der christlichen Ikonographie.[14] Nach dem Physiologus, einem frühchristlichen Tierkompendium, öffnet sich der Pelikan mit dem Schnabel die eigene Brust, lässt sein Blut auf seine toten Jungen tropfen und holt sie so wieder ins Leben zurück. Dies wurde allegorischin Bezug zum Opfertod Jesu Christi gesetzt, wodurch der Pelikan zu einem in der christlichen Ikonographie häufig verwendeten Motiv wurde. Als Symbol für Christus und die Eucharistie findet er sich oft auch auf Vasa sacra wie dem Kelch, dem Ziborium, an Altären und Tabernakeln.

Die Grundlage für diese Vorstellung liefert möglicherweise die Tatsache, dass sich die Jungen des Pelikans ihr Futter tief aus dem Kehlsack der Eltern holen, was den Eindruck erweckt, sie würden sich an deren Brustfleisch nähren. Außerdem färbt sich beim Krauskopfpelikan während der Brutzeit der Kehlsack rot und erinnert an eine blutige Wunde.

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Für weitere, hochinteressante Informationen über Leben und Wesen der Pelikane empfehle ich das Himmelszelt Wikipedia, wo man sehr viel über Pelikane erfahren kann. Unvergleichlich kostbar ist natürlich, sie direkt vor der Nase herumfliegen-und schwimmen zu sehen auf gemeinsamem Fischfang. Das obere Photo ist vom heutigen Morgen.

selbst

Mit demselben unermüdlichen Blick, mit dem ich mich  von den sprachlos machenden Formationen der Pelikane vereinnahmen lasse, sodass ich schon die superbe Technik ihrer geneinsamen Bewegungen nachempfinden kann, mit der sie das begehrte Objekt ihres Tanzes, der Fisch, einander zuspielen und einkreisen, und verspeisen, mit demselben Blick schaue ich auf diese Frage der Selbsterkenntnis, und hindurch, und außen herum, und gemessen an wahrnehmbaren Realitäten, und wieder zurück zu den Wahrscheinlichkeiten mit ihren Varianten der Darstellung. Die neulich durch äußere Anregung bei mir aufgetauchte Frage, ob das Erkennen des Selbst „genügt“, fand ich zuerst gar nicht so schwer zu beantworten.  Weil: genügen? Wem soll es genügen oder nicht genügen, das Selbsterkennen. Dass man auch die Sprache für sich selbst immer mal wieder entstauben muss und hinterfragen, ist auch angebracht. Und dann mit Anderen: meinen wir dasselbe mit den benutzten und oft ausgeleierten Worten, von denen wir annehmen, wir wüssten alle, was sie bedeuten. Das Phänomen des Menschseins ist ja zweifellos, dass das Instrument des Bewusstseins überhaupt zu seiner und ihrer Verfügung steht, und ein Großteil der Freiheit, für die ich plädiere, ist, dass ich mein Instrument einsetzen kann, um Erkundungen einzuholen über das, was ich in mir und außerhalb von mir vorfinde. Ich musste wieder einmal an die Menschen denken, mit denen ich in Kontakt kam, als ich längere Zeit dort in einem Tempel saß, allerdings mit Papier und Stift gewappnet  Die meisten dieser Menschen, um nicht Männer zu sagen, saßen abends bei Gelehrten herum und nahmen ohne Einschränkung die Weisheit tiefer und zeitloser Lehren auf, ohne auch nur die geringste Bildung zu haben wie Lesen und Schreiben. Sie wussten aber vom Besten, was Menschen als Wissen angeboten wird, oft mehr als ich, die ich die Dinge nur vom Lesen kannte, sie aber durch mühsame Bewusstseinskanäle schleusen musste, wo sie auch noch nach Einsicht aussortiert wurden etc. Diese Menschen, die damals solcherart waren, erinnern mich an die Pelikane. Es gibt ihn also, diesen einfachen Zustand, bei dem man von einer Seinsqualität sprechen kann. Nur hängt das Erleben vom Kollektiv ab. Löst das Kollektiv sich auf und zerfällt in einzelne Individuen, müssen diese Einzelnen ihr Bewusstsein aktivieren, um durch das Auflösen der Ordnungen, also das Chaos, navigieren zu können. Man könnte das Selbsterkennen grundsätzlich als einen Luxus bezeichnen und möglichst nicht als ein Resultat der Wissensgier wie z.B. bei Adam und Eva, die das Paradies, wo auch immer es gewesen sein mag, deswegen verlassen mussten. Es ist interessant, dass in den alten Geschichten, die in der Welt als unumstößlich verklickert und gepredigt werden, oft ein Fluch vorkommt, mit dem etwas in Schach gehalten wird. Das Wissen zum Bespiel. Du darfst nicht (selber) wissen, sonst kannst du nicht kontrolliert werden. Wenn wir realisieren, dass wir uns nur selbst erkennen können, hört das Besserwissen irgendwann auf. Auch sind ja die, die man die Sucher nennt, schon zahlreich auf dem Weg, und klar, wer gründlich sucht, der findet, und auch ohne Klopfen kann eine Tür sich öffnen. Man muss ein bisschen zäh sein und dran bleiben. Und genügen? Warum sollte es nicht bereichernd sein für einen selbst und die Anderen, wenn man weiß, was für ein Schiff man fährt, und mit was es ausgestattet ist. Auch verlässt der Pelikan manchmal die Anderen und fischt solo. Einmal saß Einer sogar ganz allein auf dem See. Dann kamen aber immer mehr zurück und es schien, als würde das ganze Universum im Atemlosen verharren, so vollkommen war ihr gemeinsames Spiel. Was sagt es mir?`Es sagt mir aus der Tiefe der Erfahrung heraus, dass es einen Ort jenseits des Wissens gibt, wo man sich einer gewissen Automatik des Seins hingeben und erfreuen kann. Das hat noch keinem geschadet.

bewegen

Das Bild zeigt einen sich ausruhenden Hund. Natürlich kann man es auch als ein Wandgemälde sehen, oder als Schiffe der Fremdlinge, die durch ein Irgendwo ziehen. Da die Zugständnisse, die Menschen an ihr Erleben machen, um einer Norm zu entsprechen, auf die man sich einigt, da also diese Zugeständnisse immer zu Gesellschaften und Nationen führen, und zu Gesetzen und Verpflichtungen, wird in diesem als notwendig betrachteten Experimentierfeld oft vergessen von uns allen, dass wir nichts anderes sein können als Wesen, die ein unbedingtes Recht auf Freiheit und die Gestaltung ihres Daseins haben, auch wenn das oft nicht so aussieht und auch nicht wirklich beigebracht wird. Einer Illusion, der man auch leicht verfällt, ist der Gedanke, dass die neuen Generationen immer Neues und Frisches erschaffen, das kann ich nicht wirklich sehen. Natürlich verändert sich auch automatisch alles, was sich bewegt, und selbst das, was sich nicht zu bewegen scheint, bewegt sich. Die Tatsache, dass und vor allem zu welchem Ausmaß diese neue Generation zum Beispiel in ihren Smartphones versinkt, sehe ich auch oft als eine Verlagerung der Anbetung, die man glaubt, dadurch verlassen zu können. Aber es wird meist nur verlagert und gar nichts verändert, es wird arrangiert geheiratet und zu den Schwiegereltern gezogen und endlos gelitten, und die Erotik des Leidens wird auch entdeckt. Doch, es gibt sie, vor allem auch in Religionen, wo Leiden etwas ist, was man durch Glauben auferlegt bekommt, und nicht erkennt aus der eigenen Erfahrung und ihren Zusammenhängen, dass der Weg frei gemacht werden muss durch Prüfungen, ja, die zu bewältigen sind. Keiner sagt, dass es leicht ist, aber am schwersten ist es wohl zu erkennen, dass man der Architekt der eigenen Bauweise ist. Ja, das Leben ist auch einfach gefährlich, und alles kann jederzeit passieren. Aber das Leben und das Know-How, wie man es lebt, sind ganz eng verbunden und wirken ständig aufeinander ein. Das ist ja gerade die Kunst, dass ich es kontinuierlich mit dem, was ich aus mir und meinem Schicksal gemacht habe, bewältigen muss. Ich muss das Labyrinth meines eigenen Wesens durchdringen und durchwandern, damit der Weg frei wird zu dem, was als Mich auf mich wartet, und die not-wendige Frage dazu, und der uralte Spruch im fernen Delphi. Wir schalten innerlich um und sehen in einer filmartigen schwarz/weiß Szene, die an Cocteau erinnert, überall auf der Welt Menschen herumstehen, die bei sich angekommen sind. Sie haben die dunklen Fäden ihrer Ängste losgelassen und sind bereit, im vollkommen Ungewissen anwesend zu sein. Jahrtausende ziehen vorüber wie mächtige Vögel auf den Wassern der Ewigkeit. Auf einmal kommt Leben ins Bild. Menschen fragen sich erstaunt, ob sie geschlafen haben.

gelassen

Dieses Bild hatte während seines Entstehens eine bedeutsame Wirkung für mich und auf mich. Da tauchte es noch einmal auf, das große Schwert. Wer liebt(e) nicht die Engel mit den Schwertern, die noch in den Kirchen zu finden sind und  auf den Gemälden, wenn Gerechtigkeit angesagt ist und die himmlischen Boten dafür eingesetzt werden und zuständig sind für ein machtvolles Einschreiten in den waltenden Irrsinn. Spätestens jetzt weiß man, dass sie nicht einschreiten. Oder lag darin auch ein unbewusstes Liebäugeln mit den Martial Arts Techniken, die eben gerade das Blutvergießen vermeiden sollen durch das tiefere Wissen und die Künste, die dahinter verborgen sind. Zuerst sollte also die Figur im Bild durchaus als Schwerttänzer erscheinen, und dann, durch mühsames Pinseln, versuchte meine Hand, das Wesen von der Waffe zu trennen. Auch Frieden ist nur wirksam, wenn er glaubwürdig ist, und wahrhaft friedliche Menschen sind rar, obwohl sich viele Menschen gerne als solche betrachten. Ich spürte eine starke Regung in mir, aus dem Schwertträger ein in sich ruhendes Wesen zu machen, der aber dem menschlichen Schmerz nicht ausweichen muss. Gestern war ich kurz im Haus einer indischen Familie, die noch alle Generationen beherbergt. Das alte Elternpaar sitzt abends regelmäßig vor dem Fernseher zusammen, während alles um sie herumwuselt mit Vorbereitungen für das Abendessen. Sie freuen sich, wenn ich vorbeischaue und wissen, dass das nicht lange ist, denn ich kann die Programme im Fernsehen nicht lange ertragen. Die Hände der Großmutter puhlen meistens Erbsen oder arbeiten an irgendeinem Gemüse, aber ihr Blick ist hypnotisch auf die flimmernde Fläche gerichtet, auf der sich unablässig die grausamsten Gewalttaten abspielen und Frauen unentwegt in Schluchzorgien verwickelt sind, deren Ursprung mir natürlich verborgen bleiben, da ich nicht auch noch da hochschauen will, wo das Gerät angebracht ist. Ich merke, dass es dem alten Herrn oft peinlich ist, und er stellt sich gern auf etwas Unterhaltung ein. So viel Schmerz!, sage ich, und so viel Grausamkeit. Seine Frau schaltet sich ein und meint, ja, auf der Erde ist sehr viel Leiden. Ja, sage ich, aber auch viel Freude. Da sind wir wieder beim Thema „sukh-dukh“, dem ständigen Hin und Her zwischen Freude und Leid. Muss es wirklich immer und ewig so sein, oder ist es nicht vielmehr eine traditionsgebundene Gewohnheit, sich in diesem Wechselspiel zu bewegen, als sei es die letzte vorhandene Wahrheit, dass der Mensch ständig hin-und hergewirbelt wird zwischen diesen zwei Möglichkeiten. Und ist das, was wir ‚erwachen‘ nennen, nicht auch ein Erwachen aus der Norm dieses dualen Denkens? Es kann nur ein innerer Zustand sein, der es ermöglicht, alles Vorhandene mit einer gewissen Gelassenheit zu betrachten, ohne ständig davon gebeutelt zu werden, aber auch ohne die Tatsachen zu ignorieren, die sich im Weltgeschehen und im Privatbereich offenbaren. Geht es doch immer um die Resultate einer Bewusstwerdung, die sich im jeweiligen Geschehen manifestieren. So freut es mich zu wissen, dass ich einerseits das Schwert führen kann, wenn es absolut notwendig ist, aber dass mein Geist sich ansiedeln möchte im Entwaffneten, das man auch die Gelassenheit nennen könnte, oder die Liebe.

 

definieren

Dieses Tuch, mit gut 10 Meter Länge, liegt schon seit Tagen herum und trägt da, wo es hinbewegt wird, manchmal auch zu vorsichtigen Schritten bei. Das menschliche Kopfschütteln, das für jeden von uns dazu da ist, sich ab und zu mal auslassen zu können über das, was jeder so als Dummheit oder Ignoranz der anderen Menschen bezeichnet , ist  aber als Grundhaltung  nicht zu gebrauchen, schon weil jeder davon ausgeht, dass man selbst da, wo Andere dumm erscheinen, es besser handhaben könnte, was nicht beweisbar ist. Sich ganz auf das Sein als lebendiges Vorkommen einzulassen, heißt ja nicht, dass man Meinungen züchten muss über die Dinge oder unbedingtes Wissen ansammeln, oder einschreiten in die Geschehnisse, sondern man sucht mit dem Auge vielleicht eher einen inneren Ort, der sich naturgemäß nicht definieren lässt, so, wie in letzter Konsequenz nichts Vorhandenes und Aufgetauchtes seiner jeweils gegebenen Definition wesensmäßig entspricht, sondern es ist die Sprachkultivierung unter Menschen, die merken, dass sie sich sonst nicht wirklich verständigen können über das, was sie im Inneren bewegt. Es ist auch bekannt, dass man ein ganzes Leben lang, wie auch immer lang das sein mag, sein Inneres von außen her nähren kann, ohne vielleicht zu wissen, dass es ein Inneres gibt. Oder das Innere wird einfach so mitgebommen, weil es ja immer da ist. Aber wie soll es, ohne aktiviert zu werden, ins Bewusstsein kommen? Das Aktivieren der Sicht im Hinblick auf ein Sehen von dem, was da ist, manchmal mit eigenem Kolorieren, dann wieder ohne, kann ja eine sehr große Freude sein. Zum Beispiel das blaue Tuch am No-Photo-Sign. Wer weiß schon, was passiert ist, außer den Eingeweihten. Ich habe dann auf dem Rückweg noch eine andere Art von Eingeweihtem getroffen, und zwar saß der Verstummte, von dem ich neulich schon mal erzählt habe, der Beweise hatte, dass Aliens seiner Wahrnehmung nach auf der Erde angekommen sind, er saß also auf einem Stein und ich fragte ihn in Englisch, ob er sie getroffen hat. Er sagte ‚Wahrheit ist Wahrheit. Wenn man die Augen schließt, verschwinden die Grenzen‘. . Er sagte es tatsächlich. Ich konnte nicht antworten, was auch? Aus welchem Ort heraus spricht er? Mir hat diese Übung immer gefallen, wo man sein Bewusstsein so weit dehnt wie nur möglich. Damit einerseits alles, was da ist, auch in einem selbst sein kann, und andrerseits diese immense Freiheit, mit allem Vorgefundenen angemessen umzugehen.

nachwehen

 „Amavash“
ist der Titel des Bildes. Ich habe es extra nicht „Neumond genannt, damit einem nur der Sound etwas sagen kann. Manchmal translatiere ich auch Worte auf meine Weise, wie ‚Ama‘ für Seele, und ‚vash‘ für waschen, Seelenwaschtag also. Auf jeden Fall hängt auch heute noch diese mondlose Schwere im Raum. Dazu ein sich aufwärmender Dunst, in dem man sich etwas somnambul vorwärts bewegt. Da fallen mir die beiden Hindi Worte ein, die ich gestern dazugelernt habe: das eine ist ‚bhed chaal‘, Schafsgang, und das andere ‚kachua chaal‘, Schildkrötengang. Also eher kachua chaal heute, was nicht sonderlich auffällt, da sich alle in dieser Gangart bewegen. Selbst die Affen sind spät, um ihre Bananen rechtzeitig vom Spender abzuholen, und da sie keine Uhr haben, kennen sie verlustreiche Verspätungen nicht oder nur durch ihre eigene Art und Weise. Auf dem See entdecke ich einen einzigen Pelikan, die Gruppe ist wohl weiter gezogen. Kein Pelikantanz mehr, nur Einer, der aus dem Tanz ausgetreten ist. Oder der hat sich auch nur verspätet, und die Anderen warten irgendwo in Leh auf ihn. Pünktlich zur lunaren Trübnis finden an einer bestimmten Stelle am See gleich zwei Exorzismen statt. Männer eines Dorfes bringen eine Person, die auf irgendeine Weise ausgeklinkt ist, und machen Sachen, die durch Austreibung und Bad helfen sollen.  Ich habe gehört, dass diese Anfälle oft  gefaket sind, aber heute trippelt einer der Männer kontinuierlich so schnell, und hüpft auf und ab mit so einer wilden Präzision, das bräuchte schon viel Üben, und gleichzeitig sticht der Mittelfinger seiner linken Hand ständig in die rechte Handfläche. Manchmal haben sie was Heiliges an sich, das erinnert einen dann an das, was heilig sein könnte. ‚Agenten Gottes‘ hat Meher Baba sie genannt, das kann einem dann kurz einleuchten. Was einem in Indien auch einleuchten kann, ist, dass langsam aber sicher etwas von diesem Wahnsinn und dieser Ordnung und dieser Zeitlosigkeit und der kosmischen Atma-Sphäre, und der hilflosen Ohnmacht im Angesicht des Unbewältigbaren und von diesem Schrecken zu wissen, was man weiß und zu hören, was man hört, und dann wiederum die ganze Skala der Selbsterfragung, zu der man, will man überleben, gezwungen ist, all das ‚Wie kann das sein, dass hier Tag und Nacht gebetet wird mit Materialien, die alle in Plastik verpackt sind und massenweise achtlos herumliegen neben den sakralen Aschehäufchen der gestrigen Puja, und dann immer noch die immense Zahl der abgetriebenen Mädchen, die nun als Untergeordnete und Eingeordnete fehlen undsoweiter, und das so endlos in alle vorhandenen Richtungen unter den planetarischen Einflüssen dahinwebend und von Künstlern und Künstlerinnen in ein verhältnismäßiges Verständnis gemorpht, wo man, wenn man Glück hat, auch mal beseligt ins Wortlose lauscht, dass also etwas von all dem  und unendlich vieles mehr als ein gewisses Etwas in einen einsinkt, das die Anwesenheit von logischer Sinngebung sprengt, dafür aber in einem entspannten Lächeln, verursacht durch einen automaisch sich formenden Salto Vivante, zu sich kommt, vielleicht noch ein bisschen zittrig auf den geistigen Beinen, aber schwungvoll durchaus, auch beim tiefen Durchatmen im Schildkrötengang.

 

ausdenken

Heute draußen ein ungeheures Gewühle von auswärtigen Pilgern und Pilgerinnen…irgendwas muss sein. Ich komme auf Neumond, da ich die feine Sichel schon gesehen habe, aber manchmal nicht weiß, wann es ab-oder zunimmt. Man staunt, wieviel Action gebracht wird. Ahnen und Totengedenken. Zufällig bin ich auch unterwegs mit aufgefädelten Rosen, um sie an die Hütte des neulich verstorbenen Eremiten zu legen, wo alles leergefegt ist, und im Innern der Hütte werden jetzt ein paar beschädigte Götterefiguren aus Marmor aufbewahrt, bis es vielleicht wieder eines schönen Tages jemand schafft, sich dort einzunisten. Ich bin schließlich jahrelang an ihm vorbei gelaufen und habe einen der klassischen Sprüche ausgetauscht, die hier so üblich sind. Aber man sieht auch nicht oft jemanden vor den eigenen Augen wirklich alt werden, und einerseits lebte er inmitten der Gesellschaft, und andrerseits völlig außerhalb von ihr in seiner eigenen Welt. Man konnte sehen, dass er an dem Punkt war, an dem Tod vermutlich keine so aufwühlende Vorstellung mehr auslöst, wohl einer der positivsten Aspekte von hohem Alter. Gleich fallen mir noch ein paar Tote ein, derer ich gedenken könnte, schließlich ist Amavash (Neumond), wo die  Weisen und Schweigenden vermutlich einst entdeckt haben, dass sich das Mondlose prächtig eignet zum Ehren der Toten. Auf jeden Fall besser als Rumgrübeln und sich im Zimmer verstecken. Und so konnte ich auch wegen der Menschenmenge das Photo oben machen von dem Bild, das mir schon neulich ins verblüffte Auge fiel. Es zeigt einen Avatar, also einen göttlichen Wiederkömmling, bei einer befremdlichen Handlung, die sich für eine Bildbetrachtung in einer westlichen Schule schlecht eignen würde. Ein vorbeieilender Einheimischer erklärt mir kurz in der üblichen Unverständlichkeit der Anekdoten, eben, dass er ein Avatar ist und beim Berühren des Fußes auf dem Kopf des Gebeugten etwas Unvergessliches geschehen ist in der Welt. Das genügte mir auch vorerst als Info. Mein Wissensdurst, darf ich feststellen, hat große Beruhigungen erfahren, was wiederum die Freude  und den Schrecken am Ideenreichtum der Menschen vertieft hat. Was kann man sich nicht alles ausdenken und alles Mögliche draus machen, was einem so gerade einleuchtet. Oder ausdenken und gezielt zur Verwirklichung treiben. Es ist der Geist als  Schöpfungsmaterie, der die Muster des Erdachten durchdringen oder auch auflösen kann. Ja!, und all dieses Gebundene und Gebändigte und Seelenberuhigende der religiösen Riten, durch was kann das je ersetzt werden. Durch was ersetzt man es selbst, wenn man bedenkt, dass neue Götter aufgetaucht sind, die erst als solche noch erkannt und benannt werden müssen, damit man das Ersetzte betrachten kann. Gestern saß ich in Begleitung einer jungen, befreundeten Inderin, einer Israelin und einer Spanierin am Tisch , und ich  konnte feststellen, dass mich das, was immer schon Themen waren und sind unter Menschen (zum Besipiel stressige Beziehungen), mich nicht so interessierte als das, was im Moment möglich war bzw. ist unter uns Menschen, wenn wir aufeinander treffen. Aus vier Ländern kommend z.B., was kann uns verbinden, damit eine Bereicherung stattfindet: zeitübergreifend, genderübergreifend, realitätswirksam, herzerfrischend. Why not?

Tamara Ralis

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Über verschiedene Wirklichkeiten

Die Psyche, als Mittlerin zwischen den Ideen und der konkreten Realität, macht keinen Unterschied, ob etwas in der Vorstellung geschieht oder in der Welt der bezeugbaren Erfahrungen.

So kann etwas auf einer imaginären Ebene erlebt werden, das als Kraft in die Welt der Tatsachen einfließt.

Ein Konflikt auf der Fläche eines Bildes ausgetragen und dadurch zu einer Form von Harmonie oder Dissonanz gebracht, muss im “ realen“ Leben nicht mehr stattfinden.

Im  Traum vermag sich etwas zu ereignen, das vorher  nicht möglich war. Es gilt nur, dem inneren Vorgehen die gleiche Gültigkeit zu geben wie dem äußeren Geschehen.

Doch existiert in uns auch ein Saboteur, der sich in keiner Weise mit nur inneren Erfahrungen abfinden will. Diese Stimme in uns möchte Beweise aus der fassbaren Welt und braucht Zuschauer als Zeugen und Mitspieler. Der Trieb, in Raum und Zeit zu verankern, was vorher als Möglichkeit in einer anderen Dimension schwebte und als Impuls ins Leben wirkte, führt in den Bereich des menschlichen Schauspiels. Die Bedingungen der realen Welt, Reviersinn, dein Besitz,  mein Besitz, Ursache und Wirkung –  treten an die Stelle der Freiheit.

Kunst bewegt sich auf der Ebene der Modell-Handlungen, egal, ob sie sich bildnerisch, wörtlich oder akustisch ausdrücken. Immer erscheint sie als eine unabhängige Welt, die, einmal formuliert, eine eigene Existenz  führt  – und durch eine Bewegung des Geistes erreicht werden kann.

Ob diese Kunstwelt von anderen besucht wird, ändert nichts an ihrem Sein. Von ihrem Ort des Entstehens im noch nicht Da-Gewesenen gehen ihre Kräfte aus und wandeln sich zu Zeichen, die uns von dem anderen Leben berichten, das wir auch noch führen.

 

 

 

bemerken

Was haben wir, beziehungsweise ich, denn so Bemerkenswertes  in der inneren Stille erfahren, sodass sich (m)ein ganzes Leben in diese Richtung orientieren und strecken konnte. Die unzählbaren Stunden in den Jahren, die wir zusammensaßen, bemüht um das, was uns als das Wesentliche erschien, gemessen an einer bestimmten Entscheidung, von der man wusste, dass sie für diejenigen, die Geschmack daran fanden, immer schon verfügbar war. Der Genuss der kosmischen Raumweite, in der nun endlich keine Spur von Begrenzung zu erfahren war. Das für viele schmerzhaft zu erlernende Sitzen im vom Westen so benannten „Schneidersitz“, in dem kein Schneider mehr sitzt, der aber als ideale Sitzform, in der der Körper sich selbst als eine Art Stuhlgerüst erfährt,  dadurch geistige Entspannung ermöglichen  kann. In meiner damaligen Praxis und der Praxis der Jain Yogis werden die Augen nicht geschlossen. Man lernt, sich  mit offenen Augen im Inneren aufzuhalten und dort zu stabilisieren. Ich erinnere mich aber auch an die Phase, in der berückende Phänomene stattfanden. Das kann dem seherischen Auge eine gewisse Ekstase verleihen, bevor man das Glück hat, darauf hingewiesen zu werden, wie trügerisch sich Phänomene gestalten können, und dass sie im Innenraum durchaus nicht erstrebenswert sind. Auf jeder Ebene denkt man gerne einmal, man sei auf das Wahre gestoßen, bevor es weitergeht, bis man zögert, ob es sich hier überhaupt noch um ein „Weitergehen“ handelt, oder vielmehr um den Aufenthalt in einem inneren, im Lebendigen sachte rotierenden Etwas, das sich mehr als eine Seinsweise darbietet als ein ichgesteuerter Lebenskampf. D e r allerdings kann nicht übersprungen werden, will man wissen, wie man da hinkommt, wo man letztendlich sein möchte. Ich denke, dass jeder Mensch, der eine bestimmte Entscheidung getroffen hat, wie er oder sie das Leben zu steuern gedenkt, eine tiefe Freude empfindet, wenn das gelungen ist. Da mir persönlich die Entscheidungsfreiheit mit dem, was Menschen auf diesem Planeten ermöglicht wird, immer immens vorkommt, frage ich mich manchmal, was wohl mit dem hohen Prozentsatz ist, der oft genannt wurde und wird, zu dem der Mensch noch nicht hingereift sei in seinem Potential. Ist es nicht so, dass es der „Raum/Space/Kosmos selbst ist, den wir verloren haben durch immer enger sich formierende Denk-und Materie Konstrukte und Produkte, die einem klammheimlich vorgaukeln können, man sei in erweitertem Space angekommen und würde dort zusammen einen neuen Weg bahnen, vorzugsweise mit Hilfe von künstlicher Intelligenz.  Intelligenz, die dringend neu definiert werden muss, will man dem Anspruch des Illusionären nicht in die Falle gehen. Letztendlich ist es der Geist, der Raum und die Zeit, die sich beugen und krümmen, und wer weiß, ob es hier einen Ausweg gibt.

staunenswert

Das Bild oben habe ich heute früh gemacht auf meiner Runde. Es war ein neu herumstehender, mit der beliebten orangenen Farbe bepinselter Stein, und dann dieses Bildnis darauf gesetzt, über das man denken kann, was man will. Ist man aber an der Erlernung des Staunens interessiert, ist Indien ein idealer Ort, eine Art lebendige Universität, wo sich die Fächer von selbst herstellen und darbieten. Es gibt schon den Lachkurs, und in Delhi habe ich in den Stadtgärten schon viele Lachkursler gesehen. Aber eine Staunensschule wird es wohl nie geben, denn es ist etwas, was man erfahren kann, aber nicht systematisch lernen. Fakt bleibt, dass man am Staunen interressiert sein muss, denn wie käme man sonst hinein. So leicht dahingesagt das Wort  auch ist, so bemerkenswert schwierig können die Bedingungen sein. Es gibt ja das helle und das dunkle Staunen. Obwohl…wie weit ins Dunkle kann ein Staunen gehen, ohne das Nektartröpchen der Kindlichkeit in den Labyrinthen der Machenschaften zu verlieren. Wenn das Naive sich einschleicht, kann es gefährlich werden. Man kann sich aber unterhaltsamen, eigens gestalteten Prüfungen unterziehen wie zum Beispiel um sich schauen und alles Staunenswerte wahrnehmen. Das Staunenswerte liegt doch auch im Wertfreien, den Blättern, dem Sand, den Wolken im großen Undsoweiter. Die Tiere natürlich. Auch die Menschen. Beim Hinausgehen am Morgen habe ich gesehen, wie der Besitzer von Babu, einem riesigen weißen Wuschelhund, dem kleinen braunen Affen, dem durch irgendeinen Unfall eine Hand verloren ging, eine Banane hinauf aufs Dach des Teeladens reichte. Ich hörte dann, dass der Kleine morgens erst weiterzieht, wenn er seine Banane hat.  Für ein halbwegs waches Auge ist es ja gefährlich, überall hinzuschauen, denn dann kann es passieren, dass man aus dem Staunen nicht mehr herauskommt und einen Faden braucht, um zum mühelosen Staunen zurückzukehren. Allerdings hatte ich auch gestern einen Anflug von dunklem Staunen, nur, um mal ein Beispiel, sozusagen aus dem nackten Leben, zu geben. In der Times war ein Artikel, der leicht zu überfliegen war, aber im Titel ungewöhnlicherweise mit „Women“ anfing. „Women can now work in underground coal mines“ war der ganze Titel. Ein Schatten legte sich leise über das Staunfeld. Frauen können also jetzt in unterirdischen Kohlenminen arbeiten. Dann ein Photo dabei von 3 sehr krank und lichtlos wirkenden Männern, die an riesigen Schubkarren tätig sind. Das Staunenswerte daran ist das Suggerieren der Worte, die einem einflößen, hier würde etwas Fortschrittliches in die Wege geleitet. Dunkles Staunen, nicht wirklich gesund, aber manchmal doch auch notwendig. Die unermessliche Möglichkeit des Menschen, zu allem fähig zu sein, macht oft den Weg frei vom Staunen zum Grübeln bis hin zum Kohlegrübeln. Dann ist es angebracht (und das ist auch zum Staunen), sich selbst durch Lichteinwirkung (von Smartphone bis Synapsenschalter) wieder in eine neue Spielfläche zu beamen, die einen zu neuen Abenteuern des Staunens führt.