Heute draußen ein ungeheures Gewühle von auswärtigen Pilgern und Pilgerinnen…irgendwas muss sein. Ich komme auf Neumond, da ich die feine Sichel schon gesehen habe, aber manchmal nicht weiß, wann es ab-oder zunimmt. Man staunt, wieviel Action gebracht wird. Ahnen und Totengedenken. Zufällig bin ich auch unterwegs mit aufgefädelten Rosen, um sie an die Hütte des neulich verstorbenen Eremiten zu legen, wo alles leergefegt ist, und im Innern der Hütte werden jetzt ein paar beschädigte Götterefiguren aus Marmor aufbewahrt, bis es vielleicht wieder eines schönen Tages jemand schafft, sich dort einzunisten. Ich bin schließlich jahrelang an ihm vorbei gelaufen und habe einen der klassischen Sprüche ausgetauscht, die hier so üblich sind. Aber man sieht auch nicht oft jemanden vor den eigenen Augen wirklich alt werden, und einerseits lebte er inmitten der Gesellschaft, und andrerseits völlig außerhalb von ihr in seiner eigenen Welt. Man konnte sehen, dass er an dem Punkt war, an dem Tod vermutlich keine so aufwühlende Vorstellung mehr auslöst, wohl einer der positivsten Aspekte von hohem Alter. Gleich fallen mir noch ein paar Tote ein, derer ich gedenken könnte, schließlich ist Amavash (Neumond), wo die Weisen und Schweigenden vermutlich einst entdeckt haben, dass sich das Mondlose prächtig eignet zum Ehren der Toten. Auf jeden Fall besser als Rumgrübeln und sich im Zimmer verstecken. Und so konnte ich auch wegen der Menschenmenge das Photo oben machen von dem Bild, das mir schon neulich ins verblüffte Auge fiel. Es zeigt einen Avatar, also einen göttlichen Wiederkömmling, bei einer befremdlichen Handlung, die sich für eine Bildbetrachtung in einer westlichen Schule schlecht eignen würde. Ein vorbeieilender Einheimischer erklärt mir kurz in der üblichen Unverständlichkeit der Anekdoten, eben, dass er ein Avatar ist und beim Berühren des Fußes auf dem Kopf des Gebeugten etwas Unvergessliches geschehen ist in der Welt. Das genügte mir auch vorerst als Info. Mein Wissensdurst, darf ich feststellen, hat große Beruhigungen erfahren, was wiederum die Freude und den Schrecken am Ideenreichtum der Menschen vertieft hat. Was kann man sich nicht alles ausdenken und alles Mögliche draus machen, was einem so gerade einleuchtet. Oder ausdenken und gezielt zur Verwirklichung treiben. Es ist der Geist als Schöpfungsmaterie, der die Muster des Erdachten durchdringen oder auch auflösen kann. Ja!, und all dieses Gebundene und Gebändigte und Seelenberuhigende der religiösen Riten, durch was kann das je ersetzt werden. Durch was ersetzt man es selbst, wenn man bedenkt, dass neue Götter aufgetaucht sind, die erst als solche noch erkannt und benannt werden müssen, damit man das Ersetzte betrachten kann. Gestern saß ich in Begleitung einer jungen, befreundeten Inderin, einer Israelin und einer Spanierin am Tisch , und ich konnte feststellen, dass mich das, was immer schon Themen waren und sind unter Menschen (zum Besipiel stressige Beziehungen), mich nicht so interessierte als das, was im Moment möglich war bzw. ist unter uns Menschen, wenn wir aufeinander treffen. Aus vier Ländern kommend z.B., was kann uns verbinden, damit eine Bereicherung stattfindet: zeitübergreifend, genderübergreifend, realitätswirksam, herzerfrischend. Why not?