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Die Bewegungen, Gedanken, Handlungen, Entscheidungen, Zustände und Befindlichkeiten, Ansprüche und Begehrlichkeiten eines jeden Menschen haben Wirkung. Auch wenn ein Mensch empfindet, keinerlei Wirkung zu erzielen, wirkt gerade dieser Zustand auf ihn und seine oder ihre Umgebung. Was wirkt ist die Angst, in der Bedeutungslosigkeit zu versinken oder ganz zu verschwinden, bis praktisch nichts mehr von einem da ist. Also, wenn wirklich nichts von einem da wäre, also von dem, was man für ein Ichsein hielt, könnte das eine sehr befreiende Wirkung haben, wäre da nicht diese Angst, alles zu verlieren. Und nicht nur sich selbst, sondern die Zusammenhänge, die man zwischen sich und dem Weltprozess geknüpft hat, der Teppich also mit den Mustern, die ich hineingewoben habe. Überall, wo ein Mensch lebt und auftaucht, hinterlässt er diese Muster in der Form der jeweiligen Verfasstheit. Natürlich werden wir auch gesehen und wahrgenommen, und es ist nicht unangebracht, die eigene Wirkung kennen zu lernen, günstigerweise über vertrauenswürdige Personen und Freunde, und es für möglich zu halten, dass die Einschätzung von der eigenen Wirkung sich sehr unterscheiden kann von dem, was andere an uns wahrnehmen. Bei aller Notwendigkeit von und Großzügigkeit gegenüber Bedürftigkeiten, so stehen sie doch häufig im Weg einer offenen Kommunikation, bei der man nicht fürchten muss, auf feinste und unauffälligste Weise gebraucht bis missbraucht zu werden, indem der Andere sich aufgefordert fühlt, sich um Bedürfnisse zu kümmern, die keineswegs seine oder ihre Sache sind. Andrerseits können sich auch Muster treffen, die sich prächtig komplementieren, der Eine braucht das Brauchen, der Andere das vermeintliche Geben, beides weiß sich zu tarnen. Jeder Spieler und jeder Spielerin muss oder kann oder sollte, wenn möglich, herausfinden, in was für Spielformen er oder sie seine oder ihre Handlungen einbindet, damit sie zur Geltung kommen. Man macht da oft gravierende Denkfehler und kann sich gar nicht vorstellen, was Menschen geistig und körperlich und psychisch alles brauchen, um zu einem einigermaßen erträglichen Wohlbefinden zu gelangen. Immer wieder wird dieselbe Medizin eingesetzt, von der man überzeugt ist, dass sie Hilfe bringt. Aber meistens bringt sie das immer wieder gleiche Musterbild des gewebten Teppichs hervor, und das Weben erzeugt auch wie automatisch wieder das Leiden, um das es hier geht. So muss man dann eines Tages genauer hinschauen und sich fragen, ob einem die Freiheit des eigenen Selbst wirklich so wichtig ist, wie man es gerne behauptet, so, als wäre das eine Selbstverständlichkeit, wo sich doch das Selbst gar nicht versteht. So taucht vor jedem inneren Auge das Zuständige auf. Es kann durch einen Torbogen in Delphi sein oder Seite 149 in einem Buch, dass ein unheimlicher Wind sich aufmacht und mit beunruhigender Gelassenheit die zerbrochenen Teile nicht mehr zusammenhält, sondern sie entlässt in das Wasauchimmer. Und etwas, das lächelnd hinterher schaut, spürt, dass das gut ist.
In einer Biografie über Sigmund Freud habe ich gelesen, dass es Freud einmal vorschwebte, Menschen durch die Psychoanalyse zu lotsen, die vor allem an ihrer Selbsterkenntnis interessiert waren, also sogenannte „gesunde“ Menschen, die bewusst reifen wollten, im Gegensatz zu erkrankten Menschen, die geheilt werden wollten von ihren unterschiedlichen Nöten. Bis heute verblüfft aber das Ausmaß des körperlichen und seelischen und geistigen Krankseins, sodass die Antwort auf die Frage „Wie geht es dir?, oder Ihnen, oder euch?“ eher auf einer etablierten Oberfläche herumhängt. Denn wer will oder kann schon glaubwürdig die Tiefen eines jeweiligen Gegenübers ausloten, wenn die Bedingungen dafür nicht gegeben sind. Die Grübeleien über das Menschsein sind zwar weiterhin hoch im Kurs, aber selbst Abgründe drehen sich im Kreis und wollen ihren Ausgang nicht preisgeben. Und kaum jemand hat die Zeit, sich um d a s zu kümmern, was im eigenen Kosmos vor sich geht, bevor er zur Blase schrumpft. Auch diese Art von Schrumpfung ist eine Krankheit, die nach Heilung ruft, also nach Atem und Befreiung und Befragung der eigenen Wirklichkeit, und ob sie dem entspricht, was ich mir für mich vorstellen kann. Und wie viele Abstriche von meiner Vorstellung tatsächlich nötig sind, damit es im Zusammensein weder zu Erniedrigungen, noch zu Kontrollen, noch zu Zwangshandlungen kommt. Um manche Dinge, die auf dieser Erde passieren, nicht aus dem Bewusstsein aussperren zu müssen, muss man psychisch und körperlich einigermaßen stabil sein, sonst vergisst man, zum richtigen Zeitpunkt die notwendigen Weichen zu stellen, damit man die Richtung nicht verliert, die einem für ein lebenswertes Leben wesentlich erscheint. Solange man noch kann!, und gerade nicht zu den Millionen von Schicksalsflüchtigen gehört, denen ihr Leben von einem zum anderen Moment entrissen wird, ohne dass jemand wirklichen Beistand leisten kann. Ja, der Krieg, und das Erschießen und das Ertrinken, und dann viele Männer, sehr viele Männer, die Kleinstkinder missbrauchen, so ist das, es ist nicht zu verkraften. Draußen eine paradiesische Fülle, der persönliche Mangel einschätzbar. Am Bug des Schiffes stehend, konzentriert sich die Autopilotin auf das Unwägbare, dem man nicht ausweichen kann.
Dunkel ist der Krieg. Niedrigste Ebene der Mystik. Mystisch aber bleibt es. Alle versuchen etwas zu verstehen, niemand kann es verstehen. Es entzieht sich auch der Erfahrung, obwohl man sich einer Erfahrung damit nicht entziehen kann. Immer mal wieder fragt jemand, warum es gerade dieser Krieg ist, der durch unsere Leben wandert, aber es ist ja immer e i n bestimmtes Ereignis, das auf einmal mehr Resonanzen bekommt als andere Ereignisse. Vielleicht schlägt ein unhörbarer Gong, vielleicht ist eine Grenze erreicht, die man entweder nicht mehr überschreiten möchte, oder die man endlich errichtet, um sich zu schützen vor dem, was einen angreift. Menschen können einem leicht unheimlich werden. Man muss vermutlich so früh wie möglich an einer grundsätzlichen Einstellung zu den Mitlebenden arbeiten, also tatsächlich eineì Einstellung erarbeiten, denn sie kommt nicht von selbst. Oder vielmehr formt sie sich trotz allem, und dann kommt es darauf an, wie weit man vorgedrungen ist mit den eigenen Gedanken in die Welt und ihre Konstrukte, und ob man sich den Zugang zur Liebe erhalten konnte. Denn kommt es nicht87 vor allem darauf an, mit welchen Kräften ich weiterhin d a s tragen und ertragen kann, was ich von und mit Menschen sehe und erlebe. Hannah Arendt meinte, es wäre einfacher miteinander, wenn wir uns als Fremde unter Fremden sehen würden, bräuchten dann aber vor allem „Vertrauen, ein grundsätzliches Vertrauen also in das Menschliche aller Menschen, und anders ginge es nicht.“ Und vielleicht ist es Zelensky deswegen so gut gelungen, Hilfe zu aktivieren, auch wenn sie nicht immer nach seiner Vorstellung läuft, aber das Vertrauen in ihn, das Menschenmögliche zu tun, das hat er weiterhin, während Putin es für immer verspielt hat. Und es ist zermürbend zu wissen, dass das Kriegs-Spiel nicht gut ausgehen kann, auch wenn einem eine bestimmte Version lieber ist als eine andere. Da sterben sehr viele Menschen vor ihrer Zeit, aber auch dieser Satz stimmt nicht, denn offensichtlich war es ihre Zeit zu sterben, so, wie der Amokläufer in Texas den Kindern erklärte, dass nun ihre Zeit sei, zu sterben, bevor er sie erschoss. Denn das ist, wenn das Spiel zu weit gegangen ist und es kein Zurück mehr gibt. Überall sterben täglich eine Menge Menschen, aber im Krieg lernt man vermutlich am schnellsten, wie nahe dieser Tod ständig ist. Er beendet die ganze Erfahrung, die man auf dieser Erde haben kann. Als ich einmal in Indien bei der Einäscherung einer Frau war, die mir sehr nahe stand, kam ein Mann auf mich zu und meinte, der Tod sei das einzig Reale. Er ist absolut unumkehrbar und hat daher eine immense Wirkung. Man sorgt sich um die Überlebenden, die diese Wirklichkeit trifft.
Nachdem weitere 19 Kinder an einer Schule in Texas ihr Leben lassen mussten, weil der junge Mann so einfachen Zugang zu Waffen hatte,wirft die unfassbare Tat viele Fragen auf, die vor allem Amerika und sein Umgang mit Waffen betreffen. Aber wer kennt nicht die dazugehörige Frage, ob das tatsächlich von Familienangehörigen nicht wahrgenommen werden kann, dass ein Kind sich dermaßen extrem entwickelt, dass es zum Morden bereit ist. Vielleicht sitzen ja auch bei uns eine Menge hochfrustrierter Jünglinge herum, die bereit wären, von Games-Reality auf Life Performance umzuschalten, wo sie für einen kurzen, gruseligen Moment zum Helden ihrer inszenierten Show werden. „Jetzt ist es Zeit zu sterben“, soll der 18-Jährige zu den Kindern gesagt haben, bevor seine Waffe in Sekundenschnelle ihre Körper zerfetzten. Die Großmutter, die noch nicht ausgesagt hat, muss doch gewusst haben, dass der Junge sich zum Geburtstag zwei Maschinengewehre gekauft hat. Was dachte sie wohl, was er damit vorhatte. Man weiß es nicht, aber die Frage bleibt dennoch im Raum. Jeder kennt das Staunen, wenn etwas aus einem Ei (Eye- I ) herauskommt, womit man nicht gerechnet hat. Es gibt Weckrufe und Warnbotschaften, wenn einem Menschen die Kontrolle über sich entgleitet, und der Kontrollverkust entweder nach außen oder nach innen ausagiert wird. Meist gibt es vor dem Ausbruch einen längeren Gang durch die Dunkelkammer. Wenn man sich nicht fürchtet, kann das tröstlich sein. Bekommt man genug Raum für das Unerträgliche, kann das Zurückgezogene und das Wortlose durchaus eine heilende Wirkung haben. Aber etwas muss doch als das Vorhergeschehene betrachtet werden, das Angetane, entweder sich selbst gegenüber, oder etwas schwer Tragbares wurde über längere Zeit zugemutet, sodass es zu wilden, inneren Bewegungen führt, die irgendwann eine Resonanz erzeugen, die wiederum in die Dunkelkammern führt. Wie total unbeachtet muss ein Menschenwesen gewesen sein, bevor es nicht mehr anders kann, als sich Wirkung zu verschaffen. Und wer ist dafür verantwortlich, ein Lebewesen so aufmerksam wahrzunehmen, dass es sich als lebendigen Beitrag erleben kann. Durch die enormen Weltkrisen werden wir geschult, den Blick genauer zu fokussieren. Auf körperliche und geistige Verdauungsprozesse zu achten, denn ich bin nicht nur was ich esse, sondern auch was ich an geistiger Nahrung zu mir nehme, sorry, wenn das etwas zum Gähnen reizt. Man weiß eben so viel, und je mehr von diesem flüchtigen Wissen wir ansammeln, desto schwieriger wird der Umgang damit. Und wenn wir meinen zu wissen, mit wem wir leben, dann wäre das ein Anlass, genauer hinzuschauen, denn nicht nur können wir uns selbst verpassen, aber wir können auch die Anderen verpassen.
In einem Gespräch (zum Beispiel über „glauben“) könnte ich vermutlich mühelos äußern, dass ja logischerweise jeder Mensch glauben können sollte, was er oder sie glauben möchte und vor allem glauben k a n n!. Zu einigen tiefen Erschütterungen, die ich selbst erleben durfte, gehörte, dass mir während meiner meditativen Praxis, zu der auch immer ein konzentriert gelerntes Wissensgebiet gehört, dass ich also während dieser Praxis vieles für Wissen hielt, was sich (für mich) als hartgesottener Glaube erwies. Vor allem in den Religionen braucht es mächtige Geschichten, um Menschen zu begeistern, entweder weil sie Führung suchen oder eben die Führenden in etwas werden möchten. Kostbar die Einzelnen und eher Seltenen, die es ernsthaft genug meinen und daher auch am Ende des Tunnels ungeschoren herauskommen. Na ja, schon auch geschoren, denn es nimmt einen mit, früher oder später, zu merken, dass man nicht mehr das über alles geliebte Nesthäkchen des Schöpfers ist und dieser Glaubensglanz des Heiligen einen nicht mehr begleitet, keine Berge mehr verrückt, keine Wasser mehr teilt, den Himmel nicht mehr als Zaubergarten der Hochwohlgeborenen betrachten muss, in dem sich die Beflügelten tummeln, immer bereit, uns zur Seite zu stehen oder sich gar mit uns zusammen morphen zu lassen, freiwillig die ersehnte Verschmelzung gewährend. Da hat man gedacht, man hätte schon alles Unheimliche (was einem auf diesem Stockwerk begegnen kann) hinter sich und es ginge nun schnurstracks und ungehindert durch die Reize und Tücken des Dschungels auf das Weitere zu, ja schon, aber was ist das Weitere. Auch die Symbolik und Begrifflichkeit des Religiösen kann einem erhalten bleiben, aber was ist nun so neu und so frische und wahrlich auch befreiend. Dass vom Wissen, soweit vorhanden, nicht so viel übrig bleibt. Wenn die hohen Hüte abgelegt werden und die Gewänder, und die Stäbe, und wenn die Anekdoten keine Wirkung mehr zeigen, dann sieht erst einmal alles sehr karg aus.Vielleicht so ein bisschen wie in einem Kloster, nur ohne Glaubensvorgabe. Ohne Glaubensvorgabe und ohne irgend ein heiliges Buch gibt es keinen Klebstoff zwischen den Followers. Und da es an diesem Punkt entweder sehr viel oder gar nichts mehr darüber zu sagen gibt, nehme ich lieber wahr, dass mir gerade ein Satz von Kant zugespielt wurde, der mir geeignet scheint, diese paar Sätze abzurunden:“Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit.“
Niemand
Klar konnte niemand ahnen, wie brutal dieser Krieg werden wird, den man in Russland als einen ordnungsgemäßen Rundgang verkaufen wollte. Und es gibt so lange ein Zurück, bis es keines mehr gibt. Was heißt ein Zurück? Der Körper kann nicht zurück, aber der Geist kann es. Kommt nur darauf an, was er da macht, wo es ihn hinzieht. Und wer oder was den Geist zwingt, das zu tun, was er dann quasi als Befehl ausführt. Der Geist ist beweglich, bis er in Verstrickungen gerät, oder eine Art unsichtbare Substanz bildet sich um uns herum und wird auch von uns eine Blase genannt, die wir auch noch selbst gefertigt haben, und nun schaut es von innen so aus, als sei es außerhalb auch so, ist es aber nicht. Die Putin-Blase, die Zelensky-Blase, die eigene Blase. Vielleicht dient sie auch als ein Schutzraum, aus dem man treten kann, wenn man möchte, und sich wiederum zurückziehen, wenn man nicht möchte, zum Beispiel sich dauernd mit einem Krieg beschäftigen. Ich war froh darüber, dass wir hier in Deutschland die Hölle hinter uns haben. Überlebt man die Hölle, kann es nur besser werden, denkt man, und es ist auch besser geworden. Jahrelang haben Geister versucht, sich das vorzustellen, was ihre nächsten Verwandten angestellt haben. Dann hat man das Ende der Vorstellungskraft gefunden. Nichts reicht aus, um es zu beschreiben, weil die, die durch die Hölle gehen, ganz andere Sorgen haben. Das Licht wird geraubt und die Lebensfreude, und Körper bewegen sich wie Gespenster. Wann und wodurch wird ein Mensch zum Gespenst, und kann diese Krankheit geheilt werden. Wenn wir krank sind, sehen wir gerne die Anderen als gesund an, so als wäre man nur selbst im Fiasko gelandet, und so ist es ja auch und braucht Aufmerksamkeit. Aber es stimmt auch, dass Gesundheit und Krankheit immer wieder neu definiert werden müssen. Und keinem wird es gelingen, Putin (oder Trump etc.) zum Psychopathen zu stempeln, wenn über die Hälfte des Volkes einen begnadeten Retter in ihm sieht. So spielt vieles zusammen, und läuft eine Blutspur einmal auf Hochtouren, dann läuft auch die Tragödie auf Hochtouren. Das nennt man auch Schicksal an seiner wundesten Stelle: man kann nicht mehr ausweichen, die Fakten sprechen für sich. Nicht mehr die Vernunft, sondern die Bilder reden. Mir kommt es so vor, als müsste ich mich ständig entscheiden, wo sich mein Geist aufhalten soll oder will oder kann? Wo ist er gut aufgehoben, und wo ist der Ort, von dem aus er agieren oder sich gegen Agieren entscheiden kann? Damit er trotz allen möglichen Berührungen, die zu seinem Wohlbefinden gehören, sich nicht fangen lässt von dem, was nicht zu ihm gehört. Oder zu ihr, for that matter.
Ich erinnere mich sehr gut an den Tag, an dem der Krieg ausbrach. Es war ein Donnerstag, ich hatte Besuch und war in angeregtes Gespräch vertieft, auch über diesen Ausbruch. Heute sind es also genau drei Monate her, und vieles ist mit „uns“ passiert. Ich kann hier „uns“ sagen, weil es bestimmte Momente gibt in der Zeit,wo es kaum einem Menschen gelingt, sich aus den Geschehnissen der Zeit herauszuhalten. Und nicht nur durch das Einschalten der Medien, sondern wenn es noch näherrückt, an die Tankstelle eben und an den Einkaufswagen. Manchmal zuckt man ein wenig zusammen, wenn man an die denkt, die durch die Umstände ärmer oder noch ärmer werden (wobei auch „arm“ definiert werden muss), während wir alle mitbekommen,wie die Milliarden nur so hin-und hergereicht werden für Dinge, die die Prioritätsliste erklommen haben. Der Krieg ist teuer, und die Regierung unterlässt nicht, uns darauf vorzubereiten. Nun gibt es wie meistens viele Möglichkeiten, damit umzugehen. Ach wie wunderbar waren die Jahre in Indien, wo man (also ich) in Zügen herumsitzen konnte und argumentieren und tatsächlich über Götter und die Welt sich austauschen, bis dann im Abteil die berühmte indische Kopfbewegung anfing, die besagte, dass man es eben nicht weiß, denn es ist nun einmal so, und selbst Gott weiß es nur vielleicht, aber vielleicht weiß er es eben auch nicht. Somit wird durch direkte Wahrnehmung vieles geklärt, aber beim Klären gibt es nicht wirklich eine Grenze. Irgendwann muss man sogar damit aufhören, denn obwohl immer neue Erkenntnisse auftauchen, klärt sich dadurch nichts, es gibt lediglich mehr Informationen darüber. Und wenn auf einmal vieles ausgehebelt wird, was vorher einigermaßen stabil schien, dann kann das zu allen möglichen Reaktionen führen. In der Zwischenzeit sind „da drüben“ schon eine Menge Menschen gestorben, schwer verletzt worden, am Verhungern. Es werden (noch) mehr Waffen gewünscht, das Denken wird komplizierter, der Alltag fordert seine Tribute. Einerseits leben wir in einem Land, in dem es schwer geworden ist, in einen finanziellen Abgrund zu fallen, da muss man schon hoch gepokert und die Schlacht verloren haben. Doch überall kann Schlachtfeld sich manifestieren, die Bedingungen sind immer gegeben. Und Olena Selenska wusste genau, dass es wichtig war für sie, uns daran zu erinnern, dass wir uns nicht an die Leiden ihres Volkes gewöhnen sollen. Es ist ja auch in die Blutbahn der Deutschen eingeträufelt worden, nicht zu vergessen, dass auch sogenannte gebildete Menschen bereit gemacht werden können zur Gaskammerproduktion, wohl wissend, was damit gemeint ist. Es wird einfach von Bereitwilligen und Gezwungenen durchgeführt, und schon gewöhnen sich Menschen an das, was ist. So, wie wir uns zur Zeit an diesen Krieg gewöhnen, denn das tun wir doch, oder nicht? Sollte es vom springenden Punkt dieser menschlichen Nachtschwärze her ein Erwachen geben, so kann es nur vom Einzelnen herrühren. Wir Einzelne können immer noch hinsehen, also hineinsehen ins Dunkel (unser Dunkel), von wo aus Bewusstmachung erst möglich ist. Und ohne Höllengang ganz sicherlich kein Stück vom Himmelskuchen.
Mario Terzic Skizze
Mir fiel ein Satz von Susan Sontag ein, wo sie meinte, dass man nicht vergessen soll, was Menschen imstande sind, anderen Lebewesen anzutun – vielleicht sogar freiwillig, begeistert, selbstgerecht. Sie sagte „dies hier“ und meinte etwas ganz Bestimmtes, von dem man lernen konnte, was Menschen sich gegenseitig antun können. Aber man kann sich ja einfach mal hinstellen und rundherum schauen, erst im nahen Umkreis, dann immer weiter in die Gesellschaft hinein, und ständig und vielerorts wird etwas angetan, oft so, dass es gar nicht groß auffällt. Und nicht in jedem Freundeskreis ist es üblich, dass man sich darauf verlassen kann, dass zumindest wir selbst merken, wenn wir etwas antun, auch wenn es im Verborgenen vor sich geht. Ein Unwohlsein, das in einem steckt und sich Bahn brechen will, und man merkt noch rechtzeitig, dass es nichts mit dem Anderen zu tun hat. Oder es h a t was mit dem Anderen zu tun und einem selbst wird was angetan. Nicht immer lassen sich schlüssige Verbindungen herstellen, und nicht immer hat man die Zeit oder die Gelegenheit oder den Wunsch, in die Biografien der Lebenden Einsicht zu bekommen, warum also was aus jemandem geworden ist, bevor das Angetane sich in einem unübersehbaren Fall manifestiert. Zum Beispiel steht jetzt der 21-jährige Russe vor Gericht, weil er genau d a s gemacht hat, was man ihm befohlen hat, eben „schieß, wenn du musst“, da meinte er zu müssen, und wir aus weiter Ferne verlangen von ihm Unterscheidungskraft, das ist ja auch richtig so. Deswegen ist der Krieg so ein herausforderndes Konstrukt: er sieht doch ganz und gar menschengemacht aus, obwohl die Götter immer gerne hineingeschmuggelt wurden ins Getümmel, damit das vorgegaukelte Heldentum mehr Blitz und Glanz bekommt, vor allem für die Gehirne der Dichter und Denker und Generäle und Agressoren, wo es direkt um Gesichtsverlust geht. Und jetzt lasse ich mal in diesem Überflug die Amazonenheere einfach weg, denn vielleicht wollten die Herren gerne, dass sich die Frauen auch mal was Undenkwürdiges antun: mitspielen, sich verkaufen, abschlachten und viele Handlungen mehr, die dann auftauchen wie Gespenster. Wenn es immer hässlicher wird und alle um Hab und Gut bangen müssen, manche aber um ihr ganzes Wesen und Werk. Auch lebt niemand gern zu lange vom Wohlwollen der Anderen. Und selbst wenn man betroffen ist, kann man nicht erwarten, dass andere sich aus einiger Ferne ständig geistig auf dem Schlachtfeld aufhalten, damit diejenigen, die den Opfernamen tragen, durchhalten können. Klar, die töten auch, es ist ja Krieg und ansonsten als illegal deklarierte Handlungen werden automatisch legal. Und bis jemand als tödlicher Feind gesehen werden kann, muss viel geschürt werden. Und eben: das Schüren fängt im ganz Kleinen an. Und das ist etwas, wo man zumindest als Weltling etwas tun kann: man kann das Schüren wachsam beobachten, damit da, wo man es nicht möchte, sich nichts entzündet und zu unnötiger Vernichtung beiträgt.
Man konnte dann den Wind einer großen Ermüdung spüren. Der Eine wich aus in die Schutzräume dunkler Korridore, die Andere trug ihre Wortkargheit in die offenen Räumlichkeiten, wo sie, die Sprachkargheit, sich oft unauffällig an den Küsten der Gespräche aufhielt, ohne unnötiges Aufsehen zu erregen. Man muss bedenken, dass den meisten Menschen nun ihre Einkaufslust vermasselt wird, denn wir wissen nicht, wie lange uns solche Luxuszustände noch möglich sind: kaufen, was man nicht braucht. Man kann unendlich vieles brauchen, denn überall, wo man etwas öffnet, kommt etwas heraus. Oder kommt das Ich heraus und denkt, was es noch alles haben kann. Dabei hängt an so vielem eine lange, düstere Geschichte, und man hat in dieser kostbaren Daseinskürze keine Zeit für alle Geschichten. Wo etwas herkommt,und wer sein oder ihr Leben opfern muss, damit es bei mir ankommt. Nun gibt es ein neues Gerücht im Rahmen dieses Habenwollens, sozusagen eine Gegenbewegung zu den subtilen Manipulationen der Medien, die einem bieten, was man angeblich unbedingt möchte, dabei jedoch wenig Zeit bleibt um herauszufinden, was das ist. Das neue Gerücht gibt es also, dass sehr viele (auf jeden Fall mehr als früher) Menschen auf einmal wissen möchten, wer sie sind. Das ist vermutlich der Verwirrung zu verdanken, dass das immense Angebot des Wünschenswerten zu der Illusion führt, dass es habbar sei und man sich nur dafür entscheiden müsste. Aber für was entscheiden. So will man sich kennen lernen und muss herausfinden, wie man das macht. Die energetische Kehrtwende, die sich hier als Resonanzkörper meldet, bringt mich auf verblüffend einfache Weise in meine eigene Richtung. Nein, es ist nicht mehr die egoische Selbstbedröppelung, als könnte das Ichsein gar nicht infrage gestellt werden, sondern es ist der Schock des Erwachens. Wie, ich bin ständig in meiner Gesellschaft und kenne mich gar nicht. Denn wenn ich mich frage, wo etwas in mir herkommt, weiß ich es gar nicht. Aber wenn ich nicht weiß, wo es herkommt, kann ich mich dem Ungewissen gar nicht überlassen, denn ich kenne meine Kräfte gar nicht, und wie sie zu schulen und zu nutzen sind, damit, wenn die Prüfungen kommen und dann die Meisterprüfungen, ich nicht in Bann gerate mit mir selbst und meinen Vorstellungen. Das kann in jedem Supermarkt passieren oder an einem windstillen Ort, wo die Begegnung mit mir etwas in mir auslöst, und was es warum auslöst und schön, dass ich es nun heraustüfteln kann: Wer ich bin und was ich hier mache, und wie das alles auf mich zugeschnitten scheint, wenn ich es mit Wachheit observiere. Und wie gut es sich anfühlt, wenn es passt, so sterblich einerseits und doch so elegant wie ein Armani Jacket.
Maskenfreiheit
Wie weggefegt von orkanartigen Böen scheint Omikron und seine als mild betrachteten Nebenwirkungen zu sein, und es ist durchaus angenehm, dass man vielerorts selbst wählen kann, ob man eine Maske trägt oder nicht. So kann sich jede/r etwas spielerischer damit befassen, bewegt man sich nicht gerade innerhalb vorgegebener Zwangsformen. Und wirklich, ich habe mich auch an die Maske etwas gewöhnt und ziehe sie für einen kurzen Gang z.B. im Aldi gerne an, und habe auch noch keine missbilligenden Blicke gesehen, so, als würde man sich als uncool outen, wenn man mit dem Ding noch rumläuft. Aber die Maskenträger*innen sind nicht als Gruppe definierbar, ebenso wenig wie die Nichtmaskenträger*innen. Maskieren hat was, denn man kann damit einerseits etwas verbergen, und andrerseits etwas damit ausdrücken. Nur der Zwang stört. Ansonsten läuft die Normalitäts-Maskerade auf Hochtouren. Jede/r hat ein paar vorgeformte Gesichter bereit, die er oder sie bei Bedarf anwenden kann. Und es stimmt, dass man beim Reisen in fremden Kulturen in den Genuss kommt, mit neuen und anderen Blicken gesehen zu werden, also anders, als es im persönlichen Umfeld möglich ist. Allerdings können wir nur immer die sein, die wir im lebendigen Moment sind. Immer sitzt da mit uns das Resultat dessen, was wir aus uns gemacht haben, und wer davon wir jeweils sind. Es gibt tatsächlich Menschen, die keine Masken tragen, aber sie sind eher selten. Vielleicht haben sie die Fähigkeit, ihr Schicksal ganz und gar anzunehmen und es zu ergründen, was ja bei allem Angebot der Hilfestellungen immer nur e in e/ r ergründen kann, also wo alles anfing und wodurch es weiterging, und die Zusammenhänge der Abflüge und der Landungen. Und dass es einerseits als Spiel verstanden werden kann, möglichst noch mit unterhaltsamen Göttern voran, und andrerseits so tödlich ernst ist. Und dass, wenn das Schicksal eintritt in die Zeit, es verständlich wird, dass Sprache den Atem anhält. Dann ist es gut zu wissen, wo und wie es weitergeht. Ich selbst habe schon sehr früh die Make-up Maske gewählt, weil ich das Leben u.a. als eine Daseinsform betrachte, in der der Mensch bewusst oder unbewusst eine Rolle spielt. So scheint es mir verständlich, dass ich mit dem, was ich aus mir gemacht habe, in die Öffentlichkeit trete. Ich muss nicht unbedingt kundtun, wer ich (meiner Wahrnehmung nach) bin, aber ich kann dafür Bereitschaft signalisieren. Jeder Mythos kann durch Nachfrage belichtet werden, und vielleicht gibt es gar keinen, außer dem uns ständig Umgebenden: das All, die Galaxien, das Wohnzimmer auf dem Planeten. An einem augetrockneten Opiumkapselstengel hängen nun die vielen Masken, die sich mit der Zeit angesammelt haben. Ich hatte mir damals geschworen, nie so eine FFP2 Maske zu tragen, die das menschliche Profil schweinchengleich verformt. Aber dann musste ich ja eine aufziehen, als auf einmal alle so streng wurden, und klar, man weiß nun, man kann sich an vieles gewöhnen, was nicht nur Nachteile hat. Und nun gar kein Druck mehr in diese Richtung. Der Krieg hat die Pandemie-Maskerade eingeholt.
Eine gute Frage. Vor allem spricht sie an, wenn man mit dem eigenen Schaltsystem in Verbindung steht, der persönlichen Schaltzentrale. Viel ist darüber nachgegrübelt worden, warum Menschen ein derart auffälliges Bedürfnis nach Geführtwerden haben. Man kann so ziemlich alles, was in menschlichen Gehirnen vor sich geht, als ein Ausschauhalten nach den Lösungen der Geheimnisse sehen, die sich täglich vor einem aufbauen können,und auf die es meist keine befriedigenden Antworten gibt. Daher kann jeder beliebige Ratgeber eine Hilfe werden für das suchende Auge, das sich den eigenen Umgang mit den Beschwerlichkeiten nicht zutraut. Leider kann man (u.a.auch) über Smartphones aussagen, dass sie nur den persönlichen Bedürfnissen entsprechen, d.h. sie müssen uns etwas bringen, von dem wir ausgehen, dass wir es wollen und klar, wir müssen die Knöpfe drücken und die Befehle eingeben, das sind schon auch ziemlich viele Schaltvorgänge. Aber ohne all das Außen gedacht, stehe ich mit mir selbst im Zentrum der Schaltzentrale, mit wachem Blick auf das Ungefähre und das Unermessliche gerichtet. Ich muss tiefgründige Entscheidungen treffen, wohin die Reise geht, denn sie geht auch ohne mich, nur dass ich dann nicht dabei bin. Wenn ich nicht selber schalte, bin ich nicht dabei. Natürlich kann ich auch anhalten und aussteigen, wann ich will. Hier müssen keine Überstunden geleistet werden, es herrscht Navigationsfreiheit, „Freiheit“ gleich dem Anspruch, den man sich selbst gesetzt hat. Anspruch auf Ruhe, Anspruch auf Seltsamkeit, Anspruch auf tief verwurzelten Umgang mit der eigenen Psyche, Anspruch auf die Befreiung davon. In dieser Hinsicht steht das Bedeutungslose, das wir auch sind, im vollen Ausmaß der Verantwortung dem persönlichen Maßstab und der Vorstellung gegenüber, genau w a s für ein Mensch wir gedenken zu sein, solange wir darauf noch einen Einfluss haben.Dann gibt es andere Schaltzentralen, von denen man sich angemessene Aktionen wünscht, nur: gemessen an was? Wenn der Zusammenhang klar wird zum Beispiel zwischen verhungernden Menschen in Afrika und dem Fehlen des Kornes aus den Kornkammern der Welt, nicht nur, aber auch wegen dieses immer grotesker werdenden Krieges, (ein Krieg kann entsprechend seiner Dauer nur noch grotesker werden), in dem Nahrungsmittel als Kriegswaffe blockiert werden, dann werden zwar oft bestimmte Schalthebel heiß, aber es passiert nichts. Und was wissen wir Neulebenden vom Hunger? Wenn ich zuweilen mit ein oder zwei Artikeln an einer Supermarktkasse stehe, staune ich nicht selten über das, was Menschen so brauchen, erkennbar an prall gefüllten Einkaufswagen, um sich wohl zu fühlen in ihrer Haut. Man kann auch nicht verlangen, dass die Einschränkung dieser Genussorgien als Erlösung vom Überflüssigen gesehen werden kann, nein, das muss der Zugführer schon selber regeln: die Weichen stellen für störungsfreie Fahrt, ohne dass Geist und Psyche Schaden nehmen und Gläubige sich fragen müssen, wie das um Himmels Willen alles möglich ist, wenn da Einer, eben immer Einer, über uns wachen soll und alles wissen, was da so läuft. Und nicht eingreifen darf, erzählt man sich gerne, weil der Mensch ja frei geboren ist und selbst entscheiden muss und darf, was ihm gut tut. Und genau deswegen gibt es ja das alles an einem einzigen (Innen-)Ort: die Zentrale, die Hebel und Schalter, das Fahrtenbüchlein, die gesetzten Bedingungen und ihre Durchführung.
Shalabal aus Zen-La beim Surfen
(Aus dem Logbuch letzter Verständlichkeiten)
Der kreative Prozess des Lebendigseins an sich erfordert ja eine ungeheure Anstrengung, und so sehr ich mich weiterhin glücklich schätze, meine Leidenschaften auf dieses wahrlich abenteuerlich Ungewisse mit einer unverhohlenen Neugier zu lenken, so finde ich es gleichermaßen verständlich, dass mir die letzte Entscheidung am Ende dieses Prozesses auch noch überlassen wird, sollte ich das übehaupt entscheiden können. Aber das nur am Rande, weil es Gemüter bewegt und vermutlich immer mehr bewegen wird, nämlich ob es auch akzeptabel ist, sich gut überlegt aus dem Drama zu entfernen. Ein Thema, das sofort seine ganze Komplexität zur Schau stellt, aber schließlich sind wir noch hier, auch wenn sich das Wir jederzeit auflösen kann. Das war immer das Überzeugende an Räumen, in denen Menschen zusammen kamen (oder immer noch kommen), um in meditativer Stille d i e Atmosphäre zu erzeugen, die es jedem und jeder Einzelnen ermöglicht, bei sich zu sein und zu bleiben. Alles ist Erfahrung und trägt seine Grenze oder seine Dauer in sich. Auch die exzellenten Praktiken tragen ein Ende in sich, wenn sie nicht übergehen können in die natürliche Verfassung des eigenen Seins. In Indien habe ich über die vielen Jahre hinweg öfters mal eine Höhle gesehen, wo einst ein übungsbereiter Mensch auf etwas zustrebte, was ihn selbst in letzter Konsequenz transzendieren würde, also hin zu einem enthafteten Ich, das dann immer noch ein Einzelnes bleibt, aber eben freiwillig reduziert auf das, was dann „wirklich“ noch da ist. Und schon zittern im Hinterland einer aussterbenden Hochkultur ein paar Palmblätter, von denen man sagt, sie enthielten absolut alles, was jemals war und was immer ist. Wie dem auch sei, so braucht man in manchen Räumen, die sich unversehens vor einem öffnen, die Schwindelfreiheit, in zweifacher Hinsicht gedeutet. und wer das Seil nicht scheut, kann sich jederzeit selbst über den Abgrund rangeln. Nicht jederAbgrund ist ein Abenteuer wert. Schließlich muss man nicht Odysseus sind, um auf Held*innenfahrt unterwegs zu sein. Man schlägt seine eigenen Schlachten, bis man sich eines Tages auseinander setzen kann und in den Blick nehmen. Und siehe, die Welt ist voller Aliens, die auf viele Arten und Weisen miteinander zurecht kommen, oder auch nicht, woran immer es liegen mag. Es bleibt uns ja nichts anderes übrig, als die Eigenarten der Anderen wahrzunehmen, und hinter jedem erstreckt sich in unüberschaubarer Weite ein Menschenleben, angefüllt mit lebendig beatmeten Nus, alles das e i n e Leben, das mit mir vorüberzieht, „entstanden aus langsam sich mehrenden Tagen“. Meine Welt? Mein Krieg? Mein Haus? Mein Recht auf Einzigartigkeit? Mein Recht auf Ruhe?
Mir ist aufgefallen, dass der Krieg, der nicht nicht zur Gewohnheit werden soll (sagt man sich bewusst oder unbewusst), geistig nur begleitet werden kann, wenn man nicht nur bei den leicht verfügbaren Informationen bleibt, sondern den Kriegs-Horizont noch etwas erweitert. Je größer das Ganze gefächert wird, desto mehr Menschen reihen sich ein in die Berichterstattung. Viel Historisches wird hervorgewälzt und neu erklärt und beschrieben. Man kann ja Bucha nicht als einen inneren Wohnort wählen, damit einem der Schrecken in den Gliedern bleibt über das, was Menschen anrichten, aber man muss es wissen. Zum Glück erlahmt das Interesse, ein Gehirn wie Putins zu ergründen, denn man konnte ja beobachten, dass es zu nichts führt. Und jeder Schrecken, den man zulässt, wird früher oder später eingeholt von den Ritualen des Alltags. Ich persönlich bin auch durch mit einigen Fragen, die ich angebracht fand, aber die nicht unbedingt beantwortbar waren, und für manche wird es nie überzeugende Antworten geben. Die meisten auf die fragwürdige Existenz des Menschen bezogene Fragen kreisen um etwas herum, das unerklärlich bleiben muss, denn noch niemand hat es erklären können. Auch die Erkenntnis, dass die Erde rund statt flach ist, hat nichts zum Rätsel beigetragen, eben warum ein Wesen, Mensch genannt, auf ihr herumläuft. Und wer glaubt, es sei bewiesen, dass der Mensch vom Affen abstammt, ist ja an diesen Glauben gebunden, denn wenn er den nicht mehr hat, an was ist er dann gebunden. Die ganze Weltinszenierung ist doch aus einer gewissen Perspektive her gesehen eine Beweisführung der Existenzberechtigung des Menschseins, so, wie wir gelehrt werden es wahrzunehmen, aus Religionen her, aus Geschichten, aus philosophischen Abhandlungen, aus geschulten und ungeschulten Gehirnen gebrütet, jedes Buch ein Versuch, der vertrackten Sache näher zu kommen, während sich das jeweilige Bühnenbild verflüchtigt und in ein weiteres hineinmorpht. Neulich habe ich auf einem Markt eine Zeitschrift aus dem Jahr 1954 gekauft, das war schon verblüffend. Der Krieg war offensichtlich noch nicht annähernd verdaut, aber vor allem die Reklame-Texter gaben ihr Bestes, um die Menschen zu allen möglichen Dingen zu verführen, die sie wieder brauchen sollten, zum Beispiel eng zu schnürende Korsetts für Damen, denn man durfte wieder Figur zeigen, und der Mann musste unbedingt rauchen, sonst war er nicht wirklich einer. Die verfügbare Eleganz der Rede wurde da hineingepackt in das Habenmüssen, damit man als Mensch erkannt wird. Die Kriegsbilder, ab und zu hineingestreut, sahen genauso aus wie die Bilder aus den Kriegsgebieten der Ukraine. Menschen, denen alles genommen wurde, was ihnen gerade noch wichtig war, standen irgendwo mit Koffern in der Gegend herum und wussten nicht mehr wohin und was das alles war, in das sie hineingeraten waren, ohne menschliche Resonanz erwarten zu können, wenn man zum Volk des Agressors gehörte. Und dass schwere Waffen dafür gemacht sind, Menschen das kostbare Leben zu rauben, das weiß doch jedes Kind, denn das Kind lernt es ja schon in den Spielen. So kreist es weiter und weiter und nimmt uns in Bann. Diesen Bann können wir nur als Einzelne brechen. Am Ausgangstor des Labyrinthes tauchen weitere Aufgaben auf.
Navigationsvariante
Ah! Der Regen! Was für ein willkommener Gast, sich ab und zu kühlend über die dürren Waldbäume ergießend, und setzt der verfrühten sommerlichen Hitze eine Bremse. Ein Moment Erholung von der überbordenden Fülle des Grüns und dem Ausbruch der Blütenprachten. Und fast möchte man meinen, dass in die wilden Bewegungen der Zungen etwas Ruhe gekommen ist, doch wieviel Prozent von Gleichgültigkeit, oder dem Sog des als normal Empfundenen, oder dem Erlöschen überforderter Synapsen undsoweiter dabei im Spiel ist, wer könnte es je eindeutig erfahren. Und was machen wir, wenn unser Denk-und Handlungsraum noch weitgehend geöffnet ist? Wir machen, was wir für wesentlich halten, oder machen wir das nicht. Wenn Verluste des Selbstverständlichen drohen, verändert sich der Blick. Und manchmal schleicht sich in ihn eine Sanftmut ein und streift hin über die mühelos und frei gespendeten Geschenke, und dann wieder bündelt er, der Blick, alle vorhandenen Kräfte, und regungslos spürt man die Kälte der Schwertschneide und zieht sich zurück in das Eremit*innen-Gehäuse, wo es, das Schwert, dann am Nagel hängt. Nachbarn und Nachbarinnen sterben in sinnlosem Gemetzel, viele verlieren ihre Welt auf andere Weise. Solange man noch da ist, ist man gefordert im Umgang mit dem Angebot, das man für sich selbst entworfen hat. Oder habe ich alles Mögliche abgeladen auf andere Schultern, sodass sie jetzt tragen müssen, was ich verursacht habe, so als hätte ich ein Anrecht auf ihre Beteiligung, das Mitspielen also in meiner Story. (?) Und doch ist das auch wahr, dass wir miteinander im Spiel sind, im Drama, im Epos, in der Komödie, in der Tragödie. Spricht man dem Menschen ein Recht zu auf Script-Beteiligung, muss es den Raum dafür geben, um agieren zu können als der oder die man gegenwärtig ist beim Ausleben unserer Geschichten. Denn das ist es doch, was wir erleben: Geschichten und Geschichten und nochmal Geschichten. Gibt es einen Ausgang (?), oder eben den Ort einer großen, entspannten Stille (?), wo das, was ich nicht bin, sich klären kann, und das, was ich bin, sich zeigen, ohne dass eine Hand gleich den Kleiderschrank öffnet und die passende Kostümierung wählen muss für den nächsten Auftritt. Doch wenn Meinungsterror vorherrscht und Entgrenzungstaktik, kann man vielleicht auf neue Wege sinnen für sich und mit den Anderen, denn neu ist ja immer der oder diejenige, die wir in einer bestimmten Zeit leben. Und wenn wir nicht beteiligt sind mit uns, dann sieht die Welt alt aus, und Helfer*innen singen ihr Kinderlieder zu, so als könnte sie nur noch ein Ort für Torheiten sein, auf dem sich das tödliche „Immer“ breit macht. Meist landen die todlosen Weisheiten irgendwann in Schatullen, für die der Schlüssel verlorengeht. Und doch gibt es keinen Zeitpunkt, an dem es nicht förderlich ist, sich um sie zu kümmern. Es ist ja nur Staub, der entfernt werden muss aus den eigenen Kanälen. In letzter Konsequenz kann niemand einen hindern zu erkennen, für was man geeignet ist. Denn wer sollte das sein?
Das Leben reicht meist aus, um zu verstehen, dass Herrschaft und Gewalt in die Menschen einwandert, und um zu verstehen, dass jede Macht Zustimmung braucht, eine Zustimmung, die verweigert werden kann. Dieses Verstehen schließt Ratlosigkeiten ein. Und zugleich braucht es die Entscheidung zum ständigen Dialog und zu einer umfassenden Gewaltkritik. Die Gleichzeitigkeit von Ratlosigkeit und politischer Entscheidung verlangt Nachsicht. Und diese braucht Fremdheiten und Freundschaften bis zum Tod.
Heute bin ich in einer anderen Umgebung, einer Stadt, in einer Wohnung, vor einem mir fremden Computer, denn ich habe etwas Zeit und will schreiben bzw. schauen, was mir einfällt. Aber die Maschine nimmt mein Password nicht an, upps! sagt sie, aber es ist „bombensicher“ (upps! sage ich jetzt) mein Password, und 3x upps, bis ich mich nicht mehr traue und fürchte, ausgeschlossen zu werden von der gefühllosen Techno Reality Community, OMG, und neue Beweise erbringen muss, dass ich es wirklich bin, die Zugang möchte zu ihrem Konto. Oder Hacker-Hyänen suchen bei bestimmten in Russland verbotenen Worten nach Spuren und landen bei Yoganautik. Auf jeden Fall ist es der Moment, um nur sehr kurz auf der Winzlingstastatur des Smartphones heumzustochern, denn schließlich ist Samstag, der Himmel wolkenlos und vieles Weitere möglich. Was das Bild betrifft, so kenne ich leider den oder die Künstler*in nicht, schätze es aber für seine Aussagekraft.
Na endlich mal ein schönes neues Wort: „Heimatgalaxie“, in deren Zentrum eben das Schwarze Loch ist. „Schwarz“ immer groß geschrieben, obwohl man auf dem Bild nur die Umgebung des Loches sieht, da die Objekte, lese ich, von Natur aus unsichtbar sind, was zu weiteren Gedanken oder vertieftem Stirnrunzeln anregen kann. Alles scheint einem eine Weile lang so stabil, bis es zu wanken beginnt. Auch ein neues Zeichen lernt man, wenn man möchte, und zwar EHT, nämlich das Event Horizon Telescope, „einem Zusammenschluss von acht Radiosternwarten auf vier Kontinenten zu einer Art Superteleskop“. Man darf gerne immer mal wieder staunen, was auf der Erde so alles simultan läuft, bzw ich bin auf jeden Fall froh, interessante Bruchstücke übermittelt zu bekommen, die eine poetische Ader zum klingen bringen können. Mir gefällt das Bild auch, weil es aussieht wie ein Auge. Und für einen unterhaltsamen Nachruf würde sich das Ganze auch eignen: Sie lebte in einer Zeit, in der im Zentrum (oder im Herzen?) ihrer Heimatgalaxie das erste Bild des Schwarzen Loches entstand, das sich als Auge darbot. Und wie viele Lichtjahre war das nochmal von uns, den Erdlingen, entfernt? Es soll (wenn ich schon dabei bin) Aufschluss geben über unser Dasein, unseren Mythos, unsere Wurzeln und was noch alles soll es tun, das massenverschlingende Ungeheuer. Es könnte happs! machen eines Tages und alles, was „wir“ war, verschlingen, und keiner könnte mehr ein Photo davon machen oder ein Schwarzes Loch in (m)einer Heimatgalaxie einfach aus dem Netz fischen, so, als käme es mir dadurch näher. Näher kommt es vermutlich nur, wenn ich entweder merke, dass es mich gar nichts angeht, weil ich z.B. anderes zu denken und zu tun habe, oder ich lasse mich kurz unterhalten von den Eingebungen, die bei mir durch es (das Wurmloch) auftauchen. Auf jeden Fall ist der Begriff „Lichtjahre“ bestens dazu geeignet, einmal die Fenster und Tore der immer latent sich formen wollenden Blase der Eigenarten so weit zu öffnen, wie es einem im Rahmen einigermaßen realer Wahrnehmung möglich ist. (Was ist real?, was ist Wahrnehmung?, und was verstehe ich darunter). Obwohl ich keinen Mentor vor mir auf einem Stuhl sitzend hatte (der infantile Gotteswunschtraum, das Göttliche eben bestrebt, mich geistig anzuregen und sich möglichst im Blickfeld meines ganz persönlichen Wesens aufzuhalten, also um mein geistiges Wohl besorgt sein würden könnte undsoweiter)…, so gab es doch trotzdem gerade auf dieser galaktischen Ebene, gekoppelt an die Übung, einen dem Fremden zugwandten Blick zu erlangen, gab es etwa Gene Roddenberry, der uns durch Galaxien führte, die noch nie ein Mensch zuvor gesehen hat. Und wie die Crew in uns eine Sehnsucht nach dem Fremden entfachen konnte, und in der Kunst, damit umzugehen, ebenfalls als Fremdling im Dienst des Weltwohlwollens. Oder der Silver Surfer (ein Avenger), der mitten in der Galaxie grübelnd auf seinem Surfboard vorzufinden ist, sich die seltsamen Rätsel der Erdlinge ans tief empfindende Herz nehmend. Aber man kann auch Jorge Luis Borges lesen und sich einlassen auf die präzise Architektur geistiger Ordnungssysteme, die einen süchtig machen könnte, wollte man nicht die eigene entwickeln. Und dann fiel mir wieder ein (und wie leicht kann man es vergessen), dass wir bereits auf einem Raumschiff durch die Heimatgalaxie reisen, das Ding steht ja nicht still. Was ist hier los mit der Crew, könnte man fragen. Und wenn ich auf dieser Fahrt auf einige Fragen (an mich) auch Antwort bekomme (von mir), wer sind die beiden im Gespräch?
Diesen Platz (4×4 Meter) mit dem Steinsitz und dem aus Ton erzeugten Yogi (von U. Güdelhöfer) haben wir vor etlichen Jahren mit der Hilfe von zwei albanischen Freunden erschaffen, sozusagen als eine indische Ecke mitten in unserem Garten. Auch der Hintergrund erinnert mich an die Monsoonwände Indiens, die man entweder, je nach Tag und Befindlichkeit, als die natürliche kosmische Leerheit erfahren kann oder aber als die perfekte Leinwand für die Spielbesessenheit des Geistes in Bezug auf die Geschichten der Welt, die sich auf ganz individuelle Weise im Innen wie im Außen in Bezüge stellen. So schaute ich da gestern mal wieder eine Weile genauer hin und dachte: ja, das entspricht mir gerade sehr, diese Einfachheit des geschlossenen Sitzens, das erfahrbarer Weise eine Ruhe erschaffen kann. Man kann nun auf kopfgesteuerte Entscheidung hin natürlich die Ebene wechseln, das heißt man kann sich in den inneren Raum begeben, denn der ist ja immer da. Aber dort ist es nicht automatisch still, von Ruhe ganz zu schweigen. Gut ist, wenn man sich selber nach innen ruft, weil man eine Klarheit braucht, die mit Denken allein nicht herzustellen ist. Denn damit ist man ja dann allein, wo auch immer: im Stübchen oder im Garten oder im Tempel oder im Nichts. Oder man wird erst einmal vom Lärmen des eigenen Gedankenspiels überwältigt und will auch noch entscheiden müssen (z.B.), ob der ukrainische Botschafter Melnyk ein unhöflicher Halunke ist oder ein netter Mensch mit wachen Äuglein, oder ob die Wahrscheinlichkeit einer Atombombe eingeschätzt werden kann, oder ob die russischen Hacker, die es geschafft hatten, am 9.Mai alle russischen Sender eine Weile mit realen Nachrichten aus der Ukraine zu versorgen, ob sie also schon ermordet wurden oder nur im Gulag gelandet sind. Oder zur Abwechslung mal gar nicht auffindbar von den Bluthunden, aber eben: man weiß es nicht. Aus dieser Perspektive, eben allzeit nur Geringes über all das denken und wissen zu können, obwohl man sein eigenes Research-Gebiet gerne als einen unvergifteten Ozean betrachtet, von da aus gesehen also starrte ich auf die stille Figur. Für ein Bei-sich-ankommen braucht es eine ziemlich aufwendige Vorbereitung. Die „Vorbereitung“ kann man hier als das Leben selbst betrachten. Die verbreitete Annahme, man könne sich vor allem im Außen begegnen, ist nur insofern akkurat, dass man sehr vereinzelt etwas erleben kann, was einen anspricht oder berührt, also auf den eigenen inneren Klang antwortet. Aber die Beziehung zu mir selbst ist in jeder Hinsicht d i e Beziehung, die es zu klären gilt. Anscheinend stehe ich vor allem mir selbst gegenüber mit den Fragen, die zu beantworten sind. Dann, wenn die innere Substanz und ihre Inhalte einigermaßen durchforstet, durchleuchtet und reflektiert sind, kann ich mich nach außen hin vertreten, bzw. sein, und es bleibt mir nichts anderes übrig, als die ganze Wucht meines Schicksals auf mich zu nehmen. Eigentlich sollte das ansteckend und anregend und abenteuerlich klingen, aber selbst der Quantensprung, also der Sprung vom Tellerrand in die ungewisse Schwärze des Alls, ist ein Klacks gegen den Nu, in dem ich mich selbst erfasse. Denn wer immer das sein mag, so treffe ich mich nur einmal als die, die ich bin. Wenn ich das aber erfasse, auf welchem Weg auch immer, kann ich mich leichter mit den Anderen verbinden, ohne mein Alleinsein verlassen zu müssen.
Auch das Untröstliche kann eine gewisse Schönheit haben, die sich vermutlich nur d e m Blick öffnet, der geübt ist in der eindringlichen Betrachtung des menschlichen und tierischen und naturbedingten Ablauf des Dramas. Wozu in letzter Konsequenz alles vom Geist Fassbare gehört, da das schweifende Auge nichts erkennen kann, was nicht dazu gehört. Es ist alles da, was um Himmels Willen soll man machen. Vor allem nichts um des Himmels Willen, denn es wäre ziemlich mühsam, ihn (den Willen des Himmels) zu erkennen. Und so sitzt man im Drehbuch, das sich Tag für Tag aufblättert, und an den Seiten und für die Fußnoten und auf kostbarem Pergamentpapier notiert man die eigenen Entwürfe, und manche setzen sich um. Immer mal wieder dreht einen die bewegliche Zeitlupe zurück und man sieht einen Lebensweg, der nur der eigene sein kann. Ständig wählt man Kostüme und passende Schuhe, damit einem das Pflaster, auf dem man sich bewegt, nicht im Wege steht. Oder der Waldboden. Oder die Eisdecke. Aber wie kam ich auf das Untröstliche. Man fällt zum Beispiel, meist getriggert durch eine Erkenntnis, fällt also in eine Versunkenheit, die nicht (mehr) durch dagegen gesetzte Widerstände aufgehalten wird. Das Versunkene ist eher eine Räumlichkeit als ein Fall, aber man scheint doch in eine Tiefe zu fallen, bis man da ist. Nun ist zwar alles (andere auch) noch da, der Film läuft ab mit dem Bühnenbild und den Figuren, die sich darin bewegen. Aber man selbst hat gerade keinen Auftritt. Am besten ist es, es sich gut gehen zu lassen. Auch wenn es Anderen auffällt, dass man nicht (für sie) da und erreichbar ist, gibt es hier zum Glück keinen Trost. Trost ist vollkommen unangebracht, denn man könnte auch sagen: endlich ist es mir gelungen, alle meine Fühler nach innen zu holen und Ausschau zu halten nach neuen Ordnungen und erweiterten Freiheiten im Sinne einer Dehnung von ganz innen nach letztendlich ganz außen, wo man dann das Gewohnte wieder als solches erkennt, ohne daran haften zu müssen. Da wird das Tröstende wieder ganz natürlich, denn man sieht ja, dass alles Daseiende seine eigene Schönheit hat, auch wenn es einen drängt, die sich darbietenden Ausnahmen zu nennen. Aber als dramatische Darbietung ist es allemal umwerfend, man muss nur darauf achten, dass es einen nicht selber aus der Bahn wirft. Man kommt nicht umhin, selbst die Bahn zu werden, beziehungsweise zu sein. Und genau da, wo es an Komplexität kaum mehr zu ertragen ist, kommt es einem plötzlich einfach vor. Das Unerklärbare ist selbst ein Trostpflaster, dem man (günstigerweise) begegnet mit absolut nichts, auf das es sich heften kann.
Auftritt des Ungewissen
Das Ungewisse hat seinen öffentlichen Auftritt dann, wenn ein Ereignis von ungewissem Ausgang so viele Menschen ergreift, dass es sich auf eine bestimmte Weise manifestiert, und man spürt, dass es da und in gewisser Weise verkörpert ist. Es war natürlich auch schon vorher da, denn es gibt auffallend wenig Gewisses, das eine glaubwürdige Dauer vorweisen kann. Das Festhalten an Glaubenskonzepten hat wiederum erstaunliche Dauer, oder die Bereitschaft für irrige Annahmen oder Sichtweisen, oder der Aufwand, mit dem man versucht, Illusionen aufrecht zu erhalten. Das kann dauern, bis man es merkt. Ziemlich vertrauenswürdig ist immer noch die Abfolge der Jahreszeiten mit ihren beweglichen Schwankungen, obwohl der Boden schon zu trocken, die umfallenden Baumstämme gefährlich, und überhaupt vieles unumkehrbar verloren ist. Dann hatten wir zwei Jahre lang globalen Corona Schulunterricht in Sachen Umgang mit dem Ungewissen, bis der Schrei nach dem, was jede/r so unter „dem Normalen“ versteht, immer lauter wurde, so als wäre das Normale etwas anderes als das Ungewisse. Und nun Putin der Schreckliche, der wie ein kleiner, bösartiger Kobold im Weltnacken sitzt und versichert, dass hier keine Lösungsbereitschaft zu erwarten ist, sondern eher eine lange Folge von Verwüstungen, die er außerdem noch „uns“, den Ungeheuern aus dem Westen zuschiebt, denen er doch beim letzten Mal geholfen hat, die Verwüstungen zu beenden. Ich erinnere mich an Erzählungen von wilden Horden von Tartaren und Kalmücken, die über die Orte herfielen und jede weibliche Form vergewaltigten, die in ihr Blickfeld kam. Auch das wirft leider keinen schwärzeren Schatten über das, was im eigenen Land geschehen war. Wenn der besessene Nazisucher wirklich in der Ukraine ein paar finden will, muss er selbst die Nase dafür haben, die ihn dazu macht. Aber was soll’s, es hilft ja alles nichts. Vielleicht hilft gar nichts anderes, als sich täglich aufs Neue dem Gegebenen zu stellen, denn man erspürt die Möglichkeiten der Varianten ja in sich. Wie man selbst damit umgeht. Wie einen die Kostbarkeit verstreichender Zeit plötzlich anwehen kann, auch weil es die Flüchtenden aus der Ukraine näher bringen, wie es ist, eine Weile auf gutem Lebensweg gewesen zu sein, und plötzlich war gar nichts mehr da außer man selbst und die Überlebenden (und die Toten). Es passiert überall ständig und oft zur gleichen Zeit, eben dass Krieg gemacht wird und andere dadurch im weit entfernten Land verhungern. Und wer stellt schon gerne und kompetent eine Verbindung her zwischen den Milliarden für Todesmaschinen und den gemeinnützigen Tafeln , an denen die durch den Krieg arm oder noch ärmer Gewordenen Schlange stehen. Klarer wird nur, dass alles auf eigener Schiene abläuft und selten vom bewusst oder unbewusst gewählten Pfad abgebracht werden kann. Hat man nun vieles durchlebt und durchdacht und durchforstet und wird damit vermutlich nicht aufhören, so bleibt einem doch, und das ist das Erstaunliche: es bleibt einem die ganz persönliche Freiheit wahr zu nehmen, wie man selbst das alles erlebt. Denn dass es hier um eine Durchwanderung geht, die nur für einen selbst die angemessene Tragweite hat, darüber besteht wenig Zweifel. Hier fungiert das Ungewisse als Navigationsgerät.
Die abgrundtiefe Ruhe
Eigene Gedanken zum Unsagbaren hinzuzufügen kann aus verschiedenen Impulsen kommen. In der Welt der Poeten und Poetinnen wird es sicherlich immer wieder aufs Neue erkannt und erfahren, dass es gerade diese zum Erschaudern bringende Qual der möglichen Nähe zum an sich Unaussprechbaren, weil wortlos in sich Ruhenden, ist, die dort, in der Dunkelheit und der hellen Gewissheit darüber, in das Empfundene hineinhorcht und das erlösende Wort zum Jeweiligen gebiert. So intensiv nah wie möglich also,und doch nie ganz befreit vom Seiltanz des Ergründens, beziehungsweise des Ergründenwollens. Vielleicht liegt hier die bröckelnde Mauer einer Einstellung, die sich (wieder) herausbewegen möchte aus der Not des Eingefahrenen, meist kulturell bedingt und scheinbar unersetzlich. Östliche und westliche Weltbetrachtung (z.B.) können nicht unterschiedlicher sein, und doch ist der Zugang zur anderen Welt nicht nur abhängig von der Wortverbindung, so wertvoll sie auch sein mag. Wie kam ich darauf. Am Morgen konnte ich keinen Anlass zum kreativen Denken in mir finden, vor allem aber nicht zum politischen Denken. Etwas in mir ist bestrebt, sich dem Sog des Datums zu entziehen. Als ich beim Öffnen des Smartphones gesehen habe, dass Putin gerade seine Rede absondert, vermochte ich gerade noch meinen Daumen zurück zu halten, so als könnte er (der Daumen) gar nicht verstehen, wie wenig ich das wollte, also diesem Lügenmeister auch noch am Vormittag Gehör schenken. Ansonsten laufen die Inszenierungen wie am Schnürchen. Hier in Deutschland dürfen sogar die Pro-Putin-Russen auf den Straßen in Kolonnen auftauchen und ihre propagandagefütterten Gehirninhalte kundtun. Doch zuweilen, wenn vieles auf einen einstürzt und man aus irgendwelchen Gründen die Freude verliert, darüber nachzudenken, spürt man sich selbst in die Stille rufen und hereinholen, sozusagen ins Auge des Wirbelsturms. Nun hat sich dadurch die äußere Wahrnehmung nach innen begeben, und da kommen dann das Bewusste und das Unverdaute zur Ruhe. Ob es jemals etwas gab oder wodurch das Daseiende entsteht, kommt hier zu einem Einklang, der durch keinen hervorgehobenen Ton gemaßregelt wird. Dort kann man bleiben, solange man möchte, auch wenn die Essenz dieses Abenteuers vielleicht nur in der Gelassenheit des Wimpernschlages liegt. Und ich habe verstanden, dass die Turbulenzen sich nicht aufhalten lassen. Das System schaltet um auf Autopilot.
ù
Alle Tage
Der Krieg wird nicht mehr erklärt,
sondern fortgesetzt. Das Unerhörte
ist alltäglich geworden. Der Held
bleibt den Kämpfen fern. Der Schwache
ist in die Feuerzonen gerückt.
Die Uniform des Tages ist die Geduld,
die Auszeichnung der armselige Stern
der Hoffnung über dem Herzen.
Er wird verliehen,
wenn nichts mehr geschieht,
wenn das Trommelfeuer verstummt,
wenn der Feind unsichtbar geworden ist
und der Schatten ewiger Rüstung
den Himmel bedeckt.
Er wird verliehen
für die Flucht von den Fahnen,
für die Tapferkeit vor dem Freund,
für den Verrat unwürdiger Geheimnisse
und die Nichtachtung jeglichen Befehls.
Tatsächlich schadet es gar nichts, wenn man die Begriffe,vor allem schwerwiegende Begriffe, die man in Gesprächen benutzt, mal näher betrachtet und dadurch sieht, was man selber darunter versteht, und dass das etwas völlig anderes sein kann als die Deutung des Begriffes von meinem Gegenüber. Nun kommt man natürlich mit dem Verstehen eines Anderen über die Worte eh an eine Grenze, aber das braucht bei einigermaßen ernsthaftem Vorgehen schon eine ganze Weile. Von einer bestimmten Tiefe oder meiner ureigenen Quelle aus kann ich nur aussagen darüber, wie i c h die Welt wahrnehme, ohne unbedingt an diesen Kernpunkt weiterhin gebunden zu sein im Sinne, dass ich an ihm festhängen muss wie an einer Nabelschnur, also letztendlich im Ungeborenen verbleibe, ein schrecklicher Gedanke. Zum Glück aber gibt es Trennung, die gleichermaßen Verbindung herstellen kann. Die Ausflucht auf andere Ebenen, die einem zugängig sind, kann ein Hindernis darstellen, aber auch eine bestimmte Freiheit, die in günstigstem Fall sogar zu einem Tanz werden kann. Was zur Zeit in unserer Welt politisch stattfindet, müsste man wohl eher einen Gespenstertanz nennen, wobei politisches Handeln hinter den Kulissen wohl meistens Gespenstisches an sich hat. Aber unsere ganz persönliche Beteiligung am Weltgeschehen ist durchaus auch politischer Natur, und zum Glück brauchen wir (noch) keine Angst haben, wenn wir den Mund aufmachen und, wo auch immer, bereit sind für möglichst reflektierte Äußerungen. Wenn das Wasser bis zum Hals steht oder der Krieg vor den Türen, wird man hineingezogen in den Whirlpool der Äußerungen und muss auf einmal schauen, mit was man sich eigentlich beschäftigt. Gestern habe ich gehört, dass Harald Welzer das Wort „eigentlich“ nicht mag, das lässt sich verstehen. „Eigentlich bin ich ein ganz freundlicher Mensch“, oder „Eigentlich finde ich es gar nicht gut, dass schwere Waffen in die Ukraine gebracht werden“. Aber was nun? „Eigentlich“ schlägt genau das Gegenteil von eigen vor, nämlich ich sehe es anders, vermeide aber das Wie. Wie sehe ich es denn? Krieg bringt so manches ins Wanken, was fest gesattelt schien. Wer hätte gedacht, dass Kiew mal ein Pilgerort für namhafte oder am Namen haftende Politiker wird. Blutiges Narrentum geistert durch nicht mehr existierende Städte. Verzweifelte Mütter kauern über gehörgeschädigten Kindern. Alles Normale hat seinen Anspruch verloren. Das tut auch uns, den Zaungästen und ihrem Anspruch gut. Wir hören die Alarmglocken und müssen uns dennoch gegen sie wehren, denn noch ist ihr Abgesang nicht in meine Knochen gefahren. Weiterhin schaffe ich inneren Raum für die Blütenprachten, denn immerhin: alles kann noch geschehen oder noch nicht geschehen, oder gar nicht geschehen. Noch ist nicht aller Frühstücke Nacht.
Lebendigkeits-Erkennung
Soweit ich das überblicken kann, gibt es nicht so viele Dinge, die uns Menschen jenseits allen Zweifels und überprüfbar alle gleichermaßen zur Verfügung stehen. Es sind vor allem die Geburt, also das vom Ich nicht kontrollierbare Eingeschleustwerden in die Schicksalsbahn. Dann der Tod, so sicher und gleichzeitig so irritierend ungewiss, wie nur er, der berühmte Sensenmann, sein kann. Und dann natürlich der dazwischen liegende Zeit-Raum, in dem des jeweiligen Iches Spule aufgerollt wird, oder das Ich selber beginnt, aufzuspulen, und an der Qualität des Gewebes unwiderrufliche Muster deutlich werden, mit denen man sich beschäftigen muss, denn sie haben mit der eigenen Handhabung des Vorgefundenen zu tun, ob man das nun so sehen will oder nicht. Dabei ist man grundsätzlich gar nicht verpflichtet, nur die Planung einer einzigen Identitätskarriere anzulegen, nein. Die Möglichkeit der Identitätsentfaltung hängt vor allem von meinem eigenen Interesse ab, Facetten meiner persönlichen Anlagen manifestieren zu können. Mit tödlicher Sicherheit kommt dann irgendwann die Kreuzung, wo ich mich entscheiden muss, ob ich diese ganzen Varianten meines Spiels als mein eigentliches Ich betrachte, oder ob dieses Ich noch einen Gegenspieler oder eine Gegenspielerin hat, dem oder der es gelingen muss (u.a.), das Gendern auch noch zu lassen, und man sich der (inzwischen) vertrauten Wärme des Nichts hinzugeben bereit ist. Denn was ist dieses Nichts anderes als das ganze Potential dessen, was ich in letzter Konsequenz bin: eben das, was mir in der gegebenen Zeit möglich war und ist, und bin an jedem Tisch der Welt die vollendete Summe davon. Durch die ernsthafte Betrachtung eines Krieges, wenn auch aus dem Luxus der Beobachtung heraus, wird einem klar, wie unendlich schmerzhat die sang-und klanglose Vergeudung menschlichen Daseins ist, eine der niedrigsten Verbrechen am Menschsein an sich. Und so scheint er, der Krieg, in seiner ganzen Glanzlosigkeit tatsächlich als ein Weltgong zu dienen, den man schwerlich überhören kann, und dessen wirkungsvolle Einbußen bis in die letzten Winkel des Alltags zu spüren sind. Nun kommt es auf den Umgang mit den Einbußen an. Wenn Menschen sich zum Fasten willentlich entscheiden, ist die Wahrscheinlichkeit des Gelingens (was auch immer dabei gelingen soll) größer, als wenn Menschen auf einmal nichts mehr zu essen haben. Das alles scheint sich in der Hauptschaltstelle zu entscheiden.Dort sitzt jeder Mensch allein, kein Zweifel, aber immerhin haben wir da das gewisse Maß an Freiheit, das bestimmen kann,wohin die Fahrt geht. Doch. Haben wir. Denn das ist ja das Dritte, was wir unleugbar als potentielle Aufgabe haben: im Labyrinth, in das wir hineingeboren wurden, den Faden nicht zu verlieren, den wir selbst am Spinnen sind, damit uns das eigene Schicksal nicht grundlos entgleitet. Und doch, wenn es Zeit dafür ist, dem Entgleiten der selbst auferlegten Identitäten wiederum Raum zu geben.
Zum Bild: ungefragt legte sich das Winzlingsteil einer Blüte auf dem Blatt nieder und legalisierte dadurch nicht nur den Raubzug des Bildes, sondern bildete mit den Fingerfurchen ein weiträumiges Herz, das nicht sofort ins Auge fällt. Kategorie: Wunder des Alltäglichen.
Berge machen schweigsam.
Wüsten machen schweigsam.
Menschen machen schweigsam.
Wir können froh sein, wenn in dieser
Schweigsamkeit Wesen uns
wohlgesinnt sind,
wenn lebendige Lichter brennen,
wenn die Liebe aufgehoben ist
vom Staub ihrer Knechtschaft
und das Herz in sich ruht
ohne Fremdheit.
Also ich finde das Bildchen ehrlich gesagt weder sehr witzig noch sehr überzeugend, weil der putinische Einfluss fast sanftmütig durchschimmert, wodurch es weniger putlert. Es ist nur interessant für mich, weil ich es von Indien her kenne, wo aus dem Underground heraus heftig hitlodiert wurde, und ganze Bildreihen entstanden, bei denen die Ähnlichkeiten zwischen Hitler und Narendra Modi herausgemeißelt wurden. Lange ist Hitler in Indien verehrt worden. Man sprach die Macht, eine derartige Vernichtung auslösen zu können, natürlich den dafür zuständigen Göttern zu, denen es auch häufig um Rang und Namen geht. Die Trennung zwischen dem sogenannten Guten und dem sogenannten Bösen wird ja wahrscheinlich nur in krassesten Fällen radikal vollzogen, so wie man das bei Putin zur Zeit auch möchte. Eben, wenn die Angst vor den potentiellen Auswüchsen dieser Bösewichte nicht mehr mit Humor oder Satire verarbeitet werden kann, sondern existenzbedrohend wird. Auch bei den „Avengers“ in den Marvel Comics gab es diese unterschiedlichen kosmischen Berufungen. Manche waren für die Zerstörung vom Wasauchimmer zuständig, der Silver Surfer grübelte sich durch eiskalte Nächte im All durch, sich auf sein Surfboard kauernd, dieselben Fragen stellend, die wir uns zur Zeit stellen (können, aber nicht müssen), so wie „Wie kann das sein, dass Menschen so sein können?“. Aber sie können. Und weil innen immer der Kinderwunsch verbleibt, einmal etwas ganz Tolles und möglichst alle Anderen Überragendes aus sich zu machen, fällt beim Realitätsauftritt dann das Scheitern so schwer. Dabei ist es keinem einzigen Menschen durch irgendeine Kraft verwehrt, zu sich selbst zu kommen. Auch das schreibt man ja gerne den Göttern zu, eben dass sie derart irre Schicksale austeilen, um einen auf Trab zu halten. Glauben, das nur nebenher, ist kein sehr vertrauenerweckendes Werkzeug für den Prozess des Erwachens. Dabei ist die Urangst ein völlig nachvollziehbares Phänomen. Denn noch hat keine/r schlüssig erklären können, was genau wir auf diesem Planeten zu tun und zu lassen haben. Es scheint eher eine mehr oder minder unfreiwillig zusammengewürfelte Großgruppe zu sein, die innerhalb eines höchstwertig ausgetüfelten Betriebssystems ihre existentiellen Workshops durchlebt, jeder auf seine oder ihre Weise, und dann noch die Weise der Kinder und die Weise der Tiere und überhaupt der Natur. Aber zurück zu Hitler, oder eben gerade nicht zurück zu ihm. Da dient er, der Banalste aller Gräueltäter, tatsächlich immer noch anderen Kulturen als der Fürst der Unterwelt schlechthin. Aber das ist kein schönes Karma, wenn derart viele Erdlinge die finstersten der Pfeile auf den Einzelnen abschießen. Eine Weile kann er (hier als Putin) sich noch am Tisch oder an den Tabletten festhalten, aber der Pfad der Gesundung ist nun mit undurchdringlichen Disteln bedeckt und gerät bald ganz in Vergessenheit. Dann erst wird es wirklich gefährlich! (Für die jeweils Anderen). Daher: „May the force be with you!“ (sagt angeblich Jedi-Ritter Obi Wan Kanobi in einem Star Wars Streifen). Aber da fängt’s ja schon an: wer ist gemeint, und an wen wird was gerichtet.
Vom Narrativ des Niedergangs
Neulich habe ich irgendwo gelesen, dass „das Narrativ des Niedergangs sich in eine selbsterfüllende Prophezeiung verwandeln kann“. Auf jeden Fall kann man es so sehen und kennt das in gewissem Maße aus eigener Erfahrung, wenn man zum Beispiel geneigt ist, dem Sorgenvollen mehr Raum zu geben als dem Erfreulichen. Auf jedem Millimeter der Autobahn fahren wir das Ding selbst und wissen bei aller errungenen Gelassenheit durch Praxis genau, dass weiterhin in jedem Nu alles auf dem Spiel steht. Und nichts ist geeigneter als ein Krieg, einen unversehens in die Abgründe menschlichen Verhaltens zu ziehen und zu zerren. So kann man sich auch den Hades vorstellen: überall undurchdringliches, schwerblütiges Grau wie auf Gerhard Richters Grau-Serie-Bildern, vor deren atemberaubender Dichte man immerhin erleben kann, dass man als Betrachter*in auf sich zurückgeworfen wird. Dann (im Hades) kommen ständig Leichen an, die von Robotern mit schweren Mänteln bekleidet, auf ein Fließband gelegt und in die bedeutungslose Weite transportiert werden. Auf der anderen Seite stehen verhüllte Frauen aller Art und weinen um das Gewesene. Wenn man noch tiefer möchte, muss man die epische Ebene des Ausgesonnenen verlassen und sich dem Unerträglichen widmen. Davor kommt noch etwas: man muss schon mal ohnmächtig in den traumlosen Sog gezogen worden sein und sich selbst wieder an die Wasseroberfläche gezerrt haben, und da liegt man dann, gut, vielleicht mit etwas Teer an den Flügeln, aber lebensbereit. Und obwohl es kaum jemandem gelingen wird, der Bitte von Elena Selenska zu entsprechen, nämlich dass wir uns nicht an des ukrainischen Volkes Leid gewöhnen sollen, so sollen wir uns aber auch nicht an die Finsternis dieses Leides gewöhnen. Was kann einen Menschen, der vielleicht noch ein paar Hoffnungsstrohhalme in der Hosentasche hat,schneller entmutigen als dieses grausame Gaukelspiel, bei dem selbst den Trübsinnigsten noch trüber zumute wird. Daher muss man beim Mitdenken aufpassen, in welche Richtung man zu denken beliebt. Ja, alles fließt dahin, aber wandelt sich auch ständig, und die Möglichkeit einer Beteiligung ist nicht zu verachten. Ich muss nur wissen wie, und wo, und womit, und mit wem, und überhaupt. Also uns selbst auch nicht an der Küste liegen lassen, sondern weiterhin einsatzbereit sein für das, für was man geeignet ist.
Ich hatte einige Artikel-Titel aus der Zeit zur Verfügung in Anbetracht dieses Bildes, viele hätten gepasst, so wie“Ist der Mann ein Opfer?“, oder „Was will er denn eigentlich?“, oder „Steckt dahinter ein Sinn?“, oder „Warum so gehemmt?“ und viele mehr. Seit der Krieg begonnen hat, ist ein großer Teil meiner Artikel- und Bildsammlungen in der Papiertonne gelandet, keine leichte oder leichtfertige Handlung, denn ich war selbst erstaunt, was mir so alles sammelwert erschien. Da waren viele Artikel über Oppenheimer und die Unfähigekeit, dem Bösen, hier verdinglicht durch die Atombombe „Little Boy“ in Oppenheimers Auto, also dem als Böses Erkannten nicht widerstehen zu können. Denn auch die Machtgier giert auf einen Orgasmus hin, bevor die Nachwellen und die Nebenwirkungen eintreten. Dann hatte ich Artikel über das Leben der Kleinwüchsigen und über einen Autisten-Poeten, der sehr schöne Zeilen verfasste. Dann war da sehr viel Verschiedenes über Künstliche Intelligenz, angefüllt mit vertrauter Anziehung an die Welten begabter Science Fiction Schreiber, gepaart mit einer neuerdings aktivierten Erkenntnis der sich aus dem Spielfeld schleichenden Menschlichkeit, die man einst als das zu Erringende des (menschlichen) Daseins betrachtete und weiterhin bemüht ist zu betrachten. Die Mappe über Frauen war auch da, also diese dunklen Kontinente, die maßgeblich an der Erhellung des Weltsystems beteiligt sind, wenn auch meistens ohne sichtbare Medaillen an der Uniform, und klar, da war auch einiges über Männer. Viele Bilder zeigten eine große Ansammlung von Menschen, die bei näherer Betrachtung alles Männer waren, bei politischen Versammlungen oder beim Bad der „Heiligen“ am Ganges, oder bei den grandiosen Waffenspektakeln, die in Ländern vorgeführt werden, damit man die phallische Macht des Thronbesetzers zu spüren bekommt. So kann sich Putin sicherlich nicht vorstellen, wie seltsam uns so manches an seiner Mannheit vorkommt. Da ist immer noch Raum für Ohnmachtsanfälle,wo man eben etwas gar nicht mehr ausdrücken will und kann und auch keinen Versuch in diese Richtung unternehmen sollte. Denn wenn man zum Beispiel eine Minute konzentriert auf das Bild oben schaut, dann versteht man automatisch eine Menge, was sich vielleicht nicht sagen lässt, aber dennoch verstanden werden kann. In diesem Sinne verabschiede ich mich nun häufiger von dem, was mir einmal humorvoll oder bedeutsam schien. Denn an die meisten Dinge erinnert man sich nur, wenn sie vor der Nase auftauchen. Außerdem gibt es unendlichen Nachschub an Unbegreiflichem, und das gilt ins Oben genauso gut wie ins Unten. So kann man sich (u.a.) die Ebene der Berührungen frei halten, denn wenn es tatsächlich darum, also um die Berührungen und die Verbindungen geht, damit das Epos in seiner ganzen uns verfügbaren Reichweite erfasst werden kann, dann ergibt es sich, dass man sich mit großer Wahrscheinlichkeit der direkten Nähe des Erlebens widmet, um sich selbst darin weder zu vermeiden noch zu verpassen.
Nichts macht immun gegen die Einsamkeit
Die aus der Kindheit kommt…wie zweite Masern.
Wenn nach dem letzten Lichtblick alles stargrau bleibt,
Die Fesseln (Verse, Träume, Frauenhaar) zerfasern.
Dass da kein Ohr mehr sein wird, das ihn wirklich hört
Nachts wenn sich Feldweg, Schulhof, Bahnsteig gleichen
Dämmert noch jedem der aus langem Schlaf verstört
Erwacht im Unbekannten. Um ihn her die Leichen,
Ertrunkene im Traum, sie stellen Szenen dar
Aus deutschen Märchen, Gute-Nacht-Geschichten.
Der Wald ist leer, das Einhorn fort und von den Drachen
Blieb nur der Städtehimmel, dieser kolossale Rachen
Dem er entgegenlebt. Schlaflos auf weiter Lichtung
Erschrickt er, angelangt, wo jeder vor ihm war.
Nachtbilder. Sonette VI