kriegen

Das Bild habe ich gestern in meiner „Galerie“ gefunden, als ich beim Löschen war für mehr Speicherplatz, und habe mich erinnert, wie berührt ich davon war. Nein, es ist nicht im Gaza-Streifen, sondern in jedem Krieg ist es, das immer wieder entgleiste Mensch -bzw. Menschlichsein, eingefangen in einem Bild. Auch Liebevolles kann da inmitten des Leides passieren: ein Mensch im Dienst nimmt sich des verwundeten Kindes an, dessen Eltern es nicht mehr gibt, das weiß es noch nicht. Wenn es dann nicht einmal mehr eine Medizin gibt (wie zur Zeit im Gaza-Streifen), dann sterben die Menschen und ihre Menschenkinder einfach. Das weiß man ja jetzt, was der Krieg ist: er ist das Unsägliche, aber man sagt dann doch immer was. Bis vieles gesagt ist und in noch ein paar Kriegsfilmstreifen weiter auch gerne Pferde geopfert werden, damit  Stürzen und Siegen und Gewinnen  authentisch wirken. Meist sind es Männer, die die ausschlaggebenden Befehle erteilen, weil Erobern und Lustmolchen und Frauenvergewaltigungen anerkannte Männlichkeitstaten sind, durch die andere Männer sich beweisen müssen, auch wenn sie nicht wollen. Oder wollen sie doch? Einmal haben wir (die Yoganautinnen) in einem Skulpturenpark eine Performance gemacht, die hieß „Schauplatz des Kriegens“. Ich hatte den Balkankrieg in Indien über BBC verfolgt, vielleicht als Gefühlsausgleich mit meiner eigenen, reichlich beglückenden Befindlichkeit. Es gab neue Technik für die Piloten, und einmal konnte man einen von ihnen jauchzen hören beim superpräzisen Erwischen eines Weichteiles, genannt Mensch. Dieser „Spaß“ und diese „Gier“ können einen leicht in die Erschütterung bringen. Man will es ja nicht wirklich so sehen, dass es auf dem Schauplatz des Kriegens tatsächlich ums Kriegen geht, ums Habenwollen (und ums Geld natürlich), und dass die dafür Gewonnenen alles tun, und dann keine Grenzen mehr finden, keinen Willen zum Aufhören. Das Grauen, so erschreckend gepaart mit der Dummheit und der Kaltblütigkeit, aus deren Quelle es kam, nimmt dann seinen Lauf. In solchen Momenten der scheinbar unheilbaren Finsternisse sollte man vielleicht eher an Diogenes in der Tonne denken, der den Helden, der ihm das Sonnenlicht stiehlt, mit einem einzigen Satz besiegt. Er vermittelt dem an Ruhm und Ehre Gewohnten, dass der ihm etwas nimmt, nämlich Licht.

getragen

Man staunt, oder soll ich (wohnhaft im eigenen Nu) das Staunen für mich selbst beanspruchen, wohl wissend, dass auch andere staunen. Ich staune also zum Beispiel darüber, dass ich mich immer noch getragen fühle von (m)einem höchst günstigen Schicksal, und fühle mich genau aus diesem Grunde meiner inneren Ausrichtung gegenüber zutiefst verpflichtet. Das heißt, den Kompass immer mal wieder aufmerksam im Auge zu behalten, um Spitzen der Eisberge rechtzeitig zu erspähen, oder die Nachwehen der durchforsteten  Abgründe mit der Hilfe milder Dosierungen in Schach zu halten, bis die ganze innere Architektur durch feine Beweglichkeit widerstandfähig genug ist, um dem uns allen umwehenden Wahnsinn standhalten zu können. Denn obwohl jederzeit ein Jemand behaupten kann, dass alles, was wir jetzt auf dem Planeten erleben, schon immer da war, und das war es in seinen menschlichen Grundzügen ja auch, so ist dennoch unleugbar, dass sich das Drama auf allen Ebenen extrem verdichtet hat, sodass die Komplexität der daraus resultierenden Muster immer schwerer zu durchdringen ist. Es fällt auf, dass wir auf uns selbst zurückgeworfen werden und uns die uralten Fragen erneut stellen müssen, wenn uns das interessiert. Es verlockt ein bisschen zum Gähnen, wenn das (z.B.) viel zitierte „Be here now“ nochmal in unserer Mitte erscheint und man erstaunt bemerkt, dass es immer noch nicht ganz klar ist, wie das geht. Jedem Ding und jedem Gedanken und jedem Wesen die gleichbleibende Aufmerksamkeit zu schenken, heißt das nicht: hier sein? Alles zum ersten Mal sehen: den Schnee, das Brot, die Haut. Den Augapfel!, durch den wir das ganze Abenteuer wahrnehmen konnten! Klar, eingekreist und beengt von unserer eigenen Vorstellungskraft, aber viele der Vorstellungen mussten dann auch weichen oder ganz verschwinden. Wie sagte doch einst eine der ehrenwerten Meditationslehrer:innen: in jedem Menschen wohnt Kali, die Illusionstöterin. Man muss nur wissen, wie man sie aktiviert, statt sie im Darknet in die letzte, ungeöffnete Kammer zu sperren. Dabei lebt sie, die weibliche Kraft, jenseits der Konventionen. Solange wir also noch Zeit und Muße haben, in unserer inneren Werkstätten  ungestört zu arbeiten, sollten oder können wir uns frei genug fühlen, den hochkarätigen menschlichen Mechanismus noch einmal ins Auge zu fassen und zu bedenken, dass es, in modernen Worten gesagt, noch eine Menge Luft nach oben gibt. Beziehungsweise rundherum gibt es noch Luft, die, einfach aus-und eingeatmet, zur Atmosphäre wird, in der wir uns bewegen.

Noch da

Du da! Hey! Du da!
Du warst da doch.
Warst da doch da.
Noch da doch.
Noch da.
Noch war da doch, was da war.
Wo war das doch, wo das da war?
Wo war ich?
Wo warst du?
Wo waren wir, als das alles
noch da war?
Da war ich da.
da warst du da.
War das nicht da, wo wir waren?
Jetzt bin ich da, wo sie sagen:
Geh, bevor du gehst,
damit wenigstens du da bist,
wenn Da da ist.

 

Juan Ramón Jiménez

Ich spür‘, dass mein Schiff,
dort in der Tiefe, auf etwas Großes
gestoßen ist.

                                                        Und nichts
geschieht! Nichts…Ruhe…Wogen…

-Nichts geschieht; oder ist alles geschehen,
und wir sind schon mit dem Neuen vertraut?

gegen rechts

Dem (angenehm) Überraschenden kann man ruhig ein paar Zeilen widmen, denn es sagt etwas aus über das Unerwartete, das im besten Fall mit einem frischen Outfit auftreten kann. Niemand hat doch ahnen können, dass in Deutschland sich so viele Menschen aufmachen, um zu zeigen, wie viele es sind, die zumindest kein weiteres Rechts zulassen wollen. Wenn der Demo-Hype bleibt, kann man es neben dem schlichten Frohsein, dass es ihn überhaupt gibt, nur wünschenswert finden, dass die Ansteckung sich in weiteren Ländern fortsetzt und ein globales Phänomen hervorruft, denn wow!, ist es nicht jetzt, also jetzt, mal an der Zeit, dass ein Gegengewicht gebildet wird gegen die machthungrige Dummheitslobby, die so bereitwillig beneidet wird für ihre Machenschaften, also in den großen Testosteringebieten, wo Frauen als Ware gehandelt werden oder sich behandeln lassen, da haben Demos zur Zeit doch ganz andere Möglichkeiten. Es geht zur Abwechslung mal nicht um Geld, sondern um Wertvorstellungen (zuweilen auch reichlich illusionär), die man durch einfaches Mitschreiten und die dadurch entstehende Masse ausdrücken kann. Nun, höre ich, geht es wieder auf Karneval zu, und man könnte sich (z.B.) in die Züge der Feiernden einschleusen mit Intergarationsschildern wie : Jecke gegen rechts. Dazu z.B. ein Prophetinnenkostüm, das man eh zufällig im Schrank hängen hat, dann eine Augenmaske auf und darunter eine Corona Maske, und zack!, wäre man dabei. Nur: bei was. Eben beim Demonstrieren gegen das Rechts im Monstergewand. In Indien wird dieser Kampf dargestellt, indem Rakshas (Dämonen) mit Devtas (Gebenden) sich beim „churnen“ (umdrehen, tief nachdenken) messen, und man weiß (soviel ich weiß) nicht, wer gewinnt. Nie weiß man, wer siegt oder wer gewinnt, vor allem dann, wenn es nichts mehr zum Siegen gibt und nichts mehr zum Verlieren. Insofern hat sich bei uns während des Frühstücks eine Offenheit dem Demonstrieren gegenüber gebildet. Denn das Feuer muss eine Weile gehütet werden (Abendland, Hüter der Flamme), man kann das auch schweigend tun. Yoganautinnen gegen rechts! Got to be true to myself.

(ein)lassen


Ich habe mich dann auf eine große Entspannung
eingelassen, die sich fast mühelos als feine
Disziplin entpuppte.
Egal, wie weit man den eigenen Horizont lustvoll und wissensbegierig aufspannen kann, von mir aus in Flügelschlag übergehend, oder lächelnd Oolong-Tee schlürfend den Kimono zurechtrückt, oder in die züchtige Wortschmiede wandert: Fakt ist, man kann sich nicht entkommen. Am besten will man das auch gar nicht, sich selbst entkommen, sondern es wird einem möglichst früh klar, dass man keine Wahl hat. Närrisch ist es, nach Irgendeinem oder Irgendeiner, der oder die ich nicht bin, zu suchen, denn das Nichtvorhandene kann nicht gefunden werden. Nun scheint es da erstaunlicherweise an unerwarteter Stelle ein gewisses Zittern zu geben, ein Scheuwerden dem Befremdlichen, also sich selbst gegenüber, stellt sich leicht ein. Denn nicht überall steht der einfache, schwer zu ergründende Satz „wer bin ich“, sondern an einem Weisheitstor in Griechenland, als Anregung und als Warnung gedacht. Ich bin überzeugt davon, dass intelligente Maschinen bald tolles Zeug aus sich herausrattern haben, das tun sie ja jetzt schon. Aber warum scheint das alles so leer und bedeutungslos, wenn man bedenkt, dass auch ein technischer Göttergeselle nicht wissen muss, wer er ist. Es braucht ja zur Ein-Sicht den Blick nach innen, und außen ist nun mal nicht innen, auch wenn ich in eine Bildfläche wieder hineingehe. Daher ist die Möglichkeit einer global spürbaren Aufklärung  durchaus gedanklich gegeben, aber wir erleben ja schon den als aufregend erscheinenden Tanz auf dem Vulkan, auch eine Form der Entfesselung. Daher ist es gut, sich gründlich als allein zu erfahren, um das Gemeinsame nicht zu gefährden. Wir sind doch jetzt etwas gereiftere Früchte, oder?

senken

 

Schneestielzchen, Schneestielzchen!
Lass doch Rumpelwittchen alleine
in den teuren Apfel beißen.
Senke nun du
dein Auge
in die Ahnenwelten,
wo Märchen als Märchen gelten,
und wo zwischen Prinzessin
und Frosch d a s herrscht, was wir
als Lösung erkennen.

nun

Nun, da der Zugang zu Sterbenden
mir gewährt wurde,
atme ich auf. Denn da erst
begannen die Tiefen der Türen
und Tore in den langen Schluchten
der Korridore sich zu belichten.
Die Architektur der scheinbaren
Finsternis zeigte sich bald als Augenzwinkern.
Da war auf einmal kein Urteil verfügbar
über ein Zuviel oder ein Zuwenig,
denn ich sah ja: alles war möglich.
Kein Wächter am Himmelstor, kein
Sandmann mit schönen Einschlafliedern,
keine mächtigen Erzengelschultern, dem
endlich ausgestoßenen Schrei Einhalt gebietend.
Aber: auf einmal diese Ruhe, die sich in die
rotierenden Stürme einfügt wie Samt an den
Blütenblatträndern. Abschied vom Planeten
ist hiermit gesichert. Vielleicht enthüllt er doch
noch in freischwebender Seinsmöglichkeit
sein schwer zu ergründendes
Schicksalsgeheimnis: dem Schatten des Ichs
einen Hinweis geben! Das ist schon genug.

alle… ?

Das Photo habe ich von einer Seite der „Zeit“ abphotographiert, weil ich mich dabei beobachtet habe, wie ich auf einmal stutzig wurde und genauer hinschaute. „Alle“ ist immer ein gewagtes Wort und führt zu berechtigtem Widerstand. In welchem „Alle“ kann man sich überhaupt seelenruhig niederlassen, auch wenn es sich um Nazihass handelt. Es kommt ja darauf an, wo sich die eigene Empörung verankert. Und dass „ganz Berlin hasst“ glaube ich auch nicht. Es geht mir wohl hier um das Wort „hassen“, in das ich mich nicht freiwillig einreihen möchte, da ich es in seiner potentiellen Manifestation nicht für förderlich halte. Wie lange können Hassende friedvoll durch die Straßen ziehen, wenn sie doch allein durch ihre Anzahl schon einen Ruck aus der mentalen Alltagserschöpfung geschafft haben. Sicherlich ist nicht bei allen ein Ruck aus der Komfortblase zu erwarten, aber eben immerhin bei manchen. Viele Menschen machen sich auch auf, um mit Intelligenz und Wissen in Berührung zu kommen, und meistens sind Beteiligte froh, wenn es nicht zu dunklen Blüten führt. Es gibt Beispiele wie Oppenheimer, der sich kurzzeitig zum Gott erheben musste über Menschenvernichtung, weil seine Intelligenz dann doch nicht ausreichte, um seine wissenschaftliche Libido im Griff zu haben. Hitler und Trump dagegen wurden und werden als Narren durchaus erkannt, aber dann macht das Volk den fatalen Fehler, sie auch noch zu wählen, das denkt man ungern zuende. Und zum Glück für die, die gerne hier unterwegs sind, ist noch kein Ende abzusehen,  abgesehen vom eigenen. Auch verbieten wird nicht helfen. Ja, was könnte (oder kann) denn helfen? Und ist „helfen“ nicht auch nur ein hilfloses Wort?

geeignet

*
 Es ist in der Tat ein enorm gutes Zeichen und wird als solches ja auch gewürdigt, dass das Empörende solche unerwarteten Massen an Menschen auf die Straße gebracht hat. Also doch weniger Sofakartoffelei (couchpotatery) wie man zuweilen befürchtet. Die Glotz-und Informationsscheiben also in die Tasche gesteckt und hinaus. Man darf annehmen, wenn auch nicht hoffen, dass auch Amerikaner diese Nachrichten übermittelt bekommen, denn wo sind sie, die 50% , die angeblich nicht für Trump sind, oder sind sie genau wie wir zu „flabbergasted“ (schönes englisches Wort: verblüfft) oder schlichtweg überwältigt vom Kurs des Weltendramas, das dem Filmscript einfach nicht Folge leistet, sondern unausweichlich als das von uns allen Produzierte weiterspult, wir wissen nicht wohin, auch wenn persönliche Prophezeiungen im Rahmen der Stocknüchternheit von einem selbst erlaubt sind. Auch in Russland gehen Menschen auf die Straße, und in Tel Aviv. Das Gerücht, dass Netanjahu diesen Krieg so knallhart führt, damit man ihn nicht wegpustet, ist schon unterwegs. An allem klebt eine Strähne Wahrheit, und so kann man gemäß Calvinos Rat in der Hölle d a s suchen, was nicht Hölle ist, und d e m Raum und Dauer  geben.  Und es stimmt, dass das Zeichen-und Einhaltgeben letztendlich nicht genügt, denn die forschreitende Weltkrankheit hat die bewährten Mittel der Heilung verspielt. Schon weiß man, dass aus den Denkhöhlen des Silicon Valley (oder aus all den anderen Höhlen) ungeheure und unheimliche Manifestationen kommen werden oder bereits kommen, denn es geht rasend schnell, und das künstlich und künstlerisch Intelligente wird so ziemlich alles überschatten. Denn da, wo der Mensch verschwindet, also zum Beispiel nicht mehr auf die Straßen geht, da wird, zumindest eine ganze Weile noch, ein dunkler Schatten sich bewegen, der kann es (endlich) kaum glauben, dass auch wir zum Verschwinden und zum Aussterben geeignet sind.

 

 

* Bild: C.M.Brinker

Jalaluddin Rumi

Yesterday I was clever,
so I wanted to change the world.
Today I am wise,
so I am changing myself.

 

verdauen


Ice & fire
Der auf vielen Ebenen tobende Kampf des Menschen um…ja was?…sein, beziehungsweise unser Hiersein, Dasein, Sichsein, kann und wird auf unzählbare Arten und Weisen gesehen und gedacht. Und wenn das in einem verhältnismäßig freien Land geschieht, gehört diese gedanklich rotierende Seinsweise zur Natürlichkeit des menschlichen Alltags. Das Kollektiv einigt sich auf das, was sich im großen Raster durchgesetzt hat als die vertraute Norm. Aber offensichtlich setzt sich da immer mal wieder das Undenkbare durch, weshalb nun Menschen auf die Straße gehen, um es mit Denkbarem zu konfrontieren. Gleich sagte wieder jemand, dass sie, die Demos, nicht genügen würden, aber hallo!, es ist ein Anfang. Ein Anfang für was? Es könnte immerhin ein erfreulicher Schub sein, z.B. für Amerika, das im Begriff ist, einen Psychopaten ans Steuer zu lassen, der von seiner Sekte als Gott gehandelt wird. Das sind ernste Zeiten und Zeichen, wo der Humor oft hinterher hinkt oder immer seltener auftaucht. In diesem sich anbahnenden Zeitalter müssen wir uns überraschenderweise durch geistige Materie wühlen, die wir als bearbeitet betrachtet haben. Die Frage: was stelle ich mir eigentlich unter Menschsein vor, erschafft Sperrgebiete in unbewohnten Wüsten. In den letzten Jahrzehnten war vielen von uns eine Freiheit ermöglicht, die es, vor allem für Frauen, in diesem Ausmaß nicht gab. Wir kontrollierten selbst unsere Menschwerdung, und aus dieser Praxis heraus wurde uns klar, dass die Erforschung des Menschen noch in den Kinderschuhen steckt. Natürlich auch deshalb, weil die Kinderschuhe etwas Gemütliches und Bequemes haben. Man nimmt einen Gott oder einen Guru oder einen Yogakurs dazu, und schon weiß man viel Neues, wofür das System Zeit zum Verdauen braucht. Das könnte ganz einfach so weitergehen, wäre da nicht etwas Nievorhergesehenes dazu gekommen, nennen wir es mal den technischen Fortschritt. Nun sieht es so aus, als würde sich dieser Fortschritt als ein Instrument entpuppen, das solche Suchtebenen erschafft, von denen keine/r von uns mehr entkommen kann. Daher der Gong. Es ist keine Wertung nötig, eine Entscheidung aber schon. Was stelle ich mir also unter den Möglichkeiten des Menschseins vor, und lebe ich mein Leben demgemäß. Dann vom Silber in den Glanz des Goldes kommen: angemessenes Handhaben des Lebendigen.

 

gelassen


Sichtbar sichtbar sichtbar. Beim Zeus! Ja doch!
Innerlich kann es lange ziemlich gelassen zugehen. Schließlich haben wir (welches „Wir“ auch immer) viel gelernt und die meisten von uns hatten genug zu essen und hatten Bettwäsche und Kissen und vieles mehr. Auch als in Indien die Zeit kam, wo mein persönlicher Besitz minimal war, fühlte ich mich reich. Reich an Möglichkeiten, die dieser Planet uns gibt, das kann man nicht leugnen. Wir müssen aber zugeben, dass wir für Richtungen verantwortlich sind. Inmitten dieses scheinbaren Kontinuums höre ich auf einmal einen Gong. Auch dieser dunkle Ton hat eine Zeitlang gebraucht und anzukommen, um seine Aufgabe zu erledigen als mein ganz persönlicherAufweckdienst. Und ja!, ich habe verstanden, dass ich mich (jenseits von Datum und Kalender) in einem neuen Zeitalter befinde. Das altbekannte „Das war doch schon immer so“ hat sich erledigt, denn es war noch nie so wie jetzt, dass einer Technik die Vollmacht über die menschliche Intelligenz gegeben wird. Alles freiwillig und durchaus preiswert finden wir diese ganze Ausrüstung, die es braucht, um auf jeden Fall  dem technischen Fortschritt nicht hinterher zu hinken. Wenn also ein Großteil der Menschheit spannungsgeladen nach vorne eilt, wo künstliche Intelligenz ihre Netze auswirft und ihre Picknicks königlich gestaltet, ganz so, als wäre es die natürliche Frucht oder die ersetzbaren Körperteile das eigentliche Wunderwerk (was es a u c h  ist), dann, ja dann. Dann geht’s weiter.  Als ich in einem Früher meine Leidenschaft für (gute!) Science Fiction Lektüre pflegte, sowie von „Next Generation“ einiges lernte, konnte ich dennoch nicht ahnen, wie nah wir an diese Visionen von Gene Roddenberry kommen würden. Inzwischen wissen wir auch, dass es auf der Erde immer Aliens gegeben hat, da muss man nicht von einem anderen Planeten kommen. Doch was jetzt kommt, das ist tatsächlich gefährlich, die Frage ist nur: wo ist unser Gegengewicht. Vielleicht liegt es ja in der Gelassenheit, mit der wir dem Ganzen begegnen. Im Staub des Labyrinthes liegt immer noch der uralte Faden, gehalten von zeitloser Intelligenz. Dem kann man vertrauen.

 

wie von selbst (?)

*

Das ist schon beeindruckend: 30 000 Bürger:innen, die sich in einer Stadt bei reichlich Schnee und Glättegefahr aufgemacht haben, um gegen eine bekanntlich in der Welt immer lauter donnernde und allerseits grassierende Dummheitswelle  demonstrierend zu wehren. Die von ihren Verursachern als solche natürlich nicht gesehen wird, aber langsam an Fahrt gewinnt. Sodass Grenzgängerinnen wie ich sich ruhig fragen können, warum ich zur Abwechslung mal nicht auch an einer Demo teilnehmen könntesolltemüsste und zumindest klar wird, dass wir, die in diesem Falle Vielen, unbedingt sichtbar werden. Ich bedanke mich in Richtung sich Aufmachender. Wenn ich mich nun nicht aufstehend, die Winterschuhe überstülpend und zielstrebend hinaus auf die Strasse strebend erlebe, dann heißt das andrerseits nicht, dass ich nicht beteiligt bin, wobei Supervisionen bei sich selbst immer erwünscht sind. Und abgeshen davon, dass ich die Öffnung zur Straße offen halte, bleibe ich erst einmal bei der Klärung, wie ich das alles sehe, obwohl ich zugeben muss, dass ich die Dringlichkeit der demonstrierenden Haltung durchaus wahrnehme. Irgendwo sagte jemand:  „Reden ist Silber, Handeln ist Gold“, das fand ich eine zeitgemäße Veränderung, an die wir alle gebunden sind. Wie und wodurch handeln, wenn klar wird, dass der übliche Polit-Zirkus entgleist ist, einfach so, aus dunklen Nebengassen mit braunem Schlamm behaftet, von dem wir wohl wussten, aber nicht, dass es in unsere Richtungen fließt. Vielleicht ist es Zeit, der Regierung nicht immer alles zuzumuten, sondern sie eher zu unterstützen in ihren Bemühungen. Denn es sind keine Götter, aber wir sind auch keine Götter oder (nur) meditierende Geistwesen, sondern wir können uns selbst die wesentlichen und aus dem Uralt heraus immer noch standhaltenden Fragen neu stellen wie z.B. was für ein Mensch ich denn selbst bin, und kann ich die Grübelblase noch ein wenig dehnen , vielleicht gar, bis sie platzt und angemessene Handlung sich einstellt wie von selbst. (?)

 

* Bild: Henrike Robert

gerne


Ram, einen Vogel (-Freund) beweinend
Dieses schöne, kitschtriefende Bild (Ausschnitt) des Gottes Ram habe ich beim Durchforsten meiner Indien-Kiste gefunden. Vielleicht hat es mich in dieses Herumstöbern gezogen, weil ich außer den Corona Jahren zum ersten Mal meinen Winter nicht in Indien verbringe. Mein Bedauern, dort nicht mehr zu sein, wird jedoch nicht zu einer Jeremiade führen, weil ich reichlich Gelegenheit hatte, mich an der höchst erfrischenden Quelle indischen Denkens zu erfreuen. Jetzt, als Global Player, wird sich Indien kraft seiner hohen IT-Intelligenz in die Geister drängen. Erstaunt wischt sich der sogenannte Normalbürger die welterschöpften Augen, und denkt an all das, was ihm als Hinduismus über Medien serviert wurde, was er oder sie, also was sie gewohnt sind zu glauben, und es stimmt ja auch immer ein bisschen was am Glauben, und manchmal ist Glauben gar besser als Viertelwissen. Aber in Indien habe ich gelernt, was gemeint ist mit Menschlichkeit. das hat mich doch sehr geprägt. Menschlichkeit entsteht aus der Art und Weise des Umgangs mit Menschen. So habe ich keinen Inder einen Bettler liebevoll betrachten sehen, aber sie geben alle Geld, denn das ist, was der Bettler braucht. Jeder Inder kennt so viel Not, dass er früh im Leben weiß, dass er nichts machen kann außer immer wieder irgendwo irgendwem was geben. 10 Prozent des Gehalts, das ist üblich. Dieses Thema kocht allerortens hoch, weil unsere Gehirne sich bemüßigt fühlen, Menschlichkeit neu zu definieren, da eine schleichende Entmenschlichung im Gange ist, die ein Gegensteuern hervorruft. In meiner oben erwähnten Kiste habe ich viel Weisheit auf Blättern gefunden, die indische Philosophen von sich gegeben haben. Und immer wieder hätte ein einziger, zutiefst ernstgenommener Satz gereicht, um einen wahren Menschen aus einem zu machen. Aber all diese vielen Sätze sind wie ein Windhauch durch uns durchgegangen, und ja, einiges haben sie auch bewirkt. Wir leben, nicht wahr, in himmlischen Zeiten, in denen Weisheit auf allen Kanälen verfügbar ist, warum dann die pubertären Entgleisungen zwischen Rechtem und Schlechtem. Bei den Göttern in Indien war es auch lange berauschend, man wollte das ja: diese Eleganz der Erotik mit ihrem Kanal ins Zeit-und Todlose. Dann ging auch das vorüber. Vielleicht muss man gedanklich ein paar Akte an das epische Drama anhängen: damit alle Agenten des Spiels ihren Einsatz geben können. Denn es geht doch ums Geben, oder? Wenn man nichts hat als sich selbst zu geben, das wird auch gern erlebt.

überall


Überall Augen
Wenn einen Augen aus einem Zweigwerk oder aus einem Wolkengebilde anschauen, kann das auch eine sehr tiefgreifende Wirkung haben, aber man weiß, dass dahinter kein rotierendes Gehirn liegt. Vielleicht ist das  der Reiz, den die Instanz „Gott“ für viele so attraktiv macht, eben, dass man sich vorstellen darf, kann und in manchen Religionen auch muss, dass da ein sehendes Auge auf einem ruht, günstigerweise wohlwollend, aber auch Maß nehmend und abwägend, ob derdiedas Jeweilige geeignet ist zu höheren oder tieferen Entwicklungen. Ich persönlich ziehe so ein Wolkenauge vor, denn es zieht vorüber und hat ganz unabsichtlich etwas gegeben, also mir gegeben, die auch noch nicht ganz frei ist vom Gernewahrgenommenwerden. In Indien hat mich immer verblüfft, dass so viele Gesuchte (meist aus kriminellen Gründen) gesucht und dann tatsächlich gefunden werden, dabei war es einfach zu verstehen mit etwas Übung im kulturellen Grübeln: nicht nur herrschen im unermesslichen indischen Chaos ziemlich hohe Ordnungen, aber vor allem gibt es, oder soll ich „gab“ sagen, sehr viele Menschen, die vor allem sitzen und schauen, der Tag also gefüllt mit Sitzen und Schauen, und im Verkehr ebenfalls sehr viel professionelles Schauen, denn immer ist es lebensgefährlich, was man da macht. Man muss schauen, wie es läuft, damit man überlebt. Nun muss ich an diesem Punkt natürlich auch bemerken, dass die digitale Großrevolution auch in Indien zugeschlagen hat. Man sieht Milliarden von Augenpaaren auf aalglatte Bildflächen starren, eben wie wir alle unsere Augen abnutzen an dieser gefühlsfreien Fläche, und klar bleibt da einiges zurück (man weiß noch nicht, wieviel) und verblasst, und man wusste gar nicht, dass man es einst vielleicht hatte: einen eigenen, klaren Blick auf das Ganze. Denn vieles muss ja ein totales Mysterium bleiben, zum Beispiel wie die Hälfte von Amerika Donald Trump sieht, sodass die Intelligenz, aufs Auge vertrauend, eine Kränkung erfährt und sich zurückziehen möchte, noch hinter die Pupille. Am besten kurz schweigen, den Sehwerkzeugen wohlverdiente Ruhe schenken, und danken, wenn sich der Blick wieder löst vom Überflüssigen.

Schnee von heute

Heute hatte ich wieder einmal Gelegenheit, die Eigendynamik des Gehirns zu bewundern, oder mit welchen Worten auch immer man diesen Vorgang bezeichnen mag. Beim intensiven Blick auf die Schneegebilde also bewegten sich aus meinen Archiven Zeilen auf mich zu, von denen ich gar nicht mehr wusste, dass sie irgendwo in mir existieren…“Home is, where I live inside, white powdered streams…home was once an empty vacuum, that’s filled now with my silent dreams… Offensichtlich genug war der Auslöser der Erinnerung das „Weißgepuderte“, während es im Lied etwas ganz anderes meinte, was damals auch „Schnee“ genannt wurde. Aber noch erstaunlicher fand ich, dass die Zeilen gemäß meines Kontextes schon umgewandelt ankamen, also als Huldigung der Schnee-Schönheit, die den Zauber der Märchen hervorrufen kann, während es im ursprünglichen Text um einsames Schreien in einem seelischen Vacuum ging, es also statt „dreams“ um „screams“ ging. Gerne höre ich, wie sich weiterhin gut trainierte Gehirne auf allen Ebenen des Denkens, wo Lebendigkeit und Kreativität noch erwünscht, möglich oder gar selbst-verständlich sind, wie sie sich also einsetzen mit Leidenschaften, die nie verblühen, um die rostig gewordenen Erkenntnisse über das (scheinbar) Wesentliche neu zu erforschen, und warum? Weil da kein Ende abzusehen ist. Das sogenannte Neugedachte zieht schon oft genug den Karren aus einem festgefahrenen Denkkonstrukt, aber wird nun gewusst, wo Bewusstsein sich aufhält (?), und könnte das als heilig gepriesene Innen nicht auch eine Täuschung sein, wenn auch nur vorübergehend. Denn die bereits stattfindende Bewegung (nämlich, dass wir automatisch bewegt werden) sorgt ständig für eine Wandlung, die wir als Einzelne im Ganzen niemals erfassen können. Und was ich mit den paar Zeilen erlebt habe, die überraschend zu mir herkamen: das ist genau, was ein Roboter (erklärte mir vor vielen Jahren einmal ein CIA-Agent) niemals können wird, denn die erforderliche Präzision des technischen Vorgangs kann den freien Aufenthalt im Nu niemals erreichen. Es kann immer komplexer und vor allem komplizierter und aufwendiger werden, aber das meinen wir nicht, wenn wir von „Anwesenheit“ reden, also in der Lage zu sein, aufmerksam und präzise durch das Ungewisse zu navigieren.

aufgehoben


Unsichtbar Tuende
Aus dem Wesen des Menschenkerns heraus gibt es ja uns allen bekannte Klagen wie: nicht gehört oder gefühlt oder gesehen worden zu sein oder nirgendwo aufgenommen und eingegliedert zu werden. Doch der Kreis unseres Sichtbarwerdens ist eh klein, fast immer geht es um Papa und Mama und dass sie es offensichtlich oft nicht besser hingekriegt haben, sonst hätten sie’s ja getan. Insofern kann wahrscheinlich auch bei Instagram usw. einiges an Heilung geschehen, bevor es umkippt in Krankheit. Krank kann auch machen, was sich hartnäckig als „normal“ deklariert, zum Beispiel, dass Deutschland einer der größten Waffenlieferer der Welt ist, oder dass die Grünen, begleitet von unserem Verständnis. umschwenken müssen, wo sie gar nicht hinschwenken dürften, sollte ihr Blick in den Spiegel weiterhin vertrauenseinflößend sein. Wenn man nicht mehr zurück kann, das ist dann oft schon zu spät. Aber zu spät für was? Für naives Weitergrübeln darüber, wie es sein kann, dass es so vielen Männern in Kriegen immer noch wie selbstverständlich vorkommt, Vergewaltigung als Waffe einzusetzen, und wenn dann genug Leben für immer zerstört sind, sie zurückweichen in die Gesellschaften und die Gesichtslosigkeit. Sokrates wusste, dass dunkle Gestalten in uns lungern, aber dass es an uns liegt, ihnen kein Gewicht und keinen Ausdruck zu geben, weil die friedliebenden Strömungen in uns sonst gefährdet sind.  Irgendwann, auf der trostlosen Seite der Menschheitsgeschichtenerzählung, kommt es zu einem Stau. Das viele Erleben, das möglich gemacht wurde, hat eine Verdauungsnotlage erreicht. Vorstoß der Nahrungsergänzungsmittel. Globales Leiden an Aussichts-und Wirkungslosigkeit. Da! Auf einmal ein Ton, der ruft uns zu uns selbst zurück. Klarsicht ist hier nicht verboten, Klartext erlaubt und erwünscht. Da haben wir Glück (ja, das kann man Glück nennen) und können froh sein, wenn in dieser Schweigsamkeit Menschen uns wohlgesinnt sind, wenn lebendige Lichter brennen und die Liebe aufgehoben ist vom Staub ihrer Knechtschaft.

peace

In der „Zeit“ stand ein Artikel (von Peter Neumann) über Immanuel Kant und seinen unermüdlichen Einsatz für  Weltfrieden. Der Satz des Artikelautors, dass „die friedlichste Ära der Menschheit vorbei ist“, blieb bei mir hängen. Ich gehöre zu den denkbar dankbarsten Huldigerinnen des Friedens und habe nicht nur in den Sixties unzählige Male die gespreizten Finger erhoben und auf Weltbühnen mit dem Living Theater darum gerungen, nicht nur zu verstehen, sondern auch zu vermitteln, wie und wodurch „peace“ denn tatsächlich zustande kommen kann oder könnte, und als Truppe haben wir zwar dafür gekämpft, aber eben das Wort „kämpfen“ sagt schon alles. Die Zeit war geeignet für wilde Durchbrüche, die zwar reflektiert wurden, aber doch eher so intensiv gelebt, dass die, die nicht bei den neuen Strömen zumindest anwesend waren, auch später nicht wirklich darüber berichten konnten. Natürlich gibt es immer Überlebende, und so bin ich eine Überlebende des aktiven Friedensprozesses. Und nun ist die (auch von Unheimlichem bevölkerte) Friedenszeit auf einmal zu Ende, und neue Kriege bewegen sich in Hautnähe. Doch „sapere aude“ ist immer noch hochaktuell, denn wir (wer immer das ist) hatten die Freiheit und den Mut, uns unseres Verstandes zu bedienen, und leben nun mit dem Resultat unserer jeweiligen Entscheidungen. Wir haben gesehen, dass der große Gedankenbrei der Weltgemeinschaft seine eigenen Rhythmen und Gesetze und Rezepte hervorbringt, und das Ganze drängt sich durch das Sieb des Aufnehmbaren. Und was da durchkommt, ist nie als Ganzes erkennbar, weil es das Lebendige selbst ist, das es zum Durchsetzen drängt. Wenn einmal etwas sich angemeldet hat, will es nicht gleich wieder vertrieben werden. Und nicht alles, was durchkommt, ist friedensbereit, Und wie hoch ist sie überhaupt, diese Friedensbereitschaft. Und wo ist dieser tiefe Friedenswille (auch in Wohn-und Schlafzimmern) zu finden? Oder muss man ihn im Labyrinth der Hölle suchen gehen?

 

klären

Wie Sandkörner an den Meeren, also unzählbar, sind die Worte und Sätze, die in der menschengemachten Welt zur Verfügung stehen. Ja, sie sind da, aber der Gedanke führt uns nicht in die Einfachheit, sondern in die Komplexitäten und Bewältigungen, mit denen jeder Tag aufwartet. Jeder Tag aufs Neue, ganz im scheinbaren Kontrast zu seinen Wiederholungsmustern. Wann sagt mir ein Wort etwas, wann sind mir die Grübeleien der „Anderen“ (ich habe mich entschieden, das Wort groß zu schreiben), zu schwer oder stimmen mich hellhörig, oder berühren sie gar etwas in mir, das ich vorher nicht kannte (man sieht, wie sich im Korridor der Archive eine Tür öffnet). Aber welche Gedanken kommen durch bis zu den Herzgefilden, oder lagern an inneren Bäumen mit ihrem poetischen Aufruhr, und rufen so leise mit ihrer ureigenen Stimme: Du kannst/darfst/musst dein Leben ändern. Denn trifft es den Kern, dann weiß man selbst, dass einem der Atem einen Windhauch geschenkt hat. Oft war ich überzeugt, dass ein einziger, trefflicher Satz genügt, um nicht zu erstarren, und manche begleiten einen ja auch die ganze Wanderung entlang, und sicherlich helfen sie einem noch über die Todesschwelle hinweg, und selbst darüber hinaus gibt es Richtlinien. Und wer weiß, ob unser Hier mit den Klärungstexten nicht nur die Eingangshalle ist zur Menschwerdung. Es ist auch klar, dass da, wo das Wort schweigt, andere Schleusen sich öffnen, aber vor dem Einlass in die Felder des Schweigens muss die Technik der Schleusen verstanden werden. Daher bewegt sich um das Wörtliche oft ein Licht, in dem man ein Bad nehmen kann.

 

feeling good

Gehört in dem neuen Film von Wim Wenders „Perfect days“

wirbeln

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Was mir an diesem Jahresumschwung reizvoll erscheint, ist, dass mir nicht nur der Blick über das globale Geschehen den Gedanken einflößt, dass neue Ideen dringend gebraucht werden, um eingefahrene Denkstrukturen auflockern zu helfen, sondern ich spüre in mir selbst einen Impuls, der mir ermöglicht, mein inneres System zu öffnen und den frischen Wind der Zeit durchziehen zu lassen. Ja, was könnte nun der frische Wind sein, der hier durchzieht. Will ich im Nichts ein großes Schweigen bauen, weil Sprechen das Dickicht der Sprache kaum mehr bewältigen und durchdringen kann, oder will ich weiterhin nach Anregungen in mir fahnden, die trotz des  mühseligen Trotzquam noch einen Raum der Gelassenheit eröffnen können. Oder besser ein großzügiges Raumquartier kann es sein, in dem einerseits gedacht werden kann, dass das ganze Leben auf dem Planeten tatsächlich ein Spiel ist, oder eine tragische Komödie, oder eine komische Tragik beinhaltet, was mich andrerseits nicht davon abhalten sollte, eine gewisse ruhige Leidenschaft für meinen Kompass zu entwickeln. Denn da, wo mein eigener Nachen sich auf den Flüssen und Meeren bewegt, da will ich schon, dass die Reise meinem eigenen Wesen entspricht, was wiederum Kontakt braucht mit dem Lebendigen. Manchmal fließen mir dann  die indischen Sätze zu, deren Logik sich nicht unbedingt leicht enthüllt. Was heißt das nun z.B. zu sterben, bevor man stirbt. Es kann bedeuten, dass zuerst das Ich einigermaßen vertraut gemacht werden muss, bevor es in einem Irgendwann auf einmal im Weg stehen kann. Mit den Wünschen, mit den Gedanken, mit den Klamotten, mit den Mitmenschen, mit den Reisen, mit den Medien, mit den Gewohnheiten usw. Oder überhaupt mal schauen, wer im Nichts auf dem Stuhl sitzt. Möge ein frischer, wilder Wind uns alle durchwirbeln, und nicht (nur) wegen den Katastrophen, sondern wegen uns selbst und den kostbaren Stunden, die (noch) zur Verfügung stehen.

rätseln

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Was ist denn jetzt?
Trotz ihrer großen Schlichtheit kann die Frage (was ist denn jetzt?) zu einem Trittbrett gemacht werden. Hinaus also dehnt sich der Geist ins räumlich Unbegrenzte, das geht ja schnell, man kann auch den Himmel als Stütze nehmen, also hinausdehnen und hinauslehnen, soweit es geht. Irgendwann muss man sich selbst zurückholen, sonst läuft man Gefahr, einem Wurmloch zum Opfer zu fallen. Ein greiser Wissenschaftler steht grübelnd am Turmfenster. Pflichtmäßig einsam, wie alle anderen vor und alle nach ihm, so dringt sein stechender Blick ins Nichts, Resultat des Erworbenen. Oder eine der knallwachen Frauen, wie sie immer häufiger im Weltgetriebe auftauchen und Wirkung erzielen, steht an einem anderen Fenster des Alls und denkt (vielleicht): Ja! Es ist, wie es ist. Und genau deswegen kann es niemals verstanden werden. Man könnte es auch das offene Geheimnis an sich nennen, innerhalb dessen sich das eigene Schicksal gebiert. Wir rätseln, und die Kunst reicht uns die Hand.

 

*Bild: C.M.Brinker

schöpfen

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Das konnte sie (die Verstorbene) wirklich besonders gut: kleine surreale Welten erschaffen.  Ein Frauenfigürchen ohne Kopf steht gegen die Wand, hinter ihr die Frage: „Wer bin ich wirklich?“. Ein Körper liegt in einem trockenen Wasserbecken. Auf dem am Zweig befestigten Zetteln stehen Sätze wie: „Das sollte ich tun“ & „Das könnte ich tun“ & „Das sollte ich sein“ & „Das wollte ich sein“, die alle sehr gut zum Jahresanfang passen im Sinn von all dem, was durch die Köpfe geht, wenn die Kurve gekratzt ist und der Teppich der Zeit sich nach vorne ausrollt. Was er natürlich sowieso tut, denn auch wenn es keine Menschen mehr gäbe, würden Tod und Leben Schulter an Schulter weiterreisen. Auch Bäume und Tiere sterben, auch Sterne. Wir Erdlinge brauchen Strukturen und Ordnungen und Rituale, damit der schwer zu ergründende Wahnsinn des Daseins mit Sinn befrachtet werden kann, den es ja an sich gar nicht geben muss, da der Sinn nicht in den Dingen liegt, sondern wir ihn hineinlegen. Das absolut Ungewisse, das den ganzen Vorgang umgibt, kann furchteinflößend sein. So werden Normen gebastelt, an die sich Menschen dann halten müssen und wollen und sollen.  Das zum surrealen Blick befähigte Auge liebt es, die als normal erkennbaren Zusammenhänge auseinander zu nehmen und sie ganz neu darzustellen. Das Beflügelte spielt hier eine größere Rolle. Daraus wächst ein Mut, der die Entgrenzung befähigt, die überhaupt nur zu fremden Gefilden führen kann. Gefährlich ist es auch hier. Schnell kann der Held:innentod kommen, wenn das Geschöpfte entweder dem eigenen Anspruch oder dem Anspruch der Schöpfungsgesetze nicht zu genügen scheint. Aber was scheint vor wem und an welche Gesetze ist es dennoch gebunden?

 

*Bild: Claudia M.Brinker
Mit zwei Ausschnitten

 

 

hier


Gehäuse
Es gibt Sätze in allen Bereichen des kollektiven Wissens, die sich durchgesetzt haben, vermutlich auf der Basis eigener Erfahrungen oder der verschiedenen Formen des Einleuchtens. So kann es einem einleuchten, wenn man den Satz „Be here now“ hört, dass dieser Aufruf seine Logik hat. Denn wo sollte man sonst sein. Warum aber dann der Aufruf. Es ist die schlichte, einfach zu erfassende Fassade des Satzes, die automatisch seine Komplexität hervorruift. So verbringt zum Beispiel Eckhart Tolle die Abende seines Lebens mit der Erläuterung dieser Worte, und man kann ihn, wenn man will, wie nebenher als einen Menschen sehen, der da ist. Aber wo ist er mehr da als die Anderen, oder wissen die vielen Anderen einfach noch nicht, dass sie  (nicht) da sind, also nicht anwesend genug, um für sich selbst in der Wahrnehmung des Daseienden einen Unterschied zu machen. Welcher Dialog findet also statt zwischen mir und der Welt, denn wir sind ja alle ein Ich in der Welt. Hier zu sein heißt sich zurechtzufinden im Wirrwar des Scheinbaren. Denn wieviel Wirklichkeitsgehalt hat es denn, das ganze Schauspiel, das uns bewusst oder unbewusst ständig beschäftigt. Wohl wissend, dass wir nur intergalaktische Traveller sind, kurz mal durchgeschwebt und bald wieder außer Sicht. Unterwegs so viel wie möglich aufgeschnappt von dem, was unseres Weges kommt, um dann, wenn unermüdlich bei der Sache, eines Tages zu merken, dass doch untrügliche Gesetze am Werke sind, deren Klarheit leuchtet wie das Untrügliche selbst. Und da der einzige Ort, an dem man sich wandeln kann, der Nu ist, ist es förderlich, sich da auch aufzuhalten. (Auch wenn man dafür etwas üben muss).

handhaben

In den vielen Jahren, die ich im Winter in Indien verbracht habe, war die unheimlichste Zeit immer d i e zwischen Weihnachten und Neujahr. Es dauerte Jahre, bis die Inder durch die zunehmende Zahl von Fremden einen eigenen Zugang zu den Festlichkeiten gefunden hatten. Auch bei modernen Frauen fanden die roten Nikolausmützen regen Anklang, und an Neujahr brach die Leidenschaft für Feuerwerke so richtig durch, bis bald bei keinem Anlass mehr ein Lichtorgasmus fehlen durfte, sehr zum Leidwesen der Tiere. Auch ich fühlte mich ins Innere getrieben und fand mich in regelmäßigen Neujahrs- Schweige-Rückzügen wieder, die mich tatsächlich frisch und lebensfroh wieder entließen. Dabei findet das hinduistische Neujahr erst später statt beim Drachenfest Makar Sankranti, wobei Silvester im November ist (an Diwali). Aber man muss ja nicht kleinlich sein und alles verstehen wollen, und außerdem befinden wir uns nach dem indischen Vikram Kalender bereits im Jahre 2081, was langsam aus dem kollektiven Gedächtnis verschwindet, da sich der englische Kalender eingenistet und durchgesetzt hat, was nicht bedeutet, dass Jesus als geborenes Kind mit hohem Schicksal sehr präsent ist. Jedenfalls nicht in Rajasthan, wo ich gelebt habe, und wo Brahmanenclans das Ganze im Griff haben. Nun hat uns ja die Corona-Explosion an die eigenen Wurzeln zurückgebracht, und dort, beziehungsweise h i e r, genieße ich nun die segensreiche Hängematte der Zeit, vom Lichterfest bis in die neue Zahl hinein als eine Möglichkeit, alles Erlebte mal wirken zu lassen. Manches davon sinkt gelöst hinunter und verteilt sich auf die bereitstehenden Leerräume, anderes zeigt sich auf den sichtbaren Flächen des Alltags und muss aufgenommen und eingeladen werden in den Seinsbereich. Außerdem wissen wir sehr wohl, dass da draußen Kriege toben, die keinen Halt auf Straßen und in Häusern machen. Daher weist auch alles scheinbar Neue auf uns selbst hin: als welcher Mensch betrete ich das Seil des Jahres 2024, und welcher Grad an Wachheit steht mir zur Verfügung, um das vollkommen Ungewisse weiterhin angemessen zu handhaben. (?)

von Lilly


Buddha auf Keks
Am Vormittag besuchte uns eine junge Frau mit ihrer 2-jährigen Tochter Lilly. Kaum war Lilly im Raum, spähte sie aus nach Möglichkeiten für ein persönliches Unterhaltungsprogramm. Es dauerte nicht lange, da fiel ihr der kleine Buddha ins Auge, der, von keinerlei Bedeutsamkeit belastet, schon lange bei uns einen Fensterplatz hat. Als Lilly dabei war, den Heiligen vom Sims zu nehmen, versicherte sich ihre Mutter schnell bei uns wegen der möglichen Reaktion, die es nicht gab, kramte aber in einem Rucksack nach den mitgebrachten Spielzeugen. Aus dem Tiefdunkel mütterlicher Geheimnisse tauchten zwei Penguine in der genauen Größe des Buddha auf, was Lilly sofort erkannte und links und rechts vom Erleuchteten einen Penguin plazierte und „Freunde“ sagte. Es kann einen nun auf einer transzendenten Ebene berühren, dass der Buddha just in diesem Nu, und das kurz vor dem Jahresumschwung, von einem Kind zwei Pinguine  zur Begleitung bekommen hat, wer könnte dem widerstehen. Aber nicht genug. Sie setzte den Heiligen dann zielsicher auf einen Mürbeteigkeks, was seinem (dem Buddha seinem) Ruf ja nicht schadet, nein, eher etwas in einem zum Schwingen bringt. Mir fiel der berühmte Satz aus buddhistischen Kreisen ein „Wenn du den Buddha triffst, töte ihn“*, was natürlich bewusst provokativ gemeint sein muss, sodass es zum Nachgrübeln geeignet ist oder sein kann. Das gab mir wiederum die Chance, meinen eigenen Satz zu bilden, und war mit „Wenn dir der Buddha auf den Keks geht, lass ihn einfach in Ruhe“ ganz zufrieden. Man bedenke: das alles wird es nur ein einziges Mal geben und ist schon jetzt  gesponnener Schicksalsfaden im Labyrinth der Ich-Erzählungen.
*googeln