Brückentag

Die Technik rechnet mit: 40 000 Blitze soll es um den Vollmond herum gegeben haben, die den sogenannten Brückentag eingeleitet haben, für den einige Ferien nehmen mussten oder wollten, und andere einen Zwangsurlaub. Den Brückentag kann man gut nutzen und kann sich zum Beispiel einen „Tag der Brücke“ gestalten. Man schränkt so viel wie möglich von den einen überbordenden Ideen ein, damit dieser Tag nicht auch noch vollgestopft ist wie alle anderen, in denen getan werden muss, und kontempliert das zu Überbrückende, oder die bereits geglückten Überbrückungen, und wie Brücken von einem gebaut wurden, die wieder zerfielen, und wie andere durch Sturm und Regen standhaft ihre gute Struktur behaupteten und man sich bedenkenlos auf sie verlassen konnte, soweit Bedenkenlosigkeit akzeptabel ist. Ich habe mich auch eine Zeitlang als Brücke definiert zwischen Orient und Okzident, es gab viele, die an den Brücken beteiligt waren, es gab und gibt immer wieder welche, die durch Hin-und Herfliegen ihre Bahnen ziehen, bis diese zu Strängen werden, und bis klar wird, dass die Brücke bereits Bestand hat. Innere Brücken sind von Natur aus einerseits feingewebter, können andrerseits jedoch auch extrem belastbar  und strapazierfähig sein. Der Weg zwischen den Menschen ist die Brücke. Sie ist die Möglichkeit, überhaupt zueinander zu kommen. Jeder hat potentiell gesehen das Material zum Brückenbau. Es kann das Lächeln sein, es ist sicherlich die Sprache, es sind die Signale und Gesten, mit denen eine Bereitschaft zum Aufeinanderzugehen signalisiert wird. Eine Seite kann ihren Pfad aufbauen, wird aber von der anderen Seite her nicht verbunden, dann muss das Konstrukt zurückgefahren und neue Möglichkeiten können erwogen werden. Wir waren zu zweit unterwegs zum Verkehrsamt in der naheliegenden Stadt. Um 7 Uhr 30 waren schon ungefähr 80 Menschen im Raum mit abmontierten Autoschildern, einer Nummer und ähnlichen Anliegen wie wir. Eine innere Brücke zu allen Wesen, wie sie gerne von einem selbst gewünscht und visioniert wird, zeigte Risse und Schadstellen. Ich fürchtete mich, meine Befindlichkeit zu kommunizieren, ein leichter Schwindelanfall, umkreist von Schildern und einer tickenden Folge von roten Zahlen, mit denen wir auf einmal verbunden waren. Ich erholte mich und blätterte auch ein bisschen in einem Magazin. Karl Lagerfeld war da zu sehen, der eine Menge Bäume fällen ließ, um irgendwo anders, wo nichts war, was mit ihnen zu tun hatte, einen Wald aufbauen ließ aus ihnen, den Bäumen, aus Lust an der natürlichen Künstlichkeit, die so elegant wirken kann, wenn man nicht tiefer darüber nachdenkt oder den irrwitzigen Fehler macht, sich Karl Lagerfeld mit Autoschildern im Verkehrsamt vorzustellen, schaffe ich es doch kaum mit mir selbst und bin angewiesen auf gute Begleitung. An solchen Orten gibt es allerdings auch überraschende Momente. Blitzschnell kann durch ein authentisches Brückenmaterial eine menschliche Sphäre entstehen, die das grausame Beton-Grau durchbricht und einen daran erinnert, dass alles überall möglich ist. Wenn es dann auch noch gut klappt und das Gewünschte ist vollbracht, freut man sich von Herzen auf einen Kaffee. da ist es erst 9 Uhr und der Brückentag weit offen, vor der Türe ein zugelassenes Fahrzeug.

Leigh Hunt

Ähnliches Foto

Abou Ben Adhem

Abou Ben Adhem (gesegnet sei sein Stamm!)
Erwachte nachts, als tiefste Träume kamen,
und sah, wie im Gemach, im Mondenschein,
Erstrahlend und wie eine Lilie rein,
Ein Engel schrieb in einem goldenen Buch:-
Und seligen Friedens voll Ben Adhem frug,
Kühn zur Gestalt gewandt, wie der, der glaubt:
Was schreibst du da? – Der Engel hob das Haupt
und sprach mit gütigem Glanze in den Mienen:
Die Namen derer, die dem Herren dienen. –
Und meinen auch? sprach Abou. Deinen nicht,
Erwiderte der Engel. Abou spricht,
Zwar leiser, und doch froh: Ich bitt dich schreib,
Dass ich der Menschen treuster Diener bleib.
Der Engel schrieb und schwand. Die nächste Nacht
Erschien er wieder in der Glorie Pracht,
Der Gottgeliebten Namen ihm zu zeigen!
Und sieh! Ben Adhems Name führt den Reigen!

friedlich

Das Bild zeigt eine (von mir dort hingelegte und photographierte) Ratte (die auch als eine große Feldmaus gesehen wurde, was beweist, wie wenig man wirklich genau weiß), die von unserer Katze gestern erlegt und als Gabe gebracht wurde, auch als ein Spielzeug, das man unentwegt in die Luft schleudern kann, bis es klar  wird, dass es sich von selbst nicht mehr bewegen und sein wird. was es war, bevor damit gespielt wurde. Die schwerwiegenden Fragen, die Menschen sich stellen können, enden ja nicht mit dem Tier. Soll man, nur weil man gerade vorübergeht, die zappelnde Beute aus dem  Spinnennetz befreien, oder dem „natürlichen“ Tierleben seinen Lauf lassen, anstatt dem Impuls zu folgen, ähnlich wie die Verpflichtung der Ärzteschar, dem Leben immer Vorrang zu geben und jedem Wesen sein Recht auf Existenz zugestehen, solange es möglich ist. Und kann und soll man das Tier durchweg menschlich betrachten, oder mehr darauf achten, dass eine gewisse Grenze des Menschlichen durch gewisse Triebe nicht überschritten wird. Aber sind es „tierische“ Triebe? Hitler hat man die reichlich mysteriöse Fähigkeit zugeschrieben, das Swastika, in hinduistischer Deutung ein Glückssymbol für ein harmonisches Zusammenleben im Haus, was der „natürlichen“ Strömung des Menschseins entspricht, in die andere Richtung gedreht zu haben wie ein Steuer auf hoher See, und wahrlich, es war dann nur Schutt und Asche zu sehen und ein verendeter Adler, nein, kein Phoenix, denn aus der Asche ist nicht wirklich ein Paradiesvogel entstiegen, sondern ein vielköpfiges Ungeheuer, dessen Köpfe bekanntlich immer wieder aufs Neue abgeschlagen und dann wieder geboren werden. Und vielleicht ist das Abschlagen von Köpfen auch nicht die richtige Methode, um gemeinsam wirkungsvollere Methoden zu bedenken, die tatsächlich vorwärts führen in die Gärten der Freundschaft. Könnte man dem Führer Kim Yong Un etwas Glauben schenken, dass, sagen wir mal, seine etwas erwachter wirkende Schwester ihn dazu gebracht haben könnte, eine neue Methode auszuprobieren, um der hungernden Bevölkerung und den maroden Atomanlagen eine bessere Zukunft in Aussicht zu stellen, ja, das wäre schön, wenn man glauben könnte, dass dieser Mensch, von dem so viele der perversesten Machenschaften aus dem Dunkel seines Wohnortes herausgesickert sind, nun auf einmal mit dem Süden einen glaubwürdigen Friedenvertrag aufsetzten will, ja, und auch aufgesetzt hat, das ist schon so viel besser als Krieg, denn viele Menschen, die sonst tot wären, können nun noch eine Weile leben und ihr Leben bedenken, oder nicht. Vielleicht badet er aber auch erstaunt in der Weltverneigung, so wie Donald Trump, dem man nur ein bisschen zuspielen muss, um in die Gefangenschaft seines Lächelns zu geraten, bis man wieder gefeuert werden möchte, bevor man gar keine Achtung mehr vor sich selbst hat. Immerhin haben es ein paar geschafft, auch wenn es sich anfühlen muss wie ein Sturz. Wenn man gewohnt ist, den Menschen viel zuzutrauen, kann man gleichzeitig beglückt und erschüttert werden. Die Zeit selbst und die rasante Schnelligkeit, mit der sich Bewusstsein entwickeln kann, hat das Augenmerk in das Innere des Hauses gerichtet, wo man nun, ganz richtig, den Kern vermutet, und wo man hingeht nach der Arbeit, oder viel Zeit verbringt wegen der Arbeit und um die Arbeit herum. Haben wir das Angebotene nutzen und herausfinden können, was wir selbst unter Frieden verstehen?, nur als ein Beispiel. Neulich habe ich jemanden sagen hören, dass Philosophen die selben Fragen stellen wie Kinder. Das sehe ich auch so.

erstaunlich

Es gibt ja gerade wieder so einen Fall, wo ein Serienmörder seelenruhig als geschätzter Nachbar im Städtchen leben konnte, sozusagen das bereitwillige Einlassen auf das unvorstellbar Banale, das auch angeboten wird in den scheinbar grenzenlosen Verhaltensweisen, für die sich Menschen in gewissen Rahmenbedingungen und unter gewissen Umständen und gemäß ihrer inneren psychischen Bewegungen und gemäß ihrer Spielweise entscheiden. Auch der Mord an einem Menschen kann nicht auf das Dach der Kinderstube geladen werden, denn das Ausschlaggebende ist ja immer das Unsichtbare und der Umgang, den ich mit den Katastrophen gefunden habe, die sich in meinen Schicksalteppich hineingewoben haben, und an denen ich beteiligt war mit einer tiefgründigen Regung. Wer kennt nicht die Mordlust, auch wenn sie nur bei der Zecke ausbricht? Sie ist dennoch vorhanden, und mir selbst wurde einiges klar, als ich den fulminanten Satz hörte, dass „Liebe der Verzicht ist auf Mord“. Das ist zum Beispiel ein Satz, der nur durch die Übertreibung durchdringt ins Bewusstsein, und kann dort durch den Wahrheitsgehalt etwas in Bewegung setzen. Dass es zum Beispiel doch ein Ringen mit den Dämonen ist, die sich festsetzen in den Mustern als einer Form, mit der sie durch die Psyche geistern, sodass es immer wieder mal einen wachen Geist genug interessierte und interessiert, zu wissen, was und wie das alles in den inneren Welten der Menschen vor sich geht. Warum Manche das, und Andere das tun. Allerdings geht man ja gerne davon aus, dass ein liebender Mensch keinen Mord begehen kann, was uns wiederum zum komplexen Thema der Liebe führt, und was sie ist, und was sie kann, und was sie nicht kann. Was wurde nicht schon aus Liebe gemordet, und kann es dann Liebe gewesen sein. Man wäre ungern unterwegs mit einem Schulbuch, wo drinsteht, wie es geht. Und ich bin mir sicher, dass auch Baschar al-Assad denkt, er sei ein guter Mensch, der das einzig Richtige tut, und sich nicht sieht als einen Massenmörder seines eigenen Volkes oder zumindest als einen der paar Irren, die mal wieder die blutigen Throne besetzen, um die sich wie stets in diesen Systemen die Ernährer der Selbstsucht scharen wie um ein leeres, gefräßiges Maul, sodass es niemals mangelt an Bestätigung. Fangen aber die Selbstbestätigungen an zu bröckeln, wird es gefährlich, manchmal auch für die ganze Welt. Wer hat es wirklich auf dem tieferen Ohr gehört (von Hannah Arendt), dass das Böse banal ist, obwohl es weltweit und auf allen Kanälen verehrt wird. Auch bei diesen neuen Untaten, wo neuerdings von extrem Geschädigten die Anregung benutzt wird, wie viele  man auch noch mitreißen kann in den eigenen Abgrund mit einem Lieferwagen, und es der Menschheit mal heimzahlen. Das verändert in der Tat das gesellschaftliche Leben, wenn man endlich genau weiß, dass jederzeit aus jeder Ecke ein Mordlustiger auf einen zurasen kann, und dann sich freihalten von Angst, und den Kindern einbläuen, wie gefährlich es ist, mit fremden Menschen zu sprechen. Gut, manchmal landet man an einem überraschenden Ort. Man verankert das Schiff, steckt den Kompass ein und los gehts’s auf dem Surfboard und hinein in den Raum. Da fällt mir noch Fritzl ein, der unter seinem Haus im Bastelkeller seine Tochter ein halbes Leben lag eingesperrt hat und Kinder mit ihr gezeugt, die nie das Licht der Welt erblickt haben, bis es endlich soweit war. Seine Frau will nix gewusst haben. Da kann man schon staunen und wissen, dass man es nicht verstehen will und auch nicht kann. Geheimnisvoll, wie schwer es dem Menschen, und nur ihm, gemacht wird, sich selbst zu erkennen und letztendlich auch zu sein.

dankbar

 

Es ist schön, wenn es einem ermöglicht wird zu sehen, wie viel Liebe eine einzige Person in einem auslösen kann, und da ist die Liebe wohl einzigartig in dem Glücksgefühl, wenn eine bestimmte Resonanz auf die eigene trifft. Liebe ist von Natur aus nicht abhängig vom Anderen. Sie ist aber ansteckend, unterhaltend und lebendig, auch daraus besteht ihre Unwiderstehlichkeit, wie gesagt, vor allem, wenn der Ton auch Musik machen kann für die empfindlichen Ohren. Schon die Tatsache, dass unentwegt durch die Menschheitsgeschichte darüber nachgegrübelt wurde und wird, zeigt, dass es eine verlässliche Aussage darüber nicht gibt. Was, wenn jemand (z.B. wie ich) den ganzen erfassbaren Raum um uns herum als den Wohnort der Liebe an sich deklarieren würde, der Planet also mit seinen Herausforderungen vor allem ein Weg, um wieder eines schönen Tages den Blick in den kosmischen Raum als die Rückkehr in den natürlichen  Zustand der Liebe wahrnehmen zu können. Oder, um ihn mal einen Moment woanders hinzulenken und weg von der Idee, dass Liebe notgedrungenerweise ausgelöst werden muss von einem oder einer Anderen. Sehr wohl erweckt aber der/die Andere das oft in Verbannung geratene, gestörte oder noch verborgene Potential der Liebesfähigkeit und erzeugt zu Recht eine tiefe Dankbarkeit, kennt man doch nun besser den Unterschied zwischen Denken und Sein. Was gegen den Zustand der Verliebtheit spricht, ist einzig und allein ihre Kurzlebigkeit, bevor sich das Verklärte in die Klarheit bewegt und der Erfahrungsschatz menschlichen Grübelns und Leidens entdeckt und erforscht werden kann. Die Macht der Liebe ist ihre Fähigkeit, in Ohnmacht zu versetzen, keine bannende und erschreckende Ohnmacht, sondern eine freiwillig entwaffnete Entkräftigung, die man auch in  Martial Arts Filmen bewundern kann,  wenn die Heldin, fit wie ein Raubtier, ihren tiefsten Seinsgefilden erliegt. Und dann die Arbeit. Die Liebe macht sehr viel Arbeit, die man freiwillig nicht unbedingt auf sich nehmen würde. Auf der einen Seite ist man befreiter als vorher, und auf der anderen Seite ist man auf einmal ernsthaft an die eigene Skala gebunden. Vor diesen anderen, aufmerksamen Augen möchte man nicht unbedingt herumgaukeln, so als hätte man die hohe Anwaltschaft exklusiv für sich selbst übernommen und könnte dann und darüber hinaus letztendliche Aussagen machen. Meine Erfahrung ist, dass es Jahre dauert, bis man, unter dem Schutzschirm des Willens, unterscheiden kann zwischen Hören und Hören, zum Beispiel. Und wie schnell wird klar, dass die Welt immer mitspielt. Da versteht man, wie selten dann doch der liebende Blick ist, wenn man einmal das Wahrgenommensein durch eine/n Anderen erfahren hat. Sein ist Wahrgenommensein – und beruht ganz sicherlich auf Gegenseitigkeit, wenn es zur Aktivität des Liebens kommt. Zum Wunsch des Zusammenseins, in welchem Konstrukt auch immer, und zum befruchtenden Gespräch als einer unerlässlichen Ebene. Denn ohne die Kooperation des Wortes kann auch der Körper seine Sprache nicht wirklich verstehen. Das ist natürlich (m)eine ganz persönliche Meinung.

vorstellen

Die Vorstellungskraft an sich ist ja etwas Hocherfreuliches. Je freier und beweglicher der Geist, desto weiter der Raum der Vorstsellungsmöglichkeiten. Die Souveränität des eigenen Seins beinhaltet auch die Fähigkeit, Grenzen zu setzen, wo mir die inneren Sperrigkeiten Zeichen geben, meine Vorstellung zu überprüfen und zu klären. Allerdings basieren auch Visionen auf entsperrter Vorstellungskraft, und es kommt darauf an, in welche Richtungen sich die Vorstellungen entwickeln. Auch die geistige Freiheit hat ein System. Man kann es z.B. vergleichen mit einer Schallplatte, auf der der Inhalt schon potentiell enthalten ist, ohne die Nadel aber nicht zum Klingen kommt, das heißt, ohne die klare Ausrichtung, die durch persönliche Denkprozesse entsteht. Und der Ton macht ganz sicherlich die Musik. Es gibt ja diese begnadeten Visionäre wie z.B.Gene Roddenberry, der eine unübersehbare Masse von angeregten Gehirnen erzeugen konnte, die nichts lieber getan hätten, als an einem dieser well designden Fenster des Raumschiffs („Enterprise-Next Generation“) zu stehen (navigiert vom Captain, einem Shakespeare Darsteller),  und hinaus zu starren ins Sternenmeer, wenn mal Zeit dafür war. (Ich spreche aus Erfahrung). Und wenn man nicht weiter wusste, konnte man zu Woopi Goldberg an die Bar, immer sinnvoll gekleidet als kosmische Ratgeberin, und sich Rat holen. Und man kann sich mal vorstellen, wie es wäre, wenn der Mensch sich in seiner und ihrer langen Geschichte für das Sein entschieden hätte, und nicht für das Haben. Neben all dem Gewimmel der Dinge, die uns Menschen so einfallen bei der Entdeckung der Welt, gab es immer auch diese einfache Variante, die manche Gemüter erregten. Es ging viel um Fragen, die Antworten erschwerten, so als wäre man noch nicht dran in der Warteschleife, bis man erwacht, wobei die Vorstellung des Wachseins selbst dann infrage gestellt wird und werden muss und musste. So kann ein Mensch schon als Kind schwerlich sich selbst erfahren, wenn die Vorstellungen Anderer, wie etwas sein müsste, die eigene natürliche Vorstellungskraft einschränken, bis fremdes Gedankengut einem vorkommt wie das eigene. Ich finde Maschinen auch herrlich, und ja, das kann man sich langsam ziemlich gut vorstellen, dass in eine Maschine mehr reingepumpt werden kann an Wissenswertem als in einen Menschen. Ich selbst hänge nur noch etwas hinterher, oder vielleicht hänge ich auch schon ein bisschen voraus, vielleicht ist es auch einer dieser Momente, wo man mutterseelenallein eine Entscheidung fällen muss, ohne Unterstützung zu suchen in einem Gegenüber. Es kommt ja gar nicht mehr so sehr auf Wissen an. Wissen war immer, und wer es wollte, hat es auch immer bekommen. Ich finde nur, dass der Mensch so unterschätzt bleibt, wenn man jetzt von der materiellen Umsetzung seiner und ihrer Vorstellungen absieht. In den dinglichen Manifestationen brauchen wir ja keine Beweise mehr vom Wunderbaren, was hervorproduziert wurde und wird, vor allem das auffallend Überflüssige, das als zu Habenmüssendes in die Geister der Menschen einfließt. Und doch ist man so froh, wenn man Menschen trifft, in denen man bewusstes Menschsein erkennen kann, das nicht nur vom Habenwollen gesteuert wird, sondern von der verlorenen Kunst authentischen Menschseins, die zwar überall und durch alles Daseiende gelernt und geübt werden kann, aber nur unter bestimmten Bedingungen. Man muss verstehen, wie konsequent und revolutionär die Durchdringung der Matrix ist, die letztendlich nur eine Ansammlung umgesetzter Geschichten ist, in die ich zwar meinen eigenen Faden hineinspinnen kann, nicht aber die Garantie umsonst mitbekomme, dass er gespeist ist von eigener Quelle, und wie heilend und nährend das Wasser dort ist, sodass ich mich erfrischen kann, bevor ich wieder herauskomme in das Licht der Welt.

Profil

Dieses Profil zum Beispiel ist von selbst entstanden, später habe ich die roten Linien dazugefügt. Als ich das Gesicht entdeckte, war der Rest des Bildes schon fast „fertig“, heißt: hatte die gewisse Ausgewogenheit, die einen befähigt, den nächsten Schritt zu tun oder noch ein weiteres Gebilde zu pinseln, das sich innerhalb seiner eigenen Mysterien im Raum bewegt. Oder wie bei einem Kind oder einem Tier, das man genug gehütet hat, um es verhältnismäßig unbesorgt in die Freiheit zu entlassen. Hier aber passte auf einmal das schon Erarbeitete nicht mehr zusammen mit dem Von-selbst Entstandenen. Wem die Führung überlassen? Ich entschied, dem Profil die Führung zu überlassen. Zuerst erschien es mir als ein eher männliches Antlitz, in einer andächtigen Haltung. Jetzt musste ich aber den Rest des Bildes umpolen, wodurch die weiblichen Züge mehr zum Vorschein kamen, da meine darunter liegende Architektur nun zum Haupthaargebilde des Wesens wurde. Mir gefällt diese hingegebene Haltung, die aus dem Inneren zu kommen scheint. Allerdings kann man den roten Faden auch als eine Blutspur sehen, was andere Sichtmöglichkeiten zulässt. Man muss erkennen, dass man selbst auch jedes Mal etwas anderes sieht, weil man immer den eigenen Zustand bedenken muss, mit dem man etwas oder jemanden betrachtet, und der die Wahrnehmung des Auges bestimmt. Die Entscheidung, diese Form des Bildes heute auf diese Weise in meiner eigenen Bildbetrachtung zu präsentieren, war geleitet von meinem Interesse an dem Phänomen des Fühlens. Worte wie „fühlen“ sind ja derart überbelastet im neuen, medialen Rausch und Reich der Redseligkeit, wo mal wirklich fast jede/r ein Fenster besitzt hinaus in die weite Welt, wohinein man bedenkenlos seine Meinungen schütten kann, weil man noch nicht dazu kam, die Folgen zu verstehen, und dass man Gaben des Menschseins auch missbrauchen kann. Nur: da ist eine Freiheit, die bedenkenswert i s t. Das betrifft vor allem einen selbst. Ja, was ist (das) Fühlen? In Indien zum Beispiel erlebe ich manchmal, dass ich mich gefühlsmäßig mit dem ganzen Dorf verbunden fühle, vielleicht durch eine schöne Musik, die wir alle gleichzeitig hören und die so oft und bei den meisten eine ganz gewisse Verbundenheit hervorruft, die die Einzelnen mühelos zusammenbindet. Es kann also auch die Verbindung mit dem Kollektiv sein, die einen gemeinsamen Freiraum erschafft, wobei das ziemlich viele Gefahren birgt, wie wir wissen. Genauso gefährlich kann allerdings auch die vorherrschende Beschäftigung mit dem eigenen Ich sein, so förderlich es auch für die notwendige Strecke sein mag. Irgendwann kommt die Bewegung auf, sich von der Selbstbetrachtung insofern zu entfernen, dass man den berühmten Schritt wagt in die , ja, wie soll ich das jetzt ausdrücken, wenn ich weiß, wie schnell ein Missverständnis auch in einem selbst entstehen kann, also in die Selbstbetrachtung an sich, die Betrachtung Selbstsein, das Selbst sich selbst betrachtend als das Ungeteilte, oder vielleicht auch gar nicht mehr aktiv betrachtend, sondern eher wahrnehmend drin sein im Unbestimmbaren. So, das war jetzt mal sehr kurz erfrischend in seiner eigenen Melodie, und hat natürlich leider gar nicht klären können, was ich ganz persönlich durch das Profil, siehe oben, fühle, aber da ist auf jeden Fall etwas, mit was ich mich verbinden kann. Verbundenheit. Vielleicht sogar Liebe.

ausloten

Mit allen uns gegebenen oder von uns herbeigerufenen Erfahrungen sind wir, zumindest erst einmal, allein. In den schönen Worten „allein“, hier im Sinne von Einssein mit dem All, und „einsam“, hier im Sinne von „ein Same sein“, also etwas, aus dem heraus sich eigenes Sein noch entfalten muss und kann, liegt gleichermaßen  auch die Schwermut, die das Getrenntsein hervorbringt, etwa durch das Fehlen an Schutz und Unterstützung (in der Kindheit), wenn mir über die vielen Nuancen des Fühlens als Zuneigung und Wohlwollen nicht genug Erfahrung vermittelt wurde. Da totales Getrenntsein nicht wirklich möglich ist, kann man mit der emotionalen Verlagerung der Verbindung auf das eigene Ich zumindest das Alleinsein erforschen, vor allem, wenn man darin eine Weile gar nicht gestört wird. Wenn in dieser Einsamkeit, die verdammt kalt werden kann, noch ein Fünkchen Lebensglut ist, kann die Flamme jederzeit entfacht werden. Menschen, die die Einsamkeit kennen und lieben gelernt haben, wissen, dass es schwer ist, diese Verpuppung, wenn gelungen, zu anderer Zeit wieder zu durchbrechen, um aus dem Konstrukt der Selbstgenügsamkeit  heraus zu finden, ja wie denn? Dann erst kommen doch die Anderen ins Spiel. Was machen die denn da? Spielen sie auch ihr eigenes Spiel, oder sind sie verhakelt und verhäkelt in den Spielen der Anderen. Wer sind überhaupt „die Anderen“? Notgedrungenerweise muss ich an dieser Stelle das Spiel durch mich selbst eröffnen, sonst kann man nicht erwarten, dass sich mein Qualitätsanspruch automatisch vor mir ausbreitet wie ein kostbarer Perserteppich.Es geht hier nicht darum, gesellschaftlich einen guten Eindruck zu machen, so angenehm das in anderen Kontexten auch sein mag, sondern es geht u.a. darum, der Realität eines  anderen Wesens gefühlsmäßig zugeneigt zu sein, sodass die nun konzentrierten, aber naturgemäß beschränkten persönlichen Ansichten erweitert werden können. (Der Gang durch den Steinbruch). In diesem Bereich spielt die Sprache eine wesentliche Rolle, denn sie führt nicht nur zu den Anderen, sondern auch zur Welt und, in Form von Gedanken, Reflektionen und Kontemplationen, zu einem selbst zurück. Ich muss den eigenen Blick auf das ganze Vorhandene schulen, sonst kann ich mein eigenes Sein (und Spiel) darin ja gar nicht erfassen, dann auch nicht die Existenz der Anderen souverän zulassen. Wer ist verantwortlich für die Erzeugung des Frei-Raums, der die Anwesenheit der Liebe erst ermöglicht? Das Ankommen bei sich selbst ermöglicht doch erst den Zugang zu den paar Gefühlen, die uns ermöglicht sind, von einsamer Spitze bis zu tiefster Atementspannung. Und:wie sollte man ohne die besten und tiefschürfendsten Geister unter den Menschen geschult werden? Bis es Zeit ist, das eigene Sein auszuloten.

Yosano Aki-ko

Bildergebnis für Yosano Akiko

Die Stufen

Die unzählbaren
Stufen
zu meinem Herzen,
zwei, drei vielleicht
ist er hinaufgegangen.

 

Die Dichterin

So denkt an mich:
auf eures Herzens Insel,
dürstend
und ausweglos,
bin ich verbannt.

Artipel Tixor

Hocherfreut über diese wunderbar gestaltete Seite in der „Zeit“ habe ich mir erlaubt, drei Ausschnitte daraus zu photographieren, einerseits wertschätzend für die gelungene Arbeit, andrerseits angeregt durch das Auge, das sofort wieder Eigenbezüge schöpfen kann, wie zum Beispiel die Worte „Om, Perle und Tiger“. (Ein ausgezeichneter Titel für einen Bollywoodstreifen) usw. Noch erstaunlicher ist die Kunst des Auges, hier ein „Komplex“ zu sehen, auch ein schöner, hintergründiger Titel für so ungefähr alles Erfahrbare, wenn es denn erfahren wird und zu einem gehört. Was gehört denn zu einem? Das wird ja sehr unterschiedlich gesehen und gelebt und hängt von persönlichen Entscheidungen ab. Die souveräne Aussage von Sokrates, dass er froh ist, dass es so vieles gibt, was er nicht braucht, kann bis heute jederzeit ein Herz berühren genauso wie so manches Lied von Antony and the Johnsons. Was berührt? Das Erfahrene ist an Gefühle gebunden, sonst kann es keine adäquate Resonanz erzeugen. Die Skala der vermuteten Gefühle wird aber oft von uns so gefächert, als gäbe es unzählige Variationen für ihren verfügbaren Ausdruck. Hier ist wiederum die Unterscheidung zwischen den Gefühlen und den bewegten Emotionen angebracht, zu denen Emoji-Creators ihren Geist zur Verfügung gestellt haben, und man sieht, wie wichtig das war und ist, allem mal die adäquate Ebene zuzugestehen, denn auf allen Ebenen findet nur das Herbeigerufene statt, dem Menschen zugestimmt haben oder nicht. Man kann beobachten, dass es vor dem Einfachen in der Tat meist sehr komplex wird. Hat man das eigene Labyrinthen-Puzzle erst einmal wahrgenommen und zugelassen, kann man, wenn man möchte, den eigenen Faden spinnen auf den Exit zu. Die Durchdringung des Dschungels ist und bleibt ein Abenteuer, das es zu genießen, aber auch zu bewältigen gilt. Durch bewusste Auseinandersetzung mit den Gefahren wird es weniger gefährlich. Man kann sich vor Menschen schützen oder vorsichtig oder nachsichtig miteinander sein, aber wenn man sie fürchtet, bemächtigt die freigewordene Kraft den Anderen. Das gilt auch für religiöse Systeme, eigentlich für alles, wo Machtanspruch ausgeübt und geflissentlich beantwortet wird. Es gibt so ein paar Worte, die mich, wenn ich mein Schiff mal stehen lasse und das Surfboard nehme, um weite Welten zu ergründen (frei nach „Raumschiff Enterprise“), dann im Groß-Raum einhalten lassen und ich mich frage, ob es sich tatsächlich, und auf allen Ebenen und in allen Welten, um Liebe dreht. Und dass diese Erkenntnis einem so verblüffend und doch so kristallklar vorkommen kann. Denn dieser verborgene Unterschied in den Herzen, ist das nicht die einfache Wurzel der ganzen Skala? Nämlich, ob dieses Gefühl Einlass fand oder nicht, oder ob wir Einlass haben in ein immer potentiell Daseiendes, (also Liebe), von dem/der wir durch unsere Schicksalsbearbeitung und ihre Schattenmuster im günstigen Fall nur eine Weile getrennt sind.

 

Die Worte des heutigen Blog-Titels gibt es nicht, sie kommen von den Buchstaben des „Zeit“ Blattes.

kulturell

Ich war und bin immer noch dankbar, dass ich mich einmal vollständig auf eine Kultur einlassen konnte, auch wenn es nicht meine eigene war. Das mag einen simplen Grund darin haben, dass ich noch ein Kind einer der schwärzesten Nacht der Menschheit bin und ich keinen Anlass finden konnte, dort einen Gott am Wirken zu sehen. Nicht dass ich je von ihm verlangt hätte, mir angemessen vorkommende Veränderungen hervorzurufen, das wäre ja schon ein Dialog gewesen, wenn auch nur mit sich selbst und einer religiös geprägten Allmachtsvorstellung, der man die Handlungen getrost überlassen kann. Kein Trost! Eher eine finstre Dunkelkammer, wo man froh ist, noch ein Streichholz extra zu haben. Im Menschen interessiert doch, zu was er alles fähig ist. Sicherlich gibt es auch einen begabten Mörder, in Krimis ist er beliebt: je intelligenter, desto interessanter. Wie kommt es dazu, dass einer zum Kain wird, schon gepeinigt von den eigenen Anlagen. Jedenfalls stand ich eines Tages irgendwo in Indien herum und spürte eine wohlige Wärme auf meiner Schulter. Es war die Sonne! Die indische Sonne hat mir gut getan. Noch besaß ich einen Stab mit einem herrlichen Totenkopf, geschnitzt aus einem Rhinozerushorn, und zuerst zog es mich noch zu den Totenplätzen, auch wenn der „unsre“ im Dorf elegant ausgestattet ist. An den Verbrennungsplätzen wohnen oft Sadhus, die automatisch zu einem linken Pfad zugeordnet werden, aber ich traf dort viel Stille und Freundlichkeit. Auch die Liebe zur Asche ist dort geboren, da trafen sich, wenn ich es recht bedenke, meine beiden Kulturen ganz gut: am Verbrennungsplatz mit dem Reichtum der Asche. Auch die Asche ist ein guter Geburtsort für die Liebe, hauptsächlich, die Liebe geht unterwegs nicht verloren. An meinem Arbeitsort, dem offiziellen Feuer, konnte ich oft erleben, wie ein Hauch von Glut durch ein winziges Fädchen der Kokosnussschale wieder zu vollem Leben erweckt werden konnte. Wäre das Feuer ganz ausgegangen, wäre meine Karriere als schaltende und waltende Eremitin in eigener Choreographie beendet gewesen. Ohne die Unterstützung der Bruderschaft wäre auch da nichts gelaufen. Aber es wurde bald klar, dass ich interessiert war an den Dingen: die souveräne Beziehung zu erotischen Götterwesen, die man in gewissen hellen Momenten als Zugänge zu abstrakten Formeln wahrnehmen konnte, wo immer die Zuneigung, ja, die Liebe. wenn auch nur durch das Unvorstellbare, das Unfassbare, wo immer die Liebe der Code war zum Zugang des Seins, und des Eins-Seins, und des Damit-Eins-Seins. Das macht die Dinge sehr einfach, denn es gibt kein Zurück. Habe ich das Zurück einmal loslassen können, wie auch immer mir das gelungen ist jeweils, dann beginnt die Navigationsschulung. Mit der Steuerung kann ich jetzt rückwärts (was eher selten vonnöten ist), ich kann vorwärts, wenn mein Kompass eine gute Richtung anzeigt, oder ich kann Anker werfen und lernen, wie es als Mensch unter Menschen so ist. Von meinen langen Aufenthalten in Indien habe ich auch das Staunen mitgebracht und das Konzept des Spiels. Auch ist klar geworden, dass man außer den zwei sichtbaren Augen noch ein drittes gut gebrauchen kann, da man mit den zwei verfügbaren Augen einen eher eingeschränkten Blickwinkel hat. Das dritte Auge habe ich in Indien mal dargestellt gesehen als ein Auge, das sich, zwar verbunden mit der Stirn, aber doch herausbewegen kann, um innen und außen gleichermassen einen Ausblick oder Innenblick zu haben. Letztendlich hat es die gleiche Gültigkeit, in welcher Kultur ich mich aufhalte, da da, wo ich bzw wir uns aufhalten, das Richtungsweisende immer die Beziehungen zu den Menschen sind. Jeder Mensch eine eigene Kultur, ja, bis hin zur Erkenntnis, dass es vermutlich doch nur eine  einzige gibt.

klagen

In uns Menschen liegt, irgendwo in den inneren Korridoren, die Neigung zu klagen. Das mäßige und müßige Klagen hat etwas für Andere Ermüdendes oder Langweiliges, wenn an der Wurzel der Klage keine Klarheit über das Beklagte herrscht. Die Möglichkeit der Klage wird gerne dem eigenen Schicksal gegenüber in Anspruch genommen, oh oh, warum gerade ich (und nicht der Andere), und warum s o und nicht anders. Es ist die Klage über das Unwesen des Aufgetauchten, als könnte es anders sein, wie es ist, denn das ist ja die Eigenart meines Schicksals, dass es ist, wie es ist, weil ich bin, wie ich bin. Gut, über die Anfänge kann und muss man zuweilen streiten, zumindest, um zu ergründen, wie ich es sehe gemäß meiner momentanen Erkenntniskraft, die ja auch oft geprägt ist von konventionellen Einflüsterungen, oder auch von wissenschaftlichen Forschungsergebnissen, die meist genauso schwankend im geistigen Raum schweben wie alles andere, bevor sie für schulbuchfähig deklariert werden. Ich persönlich habe nichts gegen Klagen, wenn ich sie für angebracht halte. Man irrt sich oft genug, lernt dabei aber die Differenzierungen im eigenen Klagensbereich. Wenn es keine Klagen gäbe, gäbe es keine Wahrnehmung von Störungen, es gäbe auch keine Geschichten, keine Epen, keine Heldentaten. Dem Held und der Heldin traut man die Bewältigung des Schicksals zu, ja!, man will, dass sie Vorbild sind, so, wie man weiterhin Vorbild wollte und will von Jesus oder Buddha undsoweiter. Man weiß, da war ein Mensch unterwegs, der sich nicht nur um das eigene, sondern auch um das Schicksal von Anderen kümmern konnte. Das sind nun wiederum die großen Klagenden: sie beklagen das Ungemach des Menschseins, seine inhärente Blindheit und Verbohrtheit, den lustvollen Trieb menschlicher Wesen zur Unterwerfung unter die simpelsten Darbietungen, die sich reichlich an den Klagen über das alltäglich Vorgefundene bedienen, so als wäre das Selbstgeformte verantwortlich für den Missklang. Und allerdings, so ist es. Deswegen liebt man lange Zeit die Heldengeschichten, weil da mächtig um erkannte Werte gekämpft wird und dann wird meist auch großartig gescheitert. Es gibt Berufe, aus denen heraus pflichtmäßig geklagt werden muss. Je tiefer die Annahme des eigenen Schicksals, desto glaubwürdiger und hörenswürdiger die Klagen. Eine gute Klage braucht Resonanz, um in ihre Wirksamkeit zu kommen. Die Brahmanen in Indien zum Beispiel sind berüchtigt für ihre Klagen, und es gibt Bettler, die mit größerer Würde mit ihrer ausweglosen Situation umgehen können. Stimmt, dann gibt es die Klagemauer. Einem jüdischen Freund habe ich mal geraten, sich eine kleine Klagemauer anfertigen zu lassen, damit die Klagen wenigstens in dieser Hinsicht untermauert werden können. Dem sinnlos Klagenden verweichlicht oft schnell die Haut. Wenn nicht einmal ein Echo sich mehr um Antwort bemüht und die Pläne ins Nichts zerfallen. Klagen will wie alles gelernt sein. Kann man es gut und der Ton trifft das dunkle Geschehen ins blutende Herz, dann weiß man zumindest, dass man man beim eigenen Schicksal angekommen ist, und das ist auch nur einer der Wege, die begehbar sind: der Weg über die Klage. Trefflich wäre es, die Klage zu singen, oh ihr (oder wir) Menschen, nur zu läutern durch die tropfende Blutspur im kalten Haus des Bekriegens, ach ach, o weh, o jemineh!  Wir aus dem Paradies Geflogenen und nun auf die nackte Wahrheit Treffenden: war nicht immer (auch) Paradies?

zeitlich

Willkommen im guten Leben also! Obwohl es einen persönlich auch verblüffen kann, dass solch ein Leben auf diesem abenteuerlichen Planeten überhaupt zu finden ist, scheint das Ganze doch auf einem sehr dünnen Seil balanciert und die Frage nicht beendet, ob es immer ein Weiter gibt und ein Mehr, oder ob z.B. auch ein waches Innehalten im Dasein selbst unerlässlich ist, um das „Gute“ darin überhaupt zu erkennen und, wenn möglich, umzusetzen, solange noch Zeit ist. Die Zeit kann ja durch enorm viele Dinge gekürzt werden, obwohl es auch günstig ist, sie als eine potentielle Ewigkeit zu betrachten, damit man sich in den Begeisterungen für ihre Angebote nicht bremst. Die eigenen Gewohnheiten können einem, meist verbunden mit bewohnbaren Architekturen, eine Sicherheit schenken, aber auch einiges vorgaukeln, denn sie sind von ihrem Wesen her als Bremse gedacht für die grenzenlose Offenheit des Seins, sodass immer die Gefahr besteht, dieses Begrenzte als eine Art Weltmodell zu sehen, in dem sich auch Andere zurechtfinden könnten. Wenn der Blick sich durch Entgrenzung verändert, ist man weiterhin beschäftigt zu klären, was gute Entscheidungen bedeuten für das eigene Leben, und welche Nöte sie hervorrufen können, wenn sie nicht sorgfältig bedacht werden. Auch sehr schnelle Entscheidungen sind manchmal erforderlich. Von außen kann das wirken wie ein gutes Schwert, aber von innen bäumt sich das vielfältig Widerstrebende auf und kann nur mit dem klaren Blick gezähmt werden. Oder die Situation ist solchermaßen, dass sie auf Vertrauen gesetzt werden kann. Vertrauen in das Vertrauen  ist fast immer das Resultat eines langen Entstehungsprozesses von Beziehung zwischen Menschen, mit denen man genau die paar Tropfen gute Erfahrungen gemacht hat, die einem den Einlass in diesen Wert ermöglichen. Vertrauen ist auch so etwas, was man alleine nicht lernen kann. Man braucht die Erfahrung, um unterscheiden lernen zu können. Nicht kritisieren oder verurteilen, sondern unterscheiden, weil die Unterscheidung die gute Entscheidung hervorruft. Da hört auch das Abgleichen und das Vergleichen auf. Ich muss in der Lage sein, an einem bestimmten Punkt mit meiner ganzen (bis dahin) ausgeprägten Individualität (auch) vollkommen alleine dastehen zu können, um dadurch überhaupt in den Genuss des Gemeinsamen zu kommen, das ja hier wieder das Ungebremste braucht, die Öffnung hin zum Erweiterten also, um den Sprung vom Ungeteilten in das von allen Geteilte zu wagen. Hier hat dann das Paradoxe seinen lebendigen Ursprung, seine natürliche Heiterkeit, seine mühelose Quelle des Liebevollen, denn beide, das Ja und das Nein, sind endgültig entlastet und fügen sich ein mit ihren Angeboten in das jeweilig vor ihnen Erscheinende.

Esels-Brücke

Schon auf dem Weg zum von mir hoch geschätzten Mechaniker-Philosophen, den wir des öfteren schon um Rat gefragt haben und dem ich erklären sollte, was ich als Information erhalten hatte während eines schlichten Reifenwechsels in einem Autohaus. Auf dem Weg dorthin also musste ich mir merken, was als Schaden so nebenbei entdeckt wurde, und zwar war die Zylinderkopfdichtung undicht. Zylinder-Kopf-Dichtung! Eigentlich hätte ich gar keine Wort-Esels-Brücke gebraucht, denn die drei Worte setzten sich sofort in ein Bild um, das mich auch später zu einer schnellen Skizze anregte (s.o.), also zu einer Bild-Esels-Brücke, obwohl, wie sich herausstellte, die Undichte der Zylinder-Kopf-Dichtung gar keine gute Nachricht war. Allerdings führte sie zu einer, der optionslosen Position wegen, klaren Entscheidung, nämlich den Abschied vom alten Auto, das mit dieser Eselsbrückenkrankheit behaftet war. Vermutlich werde ich dieses Wort in meinem restlichen Leben nicht wieder gebrauchen, außer ich oder jemand anderes gibt mal ein Büchlein heraus mit satirischer Dichtung über den Weltzustand, und wenn ich es nicht sein würde, dann könnte ich dem Anderen diesen Titel schenken: „Zylinder-Kopf-Dichtung“ mit dem entsprechenden Untertitel. Deswegen ist es auch kein Schaden, dass ich mir dieses Wort so gründlich gemerkt habe, denn es hat durch mich den Weg aus der Mechanik herausgefunden, ist behütet worden mit einer  (einst) ehrenwerten Kopfbedeckung auf dem Kopf, und aus dem geöffneten Frack lugen ein paar bescheidene, aber dennoch dichterische Zeilen hervor, die sich um die ersten Worte in Farsi ranken, die wir durch afghanische Freunde in unserem Haus gelernt haben. Es ist ein Gedicht an die Mutter der Welt (die Mutter der afghanischen Familie heißt „Furuzan“, was „Licht“ bedeutet), du Licht also usw., und es endet mit den Worten : Willkommen, willkommen (Mubarak) im guten Leben (zindegi chob). So kann man mit einer Erinnerung, die sich dem Gedächtnis eingeprägt hat aus irgendeinem Grund, zu anderen Zeiten bewusst in etwas anderes, nämlich seine Verwandlung, weiterwandern, ohne dass der ursprünglichen Bedeutung etwas von ihrer Wirksamkeit genommen wird. Man könnte es kurzatmig eine Entfremdung nennen, aber es ist eher eine Aufnahme in neuen Bezügen, die den Geist aus der Enge der Deutungen führen können, wenn ein Interesse daran besteht. Ansonsten ist eine Eselsbrücke an sich eine praktische Sache. Man erschafft z.B. vor dem Auge ein paar Algen und schlägt ein paar rhythmische Takte auf der inneren Trommel…schon hat man den Algorithmus aus der Verhedderung mit dem Logarithmus genommen, während man das Ypsilon mitlaufen lässt. Na gut, da müsste ich jetzt wirklich hart arbeiten, wenn ich die hier verfügbaren Wortschätze suchen und finden müsste, um die geniale Technik einer Eselsbrücke ins angemessene Licht zu rücken. Außerdem scheint heute die Sonne, und man muss dabei sein, damit man ihren Auftritt nicht verpasst.

bedürfen

Plötzlich hatte ich den Impuls, die beiden Bilder, die ich schon vorgestern im Blog hatte, noch einmal herein zu nehmen, dieses Mal so, dass sie sich zueinander lehnen und neigen, und der Eindruck entsteht, dass sie, obwohl in ganz verschiedenen Stämmen aktiv,  doch auch die Möglichkeit haben, sich zu verstehen. Dass der Mensch vom Affen abstammen soll, ist als Idee ja auch in Indien angekommen, und ich weiß nicht, was die modernen Denker und Denkerinnen im Angesicht dieser suggerierten Neuheiten nun z.B. mit der Idee ihres Kreislaufes machen, wo diese Mutation ja nicht vorkommt. Es gibt allerdings eine Idee innerhalb des Kreislaufgedankens, dass man sich als geistige Substanz durch alle Formen rangeln muss, bis man an der schicksalsmäßig optimalen Geburt eines Menschen teilhaben darf und kann. Wer kann schon das Menschsein! Auch unter den Affen habe ich exzellente Verhaltensweisen beobachten können, ja!, alle animalischen Vorstellungen Sprengendes mit eigenen Augen wahrnehmen dürfen, und wie oft bin ich im Bann gefangen worden über die Vortrefflichkeit ihrer Akrobatik. Aber ja, es sind Tiere und keine Menschen. Der Mensch, belastet und gekürt mit Bewusstsein, hat in den sauren Apfel gebissen. Dabei war er gar nicht sauer, alle lieben ihn, den Apfel des Wissens, vielleicht liegt da auch der Addiction-Effekt von Apple: nochmal in den Apfel beißen und ihn für süß erklären. Klar, die Bedingungen im Westen sind erstaunlich gut. Die Menschen sind krankheits-und lebensversichert und haben noch so viele Versicherungen, die es gibt. Man könnte mal darüber nachdenken, was man eigentlich selbst unter „Grundbedürfnis“ versteht. Wenn alle Grundbedürfnisse gedeckt sind, was dann? Wenn d a das Nehmen (zum Beispiel) aufhören würde, würde die Welt bald von selbst gesunden. Aber da fangen die Wünsche erst an, die Pferde werden losgelassen und der Blick auf die Beute gerichtet. Geben und Nehmen, Haben und Sein, da gibt es eine weite Strecke lang viele Unterschiede und Hindernisse, und wer möchte oder kann den Menschen verwehren, ihr eigener Schöpfer zu sein, gibt es doch jetzt erst Möglichkeiten, wenn der lockende Gold-Trog seine wirksame Macht erreicht. Gut, wer sagt, man muss mitspielen? Gibt es denn Ausstieg aus dem Spiel? Viele haben sich schon darüber beklagt, dass sie nicht gefragt wurden, ob sie hier sein möchten. So hängt es wieder nur vom Blick ab, mit dem wir das alles gestalten. Dann kann man den Blick, einigermaßen gefestigt in der eigenen Beobachtung, auch nach außen hin anwenden. Deutschland soll sich kriegerisch beteiligen an diesem unseligen Krieg? Wie kann das sein? Wir verarbeiten gerade noch unseren als Kinder von extrem geschädigten Geister-Eltern und ihren psychisch vermittelten Schrecken über sich selbst, als man noch dachte, ein gebildeter Mensch könnte bestimmte Dinge nicht tun und man seither sehr wohl weiß, dass Bildung allein auch keinen Menschen hervorbringt. Der Mensch ist so zart und zerbrechlich, sodass wir genau wissen aus kollektiver Erfahrung, was dort drüben in Syrien geschieht, was mit menschlichem Verhalten nichts mehr zu tun hat. Da kann man alles Grundsätzliche haben, der Sommer mag kommen, aber die Fragen hören nicht auf, auch wenn es keine Antworten mehr gibt.

Chaim Nachman Bialik

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Die Himmelsleuchte, die mein Herz erfüllt,
Ich hab sie nicht wie herrenloses Gut gefunden,
Geerbt vom Vater nicht. Errungen hab ich sie
In schwerem heißem Kampf, in mühevollen Stunden
Mit meinem Herzblut.

Ein Funken tief  im Winkel meines Herzens glüht;
Ein kleiner Funken zwar – aus mir jedoch, mein Eigen.
Ich hab ihn nicht entwendet, niemand gab ihn mir
Zu Lehen, dem ich mich dafür müsst dankabar zeigen.

Doch wollten Hammerschläge meiner großen Not
Die Kammern meines Herzens allzu grausam sprengen,
Dann loht zu hohen Flammen auf mein kleines Licht,
Dann strebt die Glut in mir zum Weiten aus dem Engen
Und wird zum Liede.

Erheben aber soll aus meinem Liede sich
Die Flamme, soll Euch alle voller Macht erfassen,
Und Euer Herz entzünden, hell aufglühen lassen –
Mag in dem Brand, der wecken wird die dunklen Massen,
Ich selbst auch sterben.

connecting

Immer mal wieder habe ich diese beiden in meiner Bildergalerie aus Indien neben einander auftauchenden Bilder, Photo und Pinselei, gesehen und dachte, ich füge sie mal zusammen. Seit ich meinen Job als virtuelle Geschäftsführerin des Samstag (Shani) Projektes „Goldgrube e.V.“ freiwillig aufgegeben habe, da sich meine dunkleren Fähigkeiten genügend aktiviert fühlten, um aus mir eine passende Entscheidung hervorzulocken, geht es dennoch weiterhin darum, bestimmten Kräften, die sonst (an anderen Wochentagen), nicht so geschätzt werden, eine kurzzeitige  Bühne zur Verfügung zu stellen, wo sie sein können. Hier zum Beispiel könnte man sich in der Bildbetrachtung üben. Auf dem linken Bild sieht man einen Affen, der sich erschöpft gegen eine Wand lehnt. Mit einer Lupe bewaffnet könnte man erkennen, dass er verwundet ist. Sein Leben ist in Gefahr. Da hat sich bereits der erste Wahrnehmungsfehler eingeschlichen, denn es ist gar kein Affe, sondern eine Affenfrau, also eine verwundetes Affenweibchen. Das wusste ich auch lange nicht, dass der ganze Stamm aus Weibchen besteht, die von einem einzigen Affen kontrolliert und geschwängert werden, der seinen Existenzkampf mit den Kollegen, die auch gerne an die Herrschaft ranmöchten, oft blutig bis tödlich ausficht. Wird ein Junge geboren, wird er abgesondert vom Stamm und im Dschungel auf dem Lemurenschlachtfeld trainiert, bis er bereit ist zum Angriff auf den jeweiligen Gruppenbeherrscher und eventuell das Feld der Weibchen übernehmen kann, damit das Nicht-Aussterben gesichert ist. Vielleicht haben ja zu bestimmten Zeiten, wo mal wieder was aus dem Ruder lief, die Menschen sich von den Affen was abgeschaut und gedacht, so könnte es ja auch gehen. Man muss kein Mann sein, um auf diesem Gebiet inmitten der noch nicht abschwellenden Debatte darüber in gedankliches Wummern zu kommen, wo die Paradoxien sich lockerer verhalten als die vereisten Meinungen. Konnte das so fleißig hinterfragte Nebelfeld des Menschseins sich überhaupt bilden ohne das Miteinander, und was, wenn nun der gewohnte Umgang in jeder Hinsicht und Beziehung keine adäquaten Optionen mehr anbietet als zu schauen, wie es für jeden und jede und jedermann im einzelnen, gelebten Falle und vor der eigenen, schmerzhaft verwundeten Nase her wirklich ist, und ob einem etwas Förderliches einfällt dazu, etwas Befreiendes, etwas Freundliches? Das rechte Bild zeigt eine Figur, die sich, als es entstand, selbst und gern da herumsitzen ließ in einer verhältnismäßig schwer definierbaren Geschichte des Zukünftigen eingebettet. Natürlich muss das, was einem einfällt zu etwas, nicht zwanghaft etwas Freundliches sein, nein nein, das kommt ganz darauf an. Schließlich ist Samstag, man muss wie alle Anderen für das Wochenende sorgen und mähen und zum Mechaniker gehen und hat auch dabei Zeit, wenn man möchte, zu überlegen, worauf es einem eigentlich ankommt.

 

ergo sum

Es ist klar, dass „ich denke, also bin ich“ nicht die letzte Aussage darüber sein kann, was oder wer ich bin, auch wenn die Fähigkeit, sich verbal ausdrücken zu können, erst einmal durch einen Schock gehen muss, wenn Gewahrsam einem vermittelt, dass es in der Tat auch den gedankenlosen Raum gibt, sozusagen ein Frei-Raum im Gedächtnis des Menschen, ein Spalt, eine Lücke, eine Möglichkeit. Dass der Geist eines jeden Wesens auf oft verblüffende Weise seinen Drang zum Freisein manifestiert, weist darauf hin, dass der Geist an sich das Wesen ist, für das wir Verantwortung übernehmen, was wünschenswert ist. Wir stellen uns Fragen, wir bemühen uns um ernsthafte Antworten, bevor wir andere vertreten. Wir nehmen uns Zeit für das Wesentliche. Nicht, weil es außer dem Angesagten noch viel mehr zu tun gäbe, sondern weil es Zeit braucht, um zu sich zu kommen, oft von weither, und meist ohne bewusste Praxis des Beisichseins. In gewisser Weise ist man ja schon bei der Geburt eine geballte Prägung, die sich langsam enthüllt oder entwirrt, und die vor allem auch mehr und mehr den Umgang mit der geistigen und körperlichen Materie bestimmt. Wenn man nun das Kennenlernen von sich selbst als den Hauptantrieb des Menschen sich selbst gegenüber sieht, wäre jede/r bereits im Strom seiner/ihrer eigenen Manifestation, und nur der bewusste Blick darauf würde die Erkenntnis bestimmen und bestätigen, welchen der Wege ich einschlage gemäß meiner vielfältigen Anlagen und Triebfedern, und welchen nicht. Egal, aus welchen Richtungen ich herdenke auf die Gestaltung dieses Blickes hin, so scheint es durchweg in allen um ein tieferes Verstehen zu gehen darüber, durch welche Lebens-und Verhaltensweisen Menschen ein sogenanntes „gutes“ Leben leben können. Wenn man bedenkt, was alles zur Sättigung  individueller Wunschlisten geleistet werden muss, dann kann man schon staunen. Ich erinnere mich an ein Bild in der „Times of India“, vermutlich auf der „Global“- Seite, wo man eine junge Frau, eine passionierte Bergsteigerin, im Krankenhaus mit Erfrierungsverwundungen sah, die ihren professionellen Bergsteigerbegleiter sterbend zurücklassen musste, um Hilfe zu holen. Also dieses Beispiel hätte ich mir jetzt auch ersparen können, weil einzelne Schicksale im Ozean einem irr erscheinender Lebensverbringungen ja nur mit einer eigenen Resonanz korrespondieren und einem unvermutet nahekommen können. Ich habe mich selbst einmal, angefeuert von einer mir damals logisch erscheinenden, aber doch ziemlich irren Idee, den Berg Amarnath in Kaschmir hochgeschleppt durch Eis und Schnee, und meine danach kurz vor der Erfrierung wieder auftauenden Zehen sind mir in schmerzhafter Erinnerung. Die Abenteuerlust muss sein und die Erfahrung des Überlebenkönnens auch, aber irgendwann auch die Erkenntnis des Gewichtes, was Entscheidungen betrifft, die richtungsweisend werden und am besten getragen werden von einer leise vor sich hinreifenden Liebe, der die persönlichen Sichtweisen weder als Schatten noch als Hindernisse im Wege stehen.

Bild: photographischer Ausschnitt einer Skulptur von Fritz Hörauf

gut_gehen

Mit dem Argument, es ginge dieser Welt doch gut, würde man überall anecken. Ging es ihr jemals besser? Wir wissen es nicht. Das zyklische Denken, das in Indien als geistiges Gut vorherrscht, geht von einem Kreislauf aus, über dessen Phasen reichliches Material vorhanden ist. Man ist gewohnt an einen geräumigen Aufenthalt in einer von belichteten Geistern durchreflektierten Struktur, in der man Zeit hat, die unbegrenzten Möglichkeiten des menschlichen Daseins zu reflektieren, zu erforschen und zu manifestieren. Das kann dauern, so lange es dauert, denn das Kreisläufige höret nimmer auf. Ziel, sofern benannt, ist immer, alles Störende an sich selbst zu erkennen und zu durchdringen, bis das, was immer da ist, zum Vorschein kommen kann. Deswegen sind die Inder im allgemeinen nicht so verstört über die dramatischen Vorgänge auf diesem Planeten, denn sie wussten es ja, eben, dass es dunkel werden würde, sehr dunkel sogar in dieser jetzigen Zeit, die Ignoranz würde herrschen, die falschen Könige auf den falschen Thronen sitzen, die Geschlechter aus falschen, nämlich finanziellen, Gründen zusammen kommen, überhaupt regiert der Mammon, und die Werte versinken im Treibsand, so ist das halt im Eisernen Zeitalter, und der Rat, der sich hier in uralten Schriften den Interessierten anbietet, lautet: schau dich selbst an. Das wurde ja im Kollektiv tierisch ernst umgesetzt in eine manische Volkskrankheit, nämlich das scheinbare Erkennen von sich selbst in einem Selfie. Wer schaut wen an? Und welches Selbst. Und überhaupt ein Selbst? Oder einst vom Es zum Ich, und nun vom Ich zum Selbst? Oder wohin führt uns ein Quantensprung. Ist etwas da, wo hineingesprungen werden kann? Es muss einem gut gehen, denn die Angst bringt keinen Mut zum Quantensprung hervor. Vielleicht ist da gar nichts. Nicht mal ein schwarzes Loch oder ein Licht am Ende des Tunnels. Was oder wer ist noch da, umgeben vom absolut Ungewissen (!?). Dass man noch da ist, ist als Geschenk und Wunder zu betrachten mit der verfügbaren Freiheit, Förderliches damit anzufangen. Das lineare Denken hat allerdings auch keine vorgegebene Grenze. Da es in der Lage ist, sich über intelligente Gehirne extrem gut zu konzentrieren und die Sachen auf den Punkt zu bringen, (der sich dann allerdings nahezu endlos ausdehnen kann), ist das seine größte Stärke und Schwäche zugleich. Auf was konzentriert sich ein intelligentes Gehirn, und wer fühlt sich verantwortlich für ein gesundes Maß an menschlichem Verhalten? Das Lineare neigt zu Einspurigkeit und tut gut daran, sich mit holistischer Sehweise (oder wie auch immer man es nennen möchte), auszubalancieren. Ich sehe aber auf beiden Seiten, wenn auch oft notgedrungen, eine Bewegung zum anderen Pol hin, die geistige Entschlossenheit hier eine logische Konsequenz des Wunsches, sich aus festgefahrenen kulturellen und religiösen Strukturen heraus zu bewegen, um durch einen weiteren Blickwinkel bereichert zu werden. Auf beiden Seiten kann man sich bereichern oder bereichern lassen. Ich lasse mich an diesem Punkt gerne (kurz) einsinken in die Vision der sichtbaren und versunkenen Schatztruhen des ozeanischen Weltwissens, die weiterhin unermüdlich zu bergen sind.

ein Fatz

Eine Gesprächspartnerin sagte gestern am Telefon über etwas, es hätte dort ein „Fatz“ Wahrheit drin gelegen. Ich kannte das Wort, fand aber hier vor allem den Zusammenhang zwischen „Fatz und Wahrheit“ sehr schön. Manchmal schweben ja Buchtitel an einem vorbei, die man besonders gelungen findet, und im (kosmisch) humorvollen Sinne wäre das zum Beispiel ein trefflicher Buchtitel: „Ein Fatz Wahrheit“, oder ein Song könnte sich bilden wie „Ein Fatz Wahrheit liegt in allen Dingen…..“ Ich war interessiert, wie Google mit dem Wort „Fatz“ umgehen würde, aber es ist wohl doch zu sehr mit Dialekthaftem verhaftet, als dass es hier Beachtung fände. Es gibt den Fatzke, und ein Wort, das mir unbekannt war: „fatzen“, und soll ein ratzeputzes Wegessen bedeuten. Ein Fatz aber ist eben etwas sehr Kleines, eher ein Fetzen, ein Fetzen Wahrheit also, der in allem liegen kann, vielleicht auch muss, da es sonst eine sehr lichtlose Einbettung ins Wenigste wäre. Dafür gibt es natürlich bereits den Ausdruck „Körnchen“, aber beim Fetzen ist auch kein Körnchen mehr, daher ist „Fatz“ das Stabilste dieser Worte, ein kleines Potential, das immerhin Entfaltbarkeit in sich trägt. Natürlich lässt sich der große, lebendige Vorgang keinen Fatz aufdrängen, das wäre ja nochmal schöner, der Vorgang hat anderes zu tun, vorgehen zum Beispiel. Ein Fatz taucht nur unter Menschen auf. Wir legen als Maß oft den Fatz in die Dinge und verlieren den Rest aus den Augen. Es kann aber auch zu bestimmten Zeiten geschehen, dass im Kollektiv der Menschheit eine geistige, ungünstig gelagerte Leere (oder Lehre) sich durchsetzt und die Wertschätzung des Fatzes im Wahrheitsgehalt des jeweiligen Geschehens an Wert gewinnt. So war es auch im oben erwähnten Gespräch gemeint. Wenn irgendwo, wo man es kaum erwartet hätte oder hatte, sich auf einmal ein Fatz Wahrheit zeigt, ist es gut, über den Pfad des Denkens ein geschultes Augentrio zur Verfügung zu haben, das den Fatz erkennen kann, oft ja in förmlich entfremdetem Umfeld. Ein Fatz Wahrheit ist letzten Endes am Urgrund des Seins zu finden, wo sein Weniges locker zu einem Meer werden kann.

To me/you

Bildergebnis für Ardhana Ishwara

Fern liegt es mir (denke ich mal), an diesem Punkt meine geistigen Leidenschaften auf die Me /too Debatte zu lenken, mit diesem Verständnis für die Notwendigkeit des Durchgangs einerseits, und anderen Belichtungen des Themas andrerseits, mit denen viele von uns ja auch schon ziemlich lange zu tun hatten, und vielleicht tut sich ja auch durch die mannigfaltigen Umgrabungen und gedanklichen Ackereien letztendlich mehr, als sich in der ganzen uns bekannten Menschheitsgeschichte an diesem Punkt getan hat. Und in logischer Konsequenz muss man sich dann fragen, was denn nun der Punkt i s t? Nun spaltet sich der Punkt gleich in mehrere auf, deren Wahrheitsgehalt sich prozentual ähnelt. Immer gab es Frauen, die auf Pferden aus irgendeinem Grund durch die Gegend geritten sind. Man könnte auch die Geschichte der Menschen als eine Geschichte sexueller Zwanghaftigkeit sehen, mit der ganzen Latte von Prüderie bis Sadismus. Und komplex! Was dachte wer wann, und in welcher Kultur fand und findet es statt? Und wie konnte das, was wir jetzt vorfinden, überhaupt passieren, und wer hat das alles mitgemacht und warum, und warum konnte man es nicht besser wissen? Und ist nicht die Menschheit eine Masse von Einzelnen, die alle betroffen sind, und die verletzt wurden und mit denen, also mit uns, was gemacht wurde, was nie hätte sein dürfen, und wieso konnte man so vieles zulassen. Und wer wäre man ohne den Mut und Drang zur Erfahrung. Die ermüdende Phantasiegaukelei indischer Hochzeiten etwa hat auch nicht dazu beigetragen, die Schrecken der Nacht in einen entspannten Morgen zu führen…nicht, dass es jemals ein Ziel war. Und klar!, hat es mich einigermaßen interessiert, was Jens Jessen in der letzten Ausgabe der Zeit mit „Der bedrohte Mann“ meint, bzw. war der Titel: Schäm dich, Mann! Das überholt sich alles schon von selbst. Denn selbst wenn ein Mann sich schämen wollte (ich finde Scham ja nicht hilfreich), würde er es nicht auf Anhieb können. Und ja!, Frauen sind auch nicht viel besser so im Allgemeinen, aber auch wir als Frauen wollen doch mal eine Weile schauen, was wir so alles bewegen können durch unsere Kunst und Weisheit, und unseren verfügbaren Spielraum nutzen ohne die aufoktroyierten, und vorübergehend von (uns Frauen?) akzeptierten, männlichen Spielregeln. Eine gute Wendung in der Problematik fände ich, wenn man an sich selbst ein erhöhtes Interesse feststellen könnte, den Dingen, die zu einem sprechen, aus eigener Sicht zu begegnen und noch einmal zu schauen, was man eigentlich an der persönlichen Wirklichkeit entlang denkt, und dann, ja, mit der inneren Verbundenheit wieder hinaus in die sich ewiglich neu gestaltende Maya, also zum einen die illusorische Manifestation des Weltgefüges, andrerseits das Übungsrevier für die Glaubwürdigkeit des eigenen Ausdrucks. Zweifellos ist der Zusammenhang zwischen „wer bin ich?“, und „wer sind die Anderen?“(!). So kann man von mir aus das MeToo gerne erweitern, z.B. durch „to me“, oder „to you“ , oder „you too, mit  wachsamerer Aufmerksamkeit vielleicht die menschliche Begegnung in Erfahrung bringen, und die Katastrophen bedenken, die bei flüchtiger Betrachtung daraus entstehen können. Ich ganz persönlich denke, es könnte ein Erwachen  geben hin zur Erotik des Daseins, und die damit verbundene, wichtige Frage, was denn das Leben tatsächlich lebendig macht.

mystisch (?)

Da einerseits für einen persönlich so unendlich viel erlebbar ist, und andrerseits von dem Möglichen her gesehen wirklich so wenig, bleibt die Tatsache, dass das ganze Drama, all players included, aus Geschichten besteht, hochinteressant, und es ist ratsam, diesen Faktor nicht aus den Augen zu verlieren. Ob es einen Ort gibt außerhalb der Geschichten ist diesselbe Frage wie, ob es ein System außerhalb der Systeme gibt. Man muss in der Lage sein, vieles für möglich zu halten, bevor man entweder eines Besseren, oder auch eines Schlechteren belehrt wird, wobei es auch Raum geben kann für ein drittes Element, das dann eine ganz neue Ebene hervorruft,  wo die Andockung an vergangenes Leid nicht mehr absolute Priorität haben muss. Das kann dauern, hängt aber letztendlich von der Bereitschaft ab, mich der Beschaffenheit meines Blickes zu widmen, da dieser Blick in direkter Konsequenz mein Dasein formt. Manchmal, wenn ich zu den Pinseln greife und zu den Farben, die zu meiner Mini-Ausstattung gehören, erlebe ich des öfteren zuerst einen unsichtbaren Kampf gegen das Auftauchen von Gesichtern. Es reicht schon die Andeutung eines Auges, um ein Gesicht bildlich herauszuholen, doch ich will gerade das nicht, sondern strebe eine abstrakte Form an, die in sich gut balanciert und vor allem so frei ist wie möglich von Figuren, die auf Geschichten hindeuten. Dann gibt es aber auch die Form, die auftaucht und mir den Atem raubt, und ich werde gezwungen, das, was mir so wesentlich scheint, loszulassen, um das von selbst Erschienene zuzulassen. Bin das dann ich, oder bin das dann nicht ich, who cares! Zumindest kann ich es sehen und Raum dafür lassen, und mich erfreuen an dem Überraschungseffekt. Doch egal, wie man es sehen möchte, der Vorgang bleibt mystisch, da nur erfahrbar, nicht klärbar. Da fällt mir doch tatsächlich eine Geschichte dazu ein: ein alter Freund von mir, der jetzt in New Zealand lebt, verbrachte einige Tage im indischen Städtle, und in einem unserer Gespräche erzählte er mir von seinem neuen Buch über die Natur mystischer Erfahrungen, das gerade verlegt wurde. Ich war nie eine Freundin betont mystischer Erfahrungen, traue jedoch dem Universum, wie oben bemerkt, einiges an Staunenswertem zu. Als es zur Klärung einiger Begriffe kam, sagte ich einmal in einem Kontext, eine letzte Sicherheit sei  „not haveable“, also „nicht habbar“. Er wollte den Ausdruck noch am Anfang seines Buches eingefügt haben, aber der Verlag lehnte ab. Dann habe ich gestern noch eine unglaubliche Geschichte gehört, die mit Mystik wirklich nichts am Hut hat, aber dennoch ein Mysterium in sich birgt. In Amerika, so hieß es, würden täglich 5oo Millionen Plastik-Strohhalme verbraten, weil die Getränke nur noch durch diese Halme gesuckelt werden, was eine katastrophale Wirkung auf den eh schon nicht mehr bezähmbaren Plastik-Müll hat. Wer bedenkt schon, dass so ein kleiner Halm so viel anrichten kann, und dass es vor Kurzem noch eine Welt gab, wo es ganz einfach schien, direkt aus Gläsern und Tassen zu trinken.

Rainer Maria Rilke

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Vorfrühling

Härte schwand. Auf einmal legt sich Schonung
an der Wiesen aufgedecktes Grau.
Kleine Wasser ändern die Betonung.
Zärtlichkeiten, ungenau,

greifen nach der Erde aus dem Raum.
Wege gehen weit ins Land und zeigens.
Unvermutet siehst du seiner Steigung
Ausdruck in dem leeren Baum.

intelligence

In der Ecke eines Raumes in unserem Haus stapeln sich einige Ausgaben der „Zeit“, die ich dann irgendwann nach meiner Rückkehr durchforste, na ja, eher zügig durchblättere, denn vieles taucht aus vergangenen Monaten wieder auf, das in der „Times of India“ auf der „Global“-Seite erschienen ist, genug für eine kurze Information, und hier in den Zeitartikeln die eleganten Artikel dazu, für die man dann doch zu wenig Zeit hat, auch weil es erstaunt, wie vieles Vergangene tatsächlich vergangen ist, hat sich gelöst oder auch nicht. Schon von den Überschriften und dem Titel her kann man sich einige Hinweise bilden auf die Entwicklungen der weltlichen und menschlichen Welt. In einer dieser Zeit-Ausgaben gab es die Befragung einiger Menschen zum Thema K.I., künstliche Intelligenz, ein Thema, das uns weiterhin beschäftigen wird. Einer der Männer vertrat eine passionierte und überzeugte Einstellung, nämlich, dass die Welt der Maschinen sich ja ganz offensichtlich rasant entwickelt und es durchaus sein kann, nein, sein wird, dass der Mensch die Weltherrschaft gänzlich an höhere Intelligenz verliert, die Menschheit  auch nicht vernichtet werden muss oder wird, sondern eben keine große Rolle mehr spielt.Es ist immer gesund, etwas, was man selbst nicht so sieht oder denkt, mal zuzulassen und zu beobachten, was es in einem auslöst. Ich persönlich war ein großer Fan von guten Science Fiction Geschichten, und auch „Next Generation“ war immer noch unterhaltender als so manches andere, was als menschlich gelten möchte. Die Technik wird es zweifellos ermöglichen, „höhere“ Intelligenz als die unsere zu entwickeln, wobei hier die Begriffe „höher“ und „Intelligenz“ im Gespräch noch einmal geklärt werden müssten. Die Faszination des Menschen mit der Maschine kann nicht mehr eingeschränkt werden. Wir müssten selbst die Stecker ziehen, könnten wir unsere Beteiligung an dieser Entwicklung wirklich einschätzen, und ob wir in Hinblick auf den Menschen uns überschätzen oder auch unterschätzen. So ist die bereits in ihren Anfängen bedrohlich anmutende Hingabe an eine kalte, emotionslose Intelligenz u.a. auch eine Anregung für die Intelligenz des Menschen, der sich fragt, wie er in einem solchen abenteuerlichen Weltgefüge seinen eigenen Ausdruck beitragen kann. Weder ein freier Geist, was immer das jeweils für Suchende und Findende und Wissende bedeuten könnte, noch eine für einen selbst und die Anderen um einen herum förderliche Seinsweise kann durch Lehren oder Worte eingeimpft oder virusmäßig übertragen  werden. Vielleicht werden wir lange hier sein auf diesem Planeten, wer weiß schon, wie das ablaufen wird. Angenehm ist, wenn man tut, was man kann.

selbst-verständlich



Wenn an einem bestimmten Datum der Frühling, meist prompt, in Indien beginnt, tragen die Frauen einen Tag lang gelbe Kleidung, gelbe Saris, gelbe Tücher. Auch dieses Ritual wird jedes Jahr weniger sichtbar, und ich könnte mir vorstellen, dass es in der Selfie-Welt nicht mehr so selbstverständlich ist, sich an das Vorgeschriebene in Übereinstimmung mit Anderen zu halten. So selbst-verständlich ist ja die umwerfend neue Seinsart noch gar nicht, und die Vertrautheit mit kosmischen Vorgängen, die praktisch integrierbar sind in die eigene Verhaltensweise, wird in den Schulen als Fach nicht vermittelt. Die unbestreitbar engen Bedingungen, die sich auf dem eigenen Seinsweg zeigen, haben nicht nur etwas mit der Anhaftung an persönliche Meinungen zu tun, z.B.,  dass etwas zu schnell oder zu langsam ist, zu leise oder zu laut usw., sondern das für einen selbst geeignete Maß kann sich nur in dafür geeignetem Raum entfalten, für dessen Atmosphäre wir durchweg verantwortlich sind. Und all das, von dem man immer mal wieder dachte und denkt: das ist’s,, löst sich in seiner vorübergehenden Gewissheit wieder auf und spendet Raum für neue Wahrnehmung. So, heute ist deutscher Frühlingsanfang, und so, wie einem im Herbst die Zypresse als Trauerbaum einfällt oder die Melancholie der fallenden Blätter, so flattert hier das blaue Band der wolkenlosen Kühle durch einen hindurch. Bloß nicht dichten!, ruft es in mir, und ich denke an Japan, nein!, nicht an die Blütenmeere, das ist ja noch weit, sondern an die Brokatvögel auf ihren Kimonos und den künstlichen  Lack an den Haarspitzen.  Doch zurück zum Frühling. Benommen lässt er einen herumstehen, weil man die Fühler nicht hat, die ohne Worte auskommen möchten, dann aber doch. Lässt man den ganzen Eindruck auch nur einen Nu ganz bei sich, so erfährt man den Rückzug als Zugang und weiß, dass es auf alles zutrifft: das sich schulende Auge an den Erscheinungen der Welt, ohne sie letztendlich mit der Vernunft erfassen zu müssen.

das Zuhause

Die Tatsache, dass ich mich in einer fremden Kultur genauso lange aufgehalten habe wie in meiner eigenen Kultur, war sicherlich hilfreich in meiner langjährigen Ausrichtung, hier eine Synthese herzustellen, von der Definition her philosophisch und alchemisch gesehen. Ich freue mich auch darüber, dass sich zur Zeit das Leben so vieler Menschen in zwei Kulturen abspielt, wenn auch oft notgedrungen und gezwungenermaßen durch die Umstände, sehe aber darin zumindest für manche, die das bewältigen können, eine gute Chance für ihre eigene Entwicklung. Erfährt man Menschen aus anderen Völkern durch die Bereitschaft tiefer, freundschaftlicher Beziehungen als unter gleichen, guten Bedingungen gedeihende Wesen, hat man auch im fremden Land ein Zuhause. Auch die Sache mit dem Visa, mit dessen Beschränkung man z.B. als IndienliebhaberIn oft glaubte, nicht länger bleiben zu können oder am liebsten trotzdem gar nicht mehr gehen zu müssen, das hat sich also geklärt, und Indien ganz sicherlich will, dass ganz viele aus dem Ausland kommen und so lange wie möglich bleiben und ihr Geld da lassen, damit sich der lustvoll mitschwingende Abgrundgedanke, bald in der Weltbeherrschung Hauptrollen-Spieler zu sein, umsetzen kann, denn herrschen ist teuer. So sieht man den Strömungen zu und ist froh, nicht die Kassandra aus sich herauslocken zu müssen, sondern sich auch im Zuhause des Geburtslandes einen Ort mitzugestalten, der es ermöglicht, das Menschsein nicht zu unterschätzen und ihm gebührende Achtung zu schenken und es zu genießen, ohne dass Andere Schaden nehmen. Im Land der eigenen Geburt ist man auch frei, so lange zu bleiben, wie man möchte, und man kann in der eigenen Sprache, wenn man sie liebt, herumwandern wie in einem weiträumigen Garten. Menschen sind da, die man liebt, das hält das sich entwickelnde Menschsein lebendig. Auch ist es durch das Erleben zweier Kulturen eher möglich zu sehen, wie sehr das Weltendrama in seinem Spannungsfeld von Kostümen und Verkleidungen abhängt, die einem die Botschafft offerieren und suggerieren, dass wir alle so anders sind, und in der Tat, wir sind alle so extrem anders, das ist der Stoff zum Staunen, aber wir sind auch viel ähnlicher, als es uns immer so angenehm ist zu verstehen. Vielleicht kann man es auch gar nicht wirklich verstehen, meine Güte, so ein Aufwand an Material, so eine hintergründig und abgründige und vordergründige Inszenierung, grandios in ihrer scheinbaren Unübersichtlichkeit, die dennoch die Reize und Abenteuer der Durchdringung anbietet. Der Spannungsbogen zwischen dem Orient und dem Okzident ist nur eines der Angebote, mit fremdartigen und oft bedrohlich wirkenden Dingen in eine Nähe und Vertrautheit zu kommen, sodass der Schatten, der gleichermaßen von Distanz und Distanzlosigkeit ausgeht, von einem weichen kann.

versenken

 Ein junger Ingenieur aus Bombay, der ein paar Tage mit seiner Frau im indischen Dorf wohnte und mein derzeitiges Google Chrome aus der maschinell gemeldeten Veraltung in die Neuzeit hievte, hat mich auch wegen der von mir beanstandeten Langsamkeit des Gerätes darauf hingewiesen, dass die Ungeduld, die einen ergreifen kann, wenn erwünschte Programme sich nicht sofort öffnen lassen und man wiederholt auf die Tasten drückt, dass diese Ungeduld eben für die Maschine unbekömmlich ist, da, ganz logisch nachvollziehbar,  ein Stau entsteht, mit dem das System erst umgehen muss, bzw. das die Maschine gemäß eigener Logik erst entwirren muss, und das kann dauern. Nun kommen bei menschlichen Systemen ja z.B. auch noch Träume und ihre je nach Wunsch und Fähigkeit durchdrungenen Deutungen hinzu, dann die Aufmerksamkeit, die anzuwenden einem über Jahre hinweg einleuchtet in Bezug auf die ungeheuer schnellen Bewegungen, die sich in Denkapparaten abspielen und spulen, sodass es einen durchaus zutiefst interessieren kann, warum sich das alles in bestimmten Worten und Sätzen ballt und an einem vorüberzieht, als hätte man nichts damit zu tun, dabei hat man sehr wohl was damit zu tun, denn auch der durch was für Lehrvorgänge auch immer disziplinierte Geist kann verwundert zu bestimmten Stunden auf das verwirrende Wortspiel schauen, das sich im eigenen Kopf eine Plattform geschaffen hat und dort herumtanzt, bis man Einhalt gebietet. Man kann Einhalt gebieten, doch meistens bringt einen die Wahrnehmung solcher Vorgänge bereits in Lehr-Systeme, die einem mit der Ordnung solcher chaotischen Zustände zur Hand gehen, oder besser zu weiterer Bewusstmachung über die Beschaffenheit des menschlichen Innenlebens behilflich sind. Von außen ist oft wenig zu sehen, oder man muss schon sehr geschult sein in der gründlichen Menschenbeobachtung. Wenn japanische Traveller ins Dorf kamen, hat man sie oft bestaunt für ihre, na ja, zuerst mal für ihre von Emotionen scheinbar unberührte sogenannte Porzellanhaut, dann für die gelassen wirkende Psyche usw. Aber ich hatte einmal die Gelegenheit, in Goa solch einen japanischen Menschen, wenn auch durch Drogeneinwirkung, aus sich heraus gehen zu sehen, das war hochinteressant, denn er konnte gar nicht mehr aufhören zu reden und redete eine ganze Woche lang durch, und was hätte ich gerne ein Aufnahmegerät dabei gehabt, um es zu speichern und später von ihm übersetzen zu lassen. Bis das potentielle Gewühle, zu dem Geist und Verstand in der Lage sind, zu einem (Be)Reich wird, das einen bereichert durch die Ordnungen, die man selbst angelegt hat, und die kontinuierliche Praxis, die damit verbunden ist, um das ganze Gebilde in einem schwebenden und daher übersichtlichen und flexibel durchschaubaren Zustand zu halten, ja, bis das sich für einen selbst (und auch Andere) förderlich entwickelt, braucht man, wie eben auch der Maschine gegenüber, sehr viel Geduld und Zeit. Es schadet  auch in der heutigen Zeit keineswegs, den Menschen, der man ja ist, als ein Produkt eigener menschlicher Sichtweisen zu sehen, als eine wahrhaft hochkomplexe Seinsform also, die aus bestimmten Fähigkeiten, die sich immer weiter entwickeln können, und von der Maschine, sei sie auch noch so entwickelt, niemals eingeholt werden können wird, möge man auch gerne dagegen argumentieren, solange man will. Wenn es sich also für einen selbst als vom Verstand erfassbar zeigt, dass alles, was wir kennen und wissen, von Denkweisen bestimmt ist, dann lohnt es sich, sich in diese Erkenntnis noch einmal zu versenken.

akzeptieren

Dieses chinesische Produkt ist eine Glückskatze, die über einen Geburtstag zu uns ins Haus kam. Wenn der Tag, für den etwas geschenkt wurde, vorbei ist, kann man das Objekt mit neuen Augen sehen. Wenn zum Beispiel die Batterie in der Katze drin wäre, würde sie ständig mit dem linken Arm winken. Eigentlich wollte ich sie in einem sehr kurzen Video aus dem Fenster winken lassen, aber es funktionierte irgendwie nicht. Das zeigt einem, dass man für Andere, auch wenn es gut gemeint ist, das Glück nicht winken lassen kann. Das Objekt ist trotzdem interessant. Der Faden, der zwischen Kunst und Kitsch passt, ist oft sehr dünn, und man kann wahrlich blitzschnell gefangen werden zwischen Mögen und Nicht Mögen, als würde sich dadurch die Relevanz zum eigenen Dasein mühelos ergeben. Das heißt nicht, dass die an sich wahrgenommenen Abneigungen und Zuneigungen nicht auch Teil des Wachzustandes sein könnten, denn auch das geht vorüber (this too shall pass), und auch wenn es vollkommene Freiheit gäbe, wäre es stets angebracht, sich adäquate Schachzüge auszudenken. Neulich ist in dieser immer latent vom Wahnsinn umwehten Schachweltmeisterschaft der Welt-Besten in Berlin, wo von einer Steh-Balustrade aus die ZuschauerInnen auf das Spiel der Meister unten schauen konnten, einer von ihnen durch einen völlig aus dem Rahmen fallenden Zug seines Gegenübers besiegt worden. (Undsoweiter). Zurück zu den „persönlichen“ Kontexten. Einmal kann diese Katze auch die Feiertage verabschieden, winkewinke, sie sind vorbei, alle sind wieder aufgestanden und viele haben sich auf ihre Arbeit gefreut oder nicht, je nachdem, ob die Feiertage ein Krisenherd wurden oder ein Spielraum, oder auch beides, und alle konnten vielleicht doch was voneinander lernen wie jeden Tag, nur dichter. Und diese kitschige, chinesische, Glückskatze kann, wenn man sie akzeptiert in ihrer kulturellen Seltsamkeit, sicherlich auch ein Katzenglück bringen, davon gehe ich aus, das brauchen wir dringend im Haus, den Segen einer Glückskatze für unsere Katze, die zur Zeit verwundet ist. Vielleicht wird das Glück und der Segen durch die Akzeptanz erst aktiviert!?

abheben

Abheben und auferstehen hat ja eine gefühlsmäßige Ähnlichkeit, und so stoße ich auf der Suche nach etwas anderem in meiner Bilderkiste auf dieses schöne Bild da oben. Habe ich nichts Besseres zu tun, als mich wie jedes Jahr, wenn ich aus Indien zurückkehre und auf Ostern treffe, zu erkundigen, ob er zB jetzt oder an Pfingsten aufersteht, als würde es mich in irgendeiner Weise persönlich betreffen. Vielleicht habe ich mir über die vielen Jahre in Indien hinweg angewöhnt oder hatte dort keine andere Wahl, als die Kultur nicht aus den Augen zu lassen. Das ist ja nicht möglich, wenn auch im Volk noch keinerlei Bedürfnis zu spüren ist, Religion und Politik und Privatleben zu trennen. Der Premierminister selbst ist gewohnt, als Gottheit behandelt zu werden, er ist ein VVVIP und kennt das Hinterfragen der eigenen Weise nicht mehr. Das kommt ja meist erst, wenn man weiterhin Glück hat nach dem Sturz aus den himmlischen Gefilden der (Ent)Täuschungsmanöver. Ansonsten lässt sich doch vermutlich jede/r gern verehren, wenn es denn klappt. Ich kenne auch einen ehrenwerten Hindu. der getan hat, was er konnte, um den Verehrungstendenzen um ihn herum Einhalt zu gebieten, ja, er hat verboten, dass man ihn verehrt, aber sie ließen sich davon nicht abhalten. Vielleicht nehme ich also diese Gewohnheit aus Indien mit, Religiöses in gesellschaftlichem Kontext zu reflektieren, und lasse mich hier von ihr einholen. Bin ich, wenn ich meinen Blick flüchtig über die Häuser gleiten lasse, von Christen umgeben, wenn auch nicht umzingelt, denn es droht ja von ihnen hier keine direkte Gefahr. Die Kreuzigungen sind rechtzeitig eingestellt worden, die Hexenjagden haben sich verringert, und die medialen Geräte müssen an dieser Stelle unbedingt gelobt werden für ihr Servive-Programm. Lebe ich in einer christlichen Kultur? Aber Kalima, nun lebst du hier schon so lange und bist gar hier (in Berlin) geboren!, und weißt es immer noch nicht? Unser letztes Jahr eingezogener  Nachbar hat eine schneeweiße Madonna in seinem Teil des Gartens aufgestellt, die direkt auf unser Haus schaut. Ist er ein frommer Christ? Was ist ein frommer Christ? Nein, beantwortet er meine Frage, sie gefiel ihm nur so gut, da hat er sie irgendwo erstanden. Das macht mich neugierig, und ich schaue sie mir an. Eine Jugendstil-Madonna mit Händen, die wie um eine unsichtbare Kugel geformt sind, ein feines, glaubwürdiges Gesicht, und stehend auf einem Halbmond. Doch für mich birgt das Christentum durchweg etwas Unheimliches, das kommt aus den Geschichten, die man leise schaudernd im Schulunterricht gehört hat, Wie!????, seinen eigenen Sohn hätte der Vater auf dem Rost verbrennen lassen, und haha, ich habe dich nur prüfen wolle, sagt der heilige Vater. Wer wird schon gern unfreiwillig geprüft? Und klar, wo sollen die Gläubigen hinpilgern, wenn es kein Lourdes mehr gäbe, wo Tote weiterhin lebendig werden und aufstehen aus ihren Rollstühlen. Und es ist ja auch nicht so einfach, eins mit sich zu sein und eine Abenteuerin, eine Adventuress, die die Reise lückenlos anregend findet, ja klar, auch anstrengend, aber doch unter- und wachhaltend genug, um zum Beispiel den tückischen und gefährlichen Verführungen des Religiösen letztendlich entkommen zu sein.

 

Won Hyo

 

Bildergebnis für Emoji Donald Trump  

April April! Eben! Das ist gar nicht Won Hyo!, der sagt:

Denken macht das Wasser
gut oder schlecht, wohlschmeckend
oder widerlich. Denken macht Dinge
erfreulich oder unerfreulich. Denken
macht das ganze Universum! Alles
wird nur durch den Geist erschaffen.

 

Und da ist Won Hyo, dem es zugeschrieben wird:

Bildergebnis für Won Hyo