Die Bedeutung der Tatsache, dass wir einzeln und unnachahmlich geboren werden, muss im Laufe des Lebens immer wieder aufs Neue ins Auge gefasst werden. Was gestalten wir aus uns selbst heraus, und welche Wirkung soll das, was wir sind, entfalten. Das immer wieder Aufnehmen des Fadens, der sich zeigt im eigenen Lebensprogramm, gibt eine gewisse Sicherung, dass wir uns nicht in zu vielen Nebenwegen- und höhlen verlaufen und verirren. Doch was ist schon Verirren, wenn man erst einmal herausfinden muss, was einen anspricht und bewegt, bevor man weiß, was zusagt und was nicht. Diese Welt ist kein stabiles Konstrukt, auf das man sich verlassen kann, und es kann dauern, bis einem klar wird, dass man selbst am Webstuhl sitzt und die Fäden zu Mustern zusammenfügt, von denen man dann gerne behauptet, man sei sie. Aber die Muster sind auch nur Orientierungshilfen für das, was hinter den Mustern agiert und was hauptsächlich eine Energie ist, die sich immer wieder heraus zu kristallisieren versucht, vor allem, um sich selbst zu verstehen und zu erfassen über die eigenen Bilder und Tonarten, die man zu spielen lernt und mit dem Wort „ich“ definiert. Es kann ziemlich lange dauern, bis man ein sicheres Gespür vom eigenen Klang bekommt und von der eigenen, ganz persönlichen Weltsicht. Das, was wir gemeinhin die „Welt“nennen, ist ja vor allem ein Gebilde, das durch die Menschen, die jeweils darin auftreten, zum Ausdruck gebracht wird. Man muss nur ein einziges Menschenalter zurückhören und kann wahrlich staunen, wie anders die Weltsymphonie klang und wie anders Menschen aussehen können in einem anderen Jahrhundert. Erkennbar durch alle Zeiten hindurch ist die unendliche Mühe, die die Gestaltung des Menschseins mit sich bringt. Man weiß ja inzwischen viel über Menschwerdung, aber die Frage, wie Menschen gemäß dieser Wissensforschung um die eigene Existenz ihr Erkennen auch umsetzen können, ist nicht wirklich beantwortet worden, und vielleicht kann es auch nicht beantwortet werden. Jedes Buch, das ich in die Hände nehme, spiegelt die Arbeit wieder, die es macht, über das Menschsein nachzudenken, wobei die Kernpunkte meist tiefpersönlich sind und kann nur ein weiterer, wenn auch kostbarer Einblick in das Denken eines anderen Wesens sein. Und so sehr man sich darin auch aufgehoben fühlen mag, so heißt es doch, zurückzukehren zu sich selbst um zu schauen, was durch den Filter gelangt ist, um Eigenes zu werden. Und klar, es ist eine ungeheure Verantwortung zu sein, wer ich bin, also wirklich bin, daher die immer lebendige Frage danach, die ich nur selbst beantworten kann. Es scheint ja so, als hätte man gar keine Wahl, aber doch, man hat sie. Es gibt ein Gerücht, das besagt, dass man sich auch verpassen kann. Niemand kann sagen, wem das passiert ist, aber es kommt vermutlich häufiger vor als man denkt. Denn es sieht so aus, dass das, was man ist, gedanklich erfasst werden muss, bevor man das Grübeln darüber vielleicht eines Tages sein lassen kann, ganz einfach, weil man bei sich angekommen ist. Alle Menschen sind wichtige Mitspieler füreinander, doch am Kern unseres Wesens sind wir ganz schön allein. Einzeln eben und unnachahmlich.