Erwärmung

Ein Bild aus Indien, man möchte förmlich den Duft des Landes einatmen. Doch der Text dazu ist nicht zum Einatmen geeignet. Es geht um Erderwärmung und eine Landschaft, in der es sehr lange schon so heiß ist, dass sich die Kohle unter der Erde als Feuer entfacht und den Menschen das Leben zur Hölle macht. Der Ausstieg aus der Kohle ist, so sagt es, an Indien gescheitert. Immer wieder erinnere ich mich selbst daran, dass wir den Kipppunkt unserer menschlichen Existenz bereits erreicht haben. Das ist nicht neu, das läuft schon lange, und wie immer kommt es darauf an, wie man es sieht oder sehen möchte oder sehen muss, wenn es nicht mehr geheimgehalten werden kann. Aber auch das geheime Halten geht weiter, das Aufrechthalten der Tier-und Menschenquälerei geht unaufhaltsam weiter, und natürlich gehen auch die großen Bündnisse der Wohlmeinenden und Gutestuenden und menschliches Leid Begleitenden weiter. Hält sich das noch die Waage? Irgendwo stand der Satz, bzw. die Frage „Reicht es nicht, ein Mensch zu sein?“ Man lässt einen Nu das eigene Denken los und schweift um die Frage herum. Klar reicht das, möchte man meinen, doch man kommt nicht weit. Es sind doch alles Menschen, weiß man, und die Skala ist an Immensität nicht zu überbieten. Jeder und Jede ein Mensch, und niemandem kann man den Titel aberkennen. Es wäre dann sinnlos, auf die Frage zu antworten. Sie ist also komplexer und führt zur Definition des Wortes „Mensch“. Und was meint man genau mit „menschlich“? Nun  habe ich das T-Shirt, das ich mir wie viele Andere in Indien erstanden hatte, fast vergessen, aber da steht es auf vor meinen Augen. Auf der einen Seite steht „Human being“, auf der anderen Seite „Being human“, den Kern der Sache so trefflich auszudrücken nur in Englisch möglich. Da spürt man die Veränderung,  die mit einem geschieht. Einerseits ist jede/r ein Mensch, andrerseits ist nicht jeder Mensch automatisch menschlich. Menschlich werden scheint zumindest eine der lichteren Aufträge, die man sich selbst als Mensch geben kann. Man kommt nicht herum, es für sich selbst zu definieren. Das Menschlichsein fordert einen heraus  und befördert einen in eine Bereitwilligkeit, sich mit dem Aufenthalt auf Erden auseinanderzusetzen. Wie will ich sein und wer kann ich sein in Anbetracht meines mitgebrachten Gepäcks, meinem Schicksal, meiner sich ständig neu formierenden Einstellung zu ihm. Menschlich zu werden oder zu sein verlangt von einem eine Bereitschaft zum Reifeprozess, zu angemessenen Entscheidungen, zum Umgang mit der geistigen Freiheit, die sich nicht automatisch entwickelt, sondern mit ziemlich viel Mühe verbunden ist und mit sehr viel Navigieren im Ungewissen. Denn hier kommt zum gründlichen Denken ja noch der Raum dazu, durch den sich das Menschliche bewegt und als solches immer in Gefahr ist, zerbrechlich und scheu, wie es nun mal ist. Das Menschliche fühlt sich dem Sein verpflichtet, oder vielleicht ist das Menschliche identisch mit Sein. Nun sind das alles erst einmal nur Begriffe. Wie sie sich zu Seinsgehalten entwickeln, das müssen wir selbst schauen, allein auf weiter Flur. Aber auch das nicht. Überall gehen wir weiter und kontemplieren und setzen um, was uns möglich ist. Das viel zu Beschäftigte eindämmen und zur Ruhe bringen. Tun im Nicht-Tun.

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