anklingen

Manchmal ist es wohltuend, sich kurz von scheinbar ganz simplen Gedanken aufwühlen zu lassen, denn mit der Zeit gewöhnt man sich ja einigermaßen an das Leben und denkt, es sei normal. Am Leben ist nun aber gar nichts normal, obwohl das Wort ‚Normalität‘ eine beruhigende Wirkung auf einen ausüben kann. Denn wer will es fassen können, dass jedes menschliche Wesen, dem ich begegne, eine völlig andere Story hinter sich herwehen hat als die anderen, daher jeder einzelne Blick auf das Ganze ein anderer. Ein absolutes Meisterwerk also an Komposition, und dass wir uns überhaupt verständlich machen können, ist ein reines Wunder. Und wenn d a s nicht so gut gelingt, kann man Workshops besuchen und vermittelt bekommen, wie das geht, sich hier zurechtzufinden auf diesem Planeten mit seinen komplexen Gesetzmäßigkeiten. Denn es kommen ja Resonanzen von dieser Erde, wenn man ihr was antut. Und wenn man sich gut verhält und lernfähig ist, kann man mit dem Schicksalsboot gut navigieren. Sinn und Ziel kann man auch unterwegs beiseite lassen. Und weder schadet es, bei Expert:innen Rat zu suchen, noch sich selbst zu fragen, wie man die Dinge sieht. Doch wer kann mir letztendlich das von mir als wesentlich Gesehene erklären, bewege ich mich doch für diesen einzigartigen planetarischen Ausflug nur in dieser Haut, und von einem bestimmten Punkt an löst sich der unwiderstehliche Wunsch, verstanden zu werden, in Luft auf. Da fällt einem natürlich die große Salto-vivante-Akrobatin ‚Liebe‘ ein, und doch, da lauscht’s schon tiefer hinein, und da, wo Dunkelheit und Helle aufeinandertreffen, da kann sie Anklang finden und sein

Wenn Schicksal
eintritt in die Zeit
hält Sprache
den Atem an.
Schreckliche Engel
treten hervor,
unbestechlich,
frei von der Bürde
der Meinung.
Glauben Sie nicht,
dass es einen
gibt, der keinen
Standpunkt vertritt?
Man sieht einen
Radius aus Licht,
durch den ein
Vogel fliegt, der
die Grenzen des
Geistes durchbricht.

empfehlen

Die globalen Ereignisse dieser Zeit sind verstörend und es ist empfehlenswert, sich selbst diese Empfehlung zu mehr Gelassenheit zu geben, wohl wissend, dass es eine Art Training erfordert, um diesem bdeutsamen Wort (Gelassenheit) gerecht zu werden. Ich persönlich bin dafür, Freundschaften zu pflegen, wo ich außer der Beteiligung an guten Gesprächen auch mal Dampf ablassen kann, denn man darf sich bei der Zeugenschaft des Unvorstellbaren im menschlichen Verhalten nicht verschlucken am Unvorstellbaren. Auch darf man beim Aufregen über laufende Weltgeschäfte die Selbstbetrachtung nicht vergessen, wo man unterscheiden lernen kann über angemessene Kritik an der Handhabung des sich enthüllenden Dramas, und der eigenen Befindlichkeit, wenn deren Ignorieren das wilde Herumtreiben in den Medien (zum Beispiel) nur noch ein Flüchten ist vor dem, was eigentlich Sache sein müsste. Wenn man nun von künstlicher wie verständlicher Aufregung etwas Abstand gewinnen möchte, kann man sich mit den Methoden beschäftigen, bei denen Gelassenheit schwerpunktmäßig eine Rolle spielt. Man verliert ja als Zeugin nicht das Fühlen, man verliert nicht die Liebe. Man schaut nur und sieht, wie etwas ist. Es ist gut zu wissen, wo man helfen kann und wo nicht. Und was geschieht mit mir, wenn ich etwas mache oder mitmche, was mir nicht entspricht. Und vielleicht verlangt auch diese Zeit automatisch ein Gegengewicht, für das wir uns immerhin entscheiden können.

durchqueren

Den Raum durchqueren

Es ist schon ein Paradox, wenn man sich immer mehr genötigt fühlt, im Angesicht der wirklichen bis scheinbaren Menschenweltedrohungen gute Entscheidungen zu fällen. Und jeder, der damit einmal beschäftigt war, kann bestätigen, wie schwer das ist. Zieht man sich ganz raus?, und gibt’s überhaupt sowas wie ein Raus. Also nicht drin im Gewühle mitrangeln, sondern sich einen schönen antiken Steinsbrocken suchen und dort im Stillsitzen den anregenden, aber nicht mehr aufregenden Ablauf des ungeschriebenen Scriptes verfolgen, so, als wäre man von sich selbst angestellt als Palmblätterbetrachterin – und ja, ach so, d a sind wir gerade. Denn man hat sich ja in so einem Leben mit irrsinnig viel Zeug beschäftigt, und manches ist zweifellos hängengeblieben. Vermutlich, weil es einen wie vertraut angemurmelt hat. Wie Sokrates, als er gesagt hatte, was er sagen wollte, sich den Giftbecher hat reichen lassen, oder Diogenes, als er den wissensdurstigen Feldherrn bat, ihm nicht das Sonnenlicht zu verstellen. Und natürlich vieles mehr, was exzellente Entscheidungen in der Menschengeschichte betrifft, und man ist ja nicht von der Möglichkeit bester Entscheidungstreffer im eigenen Schicksal ausgeschlossen. Doch die medialen Zugänge, unbegrenzt verfügbar, erschweren die Lage. Soll man nochmal auf Gaza starren (ja!!!) oder auf Putins medikamentös aufgeblasenes Gesicht (nein), oder nochmal bei Dr.Hüther reinschauen, weil er grad bei einem vorbeischwimmt, obwohl man doch eigentlich nachschauen wollte, ob bei der amerikanischen Bomberei des angeblich drogenschweren venezulanischen Bootes doch zwei Überlebende fälschlich erschossen wurden. So, als gäbe es im globalen Polit-Drama noch ein gemeinsames Verständnis von ‚fälschlich‘. Dabei ist alles nur lebendig und findet statt auf seine eigene, unerklärbare Weise. Denn es grassiert auf der Erde ja das große Mutmaßen gerade w e i l es nicht erklärt werden kann. Beim Mitspielen lernt man, wie es geht. Man lernt sich selbst kennen, vor allem durch klare Entscheidungen. Hier geht es nicht um Sinn, sondern um die Freude am Dabeisein, immerhin ein aufwendiges Abenteuer. Mit sich selbst dabei zu sein.

not yet

Auch wenn zum Beispiel irgendwo durch Entgleisung menschlicher Handlungsweisen eine mentale Sturmwelle ausgelöst wird, können wir, wenn wir das wollen, jetzt in intensivster Weise an diesem Geschehen teilnehmen. Oder auch nicht. Das durchs All gleitende Raumschiff, Erde genannt, kann über längere Zeiten hinweg das ihm zugemessene Gleichgewicht halten, Turbulenzen mühelos durchkreuzen, und trotz allem Ungewissen sicher seine Bahnen ziehen, wir merken es ja kaum. Dann kommt auf einmal (oder war es schon lange da?) ein Zittern in die Sache, ein Flüstern, ein Räuspern, ein Unwohlsein, das sich im Kollektiv bemerkbar macht. Und obwohl vielerorts viele Menschen alles haben, was der Mensch zu einem verhältnismäßig guten Leben braucht, wird dieses Flüstern zu inneren oder äußeren Schreien. Das große Flicken an den Zauberteppichen beginnt, und Seelenschmerzlösungen für neue Krankheiten werden vorangetrieben. Bis man merkt: aha!, das ist eine der ganz großen Veränderungen, da kommt man nicht mehr so einfach heraus aus dem Strudel. Dann treibt es einen auf einmal durchs Wurmloch, und man weiß nicht wirklich, was auf der anderen Seite auf einen wartet. Und nur das oder der oder die Entbundene kann weiterreisen. Dadurch ist auch gesichert, dass neue Ordnungen entstehen können, fragt sich nur welche und wann. Reisen wir also aufmerksam weiter, sage ich da, denn it is not, not yet too late.

Die Dichtung, berühmt für ihre vielen wunderbaren Eigenschaften, wird auch gerühmt für ihre Fähigkeit, mit dem Wort so nahe wie möglich heranzutasten an das, was nicht mehr sagbar ist. Es ist diese ganz bestimmte Zusammenfügung der Buchstaben, die etwas Dahinterliegendes enthüllt und befreit von der Bürde des Unsagbaren. An einem ganz bestimmten Punkt muss sich das Denken, ansonsten gut trainiert in allen Seinslagen, zurückziehen und die Vernunft beschränken auf das Angemessene. Das kann ebenfalls geschehen mit dem Bild, wenn das, was man aktuell sieht, nur Vorwand dastellt für das Hintergründige. Dann kann man vielleicht sehen, dass alles jeweils Erschienene eine Wurzel im Verborgenen hat, um die es geht, denn sie enthüllt uns als Essenz in all dem, was es mit uns macht. Da fehlt kein Sinn, das Ganze ist nie etwas anderes als ganz. Deswegen kann es auch ein Glück sein, keine Wahl zu haben und Freude zu entwickeln für das Spiel. Und ja, es hilft, wenn man den eigenen Faden in den Händen hält bis an das letzte, noch sichtbare Tor, dann loslassen. Damit wir noch erleben, wie das geht.

taub/e

Gestern habe ich (auf dem Computer) mal wieder Nachrichten mit Bildern geschaut. Als die neuen Überschwemmungen im Gazastreifen vorüberzogen, wie all diese Informationen vorberziehen, kurz vor dem Sport, und ach wie tragisch, kein Tor geschossen, da fühlte ich so etwas wie Beschämung, denn ich mache auch beim wirkungslosen Zuglotzen mit und fühle ein Recht arauf zu wissen, was so läuft in der Welt. Und da stehen diese Menschen, dieses Mal im Gazastreifen, tief im Matsch und haben absolut nichts mehr, die Zelte, die Betten und die Decken, alles unter Wasser – wer kümmert sich? Ich weiß es nicht. Mutlos nagt die Friedenstaube an ihren eigenen Gebeinen, und wir alle sind so beschäftigt, und Weihnachten und Neujahr müssen auch noch durchkreuzt werden. Wann erreicht etwas, was Menschen von Menschen angetan wird, sein unerträgliches Maß. So unerträglich, dass der Umgang mit dem Geist, der einem zur Verfügung steht, neu bedacht werden muss. Aber vermutlich wird auch hier das Denken nicht viel helfen, so unentbehrlich es an anderer Stelle erscheinen mag oder ist. So angreifbar, wir Menschen, dem dämonischen Tun doch sehr ausgeliefert, dem Gefühllosen, dem zutiefst Erschreckenden. Und vielleicht genau da, im Schrecken selbst, liegt des Geistes Zugriff auf unsere Quelle. Dort, wo das Unannehmbare noch eine Umarmung findet. Und vielleicht ist es das, was uns unter Menschen im Griff des Schlaraffenlandes noch bleibt und das ich jetzt mal das Siddharta-Syndrom nenne, also der alleshabende Prinz, der zufällig im Draußen landet und sieht, wie groß da das Leiden ist. Leider ist eine Religion draus geworden, es reicht ja, wenn ab und zu mal eine/r zutiefst erschüttert ist, so tief, dass es reicht zur ganz persönlichen Systemsprengung.

das Andere

Wer aber das Andere sucht,
findet es sicherlich. Im
Verborgenen ruht es und
wartet auf sich. Kann nicht
erzwingen, was sein nicht ist
und doch sein immer war,
bis es dort sich entdeckt,
das Eigene wiegend. Und
aus welchen kindlichen
Heimstätten es auch immer
hervorruft das erweichte,
das wärmende Ich. Sei also
gut zu dir, sprach ich mich an,
und verstehe die Absicht, die
sich geringerer Tiefe entzieht,
und entsteige dem Brunnenrand.
Und sorge dafür, dass in
unruhigen Zeiten der Weg uns
frei bleibt auf Quelle und nicht
nur auf Widerstand.

navigieren

Ich denke, dass wir, und in dem Fall wir alle, uns in einer Art Übergang von einer Welt befinden, die uns auf eine bestimmte Weise vertraut ist bzw. war, in eine andere Welt, von deren Konturen noch nichts zu sehen ist. In den geistigen Wirbelstürmen, die solche Entwurzelungen auslösen, liegt das ganze Potential einer neuen Ordnung, deren Stabilität von einer unfassbaren Masse an Energie angesteuert wird, und was auch immer eines Tages dabei herauskommt, das konnte keiner ahnen. Es ist ungewiss, und da sind wir mal wieder beim Immer, denn es ist immer ungewiss. Nur gibt es diese Momente in der Zeit, in denen Menschennasen einen Kipp-Punkt wittern, und dann ist dieser Punkt meist schon sehr nahe. Was mir bemerkenswert erscheint ist das Gefühl, das mich erfasst inmitten all dieses Treibens, nämlich, dass ich nicht herumgeschleudert werden möchte von unsichtbaren Kräften, die darauf aus sind, mein Leben zu bestimmen, wie wir das zur Zeit aus diktatorisch geführten Ländern kennen. Nein, und somit wird der philosohische Aufruf ‚Erkenne dich selbst‘ zu einer direkten und dringenden und politischen Angelegenheit, denn wer bei sich ist, kann sich zumindest der geistig fremgesteuerten Kontrolle entziehen – und sich fragen, was es braucht, um d a s wirklich zu können. Die Überwachugsmaschinen laufen auf höchsten Touren, und die milliardenschweren Techies wissen genau, was sie als Futter ausstreuen müssen, um menschliche Systeme ins florierende Suchtverhalten zu stoßen. Und dass wir selbst noch das Maß finden, das uns angemessen erscheint. Im Ungewissen sicher navigieren!

grenzwertig

Die geistige Möglichkeit, sich an dem Verlauf der menschlichen Geschichte erfreuen zu können, wird stark getrübt, wenn wir akzeptieren müssen, dass wir durch eine Phase dieses Verlaufes wandern, in dem eine beunruhigende Schamlosigkeit sich breitmacht. So, wie an einer mausgrauen Wand alles Zauberhafte abgleitet, als hätte es keinerlei Bedeutung und würde gerne auch bewusst übertrampelt werden, weil noch tolleres Zeug gekommen ist, das noch mehr verspricht von dem, was niemals war und auch niemals sein wird. Vielleicht ist der Mensch tatsächlich an eine Grenze gestoßen, an dem jeder für sich selbst entscheiden muss, wohin die Reise geht, aber ist das nicht schon immer so, sagt dann irgendwer. Gut, dann weiß ich jetzt, dass heute in vielen Städten wirkungsmächtige Häuser in orangener Farbe angestrahlt werden, um daran zu erinnern, dass letztes Jahr 50.000 Frauen weltweit durch die Gewalt ihrer Partner ihr Leben verloren haben, in Deutschland, so höre ich, waren es immerhin 300. Schamlos sitzen die Täter auf ihren wackligen Thronen, und das hat nichts vom Schauspiel, das man besuchen und dann beklatschen möchte. Wenn Männer das auf sich nehmen können, dass nur wegen ihres erbärmlichen Egos täglich Frauen und Kinder ihr Leben verlieren, dann, ja, was dann. Wenn das schwarze Phantom über den Köpfen der Menschheit kreist und seine Mitspieler:innen sammelt, dann kann einem zum Beispiel das Bild einer Schildkröte vor Augen kommen, oder man ruht das Gehirn aus in einer Wüste, oder man holt Holz und zündet ein Feuer an, oder man sitzt da mit sich selbst und merkt, dass man das mühelos kann. Und ja!, ihr Helden und Heldinnen des vierten Kriegsjahres in der Ukraine, may there be peace!

sinnen

Mit einer gewissen Überraschung bzw. einer geradezu kindlichen Staunfähigkeit habe ich feststellen dürfen, dass ich dem ganzen lebendigen Vorgang nie einen Sinn abverlangt habe. Ich kam drauf wegen der überall zu findenden Sinnsuche und dem unter vielen Menschen bis zur Selbstauslöschung grassierenden Frust, partout keinen Snn hier finden zu können. Nur: von wem soll er fabriziert werden, und wer ist verantwortlich für dieses Unterhaltungsprogramm, und wo ist der zu drehende Knopf, mit dem ich das bunte, scheinbar sinnvolle Allerlei aus den Geräten locken kann, getarnt als realitätsnaher Sinn, so viel sinnvoller als das eigene Tun und Lassen? Wie gesagt, ich habe dem Ganzen nie eine durchreflektierte Bedeutung zugemessen oder abverlangt, dass es mir also erklären möge, warum es mich an die Ufer des Seins geworfen hat, damit ein Körbchen entlangkommt und mich meinem Schicksal entgegenschaukelt. Und warum, frage ich mich, braucht es so dringend einen Sinn? Ist es nicht ein ungeschriebenes Buch, das sich ständig selbst neu erfindet? Und ja!, es birgt als Potential die Schöpfungskraft, von der alle profitieren, ob sie nun wollen oder nicht. Von mir aus kann man das Abenteuer auch ablehnen, klar, das gehört doch gerade zur Wildheit des Ablaufs, dass man die dem menschlichen Wesen entsprechenden Fähigkeiten einsetzen kann, wie es einem halt gelingt. Und es ist schon günstig, etwas Spielfreude mitzubringen. Man muss ja nicht, nur, weil man keine Sinnsucherin ist, sich im Sinnlosen aufhalten. Es hängt von einem selbst ab, und wie ich sehe, bin ich keinem Sinn unterworfen. Und wenn man sich ab und zu mal beim Sinnmachen ertappt, kann man immer noch über sich selber lachen, das ist gesund und kann keinem schaden.

The characteristic feature of meditation is the maintenance of an uninterrupted flow of attention on a fixed point or region, without intervention or interruption. In meditation, psychological and chronological time come to a stillstand as the mind observes its own behaviour. The intensity of attention in the field of consciousness neither alters nor wavers, remaining as stable, smooth and constant as oil pouring from a jug. Maintaining the same intensity of awareness, the attentive awareness moves from one-pointed concentration to no-pointed attentiveness. *

* from the yoga sutras of Patanjali

durchhalten

farblich abgestimmter Zufall

Durch puren Zufall, (wenn es so etwas geben sollte), ist dieser Schnitz einer raren Apfelsorte auf dem Titelbild der neuen ‚Zeit‘ gelandet, und wer will leugnen, dass zuweilen die seltsamsten Dinge miteinander korrespondieren. Und so wurde dadurch die wesentliche Frage frei, nämlich: hält er das durch? Hält Putin das durch, dass er für sein vor sich hinalterndes Ego in gnadenloser Zwerghaftigkeit noch mehr Land haben muss, und vor allem ein Gesicht für den Spiegel. Wie halten sie das durch, diese Männer, ich kann es mir nur schwer vorstellen. Wir treffen hier auf die Grenze der Vorstellungskraft. Man will sich nicht alles vorstellen müssen, und anderes ist unvorstellbar. Die Erkundung der Dunkelheit(en) ist nicht jedermanns Sache, jedoch der Forschungsdrang kann nicht schaden. Aber wann und wodurch lenke ich mein eigenes Potential in die eine oder die andere Richtung, und ab wann spiele ich einfach mit in der Hölle, als wär’s ein Pizzaladen, also was ganz Normales. Und gerade diese scheinbar verborgenen Entscheidungen, von denen kein andrer was weiß, die schaufeln doch gleichzeitig den Sand des Pfades nach vorne, und im schlimmsten Fall wird es aussichtslos. Niemand weiß, wer das Spiel entscheidet, irgendwann gibt es keine Schiedsrichter mehr. Und wer aus diesem Spiel a u c h noch aussteigen will, muss, gemäß den Bedingungen, die illusorische Oberfläche des starren Bildes durchdringen, und auch da kann dann die Frage durchaus relevant werden: wie hält er (oder sie) das durch?

was, wenn…

Die ‚Was, wenn…? Frage kommt einem dann so manchmal, immer vorsichtig, um nicht prophetisch zu werden, fragt man sich, was, wenn die AfD zum Beispiel stärkste Partei wird. Oder: was, wenn immer klarer wird, dass Donald Trump tatsächlich ein Irrer ist, dessen Entgleisungen keinem Maßstab mehr entsprechen, und nun kann er tun und lassen, was er möchte, niemand hat ihn aufhalten können, keiner konnte sich vorstellen, was dann möglich wurde. Nun ist es ja so, dass Donald Trump selbst sein ganzes Spiel auf höchsten Ebenen sieht, während sich heimlich der Widerstand sammelt, und so sieht er ihn wie eine dunkle Wolke. Ein epischer Kampf, das muss man schon sagen. Überall brütende Intelligenz, wie man mit den neuen Bedingungen umgehen kann, oder gibt es überhaupt noch einen Ehrenkodex. Und vielleicht sind wir schon mitten im Dunkelsturm, und es ist Zeit, sich wieder an das Wesentliche zu erinnern. Was, wenn…?

DER SITZ AM ÜBERGANG DER ZEIT
STEHT FÜR MICH BEREIT. ICH HEBE
MEINE EIGENEN URTEILE AUF,
ERKLÄRE MEINE SYSTEME NACH
UND NACH FÜR BEENDET, DENN
WASSER UND WASSER KANN SICH
GLEICHEN, DANN ABER WIEDER SEHR
UNTERSCHIEDLICH SEIN. DAS WISSEN
DOCH ALLE, SAGT IHR? DENKEN
DARÜBER NACH UND TEILEN ES MIT,
SODASS DER WAHRHEITSGEHALT
IHRER EIGENEN MEINUNG SICH
IHNEN SELBST UND DEN ANDEREN
ERSCHLIEßT? FÜHLEN DAS RECHT
AUF GEORDNETE FREIHEIT DES
RAUMES? LEBEN NACH IHREN
GESETZEN? LEBEN DANACH! HEBEN
TRENNUNGEN AUF, LEITEN
NOTWENDIGE BEGEGNUNGEN EIN?
STELLEN SICH DIE VON UNS SELBST
VERDRÄNGTEN FRAGEN NACH DER
QUELLE, DER QUELLE DER SAGEN,
NACH DER GEISTIGEN FRISCHE, DES
RÄTSELS DUFTENDER ORT. HIER AM
ÜBERGANG, ALS FLIEßENDE ENERGIE
AUF BAHNEN STRÖMEND DAHIN,
STEHT DER SITZ UNSERER ZEIT. WIR
LAUSCHEN, INDEM WIR GESCHEHEN
LASSEN DES LICHTES UNLEUGBARE
STRAHLUNG.

nüchtern

Ist es nicht erstaunlich, oder einfach nur logisch, dass es die Jeffrey Epstein Saga sein könnte, die den von Irrsinn und Herrschsucht gezeichneten Präsidenten der unvereinten Staaten von Amerika zu Fall bringen könnte. Wir nähern uns einem weiteren Kipppunkt im Script des dunklen Zeitalters. Nicht mit besserwisserischem oder gar esoterischem Herumtasten, nein, sondern mit einer hervorstechenden Stocknüchternheit, und blicken ziemlich wach und hellsichtig auf die schon vergilbten Blätter aus den Verließen dieser Saga, wo ein Mann und viele andere Männer sie haben vergessen wollen, aber sie kommt immer wieder vorne zur Tür herein und singt das Lied von der Frau, die wegen des Sammeln- und Jagdtriebs des Mannes ihm untergeordnet sein und bleiben sollen muss, obwohl sternenklar geworden ist, dass sie ihn nicht nur im Sammeln und Jagen bereits überholt hat. Und ja, auch die Frauen haben mitgespielt, und das Spiel hat ja auch viele Reize und Anregungen, aber wann fing das denn eigentlich an mit der Dummheits-Deklaration. Man braucht doch nur verbieten, dass Mädchen die Schule besuchen, und man weiß genau, was das bedeutet. Wie konnte das passieren!!!? Und nun sehen wir dort im öffentlichen amerikanischen Theater, wie das passieren kann. Und plötzlich bricht ein Zwickmühlenkampf aus, denn die Lügner und Speichellecker:innen können nicht zurückkehren in ihre politische Gemeinde mit der Zusage an Donald Trump, den öffentlich akzeptierten und neu gewählten Pussygrabscher, der sich gar nicht vorstellen kann, für seine Verbrechen bestraft zu werden. Und selten ist der Faden zwischen Weiß und Schwarz so dünn, und von welcher Menschheitsdämmerung reden wir hier?

dunkel

Wer beobachtet, dass auf dem Marktplatz der politischen Aktionsfelder das Dunkel erfolgreich als das Helle angeboten und verkauft wird, weiß, oder sollte man es lieber ‚wittern‘ nennen, wittert man also den Wind des unheilvoll Dagewesenen. Es trägt nur ein neues Kostüm und sucht nach Kopf und Körper dessen, der für diese Arbeit geeignet ist. Ein mystisch anmutender Wirrwar von religiös untermauerten Ideologien, ein starker Wunsch und Wille nach Herrenschaft, und zurück mit Mutter und Kind in die Stube. Für die K.I.-und IT-Welten muss man die kalte Gabe haben, man muss Technik lieben und verschmelzen mit ihr, meint z.B. Ray Kurzweil, der diese neue Technikbesessenheit vorantreibt, wohl wissend, dass man ihr nicht entkommen kann. Diese neuen Spieler sind nicht nur sehr reich, sondern sie sehen sich als wohlhabende Götter, die das absolute Recht auf Herrschaft haben gemäß ihren Vorstellungen. Das ist die eine Seite. Wo ist die andere? Welche Kräfte werden sich durchsetzen? Und vielleicht muss es ja dunkel werden, ich meine dunkel sein, also genug dunkel, dass es uns allen auffällt, wie eben jetzt, wo es uns auffällt. Zweifelsohne werden Gegenkräfte gebraucht, man kann sich entscheiden, hat Bett, Kissen und Decke. Was ist uns möglich?

blättern

Die Regierungsgeschäfte in Amerika sind ja wieder am Anlaufen, soweit man sie unter Trump überhaupt noch mit einem übereinstimmenden Maß betrachten oder bewerten kann. Vielmehr hat der unbegrenzte Irrsinn Einzug gehalten ins Weiße Haus, und man würde aus dem erstarrten Kinderstaunen über die grotesken Darbietungen der Spieler:innen im Trumpcircle kaum mehr herausfinden, gäbe es nicht noch anderes zu tun und zu denken. Doch fällt beim momentanen Nachrichtenkurzüberfliegen auf, dass sich ein Thema, wie vermutet, nach dem Shutdown wieder kräftig durchsetzen würde, und da ist es. Es geht um Männer, die, aus zuweilen psychisch erforschten Gründen, ihre Markierungen auf körperlich ihnen unterlegenen Kindern und Mädchen hinterlassen müssen, und damit in ähnlich gesinntem Freundeskreis prahlen, als würde es sie zu Männern machen, die wissen, wo’s langgeht. Klar, das geht uns alle irgendwie, irgendwo und irgendwann an. Der ‚mächtigste Mann der Welt‘, den man auf Tape gehört hat, als er meinte, man müsse ’sie‘, die Frauen also, nur bei der Pussy grabschen. Und schon gehört sie einem, war der Sinn des Satzes. Dass nun ein Mann an der Spitze eines vor Kurzem noch demokratischen Landes derart offensichtlich seine gefährliche Dummheit zur Schau stellen kann, ist schon bemerkenswert. Und es wäre nur gerecht, nickt Justizia, wenn der selbsternannte Genius Trump genau über diesen Pussygrip stolpern würde. Und Achtung, was nun die kleine blaue Welt betrifft, gebannt im Spiel der Kräfte! Selten sieht oder weiß man vom Erwachen eines mit der Krankheit des ‚malignant narcissism‘ Belasteten, mit was man hier rechnen muss, aber immerhin kann man gedanklich vorbereitet sein. Das verborgene Buch gibt seine Blätter preis.

Giuseppe Ungaretti

Für immer

Ganz ohne Ungeduld werde ich
träumen,
Ich werde mich an die Arbeit
machen,
die nie enden kann,
und nach und nach, gegen Ende,
Kommen Arme den Armen entgegen,
Öffnen sich wieder hilfreiche Hände,
Licht geben die wiederauflebenden
Augen,
In ihren Höhlen,
Und du, plötzlich unversehrt,
Wirst auferstehen, nochmals
Wird deine Stimme mir Lenkerin sein,
Für immer seh ich dich wieder.

hinweisen

Es ist offensichtlich, dass die Welt und die Zeit, in der wir gerade leben, geradezu überschäumt mit einer unvorstellbaren Skala an potentiellen Erlebnisangeboten. Und gerade d a s scheint vielen Menschen gar nicht zu bekommen, denn nicht nur ist das (sogenannte) einfache Leben überschaubarer, aber ich brauche trotzdem eine gewisse Kenntnis von den 10 000 Dingen, um eine mir angemessene Entscheidung fällen zu können, vor allem was die Wahl meiner eigenen Lebensweise betrifft. Und sind Angebote aller Art nicht größtenteils Ablenkungen, die durchaus willkommen sein können, aber nicht nur. Da draußen brodelt’s und rumort es mit allen Abarten, die der Mensch ersinnen konnte, und ja, man könnte verzweifeln. Aber es sollte mich nicht ablenken von dem, was ich selbst anfangen möchte mit der mir geschenkten Zeit. Nein, kein Geschenk von ganz oben aus der Götterhand, sondern nur die Gesetzmäßigkeiten des galaktischen Systems erfassend, soweit das möglich ist, und dann das Fassen auch noch lassen. Auf jeden Fall habe ich den Fluch ‚Mögest du in interessanten Zeiten leben‘ verstanden, und bedanke mich freien Herzens für den Hinweis.

traumlos

Traumlos, sagte ich.
Meinte ich Welt?
Meinte verloren gegangenes
Gut in meinen Schriften, meinte
mich selbst in einem Vorne
des noch nicht Entstandenen,
wenn ich Raum einnehmen werde
im zukünftigen Hier, um in der
zwischengelagerten Werkstatt
d a s  Werkzeug zu bauen, das mir
offenlegen könnte
des Labyrinthes verwegenes Rätsel.
Meinte ich Licht, und wollte nur
stillstehen, und nirgends, nirgends
mehr hingehen, nur das Unvermeidliche
treffen, das zukam auf mich?


Heute früh im Garten: zwei Rehe, ihres Weges gehend, bzw. an unserem Erfeu frühstückend. Das kann in ungewisser Wehmut an paradiesische Zustände erinnern, wobei auch Rehe einem die geschätzten Rosensträucher anknabbern können, wenn man nicht die trennsicheren Zäune aufgebaut hat. Hier in der Gegend sind auch die Wildschweine nicht so beliebt trotz der freien Gangart, denn sie wühlen ungeheure Massen von Erde auf, um etwas für ihre Geschmacksrichtung zu ergattern. Auch Katzen und Kater gehören meistens irgendwo in einen Haushalt, und Hunde müssen an die Leine und lassen ihre Besitzer:innen in demütige Haltungen verfallen. Und doch ist es wahr, was Jane Goodall gesagt haben soll, nämlich dass wir in der Welt der Tiere leben. Es gibt ja noch all die Tiere, die wir selten oder nie sehen, die aber dennoch unter uns und über uns (ach ja, die Vögel!) leben und um uns herum, und die sich alle ihrer natürlichen Programmierungen gemäß fortbewegen. So wohl auch der Mensch, der schon sehr auffällt mit seinen exzentrischen Ideen, viele davon im Kontext wild entfachter Leidenschaften um die Beherrschung der Erdkugel sich drehend. Obwohl das Vergängliche vollkommen offenliegt in seiner klaren Anwesenheit, was wiederum das Geheimnis des gelungenen Aktes ist. Das Seil wird dünn und man bewegt sich auf unsicherem Terrain. Jetzt gilt es, loszulassen von der Vorstellung, um das Seiende in seiner direktesten Form zulassen zu können. Dem eigenen Atem zu lauschen in der lebendigen Fülle, getarnt als die große Leere. Und dann das befreiende Lachen! Die Welt verschwindet ja nicht, nein, ganz im Gegenteil: Rehe am frühen Morgen – Wildschweine – Vögel!

Florian Goldberg *

geborgte landschaft

gibt es
traumatisierte Orte gibt es
heilige seit jeh
hat die heiligkeit der orte menschen
nicht daran gehindert sie
zu zerstören kiew coventry bamiyan
dresden ayodhya
seit jeh hat das
grauen der orte menschen nicht gehindert
zu siedeln
prachtvolle städte erblühen auf blutigem
grund villen und residenzen
von mördern ateliers und wohnungen
deportierter ein neues nationales heim
errichtet auf den trümmern des heimes
einer anderen nation instrumente
ort der musik
in der nachgeborenen
samtenen händen
wer fragt nach dem blut
das an ihnen oder
wem sie entrissen
man fragt doch auch nicht woher
der sein geld hat oder die das erbe
was ist
erinnerung?

* von tauchgold (Heike Tauch und Florian Goldberg)

spezie

Auf den Mond kann man mit genügend Phantasie genauso viel projezieren wie auf eine Teetasse. Und wenn dann ausgerechnet in der Supermondwoche sich, wie bei uns tatsächlich geschehen, täglich etwas neues Ungewöhnliches ereignet, da habe ich selbst als erklärte Feindin der esoterischen Anwandlung mich beim Gedanken erwischt, es könnte an der Nähe des Mondes zur Erde liegen. Aber wie meistens sind einerseits auch bei wissenschaftlicher Kenntnis die Beweise schwer zu erbringen. Und andrerseits ist ja klar, dass alles auf alles einwirkt, und das konstant. Erstaunlich ist und bleibt nur, dass der Mensch, trotz seinen phantastischen Anlagen zum Herausfinden und Auseinandernehmen der Geheimnisse ganz offensichtlich vieles, sehr vieles, niemals wissen werden wird, denn ihm ist eine Grenze gesetzt, das ist er selbst. Gerne rufe ich Elon Musk, dem Mythoscreator, zu: hinauf mit dir und deinen Milliarden zum Mars, und nimm noch ein paar mit, die auch da hinwollen, bis weitere Dinge klar werden, gegen die sich der Mensch, oder ist es vor allem der Mann, so gerne wehrt und schützt. Held will er sein und sich nach Widerstand gegen die Sirenen sehnen, und nicht nach dem Mutterkörper, dem er entstiegen ist ohne Leistung, da lockt nur noch das Meistersein. Nur von was. Dabei kann der vorhandene Geist abrücken vom kleinen blauen Planeten und ja, ihn besingen und bedichten und besprechen, was bleibt ihm (oder ihr) anderes übrig. Bei aller tiefen, unleugbaren Verbundenheit unter uns, der Spezies Mensch, sehen wir das menschliche Treiben doch alle ganz unterschiedlich, das macht den Strom der Erzählungen ja so unterhaltsam. Aber Achtung!, wir selbst sind die Erzählung, die vor sich geht, eben so lange sie dauert. Ach du untröstliche Bedeutungslosigkeit des Unterfangens, sei gegrüßt. Oder wollte ich ‚ sei gesegnet‘ sagen.

7.11.25

The benefit of reflection

das Eine

In eine Decke gehüllt
sah ich das Eine,
das alles tut.

arbeiten

So fügt sich eins zum anderen, Nu für Nu, und nie weiß man, ob’s eine Perlenkette wird oder ein plötzlicher Riss im Netzwerk, wo irgendwas in einem aus irgendwelchem Grund zu straucheln anfängt und man nachts im Viertelschlaf düster vor sich hingrübelt. Anlass gibt es genug, im persönlichen Bereich genügt es, wenn die Bullen einem 35 Euro abknöpfen für falsches Parken. Ach hätt’ich nur, ach hätt‘ ich nur. Diese Schnittschnellen des Daseins sind allerdings zu bewältigen, selbst wenn ein unerwarteter Tod seinen Auftritt hat. Man ist dabei, man kann handeln, man kann angemessen trauern, shit happens, man kann nicht erwarten, dass alle Tage festlich dahingleiten, wer will das schon. Die persönlichen Katatstrophen ermöglichen Wachstum und Reifung, ohne Dunkel kein Hell. In einem sebst lebt ja auch dieser Widerspruch, und für den nächsten Baustein braucht man frische Kräfte. Aber ich bin gleichzeitig im Draußen drin, und je besser ich mein inneres Toben bewältigen kann, desto klarer kann ich bezeugen, was im anderen Teil des Weltgeschehens los ist. Denn egal, wo jemand als wer auch immer steht, so sehen wir alle das ‚Es‘ aus eigenem Blickwinkel, das soll ja auch zum Ich werden, sodass es sich entlang dem Wahrgenommenen entwickeln kann. Und da versteht man doch dann, dass angesichts des unermesslichen Leidens in der Welt das Mitgefühl so grenzenlos werden muss, dass es die finsteren Schatten über dem Menschsein zumindest flüchtig vertreiben kann, wenn auch nicht wirklich. Oder doch? Man darf das nicht nur glauben, und wir sehen ja, dass auch das Wissen scheitert. Und da webt er so vor sich hin, der todlose Teppich der subatomaren Ebene, auf der d a s, was wir sind, sich manifestiert. Immerhin kann man da arbeiten.

Hans Magnus Enzensberger

alkibiades mein spießgeselle
bist du lange fort
ich weiß nicht: wohin bist du gegangen
ach nur bei der regatta bist du nicht an bord
und die forellen muß ich jetzt alleine fangen
und selbst das mokkamahlen macht mir nicht mehr spaß
und wenn es regnet wirst du nicht mehr naß
jetzt bin ich traurig wenn ich grog bestelle

alkibiades mein spießgeselle
lange bist du fort

in meinem schrank liegt noch die alte pfeife
woanders (im notizbuch steht vielleicht der ort)
in einem zimmer das ich nicht mehr ganz begreife
liegt unser roter kater und liegt unsre braut
die kneipen sind jetzt alle leer und laut
die nächte angenagt von grüner helle

alkibiades mein spießgeselle
du bist lange fort
ich muß dich, lieber, wohl zu end vergessen
zuweilen schlaflos fällt noch ein vertropftes wort
ein streich ein schlips ein heisersein ein essen
ein angstruf mir von weißen vögeln ein
sonst bin ich alt und lächelnd wie ein kieselstein
und warte gern auf die uns forttut
auf die sanfte welle
alkibiades
alkibiades mein spießgeselle

Festum Omnium Sanctorum

Die drei gewichtigen Worte oben bedeuten ‚Allerheilgen‘, man lernt nicht aus. Wenn einem die christliche Religionsausübung fremd ist, weiß man nicht, um welche Heiligen es sich eigentlich handelt, weswegen man sich bei Wikipedia schlauer macht und weiß nun, dass der ‚verherrlichten Glieder der Kirche, die schon zur Vollendung gelangt sind‘, gedacht wird. Verherrlichte Glieder der Kirche? Schon zur Vollendung gebracht? Sowas zur Vollendung gebrachtes möchte man gerne mal kennen lernen. Und Indien müsste hier durchaus die Vorrangstellung haben, denn dort wimmelt es förmlich von ‚holy men‘, die allerdings ihre verherrlichten Glieder noch nicht zur Vollendung, ‚Samadhi‘ genannt, gebracht haben, sich aber oft so verhalten, als hätten’s sie’s schon. In Indien wird Heiligsein sehr geschätzt, was nicht heißt, dass die meisten geringste Abweichungen vom Konzept nicht sehen können. Alle versuchen ihr Bestes, wenige gelangen zum Ziel, wenn man Heiligsein ein Ziel nennen darf. Wahrscheinlich scheitern so viele auf diesem Trip, gerade weil sie ein solches Ziel im Auge haben. Nur, wer verhängt jeweils das Prädikat ‚ganz besonders wertvoll‘. Auch im Lauf der ersten Jahrhunderte, lese ich, wurde es wegen der zunehmenden Zahl an Heiligen schwierig, alle einzeln zu ehren mit einem Tag. So hat man sie offensichtlich gebündelt gefeiert und man wüsste ja supergern, wer die waren. Ab wann wird einem einzelnen Menschen Heiligkeit zugestanden, und wie erkennt man sie. Und gibt’s da, wo sie anerkannt sind, auch heilige Frauen, oder könnte man sagen, dass jede Frau, die einen Menschen aus sich herausgebiert und es überlebt, schon dadurch Heiligenstatus verdient. Oder jeder Mann, der erkennt, dass Sex nicht der verdiente Balsam für alle Arten von Erschütterungen ist. Selbst in Indien sitzen zur Zeit ein paar als heilig gehandelte Schwerenöter im Gefängnis, was nur beweist, wie schwer das sein muss, das Heiligsein, wie verführerisch, und wie gefährlich. Und wenn es euch wirklich gegeben hat oder irgendwo noch gibt, may the cosmic play shower blessings on you!

fatigued

Irgendwann kommt dann wie gerufen eine Art Müdigkeit über einen. Zum Beispiel dem komplizierten Spiel gegenüber, dem eigenen und dem der anderen. Man könnte es auch eine Gleich-Gültigkeit nennen, also dem Wunsch gegenüber, ob man verstanden oder gehört oder gesehen wird. Denn ich ganz persönlich habe noch nie jemanden getroffen, der sich gehört, verstanden und gesehen fühlte, die Therapeut:innen kommen kaum hinterher. Auch romantische Liebe kann das nur einen sehr illusionären Moment leisten, dass man das glauben möchte, was schon deshalb unmöglich ist, weil man in letzter Konsequenz nur sich selbst verstehen kann, soweit das möglich ist. Wie weit ist es denn möglich. Hier sollten wir (spätestens) auch die als heilig geltenden Alleswisser hinter uns lassen, denn auf jedem Altar wird anders geräuchert, und auch wenn man bleibt bis zur angeblich letzten Erkenntnis, muss man auch die noch zurücklassen. Und hat denn zufällig jemand die letzte Erkenntnis? Oder ist es doch nur immer die vorletzte? Und wer sagt einem, wann Schluss ist mit der Hoch-und der Tiefgrübelei. Wenn die Leere beginnt zu locken mit ihrem abgründigen Angebot. Oder wenn diese Leere einen anblickt als Auge, das Eine betrachtend, das alles bewirkt. Kann man’s wissen, oder nur erfahren? Dem Wissen also den Schutzmantel rauben und sich dem radikalen Sein überlassen? Dann diese Zärtlichkeit, dieser Goldstrom, dieses kosmische Auffanggerät gleich einer Hängematte, aufgehoben in namenlosem Zuhause, frei von dem, was man dachte, weil man dachte, man wüsste das alles im Voraus. Aber Hinterherhinken ist auch nicht gefragt, man entscheidet ja selbst, wo man sich körperlich und geistig aufhalten möchte und kann. Oder nicht?

besser wissen

Liebe, liebe Besserwisser.
wer kann das wohl besser wissen
als ich! Ich kann weissagen, was sich
zugetragen! Ich weiß, dass eine weiße
Weste nicht immer voller Erfüllung zu
sein scheint. Manchmal weint dann
einer ganz allein. Da kommt dann,
wenn er kann, der Schein raus: die
Fülle ging leer aus. Man verliert dann
auch ohne viele Gerüchte sein
wohnliches Ohnehin-Gesichte. Das
Beste scheint zu sein, sich zu bessern.
Man kann dann auch ohne weiße
Weste weise sein, doch kann nur der
es dann wirklich fein, der das
Geheimnis kennt, warum nur die Fülle
der Melasse die Süße der vollen Hülle
gelassen erfassen kann. Ihr, die besten
Wissens-Wanderer: mutig voran!

unabhängige Einheit

Und i s t das Bild tatsächlich eine unabhängige Einheit, jetzt, wo es draußen ist und nichts mehr mit mir zu tun hat, oder hat es was mit mir zu tun, und wenn, was. Müsste ich mir darüber Gedanken machen, was dieses bleiche Geschöpf im geschöpften Quadrat da träumt oder ausbrütet. Oder sind es gar Mordgedanken, oder aber wird ein Schatten noch rechtzeitig erwischt und vertrieben. Ich weiß es nicht, denn das alles wäre ein Nach-Denken, also dem Geschehen hinterher denken, um vielleicht Tieferes davon zu verstehen, wenn man das möchte. Es kann aber durchaus nur ein flüchtiger Nu sein, der sich im Vorübergehen ausgedrückt hat, ja von welcher Quelle aus, da bin ich mir noch nicht so sicher. Sie könnte im Überall sein, das Überall an sich, das ausdrückt, was es will, in dem Fall durch mich, so wie des Bäckers Brötchen oder des Herrschers Überheblichkeit undsoweiter. Und was haben sich gewisse Geister bemüht, die Gewissheit des flüchtigen Nu’s zu erfassen, die in schlichtester Logik zum ‚Be here now‘ führen kann, aber nicht muss. Aber waren wir nicht immer schon da, oder zumindest am Anfang, bei den Spielzeugen, in direktem Kontakt mit dem Seienden, oder gar das Seiende selbst noch, in der ungelabelten Welt noch, noch ganz bei der Sache, ohne Ablenkung durch das Unwesentliche. Allerdings scheint es ganz so, als müsste das Verdunkelte durchschritten werden, bis sich die Möglichkeit einer Erhellung zeigt. Meist fängt es mit Neugier und Wissen an, mit Fragen, mit Grübeleien um das Verborgene herum. Wenn man eines Tages da wieder herauskommt wie aus einer Schlangenhaut, dann kann man sich glücklich schätzen, denn auf einmal zeigt es sich so wie damals das Bauklötzchen: direkt und ohne Vermittler. Warum nicht? Man kann es ja selbst probieren.

wach

Wäre meine Lebenswahrnehmung anders, wenn ich ganz sicher wüsste, dass es ein Traum ist? Aber es wird nur vermutet, und tatsächlich kann einem zuweilen das Ganze vorkommen wie ein guter oder ein schlechter Traum. Manche Menschen waren schon so nahe am verlassen dieser Realität und waren dann enttäuscht, in den sorgenbelasteten Nebel der Welt zurückzukehren. Was auch immer dieses Dort war, dort soll es geleuchtet haben, und man selbst auch, sozusagen befreit, vielleicht gar von sich selbst. Man heißt nicht mehr irgendwie und hat keinen Zeitplan, dort. Wenn man an Glauben nicht interessiert ist, muss man zugeben, dass man vieles nicht weiß, zumindest nicht aus eigener Erfahrung. Geheimnisvolle Prozesse wirken ständig durch unsere Energie, die wir der Welterfahrung zur Verfügung stellen. Nun ist allerdings alles, was wir die ‚Realität‘ nennen, immer nur das Resutat menschlicher Entscheidungen, eingebettet in das ewig Unerklärbare. Das sich ständig Neuerfindene, das zu keinerlei stabiler Realitätsauffassung taugende, das Impermanente, sich glaubwürdig darstellend als das Ewige, das ewige Trugbild, Wirklichkeit genannt. Wenn man es zulassen kann, ist es befreiend. Was also ist es, das Wachwerden, an dem man angeblich auch scheitern kann. Und genau hier tauchen sie auf, die uralten Fragen, und da setzt (endlich?) ein Lauschen ein. Aha, also doch noch ein Wachruf, was könnte das sein. Hier wird das Gemeinsame einen Nu unterbrochen. Dann weiß man, ob man überlebt hat oder nicht.

herumsitzen

In Indien konnte man, natürlich vor der Smartphone-Zeit, in jeder Art von Menschenansammlung verständiges Nicken bei dem Wort ‚Kaliyuga‘ (dunkles Zeitalter, Zeitalter des Todes) hervorrufen, denn es war bereits klar geworden, dass die äußeren Neuheiten bereits in den epischen Schriften beschrieben wurden. Waren es Hellseher:innen? Nein, es waren Herumsitzende, oft in extremen Temperaturen, die hineinstarrten in das Daseiende und daraus ihre Schlüsse zogen. Oder es waren durch Beobac

htung gewonnene Schlussfolgerungen, die bei einem selbst und auch den Anderen zutrafen, und so entstand einst die Wissenschaft der Innenschau, und es gab keinen Religionsführer, nur die Zeugenschaft. Und in dieser jedem Menschen verfügbaren Zeugenschaft entstehen ja dann auch die Ämter und die Berufungen und die Berufe, alles durchwoben von dieser geheimnisvollen Schicksalsmacht, an der sich die Geister zermürben oder entzücken oder einfach annehmen, was ihnen gegeben wurde. Nur weiß keine/r wirklich, ob da was Gebendes ist oder einer oder eine, und so wird geistig sehr viel gebastelt. Aber ich denke, es ist sichtbar und spürbar, dass es gerade um die Menschheit herum dunkelt, und die Nachfrage nach Stille wächst. Wieder herumsitzen im Nichts und beobachten, wie das alle so ist. So zutiefst erschreckend, und so wunderbar. Lüge und Wahrheit so nahe zusammen, dass man sie trennen muss. Gut, wenn man einen mentalen Antrieb hat und kann das Ding smoothly durch die Wogen steuern. Bei den Herumsitzenden Halt machen!

zwei Sätze

Diese zwei Sätze habe ich auf einem Zettel
gefunden und weiß weder woher sie
kommen, noch wer sie geschrieben hat.

Die weibliche Energie
nimmt die Stimmung
des Schönen in ihrer
Abstraktheit bewusst
wahr.
In der lebendigen
Wirklichkeit des
Abstrakten hat sie das
nach rückwärts
gerichtete Sehnen
überwunden.

ja oder nein

Ich musste, wie sagt man doch, ‚herzhaft‘ lachen, als ich dieses Titelbild der neuen Donnerstagsausgabe der ‚Zeit‘ gesehen habe. Und diese Frage dazu, die man sich ja auch ab und zu mal stellt, also ist das nicht alles doch eher ein Irrenhaus, in dem alle mehr oder weniger suchtgetrieben auf der Suche nach etwas zu sein scheinen, das es nie gab. Aber jede/r denkt es auf seine oder ihre Weise. In langen Telefongesprächen habe ich mit Anil, einem guten Freund, der mit seiner Familie von Delhi nch Dubai gezogen ist und dort als Programmierer arbeitet, über seine Überzeugung diskutiert, dass er denkt, wenn alle Hindus die Grundbedürfnisse zur Verfügung hätten und dadurch mehr Zeit für die wesentlichen Dinge des Daseins, wären die schlimmsten Probleme gelöst, und auch hier ist natürlich ein Tröpfchen Wahrheit in der Tinte zu finden. Ich erzähle ihm dann zum Beispiel, dass ich so um mich schaue, und sehe, dass die meisten Menschen, auch aus dem engeren Freundeskreis, entweder in Therapie sind oder eben waren, wenn der berühmte Traumaknoten tatsächlich zum Platzen kam. Fakt ist und bleibt, dass man da draußen, wenn man mal genauer hinschaut, eher sehr viel Trübsal wahrnimmt, die als Normalität gehandhabt wird. Und ja, es gibt sie nicht, die Wunderdroge, die einem die Begeisterung für diesen abenteuerlichen Durchgang genannt Leben durch die Venen fließen lassen kann, aber immerhin kann man’s versuchen, das ‚Ganze‘, immer ein zu großes Wort, auch mal anders anzuschauen. Vielleicht bringt die Wohnerei im Schlaraffenland ganz ähnliche Aspekte hervor wie der Schrecken der Armut, denn wenn es irgendwann einmal nichts mehr zu haben gibt, was man nicht schon hat, dann schleicht sich vielleicht die Armut in die Synapsen und man beginnt zu glauben, das wäre so für alle. Sodass ein Trauma wie gerufen kommt, um wenigstens etwas Bedeutung zu erlangen, vor sich selbst, wohlgemerkt.