Tamara Ralis

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Das alte Europa: Ein Wachtraum

Was ich sah, mein Blick in dem einen Moment,
war etwas Sanftes, ein Feld von Federn ohne Vögel.
Es zog pulsierend vorbei, aufgetürmt, oszillierend,
eine Geometrie variierender Fasern
in einem Flug durch die Atmosphäre der Erde.

Ich dachte an deinen Charakter,
an das Geordnete und Unsichere, in dem du dich bewegst.
Eine vornehme Essenz, die dich leitet,
immer in Auseinandersetzung mit der Geschichte,
mit dir selbst und den Büchern, den Bildern,
dem Interesse an Baumeistern und Kathedralen,
mit Vergehendem an sich, und der Angst um das Erbe,
gefasst in den Gemälden und Bauten aus Stein.
Im Hintergrund Allegris „Miserere,“
auf dem Tisch Photographien eines Portals von Reims.

Als wir dann sprachen, sagtest du, es sei auch anders:
Francis Bacon sei dir nah – verzerrte Körperteile
im Bann von irgendeinem Eros.
Auch Hieronymus Bosch, der den Irrsinn aufzeichne –
die Exzesse der Triebe, die Schatten um uns alle.
Und die Macht und Pracht, das Umhertragen der Dinge,
das rücksichtslose Verjagen der Anderen,
die Gier nach deren Land, die oft falschen Fragen.

Was vorbei flog, war der Wachtraum einer schwindenden Welt,
in der die Zeit zu einem Du wird,  wie ein Geist, der sich umschichtet,
den man noch liebt.

 

 

 

 

 


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