Hier noch einmal ein Flüchtling aus Daniel Richters Boot, der in eine Zukunft schaut. Es ist immer schwer, eine Zukunft zu sehen, aber in bestimmten Zeiten ist es besonders schwer; diese Zeiten kehren immer wieder. Auch wenn es manchmal für Menschen überhaupt keine Zukunft mehr gibt, die vorstellbar ist, wie nach einem Krieg zum Beispiel, so wird doch immer wieder Zukunft geschmiedet. Pläne, Ideen, Wünsche tauchen auf, die umgesetzt werden möchten, damit Zukunft entstehen kann. Gleichzeitig zieht sie ständig an uns vorüber, schon bei „vorüber“ ging sie an mir vorbei und wurde Vergangenheit, das geht schneller, als man denken kann. Und tatsächlich kommt es oft anders, als man denkt. Nie wird man wissen, wer man geworden wäre, hätte man an manchen Kreuzungen eine andere Richtung gewählt. Einmal dachte ich, ganz klar im Kontext meines damaligen Lebens, ich würde meinen restlichen Seinsaufenthalt an einem Feuer verbringen, in Indien „dhuni“ genannt, eine Aufgabe unter bestimmten Bedingungen, die dort heute noch als Form akzeptiert wird, auch wenn der Raum für so eine Lebensweise sich immer mehr verengt. Es gibt kaum mehr jemanden, der so ein Leben noch kann. Einfach sitzen, verbunden mit höchstmöglicher Einstellung zum kosmischen Raum hin, die Aufgaben dementsprechend eindeutig: Holz holen, das Feuer am Glühen halten (nie darf es ausgehen), ein karges, aber gutes Mahl einnehmen, die Begegnungen und Gespräche mit den BesucherInnen auf guter Ebene führen, sich als Frau (mir) in einer fremden Welt einen souveränen Platz erobern, der eine Stimmigkeit erreicht, die keiner der Beteiligten mehr anfechten kann. Meine Karriere war auch diesmal solide ausgedeutet, da kam etwas des Weges, das die Überraschung einer neuen Sicht und dementsprechende Änderungen des Weges mit sich brachte. Ist das nun Freiheit oder kann man nicht anders, als den eigenen Weg gehen, auch wenn die Originalität seiner Wegweiser manchmal verblüfft. Neue Zeit . neue Zukunft, auch wenn das immer wieder nur bedeutet, dass das Vorbeiziehende weder die Zukunft noch die Vergangenheit sein kann, denn beide begegnen sich nur im Nu. Nur in der Flüchtigkeit des Momentes lässt sich Lebendiges gestalten, oder wird mitgestaltet von den Seinsfäden der Anderen. Das war schon spannend damals, auf ein bewusst einfach gestaltetes Leben eine konzentrierte Aufmerksamkeit zu lenken ohne große Ablenkungsmanöver. Meist gibt es Vorboten und Zeichen, wenn eine Veränderung ansteht, die auf einen Kurswechsel deutet. Man kann immer nur sehen, was einem möglich ist. Bezogen auf meine Situation am Feuer, so informierte ich meine Seniors/Sadhus (die jemanden finden mussten, um das Feuer zu halten), dass ich auf eine Reise gehen würde (Amarnath in Kaschmir war das Ziel, 4000 Meter hoher Aufstieg zu einer Höhle), und nach diesem Gang durch Eis und Gefahren ging ich nach Ladakh, um mich zu erholen. Irgendwo auf der Straße wurde mir plötzlich klar, dass ich in den Westen zurückgehen würde, daran war nichts mehr zu ändern. Insofern ist die Frage nach Freiheit und Zukunft immer angebracht, dieses Paradox der Gleichzeitigkeit, gleichzeitig Freiheit und Gebundenheit an das Geschehen, gleichzeitig Zukunft und Vergangenheit im lebendigen Nu, egal, wieviele Analysen jeweils am Laufen sind. Das sagt ja nichts über die Schöpfungskraft aus, mit der man unterwegs sein kann, die paar Spielregeln befolgend, die einem ermöglichen, sich selbst so wenig wie möglich im Wege zu stehen, oder zu glauben, man könnte irgendwo im eigenen Schatten ausruhen.