warum

Vor und während der großen westlichen Pilger-und Lernenwoll-Invasion in Indien fingen die erstaunten Fragen auch an uns an, zum Beispiel „warum immer warum fragen“. Wir kannten ja das kollektive Seinsgefühl im Ungewissen nun gar nicht, oder wenn, dann nur nachgeliefert aus den Nachkriegserzählungen, wenn ab und an auch menschliche Anekdoten ans Ohr kamen und nicht nur die Aufgewühltheit großer, schrecklicher Ereignisse, mit denen man nichts mehr zu tun haben wollte. Auch in unserer bzw. meiner Meditationsausbildung wurde ich immer wieder darauf aufmerksam, wie sinnlos Hindus das Warum empfanden. Zum Glück lässt sich auch der forschende Geist ungern kirre machen, und so gab es weiterhin Überlebende und reichlich Überlegende. Manchmal bietet der Humor sich an und holt einen aus dem Labyrinth des Widerspruchs direkt hinein in das, was man sich selbst zutraut zu denken und zu sein. Mein derzeitiges Warum ist nun einerseits auch eingebettet in den indischen Kosmos, aber andrerseits sprengt es ihn auf dringende Weise. Das Bild da oben, das ich eines Morgens schnell, weil unbemerkt, geknipst habe, scheint mir ein gutes Beispiel für mein Warum. Warum also ist es ohne begleitenden Gott undenkbar, dass Menschen z.B. einfach einen Baum so schön finden, dass sie aus lauter Freude seine Anwesenheit mit einer kleinen Flamme und Rosen küren und dadurch nicht vergessen, wie dankbar wir ihnen sein können, so, als wäre das nicht genug. Nein, ein Gott muss her, und der muss auch was für einen tun: endlich einen Sohn schenken zum Beispiel (die Schnüre), oder was auch immer Menschen von den Göttern wollen, die sie erschaffen haben, um Grund für Verbeugung und Züchtigung zu haben. Ein indischer Lehrer hat behauptet, die Inder wüssten, dass sie die Götter selbst erschaffen haben. Das ist ein interessanter Gedanke, der vielleicht erklären könnte, warum hier unter Gläubigen so locker mit dem Gottwerden umgegangen wird. Ich selbst wurde mal vor Jahren auf einen Gott hingewiesen, der hier in der Gegend auf einem Berg sitzen sollte, auch begleitete mich der Hinweiser dorthin. Dort wurde ich mit heiligen Süßigkeiten überschüttet, und als ich aufstand, um dem Gedöns zu entkommen, vergaß ich die Süßigkeiten, die zum greifbaren Schrecken der Anwesenden überall auf dem Boden herumkullerten.Noch heute freue ich mich, dass ich die Kraft hatte, einfach zu gehen, anstatt auf dem Boden vor dem Gott herumzukriechen. Es gab weitere Götter, und in der Tat, überall basteln sich immer noch meist bärtige Männer ihr eigenes Himmelreich, das schien und scheint keinen zu stören. Was mich stört, ist der Mangel an spürbarer Freundschaft und Liebe, den man meistens unter Zugehörigen irgendeiner spirituellen Zunft vorfindet. Zugehörig zu sein zu ganz klar definierten Kreisen, und getrennt vom Gedankengut Anderer ist ja vielleicht nichts Schlimmes, aber warum nimmt es so deutlich zu, wo wir doch als Menschheit jetzt m.E. das Aufeinanderzugehen brauchen, und das Interesse am Wohlbefinden der Anderen. Jetzt weiß ich auch, was „große Worte“ sind. Sie klingen groß, wenn man aus Erfahrung weiß, wie schwer das Einfache und Einleuchtende umzusetzen ist. Alles Gute, soll Laotse mal bemerkt haben, sei schwer zu erringen, alles Ungute mühelos. Hassen sei einfach, und lieben schwer. Warum also ist Lieben so schwer? Ist es schwer?

Da fällt mir ein Essay von Christina Thürmer-Rohr ein. Wo ist nur das Buch gelandet?

 


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