Ich muss gestehen, dass mir nicht nur dieser ständig alles Indische begleitende, surreale Hauch öfters mal bewusst zusagt, sondern ich werde auch sehr aufmerksam, wenn sich in einem Menschen ganz offensichtlich d a s manifestiert, was man unter „göttlichem Wahnsinn“ verstehen könnte, für das es auch einen Begriff gibt, „mast“, godmad. Ich kannte mal Einen, Manoj hieß er, dem hörte ich so gerne zu, dass mir für eine Weile alle „normalen“ Gesprächsformen ermüdend vorkamen. Er erzählte immer lang und ausführlich von etwas, das keinerlei Sinn ergab, au ßer, dass er darin wohnte und nicht mehr heraus kam. Er strahlte mehr Freiheit und Schönheit aus als die meisten, die während dieser Monologe an uns vorüberliefen. Während er in dieser Zeit noch einigermaßen auf sein Äußeres achtete, verwahrloste er zusehends und wurde immer mal wieder auf irgendwelchen Straßen von irgendwem gesehen, wie er verwildert und verloren herumlief. Trotzdem seine eigenen Wege gehen konnte, das fand ich auch immer gut. Ein Anderer stand einige Jahre immer stocksteif auf der Straße, so lange, bis jemand „RamRam“ zu ihm sagte, dann ging er weiter bis zum nächsten Stocksteif. Brahmanen zogen die Schuhe aus und schenkten ihm alles Mögliche, und berührten seine Füße. Vielleicht war er sowas wie ein Heiliger für sie, weil er immerhin in einem Gottesnamen stecken blieb, bzw. durch ihn wiederbelebt wurde. Seit zwei Jahren sehe ich wieder Einen. Er steht auch, oft stundenlang, an einem Fleck. Wenn ich ihn morgens sehe und zufällig gegen Abend nochmal vorbeikomme, steht er am selben Fleck, so, als hätte er sich nie bewegt. Er hat auch diese Schönheit und diesen seltsamen Blick, von dem man gleichzeitig mehr sehen möchte, dann aber die Augen abwendet. Ich sehe und grüße ihn also schon das zweite Jahr und habe ihn noch nie einen Ton machen hören. Nun komme ich gestern Nachmittag da vorbei, da spricht er mich an. Er erzählt mir in fließendem Englisch, man hätte eine Eisscheibe gefunden, so groß wie der See vor unserer Nase, da wären Aliens über Lichttechnik gelandet, jetzt hätte man endlich Beweise. Ich starre ungläubig vor mich hin und lasse mir alles noch einmal wiederholen. Ja, Aliens, sagt er, endlich bewiesen. Woher kannst du so gut Englisch, frage ich, noch betäubt von der Wirkung. Er versteht die Frage nicht, und mich beschleicht das Gefühl, dass er gar nicht merkt, dass er eine Fremdsprache spricht. Den Blick in seinen Augen kann man nur eine unerreichbare Ferne nennen. Du bist ja auch ein Alien, sage ich zu ihm, das bringt ihn zum Lächeln. Aber meistens lächelt er eh. Ich bin auch ein Alien, gebe ich mich zu erkennen. Ich habe keine Probleme damit, mich vorübergehend in Nachvollziehbares einzublenden. Irgendwann muss man die Angst, sich selbst zu verlieren, hinter sich lassen. Und selbst die, denen das Unnachvollziehbare geschehen ist, sie können noch tiefe und wunderbare Dinge in einem bewirken. Dann löst man sich los und geht weiter und hält sich eine Zeitlang in lächelndem Wundern auf.