Wenn etwas eindeutig und unwiderruflich da ist, ist es besser, eine klare Einstellung dazu zu gewinnen, sodass man es integrieren kann in die Archive des Unvermeidlichen oder eindeutig Daseienden. So sind die Götter in Indien nichts, was man übersehen kann, denn sie sind allüberall. Der Elefantengott Ganesh zum Beispiel, der oben im Bild aussieht, als würde er ewig dort hausen, ist aus Pappe und von irgend jemandem, der ihn aus dem Weg haben wollte, dort abgelagert. Er gibt natürlich dem Steingerümpel eine gewisse Würde und Farbe. Dieses Jahr musste ich einmal eine Ratte aus dem Lagerraum fangen und hinübertragen an die Brücke, wo ich sie von einiger Höhe herunterwerfen wollte. Hinterherschauend, wo sie gelandet ist, sah ich in ungläubigem Staunen eine Gottheit im Tümpel liegen, die aussah, als wäre sie dort in einer anderen Dimension unterwegs. Auf der einen Seite also dieser ungeheure Aufwand, um ja kein Mensch zu sein, der nicht von irgendeinem Gott gelenkt und geliebt wird, auf der anderen Seite diese Nachlässigkeit dem doch so Geschätzten gegenüber. So viele heilige Bilder, die im Dreck herumliegen und manchmal, wenn auch nicht für jedermanns Auge, neue kosmische Kompositionen ergeben, oder die Mauer, wie man oben im Bild entdecken kann, fügt von selbst eine orientalische Figur dazu, die man selbst gerne gemalt hätte, sozusagen als Elevin des Monsoons. Wahrnehmen ist zeitaufwendig und kann nur unter günstigen Bedingungen stattfinden. Dann hatte ich gestern mit der jungen Frau aus Bombay (ich kann mich nicht an „Mumbai“ gewöhnen, obwohl ich verstehe, dass sie vermutlich auch die Bombe aus der Stadtbezeichnung haben wollten) ein interessantes Gespräch. Sie meinte, dass Indern jede Empathie fehlt. Das verblüfft erst einmal, leuchtet aber ziemlich schnell ein, und obwohl das Verallgemeinern oft ungünstig ist, konnte ich das mit meinen persönlichen Erfahrungen decken. Die Bereitschaft und Fähigkeit der Einfühlung in die Einstellungen anderer Menschen ist in der Tat ein seltenes Gut, aber erstaunlicherweise ist es da, wo viel Heiliges am Werk ist, am rarsten anzutreffen. Kaum steht der Mensch unter Gutsein-Zwang, was oft durch die Verbindung mit überirdischen Mächten zustande kommt, verliert er den empathischen Zugang zu Anderen. Auch wird oft gelehrt, sich möglichst fern zu halten von irdischen Verhaftungen, um näher ans erlösende Gutsein zu rücken. Das scheint, wenn auch erst in einem Irgendwann, sich nachteilig auf das Leben unter Menschen auszuwirken. Wenn sich aber das erstrebte Gutsein nicht auf das Zusammenleben unter Menschen förderlich auswirkt, was soll’s. Vielleicht nimmt es ja auch erst in einer bestimmten Zeit eine Bedeutung an, wenn wir wie jetzt Zeugen und Zeuginnen einer schamlosen und gefährlichen Groteske werden, die sich ins Weltendrama eingeschlichen hat, nicht als Sonderfall, über den man ein Epos kreiren kann, sondern ein Alltagserleben, mit dem man lernen muss, umzugehen. Die junge Generation beginnt das auch hier wahrzunehmen, doch was tun? Noch gibt es keine Räume ohne Götter, und die Mutter schlägt schon zum dritten Mal einen jungen Mann vor, der geheiratet werden könnte. Wohin, wenn man nicht mehr mitspielen will? Fleißig lade ich nach Deutschland ein. Dort sind auch schon viele Menschen durch die Hingabe an vermeintlich Höheres umgekommen oder geschädigt worden, und das Antreffen von Empathie wäre jetzt auch nicht der Lockvogel, aber…ja, was preise ich denn dann da? Das satte Grün im Sommer, die Freiräume des Denkens und Seins, vielleicht auch die Tatsache, dass ein ganzes Volk durch eine Hölle marschiert ist, was ein „Nie wieder!“ erzeugt hat. Nie wieder so ein Mensch sein. Aber was für ein Mensch sein. (?) Heute brummt es um den See herum wieder mit emsigen Pilger-Ritualen. Amavash!, sagt der Priester, Neumond. Da werden die Toten geehrt.