gefühlt

In den letzten Jahren ist durch vielerlei unterschiedliche Vorkommnisse, politisch, persönlich, beruflich, klar geworden, dass viele Dinge, die wir, allein oder mit anderen, für einfach und verständlich hielten, nun neu erfasst werden müssen. Zum Beispiel das Fühlen. Menschen, die Jahre lang meditiert haben, stehen auf einmal vor einer geheimnisvollen Tür. War nicht immer Fühlen? Wohl nicht, sonst würde ja eben dieses geheimnisvolle Etwas nicht fehlen, wegen dem wohl die meisten auf dem Boden yogischer Übungsfelder Nachsitzenden da noch sitzen, bis eines Tages, wenn man ein Glückskeks ist, jemand einem (oder man selbst sich) etwas vermittelt, das verstört oder unsicher oder ohnmächtig  oder zumindest neugierig macht auf das erwähnte Phänomen, das einem technisch keiner beibringen kann, weil niemand weiß, wie das geht. Verblüffen kann ja, dass sich zwischen dem Gefühllosen und dem Gefühlten für die Sich-fühlend-Wähnenden erst einmal kein so großer Abgrund zeigt. Das Universum ist großherzig, man könnte es auch kaltherzig nennen, kommt ganz darauf an, wie man es erfährt. Was, wenn es ein riesiger Resonanz-Spiegel ist, der einfach widergibt, was in ihn hineinkommt. Das hieße in diesem Fall, es kommt genau das heraus, was ich hineingebe, auch wenn das viele chaotische Geben vermutlich meistens einfach im großen Strom der Energien aufgeht, ohne als einzelne Gabe Wirkung zu haben. Wenn also die Menschen so ziemlich alle davon ausgehen, dass sie etwas fühlen, was ja auch richtig ist, denn jeder Mensch fühlt irgendwas, dann bleibt die Frage, w a s wir fühlen, und ob wir dafür Worte finden können. Diese verbreitete Not der Wortfindung zeigt sich am schönsten in der berühmtesten Formel der drei Worte, die irgendwann mal jemand fand und damit alle ins Herz traf. Diese Worte drücken genau dieses Gefühl aus, das jeder möchte, nämlich gesehen, geliebt, wahrgenommen, wertgeschätzt usw. werden, und man verpasst gerne die Erkenntnis, dass man diesen Menschen immer lieben wird, was auch immer geschehen mag, weil er oder sie Auslöser und Anlass war für das beste aller Gefühle, das mir selbst dadurch ermöglicht wurde. Liebe ist doch vor allem auch das Glück der Verbindung mit sich selbst. Liebe regt an, sich auf dem verfügbaren Top-Level zu bewegen, und der genussvolle Seiltanz wird von jedem geschätzt, der mutig den Abgrund des Ungewissen durchquert. Alles danach hängt von der Qualität der Beziehung ab. Und was ist mit denen, die in den Schlachthäusern stehen und ihre Arbeit tun. Kann ein Mensch bestimmte Dinge tun, wenn er auch noch einen Funken Gefühl hat. Dann gibt es dieses ungut Gespaltene der Persönlichkeit, dass diese grotesken Figuren des Dritten Reiches sich haben vorgaukeln können am Abend, eben: man könne noch Mensch sein, wenn man vom Fenster an der Gaskammer wegtritt oder Menschenversuche für machbar hält. Das mit den Tieren ist auch noch nicht wirklich durchgedrungen. Dass ihre Würde auch unantastbar ist. Dass sie auch ein Recht auf menschliches Verhalten haben, da sie von ihnen abhängig sind. Überall kommt es auf das Maß an und auf das, was noch im Rahmen gewisser ethischer Vorstellungen tragbar ist. Schwierig wird es , wenn Menschen Hass und Ignoranz als Wohlbefinden für sich deklarieren. Manchmal scheinen einem die Wurzeln des Gefühllosen durchschaubar, aber selbst da landen wir schnell genug im Uneindeutigen. Es gab auch schon viele liebevolle Mütter, die ihre Söhne zum Töten aufgefordert haben, oder sie als Söhne in die totale Selbstüberschätzung hineingeliebt haben zum Schrecken der mit ihnen verbundenen Frauen. Alleine für diese Kontur zwischen dem, was Mutterliebe ist, und wo sie vernichtend wirkt, und wo man sie dann auch nicht mehr Liebe nennen kann, für diese Stromlinie allein braucht man Zeit und Ruhe, denn wenn eine Ungewissheit des Fühlens sich persönlich und planetenweit breit gemacht hat, dann ist es an der Zeit, ein tieferes Verständnis darüber zu erlangen, indem man die wesentlichen Fragen an sich selbst richtet.

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