duplicate

Ich bin als Kind oder Jugendliche oder Erwachsene nie in Kontakt mit den Büchern von Karl May gekommen und habe das alles wohl versäumt, ohne es deswegen bedauern zu müssen. Nun höre ich von einer Nachbarin, die zum ersten Mal bei uns vorbeikommt, dass dieser May oft im Gefängnis saß und dort seine beliebten Bücher schrieb, und dass er selbst glaubte, Old Shatterhand zu sein (?), was nicht erstaunt, sondern eher seinen Erfolg erklärt. Dass er sich in Fremdes, das er sich erdachte, so hineinversenken konnte, dass es seine eigene Realität war. Manchmal sieht man sehr viele geschätzte Karl May Bände irgendwo herumstehen von Ausgaben, die jetzt kostbar sind, und die vielen Filme, die der imaginierte Stoff zur Verfügung gestellt hat. Auch war er, neben einigen kriminellen Handlungen, wohl auch öfters gefährdet, seinen Verstand zu verlieren, denn zwar denkt sich jeder das Eine oder das Andere aus, aber nicht eine ganze Welt, die durch Phantasie bevölkert wird, bis auch da die Konturen immer schwankender werden. Es ist ja nicht automatisch geklärt, ob wir nicht alle ständig etwas erfinden, was den Realitäten, die wir zu erkennen meinen, in keinster Weise entspricht. Wenn Hindus von dieser Zeit, in der wir gerade leben, sprechen, nennen sie es oft eine „duplikate Illusion“ (duplicate maya) Im Sinne, dass es eine Grundausstattung gibt, in der zum Beispiel produziert wird, was die Anwesenden brauchen, damit sie ein gutes Leben leben können. „Gut“ heißt hier nicht, dass Harmoniezwang herrscht, nein, es ist eher wie im Kasperle Theater, da ist der Kasper und da ist der Polizist  und halt alle die Figuren, die man überall antreffen kann, eine Art Übereinstimmung mit einer  Norm des Daseins, die keinem schadet, aber auch unterhaltsam ist. Jetzt wird diese Bühne mit der Zeit derart zugemüllt, dass gutes Spiel immer schwieriger wird, die Einsätze immer sinnloser, die Resultate immer fader, die Objekte immer absurder. Das ist dann die duplikate Illusion, da vor allem als hochwertig und optimierend angepriesen wird, was eigentlich keiner braucht. Nun beginnt aber jeder das Überflüssige zu brauchen, es entsteht eine Art Sog, aus dem schwer zu entkommen ist. Die Zeichen, wann und wodurch eine Grenze erkannt werden kann, werden unschärfer. Ist eine betende Frau in Burka eine Bereicherung für meine Wahrnehmung, oder ein Angriff auf meine persönliche Lebenseinstellung. Das kann doch gar nicht sein, dass eine Frau in einer Burka sich wohlfühlt! Doch, das kann sein. Das ist es ja, dass alles sein kann, nur ich (jeweils) kann nicht alles sein. Daher ist die Frage, wer ich selbst bin in Zeit(en) und Räum(en), so wesentlich, oder zumindest erschien es immer einigen als wesentlich. Karl May war unter anderem ein Hochstapler, der unter den Geschichten seiner hochgestapelten Figuren zusammenzubrechen drohte, was darauf hinweisen könnte, dass es nicht immer gesund ist, sich nur zu erfinden. Und doch hat er viele beglückt, hat Fluchtwege erschaffen in drögen Alltagswelten, wo niemandem etwas Belichtendes einfiel. Nun ist es ja so, dass wir alle in einer Geschichte herumlaufen und ein gewisses Maß an Realität beanspruchen, das sicherlich keinem anderen Maße gleicht. Was ist erfunden, und was ist real. Gibt es hinter dem Spiel noch eine andere Wirklichkeit, von der aus wir eines Tages bemerken, dass wir mit den Füßen in der Quelle unserer eigenen Heiterkeit waten, erstaunt und hocherfreut über die einfachen Spielregeln, die sich selbst zu erkennen geben.
Das Bild zeigt den Gott Merkur, der dabei ist, ein Kind in Sicherheit zu bringen.

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