Man kann die Systemtheorie, in deren Mittelpunkt die Selbstorganisation
ausdifferenzierter Gesellschaftsbereiche nach funktionalen Leitkriterien
steht, als adäquates Modell einer Zeit verstehen, die von eigendynamischen
Prozessen und anonymen Operationen beherrscht wird. Systeme kennen
keine Moral, keine Gefühle, keine Rücksichten. Sie folgen ihren autonomen
Zwecken, die durch spezifische Codes vorgegeben sind. Darin gleichen sie
präzise programmierten Maschinen, für die der Mensch nichts als ein Störfaktor
ihrer Steuerungsautomatik ist. Sie lassen sich nicht kontrollieren, aber beobachten.
Eingriffe von außen sind unmöglich, da Systeme nur begreifen, was sie selbst
produziert haben. Die Blindheit funktionaler Prozesse ist das Resultat ihrer
operativen Geschlossenheit. Die Welt ist für jedes System, ob Gehirn, Fernsehanstalt,
oder Aktienmarkt, unerkennbar. Sie existiert nur dadurch, dass sie via Kommunikation
in das System hineingelangt und dort in Sinn umgewandelt wird, der für weitere
autopoietische Operationen anschlussfähig ist.
(Dass die Welt erst durch Beobachtung von Systemen zustande kommt,
die selbst ausschließlich das sehen können, was für sie Sinn macht, ist
erkenntnistheoretischer Idealismus unter konstruktivistischen Vorzeichen.)