Gerade ist wieder einmal viel von „Helden“ die Rede (das Wort „Heldin“ ist vermutlich wenig geläufig)(obwohl jeder Mensch weiß, dass zum Beispiel das Menschengebären die Heldinnentat an sich ist), aber gut. Vielleicht dient das Wort auch dafür, dass man angeregt wird, genauer hin zu schauen, wer denn so ein Prädikat verdient und warum und wo. Es gibt auch diese wunderbaren Anekdoten aus der Welt der Weisheit, wenn so jemand wie Alexander der Große von dem willentlich Obdachlosen Diogenes mit einem dürftigen, aber wirkungsvollen Satz in die Schranken gewiesen wird. Und was ist den in der Menschheitsgeschichte gerühmten Heldenfiguren nicht alles zugestoßen, bevor das Gerücht des Ruhmes sie eingeholt hat. Auch für Odysseus‘ Ruf hätte es nicht gereicht, dass er sich an den Mast binden ließ, um den Sirenengesängen zu widerstehen, nein, eine Menge anderer Prüfungen mussten sie alle bestehen, um ihren turbulenten Schicksalen zu trotzen. Und nicht selten müssen Götter eingeführt werden, damit das Ganze den richtigen Paukenschlag hat, dem kultivierte Geister dann gern in Epen oder Symphonien lauschen. Oder es fällt einem, wie mir gerade, ein „Zanoni“ ein, von seinem Mentor als höchst Gediehener betrachtet, heißt, dass er die Anhaftung an das Weltgetümmel schon fast hinter sich hatte, da verliebt er sich in eine Frau und stürzt in den Augen seines Lehrers vom siebten, also damals höchsten Stockwerk. Aber nein!, er bleibt sich treu und liebt, und irgndwann, vielleicht auf Seite 302, singen die Engel für ihn, denn genau d a s war die Prüfung, denn die Liebe hat ihn vor der Kälte des Alls bewahrt, also vor der Selbstvernichtung. Jedenfalls formt sich heute in mir derart die Erinnerung an die Story. Dann gibt es die Helfershelden und die Heldinnen so ziemlich auf jeder Ebene des Daseins. Sie helfen uneingeschränkt bei Fluten, können aber auch in der Justiz sitzen oder eine seltene Ausnahme unter Teppichhändlern sein. Auch ist Heldenhaftigkeit (sofern überhaupt vorhanden) ja auch nichts, was man sich selbst als Auszeichnung geben könnte, nein. Wahrscheinlicher ist jedenfalls, dass der Stoff und das Tun, das dazu führt, dass Andere dafür den Begriff benutzen, selten in größere Öffentlichkeit gelangt, wo es außerdem völlig unterschiedlich gehandhabt wird. Für den einen sind Kamikaze-Flieger Helden, für den Anderen groteske Lebensvernichter. In Indien werden Menschen verehrt, die über Jahre hinweg ihren rechten Arm in der Luft halten, bis die Fingernägel durch die Handfläche gewachsen sind und usw. Einmal habe ich so einen geistigen „Helden“, in diesem Sinne also einen, der das Unvorstellbare freiwillig erträgt, in Indien ein paar Stunden lang beobachtet, fasziniert von der geradezu bodenlosen Leere seines Blickes. Das war schon was, aber um Himmels Willen, was war es denn? Eine Errungenschaft? Eine Form des Wahnsinns? Ein Weg, mit dem Schrecken der eigenen Bedeutungslosigkeit umzugehen? Im amerikanischen Kongress sitzen gerade zwei, ein Held und eine Heldin, beide die einzigen Republikaner, die sich entschieden haben, gemeinsam mit den Demokraten den Putschversuch von Donald Trump ans Licht zu bringen. Dort weinen auch Männer, die sich heldenhaft eingesetzt haben bei diesem Ausbruch der Gewalt (am 6.Januar), weinen aus den Abgründen ihrer Traumatisierungen heraus, und dann auch wegen der brutalen Lügerei, die sich über ihre Handlungen verbreitet hat. Wir können ja in unserer persönlichen Lebenszeit mit eigenen Augen sehen, wie Geschichte entsteht und vergeht, und auch wenn die Begriffe sich wandeln, hat das Leben wohl immer auch epische Züge, wenn Menschen aus ihren Schatten treten ins Licht.