Dann am Nachmittag auf einer der alten Steintreppen sitzen, wo einige Bewohner sich wehren konnten gegen das Entfernen dieser Schönheiten, die man vor einigen Jahren fast überall durch billiges Zeug ersetzt hat, und nachher fand man diese alten Steine bei den Reichen, die ihre Häuser damit schmück(t)en. Was für ein Gefühl, hier in der wärmenden Sonne zu sitzen, hier und da noch jemand anderes beim Genießen. Alles kommt innen zur Ruhe und ist mehr als genug, was es ist. Was werde ich sie vermissen, diese wunderbaren, steinernen Gebilde mit ihrer unerschöpflichen Erzählkunst, jedes Jahr erfrischt durch den Monsoonregen, und allem trotzend, was sich auf ihnen bewegt. Mein Lieblingsplatz ist großzügig eingerahmt von zwei Podien, und kaum hat man sich niedergelassen, fühlt man den Atem der Weltbühne, die das eigene Erscheinen erhellt mit einer architektonischen Kunst, die das Echo aller hohen Kulturen hervorruft. Als ich vor vielen Jahren hier ankam, fiel nichts leichter als das Verbeugen vor dieser Zeitlosigkeit, auch wenn es in Form einer vorbeiwandernden, schneeweißen Kuh war. Das Wasser, alles noch natürlich genährt von der Quelle, dem Saraswati Fluß, und überall schwammen obenauf die Lotusblüten, beliebt und besucht von großen Libellen. Das ist alles verschwunden mit der Zeit und dient auch dazu, an den Tod zu denken, wo man selbst verschwunden sein wird, alles andere aber seinen weitern Gang geht in das Wasauchimmer. Deswegen bin ich mit meiner Entscheidung, mich spätestens nächstes Jahr von Indien zu verabschieden, hochzufrieden. Es sind auch nicht die Veränderungen und die Verdunkelungen, die diese Entscheidung hervorgebracht haben, ich käme mir ja schäbig vor als Liebende. Nein, der Gong ist einfach zu mir gekommen, und in diesen raren Momenten äußerster Klarheit hat man dann nicht wirklich eine Wahl, als den Ton ernst zu nehmen. Und es ist schon auch wahr, dass das nicht mehr mein Indien ist. Es ist das Indien der Anderen, und ich nehme meines mit. Keiner kann es mir abnehmen am Zoll oder am Fließband, und auch in den neu konstruierten Schreckensmaschinen auf den Flughäfen, wo man durchlaufen muss und photographiert wird, wird es keiner sehen: Wie groß und unsterblich mein inneres Indien ist, voller Schätze, voller Abenteuer, und voll von dieser inneren Verbundenheit mit der gnadenreichen Schöpfung, die wir „atma samband“ nannten, Seelenverbindung, in der sich nichts und niemand ausgeschlossen fühlen musste. Ich weiß nicht, was schon alles los war in den Familien, man kann die ebenso zeitlose Finsternis nur vermuten. Ich selbst hatte lange Zeit keinen Zugang zu den Familien, saß aber bereits am Feuer im Amt, und sie gewöhnten sich daran, dass eine Fremde dort saß und alles von Grund auf wissen wollte. Ich bereue auch keineswegs, das indische Wissen, das ich mir selbst zusammenklaubte, so tiefernst genommen zu haben. Noch heute betrachte ich manchmal das Zeitgeschehen und es kommt mir vor wie das, was ich damals hörte. Woher konnten sie das alles wissen.Wie es ist und wie es sein wird, und wie es vergehen wird und dennoch immer da sein. Ein Kreislauf, in dem man sich bewegen kann wie ein freier Stern in seiner vorbestimmten Bahn, eben, ein endgültiger Widerspruch, ein Paradox par excellence. Und so ist es auch mit dem Vermissen: es ist bereits geschehen, und wenn es sich später wieder meldet, soll es mir recht sein, denn es berührt die ganz tiefen Gefühle. Und wer will behaupten, sie ausloten zu können.