Es ist ja so, dass in der momentanen Weltlage, auch ‚das Eiserne Zeitalter‘ genannt, keinem Menschen die nackten Tatsachen des Planeten mehr verborgen bleiben können, d.h., sie stürzen aus allen Richtungen auf uns ein, und so stößt der Mensch auch in ungewohnter und oft ungewollter Form auf die Urfrage, nämlich wer er selbst sei und was er oder sie in diesem ganzen Gewimmel und Treiben eigentlich verloren habe. Genau: ob er, beziehungsweise wir etwas verloren haben, etwa die gute alte Zeit, wo die Milchflasche und die Brötchen noch von den Ackergäulen vor die Tür gebracht wurden, ach nein, das war’s auch nicht, ja, was war es denn. Oder vielleicht da hinten gar nicht so viel verloren, sondern unterwegs ins Vorne das sogenannte Ganze immer als eine Art normalen Zustand gesehen, zurecht gekommen, wie’s halt Menschen so tun und können. Angepasst an die scheinbar vorgegebenen Pfeiler in dem erschütterbaren Konstrukt des Daseins, oft als einzigen Ausweg und Fluchtweg die Vertikale nach oben, und dort der weißbärtige Patriarchengründer, durch dessen strenge Obhut dem Kind der Erwachsenenweg abgezüchtet wird unter dem Deckmantel heiliger Autoritätsgewalt. Und es ist auch durchgedrungen, dass es immer und überall Ausnahmen gibt, und dass die Pauschale nicht wirklich hilfreich ist. Und daher: ein erfrischtes und näheres Hinschauen in dem Ablauf von Nu zu Nu immer dringlicher wird, damit die eigenen Zugeständnisse an erstarrte Konventionen durchdrungen werden können, ja mit was? Ich denke, mit diesem interessierten Blick, der ahnt, dass er auf alles noch einmal und immer wieder neu schauen muss, was das alles einerseits mit mir, und als wer, zu tun hat, und andrerseits auch was es ist und weiterhin sein wird, auch wenn ich nicht mehr dabei bin. Wie entsteht es, woraus bin ich gemacht, was bestimmt mich, und wie weit kann ich mich, sagen wir mal, als Vertreterin freier Lebenskunst empfinden, ohne eingeholt zu werden von den Widersprüchen. Ja, man muss stark sein in einer gesetzlosen Zeit, wo die Wünsche der Menschen ins Unermessliche wuchern, wobei sie meistens gewuchert wurden. Man steckt in den unersättlichen Schlund die vielen Ersatzteile des wirklich Vermissten oder bereits Vermasselten, zum Beispiel mit einem Caravan-Traum, in dem nichts mehr fehlt, was das Herz begehrt, oder was man für das Herz hält: die Solaranlage, das unabhängige Netzteil, das Netflix-Streaming, gnadenlos ausufernd ins Unerreichbare. Man selbst ist das schwer Erreichbare. Wo ist das, was man ist. Kann man es verlieren, oder muss man es finden, und wenn man es findet: was ist es, oder wo oder wie oder wer. Durch viele Jahre hindurchblickend ahnt man, was gemeint sein könnte mit den berühmt gewordenen Sprüchen, die man einfach für bare Münze (!) hielt. Liegt da wirklich ein Juwel in der Lotus (blüte) herum? Ein liebevoll ans Ufer geschwemmte Kind im wattierten Körblein? Eine vergiftete Prinzessin, dabei, endlich den Apfel hochzukotzen, der sie an der Freude am segensreichen Bewusstsein gehindert hat? Es war und ist nur einmal, und wenn es nicht schon tot ist, dann kann es jederzeit zum Leben erwachen. Why not?
*Om mani padma hum / Das Juwel liegt in der Lotus (blüte)