In den geistigen Schulen Indiens war es üblich, dass Dazukommende mehr oder minder rigoros angeregt wurden, alles, was bisher war, zurück zu lassen um sich so intensiv wie möglich den neuen Denkfeldern widmen zu können. Das wird bzw. wurde keineswegs als Gehirnwäsche gesehen, sondern als erste Bedingung einer sich (freiwillig) wandeln wollenden Substanz, die bestrebt ist, ja wie soll man das jetzt ausdrücken trotz den vielen unterschiedlichen Methoden und Praktiken, also bestrebt ist, von einem Ende des Ichs zum anderen zu kommen, vielleicht von einer Oberfläche erstmal zu einer bewussten Tiefe zu kommen oder, vertikal gesehen, zu einer Höhe, was günstigerweise zu einem Ausloten der beiden bewusst gemachten Pole kommen kann. Nun musste der Versuch der vielen westlichen Fremdlinge, die hier einen verlockenden Weg sahen, der erfrischende Weiten und Wahrnehmungen versprach, allerdings allein daran scheitern, dass es sich für gedanklich ausgebildete Westler ziemlich schwierig, ja unmöglich gestaltete trotz aller leidenschaftlichen Sehnsucht nach gelingender Hingabe, dort auch ohne ihre eigenen Gedanken hinzugehen, beziehungsweise ohne Gedankenkonstrukte, die gewohnt waren, sich vor allem in Zukunft und Vergangenheit aufzuhalten. Und vermutlich trieb gerade die Leere des nie ganz erfüllten Momentes viele dazu, sich auf diese östlichen Lehren einzulassen. Nun finde ich es nach wie vor angebracht, sich auch mal die Möglichkeit des Nicht-Denkens vorstellen zu können mit Hilfe sehr schlichter Übungen. Und siehe, auch hier geht das ja vor allem, weil die Konzentration sich auf etwas ganz Spezielles verlegt. Statt des traumartigen Vorüberziehens endloser Gedankengebilde (zum Beispiel) die Konzentration auf die Atemzüge, was nur gelingt, wenn man nicht denkt, sondern beim Atem ist. Übrigens ein superbes Einschlafmittel, und sicherlich wirksamer als eine Schlaftablette. Was mich daran interessiert ist diese Fähigkeit des menschlichen Apparates, sich für Veränderungen des Zustandes oder des Gefühls bewusst zu entscheiden, da es dann zu der Art Freiheit führt, die ich erstrebenswert finde, auch nicht als Selbstkontrolle, sondern als souveräne Möglichkeit, das eigene Dasein bewusst zu gestalten, ohne sich durch eigenes Verhalten im Wege zu stehen. Natürlich ist es ein anregender Gedanke, alle Wege für offen zu halten, aber ohne dass ich bei mir selbst in einer gewissen stabilen Verankerung bin, können die vielen Optionen ja nur als Chaos wahrgenommen werden, oder als Überforderung. Wenn man in Indien, zum Beispiel im Zug, sagen würde, dass alle Wege nach Om führen, könnte man das R getrost weglassen, alle würden wissend nicken und zustimmen mit der klügsten aller Kopfbewegungen, die besagt, dass es einerseits so ist, und andrerseits auch anders sein kann. Deswegen muss man sich, wenn man möchte, auf den Weg machen, und während man entlanggeht, schauen, wie er sich entwickelt. Ist man in guter Gesellschaft kann man sich selbst schulen und verstehen, was man denkt, es gibt ja keine Vorschriften. Ich persönlich bezweifle, dass es jemanden gibt, der nicht denkt, obwohl es einige spirituellen Lehrer gerne von sich behaupten. (Ich frage mich, woher sie ihren Stoff nehmen). Auf jeden Fall ist es außerordentlich nützlich, sich mit dem eigenen Denken zu beschäftigen, und dass es einen nirgendwo hinführt, wo man gar nicht sein will, in Ängste, in Sorgen, in Erstarrungsräume, in Meinungsschluchten, in Behauptungskammern, weg also vom prasselnden Feuer, das einerseits gehalten wird von der Asche, aber auch frische Zufuhr braucht, damit es lebendig bleibt. Eine hörbare Stille also, und auch ein hörbares Denken.