So, die heiligen Tage, schwer beladen mit Deutungen, sind vorüber, und es geht nun darum, die paar Tage bis zur nächsten Kollektivsause gut hinzubekommen. Nicht, dass irgend jemand sausen muss, nein, nur sich einstellen auf das, was man vorfindet, da führt kein Weg drumherum. Für Inder übersetzen sich Feste aus anderen Kulturen, die sie meist nur von Reisenden kennen, oft in Technopartys, da sie auch nicht wissen, wie gerne die Fremden fern bleiben von ihren eigenen Kulturprogrammen, oder ihren Familien, oder sich selbst. Wenn dann die Lautsprecher angeschleppt werden, weiß man, dass Widerstand zwecklos ist. Daher muss man überlegen, was am besten zu tun ist, und was zu lassen. Gestern, noch in der Trauer um einen Freund, der sich von der Erde verabschiedet hatte, ließ ich mich in einem motorisierten Ungeheuer, das „tuc-tuc“ genannt wird, zu einem jungen Ehepaar fahren, das ich letztes Jahr kennen gelernt hatte mit einem guten, anregenden Gespräch. Die junge Frau kommt aus Bombay und hat die klassische indische Schönheit, gekoppelt mit frischer Intelligenz und enormer Sprachfähigkeit, die einen in Staunen versetzen kann, so, als müsste man auf einmal alle angesammelten Vorurteile über die Versklavung der weiblichen Psyche über Bord werfen. Sie reist regelmäßig an aus Bombay, das ja jetzt Mumbai heißt, um den deutschen jungen Mann zu treffen, mit dem sie sich durch eine immer komplizierter werdende Beziehung rangelt. Ihre Mutter weiß von der Beziehung, hilft aber mit, dass sie regelmäßig junge, indische Männer treffen muss, von denen sie hofft, dass einer davon sie den Fremden vergessen lässt. Der Fremde kommt aus einem kleinen, deutschen Dorf und hat dort gerade ein Haus geerbt, weil seine Mutter gestorben ist. Er hat da, wo wir Tee trinken, ein Hotel aufgebaut mit Bungalows und fühlt sich nun gefangen in seiner Schöpfung, und will ins Zuhause zurück. Gehst du mit?, frage ich sie. Sie weiß es nicht, weil er sie noch nicht gefragt hat. Er spricht gerade nicht viel mit ihr, sie möchte ganz viel mit ihm reden. Er weiß gar nicht, was er gerade will, sagt er, und ob er eine Beziehung haben kann. Die Szene, in der ich nach beiden Seiten ein Mundrohr spiele, erinnert stark an den wunderbaren Film „Rendevous im Jenseits“, wo der Mann durch reges Drehen und Winden dabei ist, sein einzigartiges Schicksal. zu vermasseln. Er weiß nicht, was mit ihm los ist, und da ist sie, immer noch bereit, über jedes Wort, dass aus ihm herauskommt, glücklich zu sein. Nach einer Weile spürt man, dass das Rad anfängt, sich zu drehen, der circolo vizioso kommt in Fahrt, und er ist schwer zu durchbrechen. Wie genial diese schlichte Idee von Freud doch war, jemanden auf dieser Couch liegen und ins Reden kommen zu lassen, während der Meister am Kopfende saß und seine Menschenstudien ins Praktische umsetzte und vorantrieb. Blieb einer der Liegenden stumm, gut, dann war die Stunde vorüber. Und wie oft ist es doch das Reden und die Bereitschaft und Offenheit für Begegnung, die die Dinge durch den Strom bewegen und Klärungspotential haben. Man klärt ja, wer man selbst ist, und nicht , wer ein Anderer ist. Wie soll ich wissen, was in dir vorgeht, wenn du es nicht weißt und es mir nicht mitteilen kannst oder willst. Und es gibt auch Momente, von denen man behaupten kann, dass so ziemlich jede/r sie mag. Man sitzt zusammen und trinkt was Wohlbekömmliches, und die Atmosphäre wärmt auf, und Entspannung breitet sich aus im Seinsraum, dem mysteriösen Archiv aller Befindlichkeiten. Bin ich frei, zu wählen?