Atma-Sphäre

Heute ist ein guter Tag für schlichte und wirksame Kommunikationsverbindungen in alle Richtungen, denn überall kann man mühelos anknüpfen an ein einziges Thema mit seinen unterhaltsamen Varianten: Hast du ihn gesehen? Oder: Wo warst du, als er kam, und mit wem? Kam er da, wo du dachtest, auch hervor?, oder musstest du oder ich sich mal fragen, wo der Mond zur Zeit eigentlich aufgeht. Nicht immer breitet sich die eigene Wachheit auf alles gleichzeitig Daseiende aus, um Himmels Willen, man muss sein eigenes Schiff entlangführen. Es war ja schwer zu überhören, dass ein Blutmond naht. BLUTMOND! Schaurig schön rieselt’schon vorher in einem hin und her, und es passte doch sehr schön, dass ich mich entschieden hatte, eine Sendung des Philosophischen Radios zu hören und dem Moderator Jürgen Wiebicke zuzuhören, wie er und andere dort Anwesende und Zum-Thema-Eingeladene um die Frage „Was ist das Böse“ herumdachten, und er (der Moderator) einmal die Bezugnahme zu dem „großen Bösen“ zurückführte zum Alltag, mit der einleuchtenden Begründung, dass im Alltag die Quellen, jetzt in meinen Worten ausgedrückt, des „Bösen“, sollte „es“ nun als solches in  jedem Menschen angelegt existieren wie das angelegt Gute, dass die Quellen dafür eher im Alltag des eigenen Seins zu finden sind, woraus jeder Mensch sein eigenes Leben einerseits als gegeben, andererseits als formbar erfährt. Wir sind dann irgendwann Richtung Wald gewandert, obwohl wir am Rande des Waldes leben, und wahrlich, es war ein bisschen wie der Film „Fahrenheit“, wo am Schluss, wenn ich mich recht erinnere, jede/r herumwandert und ein Buch auswendig lernt. Der Wald war gut angefüllt mit Menschen, die hin-und herliefen, um ihn zu sehen. Oben am Turm war auch schon voll. Jede Bank besetzt. Sie sitzen auf der Bank, auf der wir sitzen wollten, scherzten wir ein Paar an. Der Mann erkundigte sich wärmstens, ob wir schon lange unterwegs wären, dann könnte er gut auch eine Weile herumstehen. Es war so eine Nacht, wo man sich gut vorstellen konnte, von einer sehr langen Wanderung zu kommen und auch weiter zu wandern, von Nacht zu Nacht, in dieser milden Wärme, unterwegs ohne Angst vor Ungeheurem. Man hätte den Mond ja auch „RoterWeinMond “ nennen können, oder Johannisbeermarmeladenrotmond, aber nein! es musste „Blut-Mond“ sein, wenn Tilda Swinton, verkleidet als Vampir, ihren Vampir-Geliebten trifft. Ein Schatten streicht über das helle Licht. Wessen Schatten verdunkelt hier das Licht. Man wird gezwungen, sich dieses Umeinanderherumkreisen immer mal wieder vorzustellen, wir mittendrin im Planeten- und Sternenheer. Das Nach-oben-Schauen in einen klaren Nachthimmel hat noch keinem geschadet. Das unterscheidet auch das Böse vom Nicht-Bösen. Ein bewusst ausgerichteter Wille, einem anderen zu schaden, das haben auch die Philosophierenden im Radio als das Böse unterschieden, wobei ich nicht so weit gehen würde, Menschen als Tiere zu betrachten. Überall klebt veralteter Mythos. Das kann ich auch, denn siehe, ich blickte auch in die Himmelssphären aus nach dem Kriegsgott Mars, die schmalen Hände bereitwillig gefaltet mit Bitte an das zuständige Amt, man möge doch die herrschenden Geister mit hohen Fähigkeiten der Diplomatie befrachten, damit die Befürchtung, es könne immer nur das Dumme siegen, einen Ausgleich erfährt. Und dann war er auch noch rot, der Mars. Und so nah zu Saturn, da lohnt sich ein nächtliches Verweilen schon. In Indien schließen während des Blutmondes und überhaupt während einer Finsternis, ausnahmslos alle Läden und interessanterweise auch alle Tempel werden verschlossen und verriegelt. Man will dem Gott diese Verdunklung nicht zumuten. Während sie an ihren Smartphones pausenlos herumhantieren, ist doch der Schauder noch zu spüren, den so eine gebannte Stille, die mit dem Blutmond einhergeht, auslöst. Die älteren Generationen haben sich ins Haus zurückgezogen, um Puja zu machen, um den Gott, der sie im Griff hat, zu besänftigen. Und dann: wer will schon eine Jahrhunder-Blutmond- Performance verpassen, unter anderem eine friedvolle Pause von Mesut und Donald und den Tausenden von Kindern, die weiterhin im syrischen Krieg sterben.

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