Damals, als ich nach Indien kam, war ich sofort ergriffen von der vielfältigen Glaubensintensität, die scheinbar jedem das Seine ließ, solange es um Gott oder Götter oder einzuhaltende Rituale oder Reinkarnationsgewissheiten ging. Denn hier war ein durch und durch sich selbst ordnendes Chaos zu finden, das wirklich alles für möglich hielt, und nicht nur das, sondern es auch auf verblüffende Art und Weise ins Leben brachte, sodass klar war, dass tatsächlich jede/r ein Recht auf eigenes Karma und die dazugehörigen Göttergehilfen hatte. Man war also im kosmischen Sinne völlig abgesichert. Ich selbst, zu jener Zeit höchst motiviert, das große Geheimnis um die göttliche Vorherrschaft zu knacken, konnte mich tatsächlich oder gerade wegen diesem Interesse, mühelos einreihen in diese durch göttliche Gesetze durchdrungenen Welt, die mich sogar noch schützte, als ich einigermaßen wohlbehalten pass- und visalos wurde, weil auch die derzeit harmloseren Polizisten machtlos waren gegen die Realität, in der ich mich bewegte. Und ich muss sagen, dass ich die Erfahrungen, die ich auf dieser Ebene machte, keineswegs missen möchte. Aber heutzutage verwundert es mich doch, dass ich all das zweifellos Erlebte für Wissen, und auf keinen Fall für Glauben hielt. Dass sich dieser Glaube, also das Vertrauen in die Abwesenheit des Beweisbaren, derart aufgelöst hat, verbindet sich für mich u.a. mit einer sich auf dem Plneten zeitgemäß entwickelten Intelligenz, deren Angebot man kaum mehr ausweichen kann, was nicht heißt, dass man automatisch Zugriff hat auf sie. Dass ich mich nicht als Atheistin bezeichnen würde liegt daran, dass ich die nackte Realität des lebendigen Erlebens auch ohne, oder vor allem ohne Gott, wunderbar und wundersam genug finde, ohne sie von irgendwelchen Gehirnlenkern erklärt bekommen haben muss. Sondern ich traue es mir zu, ein lebendigerTeil dieses Prozesses zu sein, hochzufrieden mit gewissen technichen Entwicklungen und der Möglichkeit, Sein als solches selbst zu erforschen, auch wenn diese Forschung immer wieder nachjustiert werden muss. Um nicht wahsinnig zu werden, muss man wohl gleichermaßen in Hölle und Himmel persönliche Erfahrungen machen. Dann weiß man mehr über sich und kann dem Bedürfnis nach, na, wie soll ich das nennen, vielleicht ‚kreative Nüchternheit‘, dem Bedürfnis nach ihr also Raum geben.