Prithvi. (Halli. Tara.)

Prithvi

Prithvi ist 24 Jahre alt, Bettler. Als er vier Jahre alt war, hat er bei einem Unfall das linke halbe Bein verloren. Danach, wenn das nötige Geld fehlt, gibt es wenig Hoffnung auf das Übliche. Der Sohn ist zum Krüppel geworden. Er könnte heiraten, aber nur eine Frau mit Behinderung. So wie Halli, die nie laufen konnte und mit einem ebenfalls nie gelaufen habenden Bettler eine Tochter gezeugt hat, Papita, die jetzt zur Schule geht. Oder Tara, die mit Kinderlähmung  zwei Kinder auf die Welt gebracht hat. Sie wurde in einer Massenhochzeit vom Vater mit einem Behinderten verheiratet, ein wahrhaft friedvoller, guter Mensch. Ihr Vater, ein Lastenträger, hat ihnen eine winzige Ecke im Armenviertel gebaut. Wir kennen uns seit ihrer Schulzeit, als sie, umringt von Freundinnen, in ihrem Rollstuhl durch die Straßen fuhr mit so einem strahlenden Lächeln,. dass ich sie mal kennenlernen wollte. Das ist immer sehr berührend, wenn ich sie besuche. Es hat etwas von einem stillen Glück unter schwierigsten Umständen. Prithvi geht es nicht so gut. Sein Beinstumpf schmerzt oft und entzündet sich, dann muss er im Government Hospital behandelt werden. Diesen Horrorgang kenne ich  aus eigener Erfahrung, obwohl ich mich bei meiner Behandlung geschämt habe, wegen meiner westlichen Haut mühelos an den langen Warteschlangen vorbeigeschleust zu werden. So als könnte man uns Bleichgesichtern den indischen Weg nicht zumuten (stimmt!). Es war trotzdem eine schreckliche Abfertigung. Prithvi hat leider nicht genug Schulbildung, um eine Variante seines Daseins zu visionieren. Manchmal mache ich einen machbaren Vorschlag (zB. ich bringe Material, und du machst daraus Taschen …usw), aber seine Schwermut ist so tief, dass er nur sitzen kann. Er hält nicht die Hand auf, aber wir geben ihm was, weil er freundlich und so jung und so schwermütig ist.
Wenn ich mich, egal über welchen Zugang, tief einlasse in die indische Seinssphäre, wird mir leicht schwindelig. Ich war mal sehr tief drin ein paar Jahre, ohne gültigen Pass, ohne Visa, ohne Geld. In einem Tempel. Aber selbst da hatte ich immer das andere Land, wo ich hingehen konnte oder auch musste, als Umstände und Zeit es erforderten. Ich konnte und kann auch heute noch kommen und gehen. Das ist nicht alles, aber anders, als in die indische Welt hineingeboren zu sein, als was oder wer auch immer. So schwerwiegend und schicksalshaft verbunden zu sein mit dem Karma und den Göttern! Aber auch damit: des Rätsels namenloser Quelle.

 


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