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Nun  wird man in der nächsten Zeit häufiger diesen Satz hören, dass wir unser Leben ändern müssen, soll das ganze Thema der Umweltzerstörung, das an die Spitze der Themen gerückt ist, irgendein wahrnehmbares oder lebenserhaltendes Resultat erzeugen. Und in diesem Kontext weiß man nun, dass es zwar höchst lobenswert und notwendig ist, Hilfe zu leisten, wenn sie notwendig und brauchbar ist, aber auch das wird nur Flickwerk bleiben, wenn einfach weitere Katastrophen auf uns zukommen, und zwar schneller und zwingender, als wir es gewohnt sind. Peter Sloterdijk hat einem seiner Bücher den Titel „Du musst dein Leben ändern“ gegeben. Der Satz stammt aus einem Gedicht von Rilke, der fassungslos das vollkommene Werk (Apollon) eines Künstlers (Rodin) betrachtet und in der letzten Zeile zu dem erst einmal überraschenden Ausbruch seiner Ergriffenheit kommt: „Du musst dein Leben ändern“. Er selbst, er muss sein Leben ändern, weil er vermutlich erschüttert war von dem, was einem Menschen möglich ist. Es reißt ihn derart aus seinem Alltag, sodass alles Vorherige nichtig erscheint. Aber was heißt das: Ich muss mein Leben ändern. Schon die Freiwilligkeit macht hier einen großen Unterschied, aber selbst unter guten Bedingungen gibt es meist noch viel Luft nach oben, was die Konsequenz von Erkenntnissen betrifft. Nicht nach oben zu Gott oder Göttern, sondern zum Luftraum, wo Gedanken reifen können und auf fruchtbaren Boden fallen (können). Auf jeden Fall muss ich angesichts der Tatsachen meiner Erkenntnis darüber nachdenken, wie ich den Raum nutze, der hier entstanden ist. Es wäre schon interessant zu wissen, was Menschen sich zu allererst wieder anschaffen, wenn sie das Ganze nochmal formen müssen oder können, die Möbel, die Wände, die Bücher etc., und all das sogenannte Vertraute wie weggefegt vom Wind des Schicksals. Denn Schicksal ist es doch, eigenes Geschick, eigene Geschichte. Und wo es die anderen Mitmenschen berührt und erschüttert, und wo sie nachlassen mit dem Erschüttertsein, so, wie wir alle nachlassen mit dem Erschüttertsein über Moria, was nicht heißt, dass in Moria irgend etwas besser geworden ist. Wo nehmen wir Teil? Wie und wodurch haben wir etwas damit zu tun? Und welches Gewicht hat unser eigener Wille, nachzudenken über das Geschick, das andere trifft oder uns selbst treffen kann: Verlust, Krankheit, Tod. Die wesentliche Ebene des Lebendigen, die wir alle teilen als Erdlinge. Das unbedingte Grundeinkommen, eben die nackte Existenz, und dass ich überhaupt (noch) lebe. Das war doch ein schöner Moment, als Greta Thunberg sich sichtlich empört an das illustre Publikum wandte und die reichlich Verblüfften anschrie: Wie wagt ihr es, schrie sie, den Planeten zu vernichten, auf dem ich lebe!? Besser kann man es kaum ausdrücken. Doch ist es jedem Individuum überlassen, die Verbindungen zu finden, an denen wir selbst angekoppelt sind mit unserer Einstellung, dass uns vieles nichts angeht. Was ja stimmt, aber was geht uns was an? Die Nacktheit und Ausgeliefertheit der Wesen ist auf aufwühlende Weise antastbar, und kein SUV eignet sich dafür, unbemerkt zu entkommen. Denn letztendlich ist doch alles sichtbar, oder?

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