Dunkelblüten

Das gefiel mir immer an den indischen Göttern, dass die dunklen Kräfte auch integriert waren wie eben Shani Dev, der Samstagsgott, der zu seinen schwarzen Basaltgestein lockte, wo niedergelegte Hibiskusblütenkelche wirkten wie geopfertes Herzblut, was es auch war. In flackernden Ölkelchen brannten die Flammen der Angst, denn es war der Gott Saturn, der Angst einflößte, die dann dort auf den pechschwarzen Fliesen Ausdruck finden konnte. Frauen durften da nicht hoch auf Podium, man fand sie nicht kraftvoll genug, meinte ein Priester, um dem wilden Kerl standzuhalten oder gar paroli zu bieten. Ich tat, was ich konnte und entfernte heimlich das „nicht“ vom Erlaubten, denn fast täglich kam ich auf meinem Weg dort vorbei, sah aber nie eine Frau wagen, was irgend einer verboten hatte, es wäre viel zu gefährlich gewesen. Auch für mich wäre es das Aufenthaltsaus gewesen, erwischt zu werden mit Klebstoff und einem Stück Plastik, das die Mönche der Bruderschaft, mit der ich einst verbunden war, später wieder abkratzen mussten, als sie merkten, dass durch die Auslöschung eines einzigen Wortes ein Verbot seine Wirkung verloren hat. Ja, sich gar in sein Gegenteil verwandelte. Frauen hätten eben dadurch, wenn sie das gewollt hätten, hoch aufs Podium steigen können und dort von mir aus eine Hibiskusblüte hinlegen. Es käme darauf an, was innen in ihnen vor sich gegangen wäre. Würde es als ein Akt performt werden, um sich grundsätzlich von patriarchalen Vorschreibungen zu verabschieden, könnte  der mutige Gang als begleitendes Ritual zur persönlichen Befreiung dieser einen Facette dienen, und das sehr gut. Zum Beispiel als das Beenden unangemessener Andacht, da durch das Schüren der Angst vorgekaugelt wird, dass Menschen sich dadurch zum Guten wenden könnten. Samstags triefte also das Öl über den Fußpfad hinweg, sodass man leicht schliddern konnte. Vor allem wenn man wie ich speziell darauf achtete, ob das „nicht“ noch gut bedeckt war oder schon wieder abgekratzt. Oder habe ich nur ein bisschen Heimweh nach all dem, was für mich in Indien auch als eine gute Dosis Humor immer zur Verfügung  stand, den ich auch gerne den kosmischen Humor nannte, weil man am eigenen Lachen hörte, dass man aufgegeben hatte so zu tun, als verstünde man das, was man erlebte, und das war nicht immer der Fall. Montag war Shiva’s Tag, Dienstag gehörte Hanuman, dem Affengott, Mittwoch strömten viele Einheimischen zu Ganesh, dem Tempel des Elefantengottes, Donnerstag ehrte man die, von denen man was Wesentliches gelernt hatte, und Freitag hatte man eine Lücke für die Friedensgöttin geschaffen, und viele Frauen pilgerten hinaus in die Wüste, wo Santoshi Mata wohnte. Wer am Sonntag dran war, weiß ich gar nicht, vielleicht aber alle. Da so unglaublich viel aufgebaut wird zwischen Menschen und dem, was sie als „göttlich“ empfinden möchten, fand ich es angenehmer, von vielen unterschiedlichen Kräften umschwirrt zu sein als von einem, der für alles verantwortlich sein soll. Also jemand, der es irgendwie hinkriegt, das Angemessene zu leisten, obwohl natürlich auch den Göttern ziemlich viel widerfährt, was dem Menschlichen verdammt ähnlich ist, eben diese sehr alte Geschichte mit der Henne und dem Ei. Auch war es interessant zu sehen, welche Gottheiten die indischen Kinder selbst wählten, denn sie konnten wählen. Meist war es Krishna, dargestellt in vollendetem Kitsch, klein und fett und gierig nach Milch, günstigerweise direkt aus dem Kuh-Euter, die hilflose Mutter gütig lächelnd über den bösen Buben.

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