Frederike Frei

Frederike Frei - Biografie

aus: „unsterblich“

Ich will nicht sterben. Ich will nicht sterben. Ich wiederhole es so lange, bis ich todsicher bin, dass ich nicht sterben werde, noch glaub‘ ich nicht dran, aber was nicht ist, kann noch werden, Wörter bewirken, was sie sagen, weiß jedes Baby. Sterben klingt gleich so bedeutend, ich will nicht totgehn, ja, das gelingt mir schon eher, lieber kleine Brötchen backen, klein anfangen, Kindersprache. Ich will nicht totgehn, pausenlos muss ich es aufs Tapet bringen, mir wieder und wieder hervorholen aus dem tiefsten Hirnwinkel oder Herzensversteck, damit es sich wie eine Spitzmaus durch alle Hindernisse hindurchnagt bis zum Knochenmann persönlich und dem dann den Schädel abreißt, wie wir Schulkinder früher dem Nikolaus aus Rosinenteig den Kopf. Der war als erstes weg. Ichwillnichttotgehn. Genug Magie, die Buchstaben sind vollgesogen mit Aura, da witscht niemand mehr durch. Man kann wieder Lücke lassen: Ich will nicht totgehn…. Ich doch nicht,  I c h  w i l l  n i c h t  s t e r b e n, andere jederzeit, stundenlang, aber ich jedenfalls will nicht sterben, wer bin ich denn, ich bin doch eine, die an Friedhöfen vorübergeht, nicht eine, die da liegt, das sind doch Wildfremde, man hat immer genug von ihnen, sollen sie ins Gras beißen, jede Kuh kann das. Ich und sterben. Ich werde ja schon nicht alt. Keinen Fitz älter bin ich geworden, seit Jahrzehnten, sagt jeder, find‘ ich auch, gerade gestern rief mir jemand nach: “ Das ist kein Fahrradweg, junge Frau“, ich? , na, dann brauche ich auch nicht zu sterben, ich bin immer so jung wie immer schon, nie und nimmer alt, also auch nicht tot, ich sterbe nicht, übrigens sterbe ich nicht, das muss man sich mal vorstellen. Ich sterbe nicht aus dem einfachen Grund, dass ich nicht sterben will, wer will das schon, aber ich will es wirklich nicht, und wenn ich etwas wirklich nicht will, haut das den stärksten Kerl um, und soviel stärker ist der Tod dann auch nicht. Wie zaghaft er sich ranmacht an gewisse Leute, wieviel er auf die lange Bank schiebt, natürlich schlägt er immer mal wieder volle Pulle zu. der Angeber, aber das ist auch nicht die Welt. (…)

Dieses Buch ist so angelegt, dass die Zeilen nicht zu Seiten führen, sondern jede einzelne Zeile führt waagrecht durchs ganze Buch. Die Zeilen dieses Textes oben gehen über rund 30 Seiten hinweg.


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