Wir sind ja schon seit Samstag zurück aus Apulien, und natürlich gibt es Nachwehen, zumal, weil ich persönlich die Abwesenheit des Welan im Haus in Apulien als einen gravierenden Notstand empfunden habe, bevor Stift und Papier wieder eine Freude erzeugen konnten. Kannte man diese Freude des fassbaren Ausdrucks vor dem Erscheinen des Computers und des Smartphones etc, hat man noch die Option des offenen Tores, durch das man fahren kann, außer diese Mechanik ist auch in einer Störung verhaftet, um die man sich kümmern muss. Bernd Ulrich von der „Zeit“ benutzt in einem Artikel den Ausdruck „Exzesse des Normalen“, hier in seinem eigenen politischen Kontext, wo er nach der hysterischen Aufregung um Bemerkungen des Juso-Chefs Kühnert der SPD und der Undion angeraten hat, sich statt um extreme Äußerungen sich lieber mit den Exzesse der Normalität zu beschäftigen. Der Ausdruck hat mich angesprochen, weil ich Ähnliches gerade über das Phänomen des heutigen Tourismus dachte. Es ist diese Beobachtung, dass bstimmte aus zuweilen sehr schwer nachvollziegbaren Gründen sich etwas ausbreitet, was auf einmal von einem Großteil der Bevölkerung(en) adaptiert und zur Norm erhoben wird. Etwa die Gruppenreisen mit dem Führer, der mit einem Fähnchen die Schäfchen durch das Dickicht der Fremdheit führt, immer da hin, wo jeder mal gewesen sein muss, koste es , was es wolle. Oder die blauen und pinken Strähnen im Haar der Alterslosen. Klar, das ist Mode, die ja auch oft genug zu einem Zwang ausartet. Oder die Tätowierungen. Unser Hausbesitzer in Apulien, Guiseppe, mit dem wir einiges beraten und bereden mussten, hatte auch aus allen Ecken und Enden des Outfits tätowierte Dinge strömen, und ich habe in Indien gelernt, dass es nicht immer auf gute Laune stößt beim Tätowierten, wenn man sie oder ihn fragt, ob man das ganze Werk mal gedeutet haben könnte. Aber eine tätowierte Nähmaschine am Hals fand ich nun wiederum sehr originell und fragte nach. „I hate my tatoos“, keuchte Guiseppe unter der Last seiner Jugendsträhne, und die Nähmaschine hatte er drauf, weil für ihn genäht wird. Wir konnten auf seinem Instagram Account ahnen, dass hier ein talentierter und kreativer Mensch am Werke war, der, wie wir später erfuhren, 3 Herrenmodenläden in Bari und zwei Airbnb Häuser hatte, aber auch ein Bedürfnis, mal wieder Zeit für sich selbst zu haben, was unter den selbt erzeugten Bedingungen schwer zu verwirklichen schien, da auch seine Freundin, eine professionelle Weinkosterin, darüber klagte, er hätte keine Zeit für sie und würde ihr nicht zuhören, was er bestätigte. Es gibt, so beschreibt es auch Bernd Ulrich in seinem Artikel, ein gewisses Vacuum (in der Gesellschaft), oder auch im Kopf, das durch Überlastung entsteht. Da setzen auch die Exzesse des Normalen an. Auch bei jedem kreativen Aufbau muss man darauf achten, dass ein gewisses Maß erreicht wird, das man sich selbst setzen muss, da es um geistigen Raum geht, für den unterschiedliche Bedürfnisse existieren. Und die Frage, ob es ein „Genug“ gibt, und ob es nicht dort ist, wo ich eine Gefahr wittere, dass ich mir selbst auch verlorengehen kann, ohne es zu merken, weil mich das Erschaffene in Atem hält. Reduktion wird vermutlich eines der nüchternen Geheimcodes werden. Das fängt bei den Kleiderschränken an und hört bei den Wolken auf.