Als ich neulich ein paar Farben kaufte, nahm ich ein Rot heraus, um etwas Saft in die Asche von Pompeii (T.R.) zu fügen. Zuhause gefiel mir aber der Ton nicht mehr, er war zu hell, ich liebe dunkles Rot („Aus dunklem Wein und tausend Rosen rinnt die Stunde rauschend in den Traum der Nacht.“ (R.M.R.) Sowas können sich nur (gute) Dichter leisten. Ich habe dann das Rot mit Schwarz gemischt, dabei kam auch nicht heraus, was ich mir vorstellte. Ich musste umpolen. Es kam ein Bild heraus, das mir geeignet scheint, betitelt zu werden, weil allein der Titel vieles regeln und ausrichten kann. Ich gebe das Beispiel auch für mich als ein willkommener Hinweis auf eine permanent mitlaufende Geschichte, die in unseren Köpfen gesponnen wird auf der Basis dessen, was wir sehen, und wie sehr es darauf ankommt, zumindest eine ganze Zeitlang, wie wir das Gesehene mittexten und betiteln, woraus dann unser eigener Geist erschaffen wird. Wenn ich das entstandene Bild zum Beispiel „Die Reue des Priesters“ nenne, sehe ich etwas anderes, als wenn ich es „Der Schrecken“ nenne, oder „Die Begierde“. Auch der leicht ungesunde Farbton bringt andere Figürlichkeiten hervor. Da sind schon manchmal verborgene Vorgänge am Werk, denen man sich neugierig überlassen kann, wenn man einerseits keine Angst vor dem Scheitern hat, und andrerseits genug Vertrauen in die inneren Bewegungen, die durch bestimmte Einstellungen auf das Förderliche ausgerichtet sind. Abgründe können sich überall auftun, sie sind nicht an Protokolle gebunden, auch nicht an Verhaltensweisen. Sie bieten aber notwendige und kreative Möglichkeiten, mit dem Erschienenen umzugehen. Das heißt auch: aus welcher Quelle kommen meine Möglichkeiten des Umgangs, und wann sind sie souverän genug, damit ich sie vertrauensvoll agieren lassen kann. Dann spielt vor allem noch die Konzentration auf den lebendigen Moment eine Rolle. Wachheit. Aufmerksamkeit. Das, was man in den Schulungen lernt, ohne zu ahnen, dass Wissen nicht unbedingt zu entsprechender Handlung führt, nein. Wissen kann zu allem Möglichen führen, aber es gibt auch einen Punkt, an dem das Wissen im Weg steht und sich als Bewusstsein verkleidet. Ich erinnere mich nur noch an sehr wenige Satzformulierungen aus meinen spirituellen Lern-(und Wander) jahren, aber einer davon war, dass auch das Bewusstsein eines Tages, wie soll ich das übersetzen, …nicht mehr agieren muss, das folgt doch einer konsequenten Logik. Die Frau, die auch im Bild war, habe ich dannn etwas abgerückt (gesegnet seien einige technische Vorrichtungen, die einem gewisse spielerische Umsetzungen ermöglichen) von der etwas finsteren Figur. Natürlich könnte es auch diesselbe Person sein, nach außen so licht und begabt in weiblicher Gefolgschaft, und innen ein brodelndes Durcheinander unbezähmbarer Aufgewühltheiten. Und die gefangengehaltene Angst, aus lauter Angst, man könne dem Anspruch nicht genügen. Doch wer hat den Anspruch erhoben, und nach welchem Maßstab und welcher Morallatte ist er ausgerichtet? Ich fand den Ausspruch „Sich neu erfinden“ immer ziemlich doof, aber da ist auch so ein Tropfen Wahrheit drin. Vielleicht muss man sich neu erfinden, um sich wirklich zu finden. Dann bin ich mein eigener Finderlohn, das ist jetzt nicht so ernst gemeint. Aber lohnend.