Frauennachdenktag

Als dieses Bild heute aus Indien zu mir hereinwehte, musste ich herzlich lachen, denn man kann es wirklich nur mit dem wohltuenden Humor, der sich dort auch neue Räume sucht und findet, betrachten und verstehen. Nun soll, so höre ich, der Weltfrauentag ein Feiertag werden, und ich bin froh, nicht unter Meinungsbildungsdrang-und zwang zu stehen. Auch Nachdenkvorschriften finde ich schwierig, und auch, dass Männer an ihrem Tag tun, was Männer angeblich so tun, wenn sie zusammenkommen. Nun war ich selbst ja unterwegs von Ost nach West, und unabhängig von ganz persönlichen Erfahrungen und Befindlichkeiten im Kontext des Kriegerischen, das sich zwischen Indien und Pakistan abzeichnete, aber auch im Einklang mit ihnen, überraschte mich doch die Stimme des Piloten im Flugzeug, die uns verkündete, dass die Flugbahn seit der politischen Krise verändert werden musste und zeitlich um zwei Stunden verlängert werden würde. 10 Stunden in so einem metallischen Riesenvogel sind eine wahre Tortur für Körper und Geist, und man erinnert sich immer mal wieder gerne an die Indianer, die nach einer Zugreise auf dem Bahnsteig saßen, bis ihre Seele sie wieder eingeholt hatte, was man hier Jetlag nennt, also der Umgang mit einem verheerenden Zustand, ausgelöst durch rasende Alldurchquerung, und die Mühe, wieder bei sich anzukommen. Man kann diesen Allflug auch genießen, aber es gelingt nicht immer. Ein alter Herr aus der Sikh Community, der neben mir saß mit seiner Frau, meinte, wenn wir über Pakistan fliegen würden, könnten die uns abknallen. Das macht die extra zwei Stunden Umweg nicht leichter. Das schale Essen, die schreienden Kinder, die nicht mehr aushalten, was wir aushalten müssen mit einiger Haltung. Dieses Geflimmere von Hunderten von Filmen, je ein Film im Nacken des Anderen. Obwohl die Bildschirme auf meiner Sitzreihe dunkel bleiben, sehe ich im Fenster des Vordersitzes einen Kriegsfilm leicht verzerrt ablaufen. Der Sikh zeigt mir Photos aus seiner Familie auf seinem Smartphone. Er spricht schwer verstehbares Deutsch, wohnt schon seit Jahrzehnten in Frankfurt, Kinder und Enkel haben dort studiert. „So ein Scheiß!“ sagt er zu der noch immer schwelenden Kriegsgefahr zwischen Indien und Pakistan. Seine Frau sitzt schweigend da, schwer mit Schwarz und Goldbesticktem behangen. Ich frage ihn, ob ihr festgebundenes Tuch am Kopf auch eine Bedeutung hat, und er erklärt mir, dass sie vom heiligen Wasser gesegnet wurde, und danach darf das Tuch niemals mehr abgenommen werden. Auch nachts, frage ich? Ja, 24 Stunden Tuch von da an. Ich war auch mal in Hemkund, wo das heilige Wasser ist, und habe dort auch im eiskalten Wasser ein Blitzbad genommen, weil man deswegen in Hemkund ist. Zum Glück musste ich kein Tuch danach tragen. Erstaunlich, was Menschen sich ausdenken und sich antun, nur, um irgendwo zugehörig zu sein. Deswegen darf einen, wenn man möchte, der Frauentag nachdenklich machen. Und auch der Tag danach.

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