arbeiten

Als ich einmal ein paar Jahre in Indien war, ohne das Land zu verlassen, wäre niemand auf die Idee gekommen (hätte man jemanden  darauf gebracht), dass ich nicht arbeite. Ich war arbeiten unter extremen Umständen gewohnt. Es ging selten um hohen Lohn, mehr um die Erfahrung. Dann das Privileg, in der Wüste in einem Tempel als Frau zu wohnen und zu lernen, wie man das macht. Es gab keine Beispiele. Was war ich für sie, keine Ahnung. Ein geschminktes Bleichgesicht, das sich durchsetzen konnte? Ich konnte mich durchsetzen, weil ich wissen wollte, wie es ist. Wie man das macht. Wie man das, was die eigene Arbeit ist, richtig macht. Hätte ich mir träumen lassen, dass das einmal meine Arbeit sein würde? Nein, natürlich nicht, aber es erregte auch kein Aufsehen in mir, es war ein natürlicher Werdegang. Ich wollte u.a. d a s lernen, was die Inder am besten können: sitzen und still sein, und schauen, was im Innern los ist. Der Tempel war unter einem Banianbaum, ein wahrer Palast aus dem Märchenreich des Zeitlosen. Der Baum hatte Wege wie kleine Straßen und barg sorglose Holzzufuhr für ein Feuer, das niemals ausging. Dort war ich außerordentlich fleißig. Ich wurde eine Weile von einer Mönchsgemeinschaft beobachtet, dann war auch damit Schluss. Ich konnte sie wohl überzeugen, an was ich wirklich interessiert war, und das passte gut zusammen mit der üblichen Praxis, die auch den Umgang mit den Besuchern und Besucherinnen des Tempels einschloss. Dann kam ich zurück in den Westen und fing an zu arbeiten, um meine Lebensweise zu finanzieren. Zuerst arbeitete ich bei einem Chinesen in einer Druckerei, dann bei einer jüdischen Kleiderfirma. Die Frau in der Pelzabteilung fand Gefallen an mir, aber leider musste ich ablehnen, da ich es nicht so sehen konnte wie sie, nämlich, dass Tiere geboren werden, um Mäntel zu sein, auch wenn es um Zucht geht. Da, wo ich grad herkam, waren Fisch, Fleisch und Eier nicht erlaubt. Man denkt dann ja gar nicht daran. Ja, was esst ihr denn so da drüben? Das ist schwer zu beschreiben, weil die Küche so meisterhaft ist. Dann arbeitete ich in einem Verlag und las viele interessante Bücher aus der Zeit vor dem Dritten Reich, als der deutsche Genius noch nicht durch die Hölle wanderte und die Sprache noch klang, als wenn sie Worte transportieren könnte wie frisches Wasser. Dann arbeitete ich noch für einen Laden mit japanischen Betten, Tatamis und so, der von einem Türken geführt wurde. Zwischendrin immer wieder Indien, zum Anschluß an die Architektur des Weges. Dann war ich entschlossen, endlich zurückzukehren zu meinem eigenen Tun. Die Ideen immer einfacher. Gute Gesellschaft, eigenes Arbeitsfeld. Freischwebende Aufmerksamkeit.

 


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