Zum Glück haben wir die ‚Zeit‘ abonniert, denn sie kommt nur einmal in der Woche, und diese Woche braucht man unbedingt, um die paar Artikel, die man wirklich lesen möchte, auch zu lesen. Was sofort ins interessierte Auge fällt, ist natürlich die Überschrift, die über den Weg vieler forschender Journalist:innen nach dem Kollektivinteresse der Gesellschaft ein summa sumarum in der Themengebung anbietet. Diesmal steht da in den großen Lettern ‚Sinn finden‘, und darunter ‚Was macht ein erfülltes Leben aus‘. Bevor ich mich irgendwann aufmache, entweder den Artikel zu lesen oder es zu lassen, weil mich beide Sätze schon irritieren, sinniere ich erst einmal vor mich hin. Ich habe nie verstanden, warum das Leben unbedingt einen Sinn machen muss, außer ich bin konfrontiert mit einer spürbaren Leere, die nach Bereicherung lechzt, aber keinen stofflichen Inhalt dafür findet. Da wäre mein Vorschlag, therapeutische Hilfe zu beanspruchen, aber auch dort kann ich günstigerweise nur ein paar Sachen aus dem Weg räumen, die meinen Blick auf das Vorgefundene klären, aber nicht unbedingt auch noch einen Sinn ergeben müssen. Was soll das überhaupt sein: Sinn!? Jede/r wird hineingeschleudert in das vielschichtige Getümmel, und meines Erachtens hat man fast in jeder Situation enormen Spielraum, mit dem eigenen Paket kreativ umzugehen. Und für mich persönlich ist die Spielart wesentlich bedeutsamer als dieses tonnenschwere Wort Sinn, so nutzlos fordernd, was vielleicht gar nicht da ist. So wie einer der vielen Götter, der so tut als wüsste er, wo’s langgeht, dabei weiß niemand, wo’s langgeht, das ist ja gerade das atemberaubend Spannende an diesem Schauspiel. Auch Denken kann klar und präzise sein, ohne einem Sinn untertan sein zu müssen, ja welchem Sinn denn. Und weil er vermutlich gar nicht da ist, kann er ständig gesucht werden, und auf einmal ist man Asche und hat vergeblich nach Sinn statt nach sich selbst gesucht. Dann bemerkt man bei der Frage, was ein erfülltes Leben ausmacht, schon so ein geistges Ermüden, denn who the f…k can tell me, was mein Leben erfüllt. Kann man zum Beispiel die Abwesenheit von Sinn genießen und sich völlig dem Ungewissen und Unkennbaren hingeben, dann reiht sich erfüllter Nu an erfüllten Nu, und die Leere gibt ihm und seiner Flüchtigkeit Raum. Denn es kann doch nur das Lebendige anreichern, wie überraschend und verwirrend es sich auch gestalten mag. Jede Art von Füllung kann Begeisterung auslösen, auch wenn hier die Dämmerung den Unterschied zwischen dem Weiß und dem Schwarz verblassen lässt und der Muezzin seine heiligen Verse in die Atmosphäre singt. Und auch wenn sich herausstellen würde oder einer es vehement behaupten wollte, dass alles, absolut alles Sinn macht bzw. Sinn i s t, dann wäre es wiederum sinnlos, nach Sinn zu suchen, denn alles ist ja schon da. So würde ich statt der nutzlosen Sinnfindung eher vorschlagen, die Gesetzmäßigkeiten der Matrix zu studieren und zu achten.