Ich gehöre zu der losen Gruppe derjenigen, die während einer EM oder WM sich sagen hören, dass sie eigentlich nie Fussball gucken und dann doch gucken und ganz erstaunt sind, wenn nicht gerade die Fußballödnis vorherrscht, wie viele interessante Dinge auch hier zu entdecken sind, von denen man ansonsten nichts wüsste, gar nichts wüsste. Und auch wenn man weiterhin weiß, dass man von vielem, was da am Bildschirm abläuft, herzlich wenig versteht, enthüllen sich dennoch Geheimnisse und ein Verständnis, das weniger auf Fakten als auf eigener Erfahrung beruht, kann durchaus wie nebenher aufblühen. Wo sonst sieht man zum Beispiel alte Männer mit kreativen Gebilden auf dem Kopf, mit denen sie im Normalverkehr sichtliche Unruhe erzeugen würden, hier sehr lebendig herumhüpfen und der Verlängerung ihrer Jugendsehnsüchte immer wieder huldigen. Dazwischen auch mal Kinder oder eine sportlich interessierte Frau. Hier sieht man die spontanen Ausbrüche von riesigem Jubel und abgrundtiefer Zerschlagenheit. Und neulich konnte man bei einem 1:1 zuschauen, wie die einen Einser frohlockten, die anderen Einser in Grabesstimmung verharrten; davon kann man viel lernen. Es hat natürlich auch was Gladiatorisches, wenn tapfere Männer in die Arena steigen und sich dort, allerdings erwünscht, selbstbestimmt und gut bezahlt, allerlei Verwundungen zufügen lassen. Und wir erinnern uns sehr wohl an den Helden einiger Stunden, als Bastian Schweinsteiger mit blutender Wunde über die Bildfläche lief, um der Erotik des Unvermeidbaren eine Spielecke einzuräumen. Nun kann man ihn auch zufällig als Moderator entdecken und ist froh, dass es einen gibt, der das Ganze offensichtlich prächtig überlebt und vor allem rechtzeitig aufgehört hat. Ab und zu lohnt es sich sogar, mal bei anderen hereinzuschauen, weil man dadurch die Gleichheit der Phänomene bei Spielern wie bei Fans beobachten kann, Schnell können auch Vorurteile an einen herankriechen und man möchte lieber, dass die da gewinnen und nicht die anderen da. Das sogenannte Schicksal spielt natürlich auch mit. Da schießt einer aus Versehen das Ding ins eigene Tor und ein ganzer Block gröhlender Fans feiert den unverdienten Sieg, weil das eben als Sieg gewertet wird, das sind dann die knallharten Fakten. Schön ist es, meisterhaften Verläufen zuzusehen, die nur möglich sind, wenn nicht ständig verzweifelt gestört wird. Halte dich, sagte der Mentor, immer an die Besten. Auch beim Fußball.

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