Es gibt an sich keinerlei dringende Notwendigkeit, sich mit den lebenden Figuren der politischen oder religiösen Bühnen unnötig viel zu beschäftigen. Oder dass man eben nur d a s bedenkt, was die Geheimtür zur nackten Realität tatsächlich zulässt. Oder den Zugang zum noch wahrnehmbaren Darknet des Missbrauchs und der Korruption, sofern tatsächlich vorhanden und bewiesen und unumkehrbar von vielen in Kenntnis genommen. Aber natürlich kann man von diesen zeitweilig herrschenden Gestalten im dahinfließenden Strom des Weltgeschehens doch einiges lernen, wenn auch von der Schattenseite her gesehen, aber deswegen nicht weniger aufschlussreich für die eigenen Grübeleien. So bedeutet mir, vor allem auch als Nicht-Christin, das Verhalten des Papstes herzlich wenig, außer wenn beispielsweise eine weitere Anekdote missbräuchlicher Handhabungen ein ganzes Glaubenssystem ins Wanken bringt und man, wenn auch nur kurzfristig, die Erwartung hegen kann, einmal Zeitzeugin einer System-Sprengung zu werden, die das Wurzelwerk des faulen Baumes mit sich reißt und Platz macht, erst einmal für nichts als Raum an sich, in dem sich die Beteiligten von der Sprengung erholen können, bis neue Impulse sich auf den Weg machen. Was mir ganz persönlich (z.B.) von der Papst-Anekdote geblieben ist, geht über seine Person hinaus, obwohl er, Herr Ratzinger, seiner Kirche und sich selbst wahrlich einen Bärendienst erwiesen hat. Nun versteht er die Welt nicht mehr. 90-jährige Augen starren verletzt aus der Blase. Wie kann es sein, mag er wohl sinnen, dass er, der Ex-Papst, die heilige geistige Unversehrtheit per se, nicht nur der Lüge bezichtigt wird, sondern man bezichtigt ihn auch noch des größten Übels, nämlich sein Ich, ergo sein Ego, in den Vordergrund zu spielen, weit mehr beschäftigt mit eigenem Leid als mit dem Leiden der Betroffenen. Der Punkt, den man sich für den Alltag merken kann, ist, dass er sich keinerlei Schuld bewusst ist. Es ist .m.E. nicht so, dass er wissentlich die Unwahrheit spricht, nein, sondern viel schlimmer: er ist total überzeugt von seiner Redlichkeit. Lange schon wohnt er in der schillernden Blase der Redlichkeit. Es ist kaum zu erwarten, dass jemand um ihn herum ist, der ihn darauf hinweisen könnte, dass da draußen noch eine andere Welt ist, die erwartungsvoll auf einen Mann schaut, für den sie gar nicht existieren. Das kann man für sich mal aus der Anekdote herausschälen und reflektieren, wie weit man selbst von der eigenen Redlichkeit überzeugt ist und gar nicht mehr in der Lage, das Resultat eigener Wirkung oder Verursachungen anderen Menschen gegenüber nüchtern einzuschätzen zu können, um notwendige Konsequenzen oder Erkenntnisse daraus zu ziehen.