Ich habe gemerkt, dass es mir etwas ausgemacht hat, dass weder meine indischen, noch meine amerikanischen Freunde, mit denen ich in Kontakt bin, etwas von der Katastrophe wussten, die sich hier im Land ereignet hat und weiterhin ereignet. Wie, fragte ich zum Beispiel, schaust du oder ihr denn keine Weltnachrichten? Natürlich kann ich auch als nicht direkt Betroffene vermutlich gar keine Worte finden, die beschreiben könnten, was da los ist. Und kann ja kaum erwarten, dass Menschen, die noch nie andere Länder bereist haben, wissen, wo Nordrhein-Westfalen liegt, und was heißt das schon, selbst, wenn man es gekannt hätte. Man hätte wahrscheinlich mehr Bezug zu dem Leiden, soweit das eben möglich ist. Als die Leichen an den Ufern des (einst) als heilig gerühmten Ganges sich häuften, weil automatisch der Wucher mit den Holzpreisen anstieg, da war ein Teil meiner Trauer allerdings schon, dass ich den Fluss oft erlebt habe, und das lebendige Treiben an seinen bzw. ihren Ufern, den Ufern der Ganga also. Das war in der Tat ein Highlight, in dieser kraftvollen Flut ein eisgekühltes, höchst erfrischendes Bad zu nehmen, mit einer Hand die Kette festhaltend, damit man nicht mitgerissen wird. Oder oben auf dem Weg nach Gangotrie, an der Quelle dieses berühmten Flusses, auf einem der gigantischen Felsenmassen herumsitzen oder liegen, und dem tosenden Rauschen zuhören, wenn man nicht gerade Steine sammelt oder Chai trinken möchte. Und klar war das eine Trauer, die mitschwang, dass da etwas verloren geht, ja, förmlich stirbt, was man geliebt hat. Ich habe das einige (wenige) Male erlebt, dass etwas weiterging, nachdem es vernichtet wurde als das, was es war. Wer hätte gedacht, dass man sich selbst aus einem Höllenschlund wie dem Dritten Reich wieder herauslösen kann, wobei wir sehen, dass der Höllenhund immer noch wach ist, auch wenn gebannt, bzw. überwacht wird. Doch ist es auch immer wieder einigen gelungen, ein neues Leben zu beginnen, nachdem das alte zerstört wurde. Doch obwohl die Gefahr oder die Möglichkeit jederzeit da ist, möchte natürlich niemand davon betroffen sein. Der Schrecken über das Unheil anderer und die Erleichterung, dass man noch mal selbst entkommen ist, bewegt sicherlich einige der freiwilligen HelferInnen, die in solchen Situationen wie Schutzengel aus allen Richtungen herbeieilen, um Hilfe zur Verfügung zu stellen. So findet das Untröstliche zumindest seine Trostpflaster, und zuweilen gibt es sogar ein Erwachen im Angesicht des Unabwendbaren. Das macht doch die schlechten wie die guten Filme aus, dass es uns interessiert, wie Andere mit dem scheinbar Unvermeidbaren umgehen. Und welches System hält den krassesten Krisen stand, und welches bricht endgültig zusammen unter dem Zuviel der Belastungen. Auf der anderen Seite hilft es nichts, darüber zu viel nachzudenken, nachdem man einige Grundeinstellungen geklärt hat, denn wie stets wissen wir nicht, was kommt, sondern können uns nur selbst instand halten. Interessanter Begriff: instand halten.