verziehen

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Auch der Monsoon, der sich gerade hierzulande durchsetzt, kann förderlich sein für bestimmte Gedanken. Es nutzt nichts, wenn man ständig an die Sonne denkt, die ja nicht da ist, was natürlich viele Menschen nun wieder in den Süden treibt, wo es mehr von dem Ersehnten gibt. Aber wie (auch noch einmal zu mir selbst) gesagt, kann Akzeptanz des Daseienden zu einer gewissen Befreiung führen, die einem wiederum ermöglicht, schöpferisch an das jeweilig Erlebte heranzugehen. Natürlich wäre es selbst in bester Gesellschaft nicht angenehm, vom Aqua Planing davongetragen zu werden, doch günstigerweise kann man noch vorher abbiegen und irgendwo einkehren, wo natürlich alles dann als wohltuend empfunden werden wird, denn man kann jetzt von innen besser nach außen sehen und sich neben erwärmenden Gesprächen sogar am Prasseln erfreuen. Nun geht das Regnen zuweilen einfach weiter und hört am nächsten Morgen nicht auf und wird schon für abends wieder angekündigt. Da ist es dann besser zu bedenken, was sich am besten eignen könnte für die auftauchenden Befindlichkeiten. Wenn die inneren Quellen gerade nichts von sich geben, kann man den Blick etwas schweifen lassen, denn siehe, überall ist Quelle, und da steht tatsächlich mit meiner Handschrift auf einem Briefumschlag den offenbar einmal herangeholten Satz „kein Herz auf der Zunge“. Das verblüfft mich, dass ich das wohl neulich mal mit mir verbunden habe. Ja habe ich denn etwa kein Herz auf der Zunge, oder will ich jetzt plötzlich dort eins haben? Da fällt mir natürlich ein, dass ich auch den Begriff „Schmetterlinge im Bauch“ nie mit mir verbinden konnte. „Wie?, erkundigte sich einst eine Frau, „kein Kribbeln und Krabbeln?“Ich musste verneinen und bin grundsätzlich gegen Missbrauch von Tieren, deren Symbolik man sich bedient, ohne dadurch Mensch und Tier gerecht zu werden zu können. Vielleicht geht es mir auch mit dem Herzen so, dass ich es vielleicht lieber d a platziert sehe, wo es sich am wohlsten fühlt, denn die Zunge ist selten genug ein geschützter Ort, wo sich das Herz niederlassen kann, denn es neigt ja gleichermaßen zu Hochstimmungen als auch zu Erschöpfungen. Die Zunge selbst braucht ja schon Hüter und Hüterinnen, die können nicht gleichzeitig auf das Wohlbefindes des Herzens achten. Da ich mich vermutlich gerade in der Praxis bewege, mich selbst in Laune zu halten, fällt mir dazu nun ein sehr gelungener Scherz ein, der mir vermittelt wurde und über den ich auch jetzt noch lachen kann, deswegen erzähle ich ihn gerne, und er beginnt mit einer spannenden Frage, und zwar: „Warum ist ein Baby kein Mörder?“ Am liebsten würde ich natürlich jetzt warten können, bis aus allen Gegenden der Welt die Antworten dazu eintrudeln. Der Gewinner oder die Gewinnerin könnte dann ein Geschenk erhalten, das wirklich jedem Geschmack entsprechen können würde (zum Beispiel ein Körbchen Vegankost (?)), aber ich weiß, dafür haben wir jetzt alle keine Zeit, denn der D-Mutant ist im Anmarsch, und verständlicherweise wollen, wie schon oben erwähnt, die meisten noch irgendwo etwas Sonne tanken, die ja bekanntlich von ihrem Trabanten, dem Schatten, begleitet wird. Und deshalb bin ich bereit, die Antwort auf die Frage hier zu veröffentlichen in sinnverbundenem Zusammenhang, also: „Ein Baby ist deshalb kein Mörder, weil es noch kein Messer halten kann!“ Man spürt förmlich die bestürzende Tiefe, zu der das Licht der Erkenntnis vordringt. Und schon hat sich der Regen verzogen.

 

*In einem Kunstwerk des Museums Abteiberg (M.-Gl.) gespiegelt.


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