Die Theorie und Praxis des sogenannten „Hier und Jetzt“ erzeugt vor allem an d e m Punkt eine Wirkung im Inneren, wenn man tatsächlich versteht, dass der lebendige Moment, gerne von mir „der Nu“ genannt, der einzige Zeitraum ist, in dem man aktiv anwesend sein kann und von d e m Ausdruck geben, was sich in einem bewegt. Alles andere unterliegt der Täuschung, weil das Illusionäre und Flüchtige des Vorgangs, in dem jeder Einzelne sich bewegt, keinerlei Garantie birgt für Bestand oder Sicherheit, denn es unterliegt keiner Kontrolle, mag das auch immer wieder so empfunden werden. An bestimmten Politikern, die sich gnadenlos an ihren Sitzen festkrallen, kann man natürlich auch studieren, wie eine mit ungeheurem Kraftaufwand betriebene Ichsucht eine gewisse Vorhersehbarkeit hervorzubringen vermag, denn man kann in der Tat die Matrix und ihre Gesetze bezwingen, wenn man bereit ist, den angemessenen Preis dafür zu zahlen. Überall, wo etwas, das als das Fließende erkannt wird, zum Stocken gebracht wird, gibt es Stau, der wiederum neue Lösungen fordert. Oder gar keine mehr zulässt, das dauert oft lange. Solange sich auf der Autobahn (z.B.) die Schlange noch ein bisschen bewegt, bleibt man zwar angespannt, aber zuversichtlich, dass man weiterkommt. Kommt es aber zum Halt und nichts bewegt sich mehr, dann bleibt einem nichts anderes übrig, oder vielmehr ist es günstig, die Lage vorerst als das, was sie ist, zu akzeptieren. Oft passieren ja Dinge, die keiner vorhersehen kann. Vielleicht ist wegen der notwendigen Akzeptanz in ein paar hundert Autos plötzlich eine geistige Raumlücke entstanden, durch die Beweglichkeit wieder in Gang kommt. Ich meine das ganz praktisch, weil es ziemlich unerforscht bleibt, wie so manche Ballung sich plötzlich auflöst. Man sucht vergebens nach der Unfallstelle, aber es gab gar keine. Natürlich weisen Statistiken und Forschungen und geistige Praktiken auf Möglichkeiten hin, mit dem Ungewissen angemessen umzugehen, da es sich als einzige Freiheit herausstellt. Eben der ständige Umgang mit dem Ungewissen. Um mich also zurecht zu finden im Chaos des Lebendigen, bleibt mir vor allem die Schulung, die ich mir selbst zukommen lasse, damit ich von mir und auch den Anderen lernen kann, wie man umgeht mit dem letztendlich nicht Begreifbaren. Daher die unterhaltende und unermüdliche Emsigkeit des Verstehenwollens, die ja immerhin den Vorteil hat, dass man sich das allerortens und zu allen Zeiten Beschriebene und Erklärte zu Gemüte führen kann. Zumindest so lange, bis man sich selbst zutraut, d a s zu sehen, was man sieht, und sich von dem, was man denkt, nicht zu solch einem Ausmaß ablenken lässt, dass die Ablenkung beginnt, einen zu steuern. Auch Vortäuschung kann hilfreich sein, weil sie automatisch zur Enttäuschung führt, also zur Erkenntnis, dass etwas ganz anders war oder ist, als man dachte. Oder man schaut sich mal wieder mit der dazugehörigen Faszination eine Meisterschachpartie an. In der Atmosphäre kein Hauch, nur ein hoher Grad von besessener Konzentration, die sich ohne Garantie, aber mit hohem Wahrscheinlichkeitsgrad in eiskalte Zukunftsvariationen wagt, in denen das Gegenüber seine eigenen Konstrukte beherrscht und kaltblütig einsetzt. Hochspannend war es (vor einigen Jahren), den indischen Schachweltmeister Vishwanathan Anand mit einem der berühmten Russen spielen zu sehen. Der indische Geist beherbergt immenses Chaos mit beeindruckenden Ordnungen, die schon dem Kind vermittelt werden, damit es in den ständigen Katastrophen überleben kann. Er wirkte auf jeden Fall bei aller Konzentration wesentlich entspannter als der russische Gegner, und natürlich ahnt bis heute keiner, wie irgend jemand etwas macht, was man sich nicht vorstellen kann. Kann man sich aber einmal vorstellen oder gar mitbekommen, wie es bei einem selbst ist, dann wird es mit der Zeit schon etwas leichter zu sehen, was direkt vor einem ist oder stattfindet. Man hat ja nur sich selbst, um die Nus, die einem permanent entgegen strömen, auf s o eine Weise zu handhaben, dass sie einen nicht unglücklich machen. Zumindest da, wo man sich noch frei entscheiden kann.