Irgendwann habe ich es mir abgewöhnt, auf die Frage, wie es mir geht, entweder mit der generell angewandten Methode der Oberflächlichkeit zu antworten oder mit der Gegenfrage, was denn damit gemeint sei. Alle Worte können als etwas Voranschiebendes dienen, einen Zugang darstellen zum Irgendwas oder Irgendwem, oder ganz bewusst eingesetzt werden als Hauptinstrumentarium der Verständigung unter menschlichen Wesen. Sich selbst zu fragen, wie es einem geht, klingt erst einmal genauso einfach, bringt aber schnell in die staunenswerte Wahrnehmung, dass man oft gar nicht bewusst weiß, wie es einem geht. Das hat seine Logik, da man sich ja nicht ständig in diesem Dialog mit sich selbst befindet. Um eine ernst gemeinte Antwort erhalten zu wollen auf diese Frage nach der eigenen momentanen Befindlichkeit, muss ich innehalten und hineinschauen, was da so alles gerade vorhanden ist. Oft werden wir nur durch den Austausch mit Anderen darüber bewusst über unseren Befindlichkeit, und oft genug heften wir sie auch an den Augenblick, sodass er davon getüncht wird. Wie geht es mir?, ist eine schwer zu beantwortende Frage, außer vielleicht in den raren Momenten, in dem eine Form der reinen Freude sich Bahn bricht, denn das ist einfacher zu beantworten als z.B. ‚mir geht’s gerade gar nicht so gut‘, denn da hört die Antwort nicht auf, weil sich im Schatten des Unwohlseins etwas verbirgt, was zu enthüllen wäre. Und, habe ich mich gefragt, kann ich wirklich wählen zwischen zwei vollkommen unterschiedlichen Befindlichkeiten wie zum Beispiel die tief in mein Inneres sinkende Traurigkeit über das Indien, das ich gerade verliere, weil da (endlich) die unheimliche Mystik des kollektiven Bewusstseins, das von einem Götterolymp aus regiert wurde, zusammenbricht unter der Last einer nicht mehr zu verbergenden Realität, und auf der anderen Seite mein eigenes, ganz persönliches Sein, das stattfindet unter einem guten Stern, der Teil einer natürlichen Konstellation ist. Also Raum muss sein für den Schatten, denn die Finsternis ist immer da, und ja, ist die Quelle des Lichtes, denn sonst könnte man es gar nicht sehen, das Belichtete, das Wertgeschätzte, das Gelungene. Und so kann man vielem ausweichen, aber nicht der Frage, wie es einem eigentlich geht, und schon sieht man vor dem Auge die Säulen von Delphi mit der zeitlosen Frage ins Nichts gemeißelt, denn wie kann ich wissen, wie es mir geht, wenn ich nicht weiß, wer ich bin. Bin ich aber bei mir angekommen, durch welchen Vorgang auch immer, ist die Wahrnehmung meiner Befindlichkeit gewährleistet und tritt von selbst aus der Reihe vorrangiger Themen. An diesem Punkt schaltet sich wie automatisch die Selbstkorrektur ein, das Polieren, das Entstauben, das Lassen undsoweiter. Das Denken, irgend jemand außer mir selbst sei verantwortlich für meine Existenz, als könnte das sein. Hier wird auch das Spiel und seine angelegten Ordnungen erst verstanden, denn fügen muss sich der nach vollkommener Freiheit lechzende Geist einer noch größeren Freiheit, vergleichbar den Galaxien, die nicht nur kein menschliches Auge je gesehen hat, sondern sie sind schlicht und einfach das für den Menschen Unerreichbare. Doch haben wir das Glück, uns selbst erreichen zu können, und von da sieht das Ganze schon anders aus. Wenn die Begrenzung akzeptiert wird, öffnet sich genau das Wesen des Ungewissen, und auf geht’s ins lebendige Abenteuer, Lockdown or not Lockdown.