Seit vielen Jahren kenne ich dieses Herumrätseln, alleine oder mit Anderen, über unsere Zeit, und man konnte stets diese zwei Meinungen vorfinden, nämlich, dass es „schon immer so war“, oder dass es eine „ganz besondere Zeit“ ist, in der Dinge geschehen, die wir alle aus der Menschheitsgeschichte (noch) nicht kennen. Wir wissen auch von fernen und versunkenen Kulturen, in denen eine hohe Form meisterhafter Technik existierte, also das digitale Zeitalter, das jetzt die Gesellschaft beherrscht, bzw beschäftigt, auch nur eine weitere Entwicklung der Dinge ist, wie sie sich eben jedem Menschen in der eigenen Lebenszeit anbietet. Auffallend ist auf jeden Fall, dass das ganze Menschheitsgebilde eine Neigung zum Mehr hat, immer mehr, mehr Menschen, mehr Autos, mehr Gewalt usw., sodass eher die Frage auftaucht, wie dieser ganze Aufschwung zu dämmen und zu ordnen ist. Da es aber gleichzeitig eine starke Neigung hin zur Ich-Erfüllung gibt, werden die Kommunikationswege immer isolierter, auch wenn es aussieht wie das Gegenteil. Es sieht auch so aus, als hätten die meisten Menschen, vor allem im Westen, grenzenlose Kostümfreiheit. Wer kann sich hier noch wundern? Was wundert, ist, dass auch hier nicht wirklich Individualität auftaucht, sondern eher eine perfekte Gleichstellung mit wilden Stammeszeichen -und ritualen. In manchen Kulturen, Indien zum Beispiel, dient das Selfie als Erkennungsmarke eigener Ich-Wahrnehmung. Es kann ein Übergang sein oder eine Sucht werden, das hängt von vielen Faktoren ab. Weil es dieses unendlich erscheinende Viel gibt, taucht gleichzeitig und der kosmischen Logik folgend, das Gegengewicht auf, nämlich die Kernfragen wie: wer bin ich eigentlich. Das war mal eine Frage, die geistig hoch angelegt war, denn die Antwort ist schwierig macht viel Arbeit, ist also zeitaufwendig. Aber die Antworten werden nun von Einzelnen gebraucht, denn es muss dringend entschieden werden in jedem einzelnen Leben, ob ich die Welt sehe als eine Art Mutterbrust, an der ich zu saugen berechtigt bin bis an das Grab, so als hätte es sich als menschlich förderlich erwiesen, den Reifeprozess zu überspringen, und so als wäre ich irgendwo stecken geblieben, wo es nichts anderes zu geben scheint als das Recht der persönlichen Sättigung. Wann ist ein Mensch satt? Wann tritt Übersättigung ein? Von unserer eigenen Kultur kennen wir es doch: wenn alles da ist, was der Mensch braucht und was er sich überhaupt vorstellen kann, dann erst wird ja klar, dass man die Verantwortung für die Grenzsetzung selber hat. Ich nenne das meistens „Konturen“ statt Grenzen, weil es beweglicher ist. Wann wird etwas zu etwas anderem? Wann und wie hat das angefangen, dass aus deutschen Bürgern, die sich sicher alle für brav hielten, kalte und hemmungslose Mörder wurden. Ja, nicht alle, aber viel zu viele.Wussten sie von diesen Trieben, bevor sie jemand für geeignet hielt, unsagbare Pflichten auszuüben, so als gäbe es keinen humanen Gradmesser mehr. Genau an solchen Punkten der Irrnis und Wirrnis, wenn man müde wird, der politischen Clownerie zuzuschauen, und auch selbst keine durchschlagenden Lösungen parat hat, fällt mir der indische Vorschlag ein für diese Zeit. Für sie ist die Zeit ja ein Rad, ein Kreislauf, in dem verschiedene Zeiten immer wiederkehren, und für diese hier sagt man: schau dich selbst an. Jede/r kann sich selbst anschauen, das ist kein Geheimnis mehr. Ob ich das in Anspruch nehme, hängt von mir ab. Obwohl es oft nicht so aussieht, haben wir doch alle einen gewissen Radius der Handelsfreiheit zur Verfügung. Es kommt nur darauf an, wohin ich meine Aufmerksamkeit lenke, wie ich mit meinem Energiehaushalt umgehe, und dass ich möglichst wenig Schaden anrichte, bzw merke, wenn ich es tue. Und dann natürlich (psst! das verborgene Thema Liebe), denn daran hängt wiederum der Humor, und ohne Humor und ohne herzliches Lachen, o nein, das wäre zu schrecklich! Schließlich sitzen wir alle gemeinsam im Hörsaal der Menschwerdung, und noch trägt keiner die erhabene Zaubermütze.