Es ist ja nicht so, als wenn es in der Anforderung des Zelebrierens eine Pause gäbe, nein, es geht munter weiter. Man möchte mal schnell bei Govinda eine Milch kaufen und prallt auf die Götterprozession, die sich millimeterweise durch die engen Gassen jongliert. Aha!, wieder „Savari“ (Prozession der Götter), denkt es automatisch in mir, und da stehe ich am Wegrand und bin, als quasi Einheimische, nun plötzlich und zufällig ins grelle Licht der Lampenträger getaucht, damit beschäftigt, meinen Gesichtsausdruck im Zaum zu halten. Vor etlichen Jahren gab es hier einmal eine längere Phase, in der man überall Gemälde von Salvador Dali sehen konnte, was ein wahrer Herzensgenuss für mich war. Gut, die Bilder waren locker kopiert mit dem berühmten Kopier-Genius der Inder und wurden rasend abgekauft von Israelis, aber Dali war präsent im Dorf. Ein Maler hatte Teetassen im Haus, auf deren Boden, wenn man ausgetrunken hatte, ein Portrait von Dali sichtbar wurde. Da passte was zusammen, auch wenn es nicht reflektiert wurde als solches. Bei der nun laufenden „Savari“ musste ich auch früher schon immer mal an Dali denken und wie vielleicht er, obwohl sie in Spanien auch genug von diesen Umzügen haben, doch vielleicht verblüfft und angeregt gewesen wäre, diese Darbietung hier zu sehen. Verblüffend sind mehr die Dinge, auf die man wegen der Hauptshow erst wenig achtet, und wenn dann der leicht angewiderte Blick sich trennt von den feisten, in jeder Hinsicht öligen Brahmanenpriestern, die auf die Menge schauen, als wuselten da ein paar niedrige Insektenformen, ja, wenn der Blick also zu wandern beginnt, sieht man zum Beispiel den Mann, der immer hochkonzentriert mitläuft mit einer sehr langen Holzstange, auf der an der Spitze ein waagrechtes Brett angebracht ist, mit dem er die überall h herunterhängenden Stromleitungen in die Höhe hievt, sodass das ganze leuchtende Götterspiel unbeschadet durch die Gegend kommt. Oder man sieht gleich hinter der hohen Karosse schwer vergiftete Männer für 100 Rupien am Tag unter der Schwerarbeit keuchen, die Dieselmaschinen, die die extravagante Beleuchtung ermöglichen, hinter dem Ganzen herzuschieben. Das kann ich dann kaum mehr ertragen und bin schnell weg, weil hier der Widerstand bei all den gefalteten Händen nicht nur zwecklos ist, sondern schädlich. Morgens so um 6 Uhr rum hört man ein rasant schnelles Traben und wenn man es einmal gesehen hat, weiß man, dass da ein Gott in einer Sänfte durch die Gegend gerannt wird von zwei Männern, ein andrer hält mühsam eine brennende Fackel beim Rennen, ein noch andrer einen riesigen Schirm, wie man ihn auf meinem Photo sehen kann. Sie rennen zur Treppe eines Tores und halten keine Sekunde an, sondern weg sind sie wieder. Ich muss heute unbedingt mal fragen, warum die rennen müssen. Eine schöne Frage: wer hat diese Rennerei befohlen, mmmhhhhh!? Aber Kaaalimaaa, nun bist du schon tausend Jahre hier und weißt immer noch nicht, dass es der Gott morgens sehr eilig hat!!?? (Viel zu tun!) Gut, das alles dauert ein paar Tage und steigert sich am sechsten. Alle, die freiwillig teilnehmen oder darin gefangen werden, holen den andächtigen Blick aus sich heraus. Ist ja alles da. Zeitlos geübt, fraglos ausgeübt. Religion, die mächtige Volkskontrolltechnik. Noch hat sich nicht gezeigt, was besser funktionieren könnte, aber, das kann ich mit einiger Sicherheit sagen, in den einzelnen Individuen gibt es Bewegung.